Baurecht

Übergang der Milchquote nach Kündigung eines Landpachtvertrags

Aktenzeichen  21 B 17.1314

Datum:
18.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 3751
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VO (EG) 1234/2007 Art. 74 Abs. 1
VO (EU) 1308/2013 Art. 230 Abs. 1a
MilchquotV § 48 Abs. 1 S. 1, Abs. 3
MGV § 7 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Für den Übergang der Milchquote nach Beendigung des Pachtvertrags ist nicht auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der Pächter das landwirtschaftliche Anwesen an den Verpächter geräumt herauszugeben hatte, sondern maßgebend ist vielmehr der tatsächliche Besitzübergang. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Behält der Pächter den Besitz am Betrieb, so verbleibt die Milchquote (Referenzmenge) beim unmittelbaren Besitzer des Betriebs, dem Pächter. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für das öffentliche Recht ist eine Verletzung zivilrechtlicher Pflichten ohne Belang. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 7 K 14.1442 2015-06-18 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 18. Juni 2015 wird der Bescheid des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten … vom 28. Juli 2014 aufgehoben.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Von den Kosten des ersten Rechtszugs haben der Beklagte und die Beigeladene je 3/8 zu tragen; der Kläger hat 1/4 der Kosten sowie 1/4 der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Beklagte 3/4 und der Kläger 1/4 zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrags oder durch Hinterlegung abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1. Die zulässige Berufung, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO), ist nur zum Teil begründet.
Sie hat Erfolg, soweit sich der Kläger gegen den Bescheid des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten … vom 28. Juli 2014 wendet. Das Verwaltungsgericht hat die dagegen gerichtete Anfechtungsklage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger dadurch in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Er bescheinigt rechtsfehlerhaft, dass zum 1. Oktober 2013 und zum 1. April 2014 jeweils eine Milchanlieferungsquote von 47.865 kg gemäß § 48 Abs. 3 Milchquotenverordnung vom Kläger auf die Beigeladene übergegangen ist. Ein Übergang der Milchquote trat zu den im Bescheid angeführten Zeitpunkten nicht ein, weil es an der dafür nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Milch-Garantiemengen-Verordnung erforderlichen Rückgewähr des verpachteten Betriebs an die Beigeladene fehlte (1.1). Demgegenüber ist die Berufung unbegründet, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass von ihm keine Anlieferungsquote gemäß Milchquotenverordnung auf die Beigeladene übergegangen ist. Dem Kläger fehlt das dafür erforderliche Feststellungsinteresse (1.2).
1.1 Der angefochtene Bescheid vom 28. Juli 2014 bescheinigt zu Unrecht, dass zum 1. Oktober 2013 und zum 1. April 2014 Milchquoten auf die Beigeladene übergegangen sind. Er stützt sich auf § 48 Abs. 3 Milchquotenverordnung in der für den maßgebenden Zeitpunkt des bescheinigten Quotenübergangs geltenden Fassung vom 3. Mai 2011 (MilchquotV).
Nach § 48 Abs. 3 Satz 1 MilchquotV gehen die entsprechenden Quoten auf den Verpächter – hier die Beigeladene – über, wenn ein in Absatz 1 der Vorschrift genannter Pachtvertrag mit Ablauf des 31. März 2000 oder später beendet wird, wobei die Festlegung der übergehenden Quote gemäß § 48 Abs. 3 Satz 2 MilchquotV unter Berücksichtigung des § 7 Abs. 1 der Milch-Garantiemengen-Verordnung in der Fassung der dreiunddreißigsten Verordnung zur Änderung der Milch-Garantiemengen-Verordnung vom 25. März 1996 (BGBl. I S. 535 – MGV) erfolgt. Gemäß § 7 Abs. 1 MGV geht die dem Betrieb entsprechende Referenzmenge (Milchquote) auf den Verpächter über, wenn ein gesamter Betrieb auf Grund eines Pachtvertrags zurückgewährt wird.
Vorliegend bestand zwar zwischen dem Kläger und der Beigeladenen ein Pachtvertrag im Sinn des § 48 Abs. 1 Satz 1 MilchquotV, der mit Ablauf des 31. März 2000 bzw. später beendet wurde (1.1.1). Allerdings fehlt es nach Beendigung des Pachtvertrags an der für einen Übergang der Milchquote auf die Beigeladene an der nach § 48 Abs. 3 Satz 2 MilchquotV, § 7 Abs. 1 MGV erforderlichen Rückgewähr des verpachteten landwirtschaftlichen Betriebs an die Beigeladene (1.1.2).
1.1.1 § 48 Abs. 1 Satz 1 MilchquotV erfasst Pachtverträge, die Quoten nach § 7 MVG betreffen und vor dem 1. April 2000 geschlossen worden sind. Beides ist hier zwischen den Beteiligten unstreitig gegeben. Der Pachtvertrag wurde zwischen den Rechtsvorgängern der Beigeladenen und dem Kläger am 25. Oktober 1993 geschlossen. Verpachtet wurde der landwirtschaftliche Betrieb der Eltern des Klägers (Verpächter), wobei ausdrücklich darauf verwiesen wurde, dass das „Milchlieferrecht“ mitüberlassen ist (§ 1 des Pachtvertrags). Das Pachtverhältnis endete nach § 2 des Pachtvertrags am 31. Oktober 2002 und damit wie von § 48 Abs. 3 Satz 1 MilchquotV vorausgesetzt nach Ablauf des 31. März 2000. Unschädlich ist damit, dass der Pachtvertrag nach dem vertraglich vereinbarten Ablauf entgegen Art. 48 Abs. 1 Satz 1 MilchquotV nicht schriftlich, sondern lediglich aufgrund mündlicher Vereinbarung verlängert wurde.
1.1.2 Für den mit dem angefochtenen Bescheid bescheinigten Übergang der Milchquote nach Beendigung des Pachtvertrags ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der Kläger das landwirtschaftliche Anwesen nach dem gerichtlichen Vergleich vom 12. August 2013 an die Beigeladene geräumt herauszugeben hatte (30.9.2013). Maßgebend ist vielmehr der tatsächliche Besitzübergang, der im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 18. Juni 2015 ausweislich des Inhalts des Sitzungsprotokolls nach übereinstimmender Erklärung der Beteiligten noch nicht eingetreten war.
Der Gemeinschaftsgesetzgeber wollte die Milchquote (Referenzmenge) nach Ablauf eines Pachtverhältnisses grundsätzlich dem Verpächter zukommen lassen, der wieder die Verfügungsgewalt über den Betrieb erlangt (vgl. BVerwG, U.v. 7.9.1992 – 3 C 23.89 – juris Rn. 33). Nach Art. 74 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1234/2007 des Rates vom 22. Oktober 2007 werden bei Verkauf, Verpachtung, Vererbung, vorweggenommener Erbfolge oder einer anderen Übertragung mit vergleichbaren rechtlichen Wirkungen für die Erzeuger einzelbetriebliche Quoten nach den näheren Bestimmungen, die von den Mitgliedstaaten festgelegt werden, mit dem Betrieb auf die Erzeuger übertragen, die den Betrieb übernehmen. Jedoch werden die betreffenden einzelbetrieblichen Quoten nach Art. 7 Abs. 4 der genannten Verordnung für den Fall, dass bei Beendigung von Verpachtungen eine Verlängerung zu gleichartigen Bedingungen nicht möglich ist, nach von den Mitgliedstaaten festgelegten Bestimmungen unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Parteien ganz oder teilweise auf die Erzeuger übertragen, die diese Quoten übernehmen. Eine Gesamtbetrachtung der angeführten Vorschriften lässt erkennen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber die Milchquote (Referenzmenge) – vorbehaltlich der Befugnis der Mitgliedstaaten, diese ganz oder zum Teil dem ausscheidenden Pächter zuzuteilen – nach Ablauf des Pachtverhältnisses grundsätzlich dem Verpächter zukommen lassen wollte, der wieder die Verfügungsgewalt über den Betrieb erlangt. Mit der Übertragung eines Betriebs bei der Begründung eines Pachtverhältnisses und der Rückgewähr eines verpachteten Betriebs ist jeweils ein Wechsel des Besitzes an den fraglichen Produktionseinheiten verbunden (so EuGH, U.v. 13.7.1989 – 5.88 – juris zur vergleichbaren Vorschrift des Art. 7 VO (EG) Nr. 857/84 i.d.F. der VO Nr. 590/85 des Rates vom 26.2.1985). Dementsprechend bewirkt der bloße Ablauf des Pachtvertrags keinen Übergang der Milchquote, wenn der bisherige Pächter – wie hier – dem Verpächter den unmittelbaren Besitz der Pachtsache vorenthält. Behält der Pächter den Besitz am Betrieb, so verbleibt die Milchquote (Referenzmenge) beim unmittelbaren Besitzer des Betriebs, dem Pächter. (vgl. BVerwG, U.v. 1.9.1994 – 3 C 1.92 – juris Rn. 57). Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger die im gerichtlichen Vergleich vom 12. August 2013 vereinbarte Räumungsfrist unbeachtet ließ und sich so faktisch Pächterschutz im Sinn des § 49 MilchquotV verschaffte. Insoweit mögen zivilrechtliche Ansprüche der Beigeladenen gegen den Kläger bestehen. Für das öffentliche Recht ist eine Verletzung zivilrechtlicher Pflichten des Klägers aber ohne Belang (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.2005 – 3 C 18.04 – juris Rn. 25).
1.2 Die Berufung ist unbegründet, soweit der Kläger seinen Feststellungsantrag weiter verfolgt. Dem Kläger fehlt das dafür erforderliche Feststellungsinteresse. Der Kläger bedarf nicht der begehrten Feststellung, dass eine Anlieferungsquote gemäß Milchquotenverordnung nicht von ihm auf die Beigeladene übergegangen ist. Er muss nicht befürchten, dass der Beklagte eine dem Feststellungsbegehren zuwiderlaufenden Übergang der Milchquote bescheinigt.
Mit der erfolgreichen Anfechtungsklage geht die gerichtliche Feststellung einher, dass die Bescheinigung über die Rückgewähr einer Anlieferungsquote vom 28. Juli 2014 rechtswidrig ist (vgl. BVerwG, U.v. 22.9.2016 – 2 C 17.15 – juris Rn. 11). Das führt dazu, dass der Beklagte aufgrund rechtsstaatlicher Bindung (Art. 20 Abs. 3 GG, § 121 VwGO) nur bei einer veränderten Sach- und Rechtslage erneut einen Übergang der Milchquote vom Kläger auf die Beigeladene bescheinigen dürfte (vgl. Kilian/Hissnauer in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 121 Rn. 78). Eine insoweit entscheidungserhebliche Veränderung der Sach- und Rechtslage ist aber nicht zu erwarten. Einerseits sind Milcherzeuger seit dem 1. April 2015 nicht mehr an ein Mengenkontingent gebunden, denn der Unionsgesetzgeber hat die das System der Milchproduktionsregulierung regelnden Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 zum 31. März 2015 ersatzlos aufgehoben (Art. 230 Abs. 1 Buchst. a VO (EU) Nr. 1308/2013 des Rates). Andererseits hat die Vertreterin des Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 18. Juni 2015 eingeräumt, dass der Kläger das gepachtete Anwesen nach wie vor bewirtschaftet und damit der Besitz des landwirtschaftlichen Betriebs (noch) nicht auf die Beigeladene übergegangen ist.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 159 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Es entspricht der Billigkeit, dem Kläger die der Beigeladenen im ersten Rechtszug entstandenen außergerichtlichen Kosten wie geschehen aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Beigeladene hat einen Sachantrag gestellt und ist damit wegen § 154 Abs. 3 VwGO ein Kostenrisiko eingegangen. Demgegenüber hat die Beigeladene im Berufungsverfahren entstandene außergerichtliche Kosten selbst zu tragen (§ 162 Abs. 3 VwGO). Sie hat im Rechtsmittelverfahren weder einen Sachantrag gestellt noch das Verfahren durch eigenen Tatsachen- oder Rechtsvortrag wesentlich gefördert.
3. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
4. Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.


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