Baurecht

Umfang der Prüfungspflicht des Architekten bei Fachplanungen

Aktenzeichen  54 O 3945/18

Datum:
15.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 30181
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 280 Abs. 1, § 631 Abs. 1, 633 Abs. 1, Abs. 2, 634 Nr. 4

 

Leitsatz

1. Grundsätzlich lässt allein die Tatsache, dass ein Fachplaner Leistungen erbringt, die Verantwortlichkeit des objektplanenden und mit der Objektüberwachung beauftragten Architekten nicht entfallen. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der mit der Einhaltung einer Kostenobergrenze bauftragte Architekt übernimmt keine Verantwortung für ein vom Bauunternehmer erstelltes und nicht zum Planungsumfang des Architekten gehörendes Leistungsverzeichnis und die diesem zugrunde liegende Planung, wenn er die Ausschreibungsunterlagen des Bauunternehmers kostenmäßig überprüft. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 63.525,34 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Ein Anspruch auf Schadensersatz steht dem Kläger nicht zu, da die von der Beklagten erbrachte Leistung im Hinblick auf den hier eingetretenen Schaden nicht mangelhaft war (§ 631, 633, 634 Nr. 4, 280 BGB).
1. Zwischen den Parteien ist ein Architektenvertrag zustande gekommen. Dieser beinhaltete eine stufenweise Beauftragung der Leistungsphasen 1 bis 8. Ausweislich § 1 des Vertrages wurde die Beklagte mit der Objektplanung für das Gebäude selbst beauftragt. Wie sich aus § 4 des Vertrages ergibt, waren Planungsleistungen für das Elektrogewerk nicht von der Beklagten, sondern vom Ingenieurbüro G. zu erbringen. Auch Erschließungsmaßnahmen waren ausweislich Ziffer 1.4 des Vertrages nicht von der Beklagten zu erbringen. Die entsprechende Fachplanung für das Elektrogewerk schuldete daher nicht die Beklagte, sondern das Ingenieurbüro G.. § 4 des Vertrages hat allerdings der Beklagten eine Abstimmungs- und Einarbeitungsverpflichtung der Planungen der anderweitig fachlich beauftragten Planer auferlegt. Auch aus Ziffer 2.2 der AVB und Ziffer 8.2 der ZVB ergibt sich nichts anderes. Gemeint ist damit eine Koordinierungspflicht der von anderen Fachplanern erbrachten Planungen.
Damit einhergehend schuldete die Beklagte grundsätzlich auch keine Bauüberwachung hinsichtlich des Elektrogewerks.
2. Ausgehend davon liegt ein Mangel oder eine Pflichtverletzung hinsichtlich der Leistungen der Beklagten nicht vor.
a) Die eigene Objektplanung ist nicht mangelhaft. Wie sich aus Anlage K 12, dem Gutachten des vom Kläger beauftragen Sachverständigen E., und seiner Aussage in der Verhandlung vom 09.10.2019 ergibt, dringt das Wasser von außen über den Kabelschacht und die Leerrohre ins Gebäude ein. Die Durchführungen durch die Kellerwand selber sind nicht der Grund für das Eindringen von Wasser, da diese bereits, wie sich aus der Aussage des Zeugen E. und Bild 48/49 des Gutachtens (Seite 31 von Anlage K 12) ergibt, mit Doyma-Dichtungen abgedichtet sind. Daraus folgt, dass das Wasser jedenfalls nicht aus dem Grenzbereich zwischen Kelleraußenwand und Leerrohr, also durch die Durchführung selber herrühren kann, sondern durch die Leerrohre in das Gebäude eindringen muss. Etwas Gegenteiliges hat auch der Zeuge E. nicht festgestellt. Eine dahingehende Fehlplanung oder Fehlüberwachung der Beklagten, welche die Objektplanung der Beklagten betrifft, trägt der Kläger im Übrigen auch nicht vor.
b) Auch eine Pflichtverletzung hinsichtlich der aus § 4 des Vertrages resultierenden Koordinierungsleistung der Beklagten liegt nicht vor.
Insbesondere ist die Beklagte nicht dafür verantwortlich, dass nach dem Vortrag des Klägers das Ingenieurbüro G. gar keine Planung bezüglich des Kabelschachts und der Kabeltrasse erbracht hat. Eine Überwachung der anderen fachlichen Beteiligten schuldete die Beklagte gerade nicht. Der Vertrag ist insoweit eindeutig.
Damit einhergehend schuldete die Beklagte auch nicht die Überwachung des Elektrobauüberwachers, also eine Überwachung der Überwachungsleistungen des Ingenieurbüros G.. Insoweit sei auf Ziffer 8.2 ZBV verwiesen (Anlage K 3), welche ausdrücklich die Vermeidung von Behinderungen oder Beschädigungen bereits fertig gestellter Bauteile aufführt und insgesamt einen reibungslosen Bauablauf sicherstellen möchte. Eine stufenweise Bauüberwachung im Sinne einer Hierarchie zwischen den verschiedenen Architekten oder Ingenieuren ist weder von Ziffer 8.2 ZBV noch sonstigen vertraglichen Bestimmungen angeordnet oder gewollt.
In Übereinstimmung mit dem Urteil des OLG München vom 19.06.2002 (Az. 27 U 951/01 – juris) ist das Gericht der Auffassung, dass allein die Tatsache, dass ein Fachplaner Leistungen erbringt, die Verantwortlichkeit des objektplanenden und mit der Objektüberwachung beauftragten Architekten nicht notwendigerweise entfallen lässt. Dies gilt insbesondere dann, wenn die streitgegenständliche Leistung ohne besondere Kenntnisse überwacht werden kann und die Funktionstüchtigkeit eines der Planung des Architekten unterfallenden Teils beeinträchtigt. Im vom OLG München entschiedenen Fall ging es um die Dichtigkeit einer Kellerwanddurchführung. Dies ist hier gerade nicht der Fall, da der Wassereintritt nicht an der Kellerwanddurchführung eingetreten ist, sondern der Wassereintritt entweder im Kabelschacht oder in den Leerrohren erfolgte und das Wasser mit dem Gefälle Richtung Gebäude floss, um dort durch die mangelfreien (s.o.) Durchführungen der Kellerwand in das Gebäude eindringen konnte. Eine Berührung mit dem von der Beklagten verantworteten Gewerk (Gebäude) gibt es also nicht, vielmehr ist nur die Trasse betroffen. Dass für die Planung der Trasse keine besonderen Kenntnisse erforderlich sind, ist nicht ersichtlich. Dies ergibt sich auch daraus, dass es bei den Leerrohren verschiedene Ausführungen wie „sanddicht“ oder „wasserdicht“ gibt. Aus dem Leistungsverzeichnis in Anlage K 9 ergab sich eine konkrete Ausführung der Leerrohre gerade nicht. Auch liegt eine Kenntnis der verwendeten Kabellehrrohrart bei der Beklagten nicht vor. Dies illustriert Anlage K 11, aus welcher sich der email-Verkehr zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten und den Baubeteiligten und der Klägervertreterin ergibt. Offensichtlich musste der Geschäftsführer der Beklagten bei den Baubeteiligten nachfragen, welches konkrete Leerrohr überhaupt verwendet wurde. Dies zeigt jedoch, dass ausgehend vom jeweiligen Untergrund, der bei dem Bauvorhaben vorherrscht, eine konkrete Planung für das Elektrogewerk erforderlich gewesen wäre. Auch die Aussage des sachverständigen Zeugen E. verdeutlicht, dass die Anforderungen an eine solche Planung aufgrund der Grundwasserverhältnisse im Ortsteil S. nicht gerade banal sind. Der sachverständige Zeuge hat gegenüber dem Gericht angegeben, entsprechende Überprüfungen der Trasse müssten durch einen Elektriker erfolgen. Auch der Kläger trägt nicht vor, dass einem Objektplaner die entsprechende Planung von derartigen Kabeltrassen ohne weiteres möglich ist.
c) Auch aus Anlage K 9 ergibt sich nichts anderes. Im Gegensatz zur Auffassung des Klägers ergibt sich daraus eine technische Prüfung der Kabeltrasse und des Kabelschachtes gerade nicht. Lediglich eine rechnerische Überprüfung des Angebots ist für das Gericht dort ersichtlich, da seitens der Beklagten die Mengen und Preise geprüft wurden. Der Vortrag der Beklagten in der Verhandlung vom 09.10.2019, wonach die Beklagte den Auftrag nur kostenmäßig überprüft hat, nicht aber technisch, blieb unbestritten. Auch ergibt sich bei der Überprüfung von Mengen und Preisen nicht ohne weiteres eine Prüfung von planerischen Erfordernissen. Dies ist nicht ersichtlich, war aber vertraglich von der Beklagten gerade nicht geschuldet.
Vielmehr ergibt sich aus der vertraglichen Situation zwischen den Parteien, dass die Prüfung in Anlage K 9 nicht zur Bauüberwachung, sondern zur Einhaltung der Kostenobergrenze in Ziffer 1.3.6 des Vertrages erfolgte. Für diese Kostenobergrenze hatte die Beklagte eine gesonderte Koordinierungspflicht übernommen.
In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, dass die Äußerung des Geschäftsführers der Beklagten in der Verhandlung vom 09.10.2019, das Leistungsverzeichnis sei entweder von der Fa. R. oder von deren Subunternehmer K. GmbH gestellt worden, unstreitig blieb. Folglich gibt es für irgendwie geartete Planungsleistungen der Beklagten keinerlei Hinweise, auch hat die Beklagte gegenüber dem Kläger auch nicht den Anschein solcher Leistungen erweckt.
Auch die Tatsache, dass in Anlage K 10 der entsprechende Nachtrag dem Baumeistergewerk zugeordnet wird, spielt dafür keine Rolle. Es kommt nicht auf die tatsächliche Bezeichnung der Leistungen an, sondern allein auf die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien. Und die Planung des Elektrogewerks wurde der Beklagten gerade nicht übertragen.
Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass in der Verwendung der von einem Sonderplaner erstellten Ausschreibungsunterlagen grundsätzlich keine Erklärung des Architekten gegenüber dem Bauherren gesehen werden, dass er die Verantwortung für das fremd erstellte Leistungsverzeichnis und die zugrunde liegende Planung übernehmen würde (OLG Karlsruhe, Urteil vom 20.12.2006, Az. 7 U 176/06 – juris). Gleiches muss gelten, wenn der ausführende Bauunternehmer einer Bauleistung, welche nicht zum Planungsumfang des Architekten gehört (hier Elektrogewerk) das Leistungsverzeichnis ohne jede Fachplanung selber erstellt. Vorliegend hat die Beklagte das Leistungsverzeichnis in Anlage K 9 gar nicht verwendet im eigentlichen Sinne, sondern nur kostenmäßig überprüft, wie der Geschäftsführer der Beklagten unwidersprochen in der Verhandlung ausführte. Er hat auch mitgeteilt, dass seiner Erinnerung das Ingenieurbüro G. Kenntnis vom Leistungsverzeichnis hatte und dieses technisch für in Ordnung befunden habe. Allein die kostenmäßige Überprüfung enthält aber keinen Erklärungswert hinsichtlich einer dem Leistungsverzeichnis zugrundeliegenden Planung.
Schließlich ergibt sich weder aus der HOAI noch aus der vertraglichen Vereinbarung der Parteien, dass die Beklagte Verantwortung für fremde Planungen übernehmen soll oder muss. Dies wäre auch sinnwidrig, da die Beklagte dafür sonst Honorar verlangen könnte. Es spielt in diesem Zusammenhang auch keine Rolle, ob das Leistungsverzeichnis von einem Fachplaner oder einem baubeteiligten Unternehmen stammt. Die Beklagte hat somit nicht mehr getan, als das was ihr vertraglich oblag. Das waren insbesondere die Einhaltung der Kostenobergrenze und die Verwendung der Beiträge anderer Fachplaner und die Koordinierung der entsprechenden Leistungen. Mehr kann der Tätigkeit der Beklagten nicht entnommen werden.
d) Weiterhin hat die Beklagte keine irgendwie geartete faktische Übernahme von Planungsleistungen für das Elektrogewerk erkennen lassen. Die Erklärung des Geschäftsführers der Beklagten in der Verhandlung, auf der Baustelle sei die Notwendigkeit der streitgegenständlichen Trasse aufgekommen und das Ingenieurbüro G. habe das ausführende Unternehmen R. zu einem entsprechenden Nachtrag aufgefordert, blieb unwidersprochen und ist daher als unstreitig anzusehen. Eine faktische Übernahme von Planungsleistungen ist daher fernliegend. Dafür spricht auch Anlage B 1, welche den Plan für die Versorgungstrassen außerhalb des Gebäudes darstellt. In diesem Plan sind allein Planungsbeiträge vom Ingenieurbüro G. und vom Ingenieurbüro S. (-) beinhaltet, was sich aus dem Plankopf ablesen lässt. Wie bereits ausgeführt ist es ohnehin fernliegend, dass der Objektplaner bei Beauftragung eines gesonderten Fachplaners für das Elektrogewerk unbezahlt dessen Planungsleistungen übernimmt. Dies umso mehr, als man in Ziffer 1.4 des Vertrages die nichtöffentliche Erschließung und Versorgungsanlagen ausdrücklich als vom Planungsauftrag nicht umfasst angesehen hat.
II.
Mangels Hauptanspruchs schuldet die Beklagte auch nicht den Ersatz außergerichtlicher Kosten.
III.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus § 709 ZPO. Der Streitwert folgt der Klageforderung.


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