Baurecht

Unbeachtlichkeit eines privaten Fischereirechts bei Baugenehmigung für die Errichtung einer Zaunanlage

Aktenzeichen  AN 3 K 17.02515

Datum:
22.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 14204
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 68 Abs. 4
BayFiG Art. 1 Abs. 2, Art. 8 Abs. 1
BGB § 242
GG Art. 14

 

Leitsatz

1 Da die Baugenehmigung als öffentlich-rechtliche „Unbedenklichkeitsbescheinigung“ inhaltlich auf das öffentliche Recht beschränkt ist, sind im Baugenehmigungsverfahren private Rechte Dritter nicht zu berücksichtigen. Diese Rechte können nicht vor den Bauaufsichtsbehörden, Widerspruchsbehörden und Verwaltungsgerichten, sondern nur vor den ordentlichen Gerichten (Amtsgerichte, Landgerichte usw.) geltend gemacht werden. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein solches privates Recht Dritter stellt ein selbständiges Fischereirecht dar. Eine Baugenehmigung über die Errichtung einer Zaunanlage entlang eines Wasserschutzgebietes trifft deshalb auch keine Aussage dahingehend, dass das dingliche Fischeirecht in irgendeiner Form beeinträchtigt ist. Die negativen Beeinträchtigungen, die das genehmigte Vorhaben auf das Fischereirecht angeblich haben soll, sind bei der Erteilung der Baugenehmigung daher nicht von Relevanz. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
3. Der Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der streitgegenständliche Baugenehmigungsbescheid vom 19. Januar 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Einen Rechtsanspruch auf Aufhebung einer Baugenehmigung haben Nachbarn nicht schon dann, wenn die Baugenehmigung objektiv rechtswidrig ist. Vielmehr setzt die Aufhebung der Baugenehmigung weiter voraus, dass der Nachbar durch sie zugleich in seinen Rechten verletzt ist, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dies ist nur dann der Fall, wenn die zur Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung führende Norm zumindest auch dem Schutze der Nachbarn dient, also drittschützende Wirkung hat und Inhalt des Prüfprogramms der Baugenehmigung war (vgl. z.B. BVerwG v. 6.10.1989 – 4 C 40.87 – juris).
Vorliegend hat der Kläger seine materiell-rechtlichen Abwehrrechte schon verwirkt (dazu 1.). Darüber hinaus verletzt die Baugenehmigung den Kläger nicht in seinem Fischereirecht (dazu 2.).
1. Der Kläger hat seine materiellen Abwehrrechte gegen das Vorhaben bereits verwirkt, da sein Verhalten gegenüber der Beigeladenen gegen Treu und Glauben verstößt.
Nachbarn stehen zueinander in einem „nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis“, das nach Treu und Glauben von ihnen besondere Rücksichten gegeneinander fordert (BVerwG vom 18.3.1988 – 4 B 50/88; Roth in Münchner Kommentar, Bürgerliches Gesetzbuch, 5. Aufl. 2007, RdNr. 194 zu § 242). Aus dem nachbarlichen Gegenseitigkeits- und Gemeinschaftsverhältnis resultiert etwa die Pflicht, Einwendungen gegen ein Bauvorhaben möglichst unverzüglich vorzutragen, um auf diese Weise wirtschaftlichen Schaden vom Bauherrn abzuwenden oder möglichst gering zu halten (BVerwG vom 16.5.1991 NVwZ 1991, 1182; VGH München – B.v. 21.3.2012 – 14 ZB 11.214; OVG Saarland vom 21.9.1998 – 2 W 6/98; OVG MV vom 5.11.2001 NVwZ-RR 2003, 15). Der Nachbar muss dieser Verpflichtung dadurch nachkommen, dass er nach Erkennen/Erkennenmüssen der Beeinträchtigung durch Baumaßnahmen unverzüglich seine nachbarlichen Einwendungen geltend macht, wenn ihm nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegengehalten werden soll, weil er mit seinen Einwendungen länger als notwendig gewartet hat (BayVGH vom 16.11.2009 – 2 ZB 08.2389). Die Dauer des Zeitraums der Untätigkeit des Berechtigten, von der an im Hinblick auf die Gebote von Treu und Glauben von einer Verwirkung des Rechts die Rede sein kann, hängt dabei entscheidend von den Umständen des Einzelfalles ab (BVerwG vom 16.5.1991 a.a.O.). Dabei ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass bereits vor Ablauf der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO Verwirkung eintreten kann (BVerwG vom 16.5.1991 a.a.O.; OVG SH vom 26.03.1997 – 1 L 322/95; OVG MV vom 5.11.2001 a.a.O.). Allerdings ist die Verwirkungsfrist deutlicher länger als die Monatsfrist der §§ 70 i.V.m. 58 Abs. 1 VwGO zu bemessen (BVerwG vom 16.5.1991 a.a.O.). Entscheidend für die Frage des Eintritts der Verwirkung ist der Zeitpunkt, ab dem der Nachbar sichere Kenntnis vom Vorhaben hatte oder haben müsste.
Diese Grundsätze hat der Kläger nicht beachtet, indem er erst ein Scheitern der Verhandlungen abgewartet hat um danach Klage zu erheben und so die Belange der Beigeladenen – wirtschaftlichen Schaden zu vermeiden – missachtet hat.
Der Kläger hatte spätesten ab 31. Januar 2017 sichere Kenntnis von der Baugenehmigung, da er an diesem Tag „Widerspruch“ gegen den genehmigten Zaun beim Beklagten einlegte.
Warum der Kläger nach Antwort des Beklagten, dass ein Widerspruchsverfahren nicht statthaft ist, noch ganze 10 Monate abgewartet hat, um Klage zu erheben, ist nicht nachvollziehbar. Der Einwand, es hätten in diesem Zeitraum wiederholt Verhandlungen stattgefunden, greift nicht. Denn eine frühere Klageerhebung zeitnah zur Kenntnis über die Baugenehmigung hätte die Beteiligten nicht gehindert, in Verhandlungen einzutreten. Stattdessen hat der Kläger fast bis zum Ablauf der Klagefrist (Jahresfrist ab Ende Januar 2017 wegen fehlender Zustellung, Ende Klagefrist Januar 2018) abgewartet, um Rechtsmittel gegen die Baugenehmigung einzulegen und dies auch erst, nachdem er keinen Erfolg in den Verhandlungen mit der Beigeladenen erzielen konnte. In der Gesamtschau muss sich der Kläger aufgrund seines Verhaltens gegenüber der Beigeladenen einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben entgegenhalten lassen was zu einer Verwirkung seiner materiellen Abwehrrechte führt.
2. Darüber hinaus wird der Kläger durch die Baugenehmigung nicht in seinem hier einzig in Betracht kommenden Fischereirecht verletzt.
a. Bei einem selbständigen Fischereirecht handelt es sich um ein dingliches Nutzungsrecht an einer fremden Sache (VGH München, U.v. 4. Juni 2014 – 2 B 12.1587), vorliegend an dem Gewässer … Dieses selbständige Fischereirecht nach Art. 8 Abs. 1 BayFiG stellt ein grundstücksgleiches Nutzungsrecht dar, bei dem die gemäß § 200 Abs. 2 BauGB für das Eigentum an Grundstücken beschriebenen Vorschriften entsprechend anzuwenden sind.
Nach Art. 68 Abs. 4 BayBO wird die Baugenehmigung unbeschadet der privaten Rechte Dritter erteilt. Da die Baugenehmigung als öffentlich-rechtliche „Unbedenklichkeitsbescheinigung“ inhaltlich auf das öffentliche Recht beschränkt ist, sind in dem – rein öffentlich-rechtlichen – Baugenehmigungsverfahren private Rechte Dritter nicht zu berücksichtigen. Diese Rechte können nicht vor den Bauaufsichtsbehörden, Widerspruchsbehörden und Verwaltungsgerichten, sondern nur vor den ordentlichen Gerichten (Amtsgerichte, Landgerichte usw.) geltend gemacht werden. Es ist nicht Aufgabe der Verwaltungsbehörden und -gerichte, private Rechtsverhältnisse zu regeln und über sie zu entscheiden (vgl. auch BVerwGE 20, 124, 126).
Ein solches privates Recht Dritter stellt vorliegend das Fischereirecht des Klägers da. Die Baugenehmigung zugunsten der Beigeladenen trifft deshalb auch keine Aussage dahingehend, dass das dingliche Fischeirecht in irgendeiner Form beeinträchtigt ist. Die vorgetragenen negativen Beeinträchtigungen, die das streitgegenständlichen Vorhaben auf das Fischereirecht angeblich haben soll, sind bei der Erteilung der Baugenehmigung nicht von Relevanz, siehe Art. 68 Abs. 4 BayBO. Die Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung kann dadurch nicht begründet werden. Der Kläger ist diesbezüglich auf die ordentlichen Gerichte angewiesen.
Auch verfängt das Argument des Klägers nicht, er könne seiner Verpflichtung aus Art. 1 Abs. 2 BayFiG zur Hege und Pflege in dem von den Zaunanlage beschränkten Abschnitt nicht mehr nachkommen, dies hätte in der Baugenehmigung berücksichtigt werden müssen.
Der Kläger verkennt dabei, dass ein Anspruch auf Aufhebung der Baugenehmigung nur in Betracht kommt, sofern er durch sie in seinen Rechten verletzt ist, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Bei der Hege und Pflege handelt es sich jedoch um eine Verpflichtung, und nicht um das dem Kernbereich des Fischereirechts innewohnende Recht zum Fang und zu Aneignung von Fischen.
Eine Beschränkung seiner öffentlich-rechtlichen Verpflichtung durch die Baugenehmigung ist demnach im vorliegenden Verfahren irrelevant und somit bleibt es dabei, dass das Fischereirecht als privates Recht im streitgegenständlichen Bescheid zu Recht keine Berücksichtigung fand.
b. Letztlich ergibt sich eine Rechtsverletzung auch nicht direkt aus Art. 14 GG, dem das Fischereirecht als grundstücksgleiches Nutzungsrecht unterliegt, denn eine schwere und unzumutbare Betroffenheit ist vorliegend nicht gegeben.
Auch das Fischereirecht enthält trotz des Schutzes durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG keine umfassende Gewährleistung der Befugnisse, in einem Gewässer Fische zu hegen, zu fangen und sich anzueignen (vgl. Art. 1 Abs. 1 BayFiG). Das Fischereirecht schützt nur vor solchen Maßnahmen, die einen schweren und unerträglichen Eingriff darstellen oder die das Fischereirecht in ihrer Substanz treffen (BGH, U. v. 31. Mai 2007 – III ZR 258/06).
Im vorliegenden Fall handelt es sich bei der Errichtung einer Zaunanlage in einem Trinkwasserschutzgebiet nicht um einen solchen schweren unzumutbaren Eingriff in ein eigentumsähnliches Recht. Die Zaunanlage dient dem Schutz des Trinkwassers, demnach eines höherwertigen Rechtsgutes, dem das Fischereirecht des Klägers nicht gleichwertig gegenüber steht. Nachdem dem Kläger das Fischereirecht an der … auf mehreren Kilometern zusteht und durch die Zaunanlage laut dem Lageplan maximal 1/3 seines Rechts und dann auch nur auf einer Uferseite beschränkt wird, ist er auch nicht unbedingt darauf angewiesen, sein Fischereirecht an dem Uferbereich der … auszuüben, dessen Betreten durch die streitgegenständliche Zaunanlage abgeschnitten wird.
Es ist demnach nicht von einer so gravierend nachteiligen Einwirkung auf das Fischereirecht des Klägers auszugehen, dass eine Rechtsverletzung direkt aus Art. 14 GG zu bejahen ist.
Die Verletzung sonstiger Nachbarrechte wurde weder geltend gemacht noch ist eine solche ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
Streitwert: § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Da sich die Beigeladene durch eine eigene Antragstellung am Kostenrisiko des Verfahrens beteiligt hat, entspricht es der Billigkeit, dass ihre außergerichtlichen Kosten vom Kläger getragen werden (§§ 154 Abs. 3 1. Halbsatz, 162 Abs. 3 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben