Baurecht

Unbestimmtheit einer Baugenehmigung wegen widersprüchlicher Bauzeichnungen

Aktenzeichen  AN 3 S 18.01118

Datum:
30.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 18284
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1
BayBO Art. 6 Abs. 8 Nr. 2
BauGB § 34 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Da der Abstand von Balkonen zur Grundstücksgrenze und auch die Größe der Balkone für die Beurteilung der Beachtung des Rücksichtnahmegebotes relevant sind, verletzt eine widersprüchliche Darstellung der Tiefe der Balkone in den Planzeichnungen den Nachbarn in nachbarschützenden Rechten. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Baugenehmigungsbescheid der Antragsgegnerin vom 17. Mai 2018 wird angeordnet.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen,
die dieser selbst trägt.
3. Der Streitwert wird auf 3.750,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist Eigentümer der Grundstücke FlNrn. … und …, Gemarkung …, …, … Auf Bauantrag des Beigeladenen vom 1. Dezember 2017 genehmigte die Antragsgegnerin mit Baugenehmigungsbescheid vom 17. Mai 2018 im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren die Errichtung einer Wohnanlage mit zehn Wohneinheiten mit Tiefgarage (zehn Einstellplätzen) und einem oberirdischen Stellplatz auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung …, Nähe …, das südlich an das Grundstück Fl.Nr. … angrenzt, welches mit einem Wohnhaus bebaut ist. Das Grundstück mit der Fl.Nr. … grenzt im Osten an das Baugrundstück an. Es handelt es sich um einen Privatweg, der zum Grundstück Fl.Nr. … führt.
Die gemeinsame Grundstücksgrenze des Baugrundstücks mit dem Antragstellergrundstück Fl.Nr. … beträgt circa 30 Meter und hat einen schrägen Verlauf von Nord-West nach Süd-Ost. Das Bauvorhaben soll mit drei Vollgeschossen mit Flachdach errichtet werden und weist eine Höhe von 8,75 m auf. An seiner nördlichen, dem Grundstück FlNr. … des Antragstellers zugewandten Seite, soll im nordwestlichen Teil des Erdgeschosses eine Terrasse zur Ausführung kommen, die in einem Abstand zwischen 2,70 m und 2 m zur Grundstücksgrenze zu liegen kommt. Im 1. Obergeschoss ist die Errichtung eines Balkons auf einer Länge von 4,50 m vor die Außenwand vortretend mit einer Tiefe von circa einem Meter, in Richtung Westen dann vor die westliche Außenwand mit einer Tiefe von drei Metern vortretend geplant. Das Penthaus soll einen umlaufenden Balkon erhalten, der, da das Penthaus an der nördlichen Seite um einen Meter zurückversetzt ausgeführt werden soll, an der nördlichen Gebäudeseite mit der Außenwand abschließt, in Richtung Westen aber eine Tiefe zwischen zwei und drei Metern aufweisen soll. Aus den Planunterlagen ergibt sich zur Frage der Tiefe des Balkons an der Westseite des Penthauses im Planteil „OG, PH und Dach“ eine Tiefe von zwei Metern, im Planteil „Ansichten und Schnitt“ eine Tiefe von drei Metern.
Das Gebäude wird an seiner nördlichen Seite 13 Meter lang, an der östlichen 23,56 m.
Der Abstand des Gebäudes zur nördlichen Grundstücksgrenze beträgt zwischen 4,90 m und 3,50 m.
Dem Antragsteller, der die Bauantragsunterlagen nicht unterschrieben hat, wurde eine Ausfertigung der streitgegenständlichen Baugenehmigung zugestellt.
Für das Bauvorhaben war am 2. Januar 2018 ein Vorbescheid zugunsten des Beigeladenen ohne Nachbarbeteiligung zu der Einzelfrage erteilt worden, ob mit einer GRZ bis 0,3 gebaut werden dürfe.
Nach den Unterlagen des planenden Architekten, die als Anlage zum Baugenehmigungsbescheid geprüft wurden (Bl. 29 der Behördenakte) beträgt die Größe des Baugrundstücks 1.137 m2, die überbaute Fläche 340,17, die GRZ 0,299, die Geschossfläche 918,11 und die GFZ 0,807.
Die Grundstücke liegen im Planbereich des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans Nr. … für den Bereich … und … der Antragsgegnerin (Aufstellungsbeschluss vom 28. Januar 2016, Bekanntmachung im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 16. März 2016).
Danach ist wesentliches Ziel der Planung, eine sowohl städtebauliche als auch dem Umfeld entsprechende Nutzung des Bereichs zu gewährleisten und damit zugleich den Baumbestand zu sichern. Der Bebauungsplan soll Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung (maximal 20% des Grundstücks) enthalten und Mindestgrößen (mindestens 800 m2) für Wohnbaugrundstücke nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 BauGB festsetzen. Wesentliche Auswirkung der Planung soll der Erhalt der villenartigen Bebauung auf großen Grundstücken mit üppigem schützenswertem Bewuchs (Bäume und Sträucher) sein.
Die Grundstücke im Planbereich sind mit Wohnhäusern, soweit aus den Lageplänen ersichtlich, vorwiegend mit Einfamilienhäusern, bebaut. Das Gebiet, welches sich östlich an das Bebauungsplangebiet anschließt, ist mit Mehrfamilienhäusern in Einzelbau- bzw. Reihenhausbauweise bebaut (FlNrn. …, …, …, …*).
Mit einem Schreiben, das am 13. Juni 2018 beim Verwaltungsgericht Ansbach einging, erhob der Antragsteller Klage gegen den dem Beigeladenen erteilten Baugenehmigungsbescheid (AN 3 K 18.01106). Er habe erst durch Zustellung der Ausfertigung der Baugenehmigung von der Planung des Bauvorhabens erfahren. Nach dem gültigen Bebauungsplan Nr. … der Antragsgegnerin dürften nur 20% des Grundstücks bebaut werden, erste Informationen deuteten auf eine Bebauung von etwa 35% hin. Das Vorhaben füge sich nicht in das Baugebiet ein. Die Wahrung der Gebietsart, nämlich ein Wohnviertel mit Villencharakter, sei nicht mehr gewährleistet. Auch sei das Gebot der Rücksichtnahme verletzt. Die Wohnanlage überrage das Wohnhaus des Antragstellers deutlich. Er befürchte Verschattung von Garten und Wohnhaus. Auch werde sein Garten insbesondere von der Dachterrasse des Penthauses aus komplett einsehbar. Der Wert seines Hauses werde sich verringern.
Es wird sinngemäß beantragt,
die aufschiebende Wirkung der gleichzeitig erhobenen Klage anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt mit Schreiben vom 2. Juli 2018, den Antrag abzulehnen.
Sowohl das verfahrensgegenständliche Baugrundstück als auch die Grundstücke des Antragstellers befänden sich im räumlichen Geltungsbereich des zukünftigen Bebauungsplans Nr. … der Stadt … Hier existiere bislang nur ein Aufstellungsbeschluss, der mit Amtsblatt der Stadt … vom 16. März 2016 ortsüblich bekannt gemacht worden sei. Daher sei § 34 BauGB einschlägig. Das genehmigte Vorhaben füge sich hinsichtlich Art und Maß der baulichen Nutzung in die nähere Umgebung ein. Die überbaubare Fläche liege noch in dem durch die umliegende Bebauung vorgegebenen Rahmen. Hierzu wurde verwiesen auf die in den Vorbescheidsverhandlungen vorgelegten Unterlagen. Das Gebot der Rücksichtnahme werde nicht verletzt, da das Vorhaben keine erdrückende Wirkung gegenüber den Nachbargrundstücken entfalte. Öffentlichrechtliche Nachbarrechte der Antragsteller seien daher nicht verletzt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Der nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO zulässige Antrag ist begründet.
Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmende Interessenabwägung fällt zugunsten des Antragstellers aus, weil sich nach summarischer Prüfung die Baugenehmigung im Hinblick auf nachbarschützende Belange als nicht hinreichend bestimmt (siehe 1.) und das Bauvorhaben dem Antragsteller gegenüber als rücksichtslos erweist (siehe 2.).
Gemäß § 80 a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. 80 a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung der Klage eines Dritten gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung, die gemäß § 212 a Abs. 1 BauGB i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO keine aufschiebende Wirkung hat, aufgrund einer eigenen Ermessensentscheidung ganz oder teilweise anordnen.
Hierzu hat das Gericht eine Interessenabwägung vorzunehmen. Insoweit stehen sich das Suspensionsinteresse des Nachbarn und das Interesse des Bauherrn, von der Baugenehmigung sofort Gebrauch machen zu dürfen, grundsätzlich gleichwertig gegenüber. Deshalb ist bei einer Entscheidung nach §§ 80 a, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO in erster Linie auf die Erfolgsaussichten des Nachbarrechtsbehelfs abzustellen. Fällt die Erfolgsprognose zugunsten des Nachbarn aus, erweist sich also nach summarischer Prüfung die angefochtene Baugenehmigung dem Nachbarn gegenüber als rechtswidrig, so ist die Vollziehung der Baugenehmigung regelmäßig auszusetzen (BayVGH, B.v. 14.12.1991 – 1 CS 91.439 -, juris). Erscheint der Nachbarrechtsbehelf dagegen nach vorläufiger Betrachtung als voraussichtlich erfolglos, ist der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abzulehnen. Stellen sich die Erfolgsaussichten als offen dar, findet eine reine Interessenabwägung statt.
Die nach den genannten Grundsätzen vorzunehmende Interessenabwägung fällt hier zugunsten des Antragstellers aus. Denn nach der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung ist die streitgegenständliche Baugenehmigung aller Voraussicht nach rechtswidrig und deshalb in einem Hauptsacheverfahren aufzuheben.
1. Die Baugenehmigung ist im Hinblick auf nachbarschützende Belange des Antragstellers inhaltlich nicht hinreichend bestimmt, da die Planunterlagen im Hinblick auf die Ausmaße des Balkons im Penthaus widersprüchlich sind, Art. 37 BayVwVfG.
Eine Baugenehmigung kann Rechte des Nachbarn verletzen, wenn sie hinsichtlich nachbarrechtsrelevanter Fragen unbestimmt ist und daher im Falle der Umsetzung des Bauvorhabens eine Verletzung von Nachbarrechten nicht auszuschließen ist. Sie muss Inhalt, Reichweite und Umfang der genehmigten Nutzung eindeutig erkennen lassen, damit die mit dem Bescheid getroffene Regelung für die Beteiligten des Verfahrens nachvollziehbar und eindeutig ist. Nachbarn müssen zweifelsfrei feststellen können, ob und in welchem Umfang sie betroffen sind (ständige Rechtsprechung BayVGH, z.B. B.v. 6.2.2017 – 15 ZB 16.398 – juris Rn. 22 m.w.N.; B.v. 5.7.2017 – 9 CS 17.603 – juris Rn. 13; B.v. 8.10.2015 – 1 CS 15.1876 – juris Rn. 3).
Dem Antragsteller ist es vorliegend nicht möglich, den Umfang einer möglicherweise bestehenden Rechtsverletzung allein aufgrund der erteilten Baugenehmigung und der zu ihrem Inhalt gemachten Unterlagen zu beurteilen.
Vorliegend weisen die der Baugenehmigung zugrunde liegenden Bauzeichnungen (§§ 3 Nr. 2, 8, 1 Abs. 1 Satz 1 BauVorlV), die nach Art. 64 Abs. 2 Satz 1 BayBO mit dem Bauantrag als Bauvorlagen einzureichen waren und zur Anlage der Baugenehmigung gemacht wurden, einen Widerspruch auf. Die Tiefe des Balkons im Penthaus ist auf dem Planteil „OG, PH und Dach“ mit zwei Metern zeichnerisch dargestellt. Auf dem Planteil „Ansichten und Schnitt“ ist diese Tiefe mit drei Metern angegeben. Da der Abstand der Balkone zur Grundstücksgrenze und auch die Größe der Balkone für die Beurteilung der Beachtung des Rücksichtnahmegebotes relevant ist, verletzt der Widerspruch in den Planzeichnungen den Antragsteller in nachbarschützenden Rechten. Schon deshalb ist die Baugenehmigung in einem Hauptsacheverfahren voraussichtlich aufzuheben.
2. Für die Frage der Verletzung von Nachbarrechten kommt es vorliegend allein darauf an, ob das Vorhaben die mit dem Gebot des Einfügens (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB) geforderte Rücksichtnahme auf den Antragsteller voraussichtlich einhält (vgl. BayVGH, B.v. 23.4.2014 a.a.O. juris Rn.12; B.v. 17.7.2013 – 14 ZB 12.1153 – juris Rn. 13; B.v. 25.1.2013 – 15 ZB 13.68 – juris Rn. 4; BVerwG, B.v. 11.1.1999 – 4 B 128/98 – juris), da beide Grundstücke unstreitig im unbeplanten Innenbereich nach § 34 Abs. 1 BauGB liegen.
Der Bebauungsplan Nr. … hat bislang das Stadium der Planreife nicht erreicht und ist daher weder Grundlage zur Genehmigung von Bauvorhaben noch geeignet, Prüfungsmaßstab im Hinblick auf die Verletzung nachbarschützender Vorschriften zu sein, § 33 BauGB.
Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung, welche der Antragsteller vorliegend als nicht eingehalten erachtet, haben regelmäßig ohnehin keine nachbarschützende Wirkung (BVerwG, U.v. 28.4.2004 – 4 C 10.03 – juris), so dass sich der Nachbar auf eine Maßüberschreitung nur ganz ausnahmsweise in den Fällen einer Verletzung des sogenannten speziellen Gebietsprägungserhaltungsanspruchs mit Erfolg berufen kann (vgl. dazu BVerwG, B.v. 13.5.2002 – 4 B 86.01 – juris; VGH Baden-Württemberg, B.v. 27.7.2001 – 5 S 1093.00 – juris). Ein derartiger Ausnahmefall, in dem eine neue Qualität der Nutzung erstmals in ein Baugebiet hineingetragen wird, ist vorliegend nicht ersichtlich.
Auswirkungen eines Vorhabens auf das Nachbargrundstück sind unzumutbar, wenn unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit der Betroffenen, der Intensität der Beeinträchtigung und der wechselseitigen Interessen das Maß dessen, was der Nachbar billigerweise hinnehmen muss, überschritten wird (vgl. BayVGH, B.v. 21.1.2008 – 1 ZB 06.2304 – juris – m.w.N.). Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots kommt auch dann in Betracht, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein sich in der unmittelbaren Nachbarschaft befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird BayVGH, B.v. 5.7.2011 – 14 CS 11.814).
Die im Rahmen des Rücksichtnahmegebots vorzunehmende Interessenabwägung hat sich daran zu orientieren, was dem Rücksichtnahmebegünstigten und dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach der jeweiligen Situation der benachbarten Grundstücke nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen (BVerwG, U.v. 18.11.2004 – 4 C 1/04 – juris; BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 5).
Regelmäßig ist dabei nach der Rechtsprechung des BayVGH von ausreichender Rücksichtnahme auf die Belange des Grundstücksnachbarn auszugehen, wenn die Abstandsflächenvorschriften eingehalten sind (BayVGH, B.v. 26.1.2000 – 26 CS 99.2723 – juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 13.3.2014 – 15 ZB 13.1017 – juris Rn. 11). Umgekehrt bedeutet dies aber nicht, dass eine Verletzung der – im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nicht zu prüfenden – Abstandsflächenvorschriften eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots indizieren würde (BayVGH, B.v. 22.6.2011 – 15 CS 11.1101 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 23.4.2014 – 9 CS 14.222 – juris Rn. 11).
Unter Beachtung dieser Grundsätze erweist sich nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung das streitgegenständliche Bauvorhaben dem Antragsteller gegenüber als rücksichtslos.
Weder die Höhenentwicklung des Gebäudes mit 8,75 m, die Ausnutzung der Grundstücksfläche mit einer GRZ von 0,299 noch die konkrete Gestaltung (Aufteilung des Baukörpers, Balkone, Terrassen, dreigeschossige Bauweise) führen zu dieser nachbarrechtlichen Rücksichtslosigkeit.
Auch die Verletzung des Abstandsflächenrechts allein begründet nicht – wie dargelegt – zwangsläufig eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots.
Jedoch entsteht hier infolge einer Unterschreitung der Abstandsflächen in Kombination mit der Ausrichtung der Balkone der Wohnungen im 1. Obergeschoss und im Penthaus in unmittelbarer Nähe zum Grundstück des Antragstellers ein Zustand, den dieser nicht hinnehmen muss.
Das Bauvorhaben hält zur Grenze des Grundstücks des Antragstellers die Abstandsflächenvorschriften nicht ein. Bei einer Länge des Baukörpers von circa 13 m findet das 16-Meter-Privileg des Art. 6 Abs. 6 Satz 1 BayBO zwar Anwendung, so dass gemäß Art. 6 Abs. 6 Satz 1, 1. Halbsatz BayBO die Hälfte von 1 H, vorliegend also 4,37 m, Abstandsfläche zur Grundstücksgrenze einzuhalten ist. Dieser Abstand wird nach den Planunterlagen jedoch nicht eingehalten. Die Außenwand wahrt schon nur auf einer Breite von circa 4,50 m den erforderlichen Abstand zur nördlichen Grundstücksgrenze. Auch löst der Balkon im 1. Obergeschoss, der auf einer Breite von circa 4,50 m vor die Außenwand mit einer Tiefe von 1 m hervortritt, gemäß Art. 6 Abs. 8 Nr. 2 a) und b) BayBO, eigene Abstandsflächen aus, da er mehr als ein Drittel der Breite der Außenwand in Anspruch nimmt. Dadurch wird die vorhandene Abstandsflächenunterschreitung weiter vertieft.
Aufgrund der großzügigen und großflächigen Gestaltung der Außenbereiche, die die Bewohner zum Aufenthalt im Freien im unmittelbaren Bereich der Grundstücksgrenze zum Antragsteller einladen, insbesondere im nordwestlichen Bereich des streitgegenständlichen Bauvorhabens, erweist sich die konkrete Bauausführung als nicht mehr für den Nachbarn hinnehmbar.
Wegen der dargestellten Erfolgsaussichten der Hauptsache war dem Antrag stattzugeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Da der Beigeladene keinen Antrag gestellt hat, war er nicht mit Kosten zu belasten, § 154 Abs. 3 VwGO. Seine außergerichtlichen Kosten trägt er gemäß § 162 Abs. 3 VwGO selbst.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und entspricht der Hälfte des voraussichtlich im Klageverfahren anzusetzenden Streitwerts, Nr. 9.7.1 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


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