Baurecht

Unterhaltspflicht und Einziehung einer Straße liegen allein im öffentlichen Interesse

Aktenzeichen  Au 6 K 18.1614

Datum:
6.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 5951
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayStrWG Art. 8 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 S. 1, S. 2, Art. 17
BayGO Art. 112
VwGO § 42 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Die Pflicht der Träger der Straßenbaulast, Straßen nach ihrer Leistungsfähigkeit in einem dem gewöhnlichen Verkehrsbedürfnis und den Erfordernissen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung genügenden Zustand zu bauen und zu unterhalten, liegt allein im öffentlichen Interesse. (Rn. 19 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Rechtspflicht zur Einziehung einer Straße im überwiegenden öffentlichen Interesse oder bei Verlust jeglicher Verkehrsbedeutung besteht ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klagen werden abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten der Verfahren zu tragen. Der Beigeladene hat seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klagen sind unzulässig und im Übrigen jedenfalls unbegründet.
I.
Die Klagen sind unzulässig, da der Klägerin der für eine Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Verpflichtungs- bzw. Vornahmeanspruch gegen den Beklagten nicht zusteht.
1. Für die Klage auf Umgestaltung eines straßenbegleitenden Kiesstreifens zur Fahrbahn der Straße „…“ (Au 6 K 18.1614) fehlt der Klägerin der erforderliche Verpflichtungs- bzw. Vornahmeanspruch gegen den Beklagten.
Nach Art. 9 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes (BayStrWG) umfasst die Straßenbaulast alle mit dem Bau und der Unterhaltung der Straße zusammenhängenden Aufgaben. Die Träger der Straßenbaulast haben nach ihrer Leistungsfähigkeit die Straßen in einem dem gewöhnlichen Verkehrsbedürfnis und den Erfordernissen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung genügenden Zustand zu bauen und zu unterhalten.
a) Diese Aufgabenzuweisung liegt jedoch allein im öffentlichen Interesse; einen Herstellungsanspruch Dritter wie z.B. einen – hier geltend gemachten – Anspruch auf Verbreiterung einer Straße schließt Art. 9 BayStrWG von vornherein aus (vgl. BayVGH, B.v. 20.2.2017 – 8 ZB 15.1084 – BayVBl. 2018, 247 Rn. 7 m.w.N.).
b) Abgesehen davon ist Träger der Straßenbaulast nach Art. 47 Abs. 1 BayStrWG nicht der Beklagte, sondern der Beigeladene, gegen den sich die Klage jedoch nicht richtet, so dass auch unter diesem Blickwinkel ein Anspruch gegen den Beklagten ausgeschlossen ist.
2. Für die Klage auf Einziehung des an ihr Grundstück seitlich angrenzenden Grundstücks Fl.Nr. …als Parkplatz (Au 6 K 18.1615) fehlt der Klägerin der erforderliche Verpflichtungs- bzw. Vornahmeanspruch gegen den Beklagten.
Nach Art. 8 Abs. 1 BayStrWG ist eine Straße durch Verfügung der Straßenbaubehörde ganz oder teilweise einzuziehen, wenn sie jede Verkehrsbedeutung verloren hat oder überwiegende Gründe des öffentlichen Wohls für eine Einziehung vorliegen bzw. überwiegende Gründe des öffentlichen Wohls für eine nachträgliche Beschränkung der Widmung auf bestimmte Benutzungsarten, -zwecke und -zeiten durch Teileinziehung vorliegen.
Die Klägerin begehrt hier die Beendigung der Benutzung der Fläche als Parkplatz, mithin der einzigen straßenrechtlichen Benutzung. Im Ergebnis begehrt die Klägerin also eine Einziehung. Die Einziehung eines Straßengrundstücks ist ein Verwaltungsakt in Gestalt einer Allgemeinverfügung nach Art. 35 Satz 2 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) als actus contrarius zur erfolgten Widmung. Sein Erlass ist damit ein im Wege der Verpflichtungs- oder Untätigkeitsklage verfolgbares Klageziel. Die Klage auf Einziehung des streitgegenständlichen Parkplatzes kommt dabei dem Klageziel der Klägerin am nächsten.
Die Nutzung des Grundstücks Fl.Nr. … als Parkplatz ist Ausfluss des Gemeingebrauchs an öffentlichen Verkehrsflächen. Liegt eine Wegefläche – wie hier – mangels Eintragung ins Bestandsverzeichnis nicht auf einem gewidmeten Grundstück, da weder von einer wirksamen Widmungsfiktion nach Art. 67 Abs. 3 und Abs. 4 BayStrWG auszugehen ist, noch eine Widmung nach Art. 6 BayStrWG vorliegt, handelt es sich um eine tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche. Hat der Verfügungsberechtigte – hier der Beigeladene – aufgrund ausdrücklicher oder stillschweigender Duldung die Benutzung durch die Allgemeinheit zugelassen oder ist zumindest aus der Sicht der Verkehrsteilnehmer nach objektiv erkennbaren äußeren Umständen von einer konkludenten Freigabe zur Verkehrsnutzung auszugehen, unterliegt die Fläche dem Straßenrecht (vgl. BayVGH, U.v. 26.2.2013 – 8 B 11.1708 – juris Rn. 32).
a) Ein Rechtsanspruch auf Einziehung ist jedoch hier nicht ersichtlich. Denn die in Art. 8 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG statuierte Rechtspflicht zur Einziehung einer Straße im überwiegenden öffentlichen Interesse oder bei Verlust jeglicher Verkehrsbedeutung besteht ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit; Einzelinteressen Dritter sind hier nicht genannt (so ausdrücklich BayVGH, B.v. 25.2.2010, Az. 8 ZB 09.1107, juris Rn. 41). Demnach besteht somit bereits kein Rechtsanspruch eines Anliegers auf Einziehung eines bestimmten, ihn störenden Straßenstücks. Dies ergibt sich schon daraus, dass sich auch im umgekehrten Fall die Straßenanlieger nicht gegen die Änderung oder Einziehung einer Straße wehren können (vgl. Art. 17 Abs. 1 BayStrWG). Ein Anspruch auf Einziehung kann der Klägerin hier also schon in der Sache nicht zustehen.
Zudem ist nicht ersichtlich, dass der Parkplatz jede Verkehrsbedeutung verloren hätte, denn die Klägerin wendet sich ausdrücklich gegen die offenbar andauernde Nutzung als Abstellfläche für Fahrzeuge, mithin gegen die fortdauernde bestimmungsgemäße Nutzung.
b) Abgesehen davon ist Träger der Straßenbaulast nach Art. 47 Abs. 1 BayStrWG nicht der Beklagte sondern der Beigeladene, gegen den sich die Klage jedoch nicht richtet, so dass auch unter diesem Blickwinkel ein Anspruch gegen den Beklagten ausgeschlossen ist.
II.
Die Klage ist im Übrigen jedenfalls unbegründet.
1. Die Klägerin hat auch sonst keinen Anspruch auf Umgestaltung der Straße „…“ oder auf Einziehung des Parkplatzes aus anderen Gründen.
Wie der Beigeladene zutreffend geltend gemacht hat, findet die Vorgabe des § 4 Abs. 2 der Verordnung über den Bau und Betrieb von Garagen sowie über die Zahl der notwendigen Stellplätze (Garagen- und Stellplatzverordnung – GaStellV) auf die Straße „…“ keine Anwendung, weil die öffentliche Straße nicht Teil einer Fahrgasse ist. Im Gegenteil ist es Sache der Klägerin, die Zufahrt auf ihr Grundstück und zu ihrer Garage nach Breite und Tiefe sowie dem Tormechanismus so zu gestalten, dass die Benutzung den öffentlichen Verkehr nicht beeinträchtigt (arg. ex § 2 Abs. 1 und Abs. 2 GaStellV, wonach zwischen Garagen und öffentlichen Verkehrsflächen Zu- und Abfahrten von mindestens 3 m Länge vorhanden sein müssen und vor den die freie Zufahrt zur Garage zeitweilig hindernden Anlagen wie Schranken oder Toren ein Stauraum für wartende Kraftfahrzeuge vorzusehen ist, wenn dies wegen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs erforderlich ist).
Dass der Klägerin auch aus dem Rechtsinstitut des Anliegergebrauchs kein Anspruch auf eine optimale Zufahrt zu einem Stellplatz- oder Garagengrundstück oder auf die Bequemlichkeit oder Leichtigkeit des Zugangs zu einem solchen Grundstück zusteht (vgl. BayVGH, U.v. 15.3.2006 – 8 B 05.1356 – BayVBl. 2007, 45, juris Rn. 38) und kein Anspruch auf eine optimale Zufahrt besteht (vgl. BayVGH, B.v. 1.12.2009 – 8 B 09.1980 – juris Rn. 19), war bereits Gegenstand des vorangegangenen Klageverfahrens, so dass auf die dortigen Ausführungen verwiesen wird (VG Augsburg, U.v. 8.11.2017 – Au 6 K 17.631 – Rn. 16 f.).
Dass die Nutzung des Grundstücks Fl.Nr. … als Parkplatz die Klägerin in eigenen Rechten, insbesondere mehr als ortsüblich in einem Wohngebiet beeinträchtigt, ist lediglich behauptet, aber nicht substantiiert geltend gemacht. Insbesondere der Wuchs ihrer weit über das eigene Grundstück hinausragenden Tujen-Hecke scheint nach dem Eindruck des Augenscheins in keiner Weise beeinträchtigt zu sein und rechtfertigte im Übrigen auch nicht die Einziehung des Parkplatzes.
2. Die Klägerin hat auch sonst keinen Anspruch auf Umgestaltung der Straße „…“ oder auf Einziehung des Parkplatzes gegen den Beklagten, der nicht Träger der Straßenbaulast (vgl. oben) sondern lediglich der Straßenaufsichtsbehörde ist. Deren Aufgaben und Befugnisse liegen allerdings ebenfalls im öffentlichen Interesse und nicht im Interesse einzelner Dritter wie der Klägerin (arg. ex Art. 112 Satz 2 der Bayerischen Gemeindeordnung – BayGO) und eröffnen dem Beklagten zudem eine Ermessensentscheidung. Da hier keine Ermessensreduzierung auf Null ersichtlich oder von der Klägerin substantiiert geltend gemacht ist, ist auch aus diesem Blickwinkel kein Anspruch auf aufsichtliches Einschreiten gegeben.
3. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegender Teil hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens ohne die Kosten des Beigeladenen zu tragen, der ohne Antragstellung selbst kein Kostenrisiko eingegangen ist.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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