Baurecht

Unterhaltungslast für Stau- und Triebwerksanlage

Aktenzeichen  M 2 K 17.6147

Datum:
10.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 12940
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayWG  Art. 37 S. 1
VwGO § 124, § 124 a Abs. 4, § 154 Abs. 1
RDGEG § 3, § 5
WHG § 36

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
Die gegen den Freistaat Bayern erhobene Leistungsklage ist zulässig, jedoch unbegründet, da kein Anspruch der Klägerin gegen den Freistaat auf Bezahlung der hälftigen Sanierungskosten besteht.
1. Ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten ergibt sich weder aus dem Gesetz noch aus dem zwischen dem Rechtsvorgänger der Klägerin und dem Beigeladen geschlossenen Vertrag vom 21. September 1953.
a) Bei der Wehr- und Triebwerksanlage handelt es sich um eine selbständige wasserwirtschaftliche Anlage im Sinne des Art. 37 Satz 1 BayWG, nicht um einen Gewässerbestandteil. Die Kosten, die im Rahmen der Anlagenunterhaltung anfallen, sind gem. Art. 37 Satz 1 BayWG grundsätzlich vom Unternehmer der Anlage zu tragen. Etwas Anderes würde nur dann geltend, wenn es sich bei der streitgegenständlichen Wehranlage um einen Gewässerbestandteil handeln würde, der dann als Teil des Gewässers der Gewässerunterhaltungspflicht der Beklagten unterfallen würde, §§ 40 I 1 Wasserhaushaltsgesetz (WHG), 22 I Nr. 1 iVm Art. 2 I Nr. 1 BayWG.
Die Einordnung einer Anlage als selbständigen Anlage oder als Gewässerbestandteil erfolgt anhand zweier Abgrenzungskriterien, der Ausgestaltung einerseits und der Funktion andererseits (vgl. VGH München, Beschluss vom 29.01.2018 – 8 ZB 16.2131, juris). Der Anlagenbegriff des Art. 37 BayWG ist dabei grundsätzlich weit zu verstehen und umfasst neben Wasserbenutzungsanlagen, die unmittelbar zur Verwirklichung eines Gewässertatbestands erforderlich sind, jede ortsfeste oder bewegliche Einrichtung, die geeignet ist, auf den Zustand eines Gewässers oder auf den Wasserabfluss einzuwirken (Knopp in Sieder/Zeitler, BayWG, Stand Februar 2019, Art. 37 Rn. 4 und 7). Der Geltungsbereich dieser Vorschrift erstreckt sich dabei auch auf Anlagen, die auf altem Recht beruhen (Knopp in Sieder/Zeitler, BayWG, a.a.O., Art. 37 Rn. 10).
aa) Das als Querbauwerk in die … gebaute Wehr bewirkt die Stauhaltung und Ableitung von Wasser in einen Seitenarm der …, an dem sich die Triebwerksanlage befindet. Durch die Stauwirkung der Anlage, die durch die Bedienung der steuerbaren Klappe und durch das Schütz bei Hochwasser herabgesetzt werden könne, beeinflusst sie als ortsfeste Einrichtung den Wasserabfluss der … Nachdem das Wehr dem Aufstau des Gewässers dient, ist es unmittelbar zur Verwirklichung des Gewässerbenutzungstatbestands des § 9 I Nr. 2 WHG erforderlich und stellt damit eine Benutzungsanlage dar. Die Ausgestaltung des vorliegenden Wehr- und Triebwerksanlage erfüllt daher die Voraussetzungen einer wasserwirtschaftlichen Anlage im Sinne des Art. 37 Satz 1 BayWG.
bb) Auch die Funktion der streitgegenständlichen Stau- und Triebwerksanlage spricht dafür, dass diese nicht dem Gewässer selbst zuzuordnen ist, sondern vielmehr eine selbständige Anlage im Sinne des Art. 37 Satz 1 BayWG darstellt.
In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter des Wasserwirtschaftsamts ausdrücklich klargestellt, dass die Wehranlage entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht dem allgemeinen Hochwasserschutz dient. Selbst eine Entfernung der Wehranlage hätte keinen maßgeblichen Einfluss auf den heutigen Hochwasserschutz. Bereits im behördlichen Genehmigungsverfahren der Sanierung war seitens der Fachbehörde mit Stellungnahme vom 5. September 2014 zum Ausdruck gebracht worden, dass der Wehranlage nach heutigem Stand keine relevante Schutzfunktion vor Hochwasser zugesprochen werden könne. Vielmehr sei die Wehranlage auch in dieser Dimension im Zuge der …regulierung in den 1920-iger Jahren nur errichtet worden, um durch den Aufstau der … einen effektiven Betrieb der Triebwerksanlage zu gewährleisten. Zur Regulierung eines durch die Aufstauung hervorgerufenen Hochwassers wurde damals das streitgegenständliche Wehr geschaffen. Den Ausführungen des Vertreters des Wasserwirtschaftsamts, sind die Vertreter der Klägerin nicht substantiiert entgegengetreten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Sachverständigenaussagen des Wasserwirtschaftsamtes als der Fachbehörde für wasserwirtschaftliche Fragen (Art. 63 Abs. 3 Satz 1 BayWG) im wasserrechtlichen Verfahren große Bedeutung zukommt. Sie haben in der Regel größeres Gewicht als Expertisen von privaten Fachinstituten, weil sie auf jahrelanger Bearbeitung eines bestimmten Gebietes, insbesondere der Beobachtung und Erfassung der örtlichen Gewässerverhältnisse, und nicht nur auf der Auswertung von Aktenvorgängen im Einzelfall beruhen. Durch schlichtes Bestreiten oder bloße Behauptungen können sie nicht erschüttert werden (vgl. BayVGH, Beschluss vom 07.10.2002 – 22 ZB 02.1206, BayVBl 2003, 753; BayVGH, Beschluss vom 19.06.2006 – 22 ZB 06.236, NVwZ 2007, 112).
Die in Streit stehende Wehr- und Triebwerksanlage dient ausschließlich den individuellen Interessen der Betreiber und damit keinem allgemeinen wasserwirtschaftlichen Zweck. Es handelt sich somit um eine selbständige wasserwirtschaftliche Anlage mit Funktion außerhalb der im Interesse der Allgemeinheit liegenden Gewässerbewirtschaftung.
Somit liegt die Unterhaltungsverpflichtung gem. Art. 37 Satz 1 BayWG grundsätzlich beim Unternehmer.
b) Nachdem es sich bei der streitgegenständlichen Wehr- und Triebwerksanlage wie soeben ausgeführt um eine selbständige wasserwirtschaftliche Anlage und nicht um einen Gewässerbestandteil handelt, ist die erfolgte Aufstufung der … zum Gewässer 2. Ordnung und der Übergang der Gewässerunterhaltungsplicht auf den Freistaat Bayern ohne Belang, da Art. 37 S. 1 BayWG die Unterhaltungspflicht des Unternehmers für wasserwirtschaftliche Anlagen unabhängig von der Einstufung des Gewässers regelt.
Der Freistaat Bayern ist im Wege der Funktionsnachfolge als Gewässerunterhaltsverpflichteter an die Stelle des Beigeladenen getreten. Hiervon völlig unberührt bleibt die Frage der Anlagenunterhaltung und aller damit in Zusammenhang stehender Vereinbarungen. Die Ausführungen der Klägerseite gehen insoweit ins Leere.
c) Der am 21. September 1953 geschlossenen Vertrag zwischen dem Rechtsvorgänger der Klägerin und der Beigeladen begründet eine exklusive vertragliche Verpflichtung der Beigeladen die Hälfte aller Kosten der Anlagenunterhaltung an der streitgegenständlichen Wehr- und Triebwerksanlage zu übernehmen. Die Beklagte ist weder ausdrücklich noch als Rechtsnachfolger oder gar ipso jure in diesen Vertrag eingetreten.
aa) Mit der vertraglichen Vereinbarung vom 21. September 1953 verpflichtete sich der Beigeladene künftig die Hälfte aller Instandhaltungskosten zu tragen, und zwar unabhängig von der Zielsetzung der Instandhaltungsmaßnahmen, selbst wenn diese leidlich im Interesse des Triebwerksbetriebs erfolgen sollten. Motiv für eine derart weitreichende Verpflichtung mag zum damaligen Zeitpunkt durchaus der unter Ziffer II. des Vertrages angeführte Nutzen der Wehranlage für den Hochwasserschutz gewesen sein. Dies rechtfertigt aber keine andere Einstufung der Anlage wie unter a) ausgeführt und lässt auch keinesfalls den Schluss zu mit der vertraglichen Regelung unter Ziffer I. sei nicht die Anlagensondern die Gewässerunterhaltung gemeint gewesen. Einer solchen Annahme widerspricht schon der insoweit eindeutige Wortlaut der Regelung, sowie die Gesetzeslage, nach der die Beigeladene ohnehin gewässerunterhaltsverpflichtet war.
Die Beklagte ist weder ausdrücklich an Stelle des Beigeladenen in diesen Vertrag eingetreten noch als dessen Rechtsnachfolger. Eine Nachfolge beschränkte sich wie oben gezeigt auf die Funktion als Gewässerunterhaltsverpflichteter. Auch die Veränderung der tatsächlichen und/oder rechtlichen Umstände führt nicht ipso jure zu einer Änderung der übertragenen Unterhaltslast (vgl. dazu etwa VG München, U. v. 12.07.2016 – M 2 K 15.5743).
bb) Das Gericht vermag nicht zu erkennen, welche rechtlichen Folgen der von den Bevollmächtigten der Klägerin angeführte Umstand, dass der Beschluss des Landratsamts …, mit dem die Stau- und Triebwerksanlage nachträglich genehmigt wurde, am selben Tage erlassen wurde an dem auch das Landratsamt … die Übereinstimmung der Abschrift mit dem Original auf einer Abschrift des Vertrags vom 21. September 1953 bescheinigte, hervorrufen sollte. Die Bevollmächtigten der Klägerin sehen hierin einen wie auch immer gearteten Zusammenhang zwischen dem Beschluss und den getroffenen vertraglichen Vereinbarungen. Unklar bleibt jedoch welche Rechtsfolge dieser Zusammenhang tätigen sollte. Der Beschluss selbst enthält unter der Ziffer II. 11. die Verpflichtung des Unternehmers die Kosten der Anlagenunterhaltung zu tragen, was der damaligen Rechtslage entsprach (Art. 59 BayWG 1907). Darüber hinaus enthält der Beschluss unter Ziffer II. 10. sogar eine Beteiligung des Unternehmers an der Gewässerunterhaltung in näher festgelegtem Umfang. Die vertragliche Regelung über die Instandhaltungskosten vom 21. September 1953 wird in dem Beschluss weder ausdrücklich erwähnt noch in Bezug genommen.
Es besteht mithin weder eine gesetzliche noch eine vertragliche Verpflichtung des Beklagten die hälftigen Instandhaltungskosten zu tragen.
2. Ebenso wenig wurde ein Anspruch der Klägerin gegenüber dem Beklagten durch das Wasserwirtschaftsamt … begründet.
Das Wasserwirtschaftsamt … war in dem Genehmigungsverfahren, das der Instandsetzung der Wehr- und Triebwerksanlage zu Grunde liegt und in den Jahren 2013 bis 2016 durchgeführt wurde, als Fachbehörde beteiligt. Selbst wenn in den sicherlich zahlreichen Besprechungen die von den Bevollmächtigten der Klägerin vorgetragene Aussage, „die Abrechnung solle über das Wasserwirtschaftsamt laufen“, seitens Vertretern des Wasserwirtschaftsamts getätigt worden wäre, so begründet dies keine Verpflichtung des Beklagten zur Kostentragung. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass das Wasserwirtschaftsamt über ihre, das Vorhaben der Klägerseite im Rahmen der gesetzlichen Aufgabe als amtlicher Sachverständiger begleitende, Fachberatung, gegebenenfalls auch bei Prüfung etwaiger Abrechnungen, hinaus tätig geworden wäre. Ebenso wenig vermag der Umstand, dass es in der Vergangenheit – nach dem Vortrag der Klägerin – (freiwillige) Kostenbeteiligungen des Beklagten an – dem Gericht nicht bekannten – Sanierungsmaßnahmen an anderen Stau- und Triebwerksanlagen gegeben haben soll, einen Anspruch der Klägerin auf eine Kostenbeteiligung in ihrem Falle zu begründen. Auch kann das von der Klägerseite vorgetragene Verhalten des Wasserwirtschaftsamts nicht als Änderung der im Vertrag vom 21. September 1953 getroffenen Regelungen interpretiert werden. Das Wasserwirtschaftsamt bzw. der Beklagte ist und war nie Vertragspartei; der Beigeladene war an den Gesprächen nie beteiligt. Die Frage der Unterhaltungslast ist anhand der gesetzlichen und – vorliegend auch – vertraglichen Regelungen zu beantworten, nicht nach der Rechtsauffassung oder dem Willen der beteiligten Fachbehörde (vgl. so auch VGH München, Beschluss vom 29.01.2018 – 8 ZB 16.2131, juris).
Vor diesem rechtlichen Hintergrund war auch der in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisantrag abzulehnen.
Es besteht mithin kein Anspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten auf Zahlung der hälftigen Instandhaltungskosten.
Nach alldem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.


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