Baurecht

Unvereinbarkeit eines Bauvorhabens mit örtlicher Gestaltungssatzung

Aktenzeichen  M 9 K 15.2227

Datum:
11.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 55 Abs. 1, Art. 59, Art. 60

 

Leitsatz

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Das Gericht konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. Januar 2017 über die Klage entscheiden, obwohl der Kläger nicht erschienen ist. Er war über seinen damals unstreitig noch Bevollmächtigten – Empfangsbekenntnis vom 12. Dezember 2016 – ordnungsgemäß geladen und auf den Umstand, dass auch bei seinem Ausbleiben verhandelt und entschieden werden könne, hingewiesen worden, § 102 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO. Die vom Kläger am 10. Januar 2017 behauptete Mandatsbeendigung durch diesen Bevollmächtigten – angeblich vom 2. Januar 2017 und angeblich dem Gericht sogleich mitgeteilt – wurde dem Gericht gegenüber nicht erklärt. Weiter hätte der Kläger auch dann noch ausreichend Zeit gehabt, einen neuen Bevollmächtigten zu bestellen; die Streitsachen weisen keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten auf, die eine Vorbereitungszeit von mehr als einer Woche erfordern. Der Kläger, der selbst Anwalt ist, hat auch im Übrigen keinen erheblichen Grund für eine Verlegung bzw. Absetzung glaubhaft gemacht, § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 227 Abs. 1 und 2 ZPO. Angebliche Ladungen zu zeitgleichen Terminen beim Oberlandesgericht München bzw. beim Landgericht Ingolstadt wurden trotz Aufforderung zur Glaubhaftmachung der Verhinderung nicht vorgelegt. Der Kläger beantragte nur die Ruhendstellung der Verfahren. Es wird darauf hingewiesen, dass der Kläger im April 2016 ebenfalls einen Tag vor der mündlichen Verhandlung bereits die Absetzung eines Termins vor der Kammer mit ähnlichen Argumenten erbeten hatte. Damals war die Kammer seinem Anliegen noch gefolgt. Nunmehr bestand schon mangels Glaubhaftmachung kein Grund für eine weitere Vertagung.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die beantragte Baugenehmigung, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Das Vorhaben ist zwar (bau-) genehmigungspflichtig (1.), aber nicht genehmigungsfähig (2.).
1. Die Baugenehmigungspflicht ergibt sich vorliegend zum einen aus Art. 55 Abs. 1 Var. 2 BayBO, da durch den Einbau einer Tür und die Vergrößerung der Fenster die bauliche Substanz der Anlage Einfamilienhaus verändert wird und im Zuge der Nutzungsänderung auch bauliche Änderungen im Inneren erfolgen (VG Augsburg, U. v. 24.10.2013 – Au 5 K 12.188 – juris; OVG NW, B. v. 23.11.2010 – 7 A 2535/09 – juris). Zum anderen ist auch Art. 55 Abs. 1 Var. 3 BayBO einschlägig, da Gegenstand des Baugenehmigungsantrags in erster Linie eine Nutzungsänderung – Umnutzung von Kellerräumen in Wohnräume – ist. Das Vorhaben ist nicht verfahrensfrei, da Art. 57 Abs. 4 Nr. 1 BayBO in diesem Fall – schon allein aufgrund anderer brandschutzrechtlicher Anforderungen – nicht greift (VG München, B. v. 26.1.2016 – M 8 S 15.5326 – juris). Eine Verfahrensfreiheit nach Art. 57 BayBO im Hinblick auf die geplante Abgrabung und/oder im Hinblick auf die Stützmauer kommt nicht in Betracht, da es sich um eine unselbstständige Ab-grabung handelt, die Stützmauer nicht oberirdisch ist und Art. 57 BayBO im Übrigen nur die Verfahrensfreiheit von Vorhaben regelt, die selbstständig als Einzelvorhaben ausgeführt werden (sollen). Zu alledem wird ergänzend verwiesen auf das Urteil der Kammer vom selben Tag im Parallelverfahren M 9 K 15.2226, § 117 Abs. 5 VwGO.
2. Das Vorhaben ist nicht genehmigungsfähig unabhängig davon, ob Art. 59 BayBO oder – wegen Art. 2 Abs. 4 Nr. 11 BayBO – Art. 60 BayBO einschlägig ist.
Dabei kommt es in der vorliegenden Verpflichtungssituation weder auf das Vorliegen des gemeindlichen Einvernehmens, das vom Gericht ersetzt würde (BVerwG, B. v. 17.6.2003 – 4 B 14/03 – juris), noch – da entscheidend auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen ist – auf zwischenzeitlich außer Kraft getretene Veränderungssperren an. Eine Zusicherung des Beklagten, Art. 38 BayVwVfG, für die vorgelegte Planung, auf die sich der Kläger berufen könnte, wurde in der mündlichen Verhandlung vom 20. Mai 2015 nicht zu Protokoll erklärt. Der Wortlaut des gerichtlichen Vorschlags, den der Beklagte ausdrücklich als genehmigungsfähig betrachtete, lautete, dass anstelle einer Vertiefung des Lichtschachts eine Kelleraußentreppe hergestellt werden solle.
Zwar wäre die geplante Nutzungsänderung genehmigungsfähig, da keine Anlage für soziale Zwecke in Rede steht – es fehlt an einer hohen Belegungsdichte, an Mehrbettzimmern o.Ä. -, die durch die 3. Änderung des Bebauungsplans ausgeschlossen wäre, sondern bestenfalls ein Wohnheim und damit ein Wohngebäude; das Vorhaben scheitert aber am Widerspruch zu § 3 Abs. 4 Satz 1 ÖGS.
Der Bauantrag ist nicht nur auf die Nutzungsänderung gerichtet, sondern auch auf eine Vertiefung des Lichtgrabens. Letztere ist nicht genehmigungs- und auch nicht abweichungsfähig. Zu den Gründen wird vollumfänglich auf das Urteil der Kammer vom heutigen Tag im Parallelverfahren M 9 K 15.2226 Bezug genommen.
Der Bauantrag und die Baugenehmigung sind auch nicht teilbar. Die geplanten und wegen Widerspruchs zu § 3 Abs. 4 Satz 1 ÖGS rechtswidrigen baulichen Änderungen dienen dazu, einen zweiten Rettungsweg i. S. d. Art. 31ff. BayBO zu schaffen. Eine Legalisierung der Umnutzung des Kellergeschosses ohne die dafür notwendigen baulichen Änderungen kommt wegen des Grundsatzes der Einheit des Verfahrens nicht in Betracht und widerspricht offensichtlich auch dem Willen des Klägers. Es ist Sache des jeweiligen Bauantragstellers, durch seinen Bauantrag festzulegen, was das Vorhaben i. S. d. § 29 Abs. 1 BauGB und damit der zu beurteilende Verfahrensgegenstand sein soll. Der Kläger hat vorliegend trotz der Vereinbarungen bzw. Inhalte der mündlichen Verhandlung vom 20. Mai 2015, wonach eine Nutzungsänderung i. V. m. einer Kelleraußentreppe ohne Weiteres genehmigungsfähig sei, an seiner Koppelung mit der Vertiefung des Lichtgrabens festgehalten.
Die Kostenfolge beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich damit nicht in ein Kostenrisiko begeben; sie trägt ihre außergerichtlichen Kosten damit billigerweise selbst, § 162 Abs. 3, § 154 Abs. 3 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708ff. ZPO.


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