Baurecht

Unwirksame Bekanntmachung eines Bebauungsplans bei Verweis auf DIN-Normen

Aktenzeichen  9 N 13.558

Datum:
25.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 47
BauGB BauGB § 1 Abs. 7, § 10 Abs. 3

 

Leitsatz

1 Eine in den Festsetzungen eines Bebauungsplans in Bezug genommene DIN-Vorschrift, die bestimmt, unter welchen Voraussetzungen bauliche Anlagen im Plangebiet zulässig sind, entspricht nur dann den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Verkündung von Rechtsnormen, wenn die Gemeinde sicherstellt, dass die Betroffenen von der DIN-Vorschrift verlässlich und in zumutbarer Weise Kenntnis erlangen können.  (redaktioneller Leitsatz)
2 Dies gilt unabhängig davon, ob der Plangeber eine Regelung insgesamt dem Ergebnis der Anwendung der DIN-Vorschrift überlässt oder ob er zwar dem Grunde nach selbst bestimmt, welchen Anforderungen die baulichen Anlagen genügen müssen, aber erst der Verweis auf die DIN-Vorschrift ergibt, nach welchen Methoden oder Berechnungsverfahren der Inhalt der Anforderungen im Einzelnen zu ermitteln ist. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Bebauungsplan mit Grünordnungsplan „Gewerbegebiet südlich des Sportgeländes“ der Antragsgegnerin ist unwirksam.
II.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Antragsteller vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der Normenkontrollantrag hat Erfolg.
I.
Der Normenkontrollantrag ist zulässig.
1. Der Antragsteller ist antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, da er hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass er durch die Festsetzungen des angefochtenen Bebauungsplans in einem subjektiven Recht verletzt wird (vgl. BVerwG, B. v. 2.3.2015 – 4 BN 30.14 – juris Rn. 3). An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung sind grundsätzlich auch dann keine höheren Anforderungen zu stellen, wenn es – wie hier – um das Recht auf gerechte Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) der Interessen eines Eigentümers geht, dessen Grundstück außerhalb des Bebauungsplangebiets liegt (vgl. BVerwG, B. v. 14.9.2015 – 4 BN 4.15 – juris Rn. 10). Der Antragsteller betreibt auf den in seinem Eigentum stehenden Flächen eine lärmemittierende Sportanlage mit Fußballplätzen und einer Gaststätte mit Außengastronomie. Zu den abwägungserheblichen Belangen zählt hier deshalb das Interesse des antragstellenden Sportvereins, vor dem Heranrücken einer schutzbedürftigen Bebauung, die Nutzungskonflikte hervorrufen und u.U. Einschränkungen zum Nachteil des Antragstellers zur Folge haben kann, verschont zu bleiben (vgl. OVG NW, B. v. 2.5.2005 – 10 B 2280/04.NE – juris Rn. 9). Geräusche anlässlich der bestimmungsgemäßen Nutzung der Sportanlagen sind der Sportanlage des Antragstellers zuzurechnen (vgl. § 2 Abs. 7 der 18. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes – Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) i. V. m. Nr. 1.1 des Anhangs zur 18. BImSchV). Der Antragsteller macht somit hier auch nicht im Wege einer unzulässigen Prozessstandschaft die Rechte der Zuschauer, der Gäste oder der Vereinsmitglieder geltend, sondern vielmehr eigene Rechte an der Durchführung und Aufrechterhaltung des Trainings-, Spiel- und Sportbetriebs seiner Sportanlagen. Solche Nutzungskonflikte sind hier – wie auch das dem Bebauungsplan zugrundeliegende schalltechnische Gutachten zeigt – nicht offensichtlich ausgeschlossen.
2. Der Normenkontrollantrag ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist der Antragsteller mit seinen Einwendungen weder präkludiert (§ 47 Abs. 2a VwGO), noch fehlt ihm das Rechtsschutzbedürfnis.
Zwar hat der Antragsteller im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 3 Abs. 2 BauGB keine Einwendungen erhoben. Er ist jedoch nicht vom Verfahren ausgeschlossen, da in der ortsüblichen Bekanntmachung der Auslegung der Hinweis nach § 47 Abs. 2a VwGO bzw. § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB fehlte (vgl. BVerwG, U. v. 27.10.2010 – 4 CN 4.09 – juris Rn. 9; Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 47 Rn. 52a).
Dem Antragsteller hat auch ein Rechtsschutzbedürfnis für den Normenkontrollantrag. Mangels förmlicher Aufhebung des vormaligen Bebauungsplans durch die Antragsgegnerin und mangels allgemein-verbindlicher Unwirksamkeitserklärung durch das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. Dezember 1981 (Az. W 5 K 80 A.1364) verbessert sich jedenfalls die Rechtsstellung des Antragstellers im Falle einer Aufhebung des verfahrensgegenständlichen Bebauungsplans (vgl. BVerwG, B. v. 23.10.2008 – 4 BN 16.08 – juris Rn. 5), da eine in Richtung des Sportgeländes heranrückende Wohnbebauung zumindest nicht den Schutzanspruch eines dadurch festgesetzten allgemeinen Wohngebiets geltend machen könnte. Der Antragsteller übt durch die im Gebäude der Sportgaststätte von ihm vermieteten Wohnungen seine Rechte auch nicht in unzulässiger Weise aus, weil diese Wohnungen aufgrund der Zugehörigkeit zur Gaststätte und ihrer unmittelbaren Lage innerhalb des Sportgeländes anderen öffentlich-rechtlichen Anforderungen unterliegen als eine in einem allgemeinen Wohngebiet festgesetzte Wohnbebauung.
II.
Der Normenkontrollantrag ist begründet. Der Bebauungsplan mit Grünordnungsplan „Gewerbegebiet südlich des Sportgeländes“ ist ungültig und gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO insgesamt für unwirksam zu erklären. Der Bebauungsplan leidet an einem formellen Fehler. Er ist nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht, weil die Festsetzung der Emissionskontingente im Hinblick auf die in Bezug genommene DIN 45691 „Geräuschkontingentierung“ gegen die rechtsstaatlichen Anforderungen an die Verkündung einer Rechtsnorm verstoßen.
In dem Bebauungsplan sind für verschiedene Teilflächen des Plangebiets Emissionskontingente festgesetzt. Die Planzeichnung enthält hierzu eine Nutzungsschablone, aus der sich die jeweiligen Emissionskontingente ergeben und deren Inhalt unter Buchst. A) der textlichen (planungsrechtlichen) Festsetzungen näher erläutert wird. Soweit unter Buchst. „F) Hinweise“ in den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans auf die „DIN 45691 – Geräuschkontingentierung“ verwiesen wird, ist dieser Verweis auf die DIN-Vorschrift nicht nur als bloßer Hinweis, sondern als Teil der Festsetzung zu verstehen, was sich auch aus der Begründung zum Bebauungsplan und dem schalltechnischen Gutachten vom 1. April 2010, das als Anlage 1 zum Gegenstand des Bebauungsplans gemacht wurde, ergibt. Andernfalls wäre die Geräuschkontingentierung bereits mangels Angabe der Berechnungsmethode und -grundlagen zu unbestimmt (vgl. BayVGH, U. v. 14.7.2009 – 1 N 07.2977 – BayVBl 2001, 690 = juris Rn. 39; Jäde in Jäde/Dirnberger/Weiss, BauGB, 7. Aufl. 2013, § 1 BauNVO Rn. 32) und führte schon deswegen zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans, weil sie hier nach dem Planungsziel der Antragsgegnerin und der Konzeption des Bebauungsplans das wesentliche Element der Bauleitplanung darstellt (vgl. BayVGH, U. v. 21.6.2016 – 9 N 12.218 – juris Rn. 50).
Eine in den textlichen Festsetzungen eines Bebauungsplans in Bezug genommene DIN-Vorschrift, die bestimmt, unter welchen Voraussetzungen bauliche Anlagen im Plangebiet zulässig sind, entspricht nur dann den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Verkündung von Rechtsnormen, wenn die Gemeinde sicherstellt, dass die Betroffenen von der DIN-Vorschrift verlässlich und in zumutbarer Weise Kenntnis erlangen können (BVerwG, B. v. 18.8.2016 – 4 BN 24.16 – juris Rn. 7; BayVGH, B. v. 4.11.2015 – 9 NE 15.2024 – juris Rn. 7 m. w. N.). Dies gilt unabhängig davon, ob der Plangeber eine Regelung insgesamt dem Ergebnis der Anwendung der DIN-Vorschrift überlässt oder ob er – wie hier – zwar dem Grunde nach selbst bestimmt, welchen Anforderungen die baulichen Anlagen genügen müssen, aber erst der Verweis auf die DIN-Vorschrift ergibt, nach welchen Methoden oder Berechnungsverfahren der Inhalt der Anforderungen im Einzelnen zu ermitteln ist (BayVGH, U. v. 28.10.2014 – 9 N 14.2326 – juris Rn. 56).
Dies ist hier nicht geschehen. Die Antragsgegnerin hat weder in der Bekanntmachung vom 15. März 2013 noch in der Planurkunde darauf hingewiesen, an welcher Stelle die DIN 45691 „Geräuschkontingentierung“, die im Bebauungsplan nicht im Volltext wiedergegeben wird oder diesem als Anlage beigefügt wurde, für die Betroffenen zu finden oder einzusehen ist (vgl. BVerwG, B. v. 18.8.2016 – 4 BN – 24.16 – juris Rn. 8). Anders als die ebenfalls in Bezug genommene DIN 4109 „Schallschutz im Hochbau“ (AllMBl Nr. 10/1991, S. 218) ist die DIN 45691 „Geräuschkontingentierung“ auch nicht gem. Art. 3 Abs. 2 Satz 1 BayBO veröffentlicht (vgl. OVG NW, U. v. 23.6.2016 – 10 D 84/14.NE – juris Rn. 32). Dieser Fehler führt zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans. Der eingeschränkt gestellte Antrag des Antragstellers steht dem nicht entgegen (vgl. BVerwG, B. v. 20.8.1991 – 4 NB 3.91 – juris Rn. 27).
III.
Auf die weiteren Einwendungen des Antragstellers gegen die Gültigkeit des Bebauungsplans kommt es daher nicht mehr entscheidungserheblich an. Ebenso kann offen bleiben, ob die vom Antragsteller in der mündlichen Verhandlung zahlreich vorgelegten Schreiben an die Antragsgegnerin nach Erlass des angefochtenen Bebauungsplans, die wohl vorwiegend im Rahmen eines – zwischenzeitlich ruhend gestellten – Verfahrens zur Änderung des Bebauungsplans ergangen sind, überhaupt geeignet sind, hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Bebauungsplans die Rügefrist des § 215 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu wahren. Der Senat hält es jedoch für sachgerecht, auf einige Punkte ergänzend hinzuweisen:
1. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB haben die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist.
§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB setzt der Bauleitplanung eine erste, wenn auch strikt bindende Schranke, die allerdings lediglich grobe und einigermaßen offensichtliche Missgriffe ausschließt. Sie betrifft die generelle Erforderlichkeit der Planung, nicht hingegen die Einzelheiten einer konkreten planerischen Lösung, für die das Abwägungsgebot maßgeblich ist. Was in diesem Sinne erforderlich ist, richtet sich nach der planerischen Konzeption der Gemeinde, die gerichtlich nur begrenzt überprüfbar ist. Der Gemeinde steht dabei ein sehr weites planerisches Ermessen zu; es reicht aus, wenn der Plan „vernünftigerweise geboten“ ist (vgl. BayVGH, U. v. 17.11.2014 – 9 N 13.1303 – juris Rn. 17 m. w. N.).
Nicht erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB sind Bauleitpläne, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuches nicht bestimmt sind. Dabei ist von einer Gefälligkeitsplanung auszugehen, wenn eine planerische Festsetzung lediglich dazu dient, private Interessen zu befriedigen (vgl. BVerwG, B. v. 11.5.1999 – 4 BN 15.99 – juris Rn. 5; BayVGH, U. v. 3.11.2010 – 9 N 08.2593 – juris Rn. 23). Gleiches gilt im Falle eines Etikettenschwindels, d. h. wenn die Planung darauf abzielt, ein eigentlich unzulässiges Planungsziel zu verdecken (vgl. BayVGH, B. v. 12.12.2014 – 9 ZB 11.2567 – juris Rn. 9 m. w. N.; BVerwG, U. v. 3.6.2014 – 4 CN 6.12 – juris Rn. 20).
Die Antragsgegnerin hat hier ein schalltechnisches Gutachten der Ingenieurbüro J. GmbH vom 1. April 2010 zum Gegenstand der Bauleitplanung gemacht, das in Form und Inhalt offensichtlich auf die Errichtung von Wohnbauvorhaben („zweigeschossige Doppelhäuser“) auf bisher gewerblichen Flächen im Plangebiet abstellt. Aus der Planungsgeschichte (vgl. Nr. 3.3 der Begründung des Bebauungsplans) ergibt sich, dass die Antragsgegnerin bereit war, „nach Vorlage eines schriftlichen Antrags zur Aufstellung eines Bebauungsplans und Vorlage eines Planentwurfs mit Begründung einen förmlichen Aufstellungsbeschluss“ zu fassen. Im Gegensatz zum vormaligen Bebauungsplan, der im deckungsgleichen gesamten Plangebiet ein Gewerbegebiet festsetzte, sieht der verfahrensgegenständliche Bebauungsplan nur mehr im nordwestlichen Bereich Gewerbeflächen, im südöstlichen Bereich dagegen Wohnbebauung und im Übrigen Mischgebietsflächen vor. Die Wohnbebauung rückt dabei auf der westlichen Teilfläche des Grundstücks FlNr. 3510 Gemarkung Großwallstadt näher an das Sportgelände des Antragstellers und quasi in einen bislang am nördlichen Rand des Plangebiets südlich der Sportplatzstraße gewerblich genutzten Streifen hinein.
Zwar dürfen gewichtige private Belange grundsätzlich zum Anlass einer Bauleitplanung unter Orientierung an den „Wünschen“ eines Grundstückseigentümers oder Investors vorgenommen werden. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass zugleich städtebauliche Belange und Zielsetzungen verfolgt werden (vgl. BayVGH, U. v. 26.11.2015 – 9 N 12.2592 – juris Rn. 34) oder ein entsprechendes planerisches Konzept vorliegt (vgl. BayVGH, U. v. 3.11.2010 – 9 N 08.2593 – juris Rn. 23). Dabei kann auch das generelle Ziel der Vereinbarkeit von gewerblicher und wohnbaulicher Nutzung die planerische Zielsetzung der Minderung des Schutzniveaus für eine Wohnnutzung eine von positiven städtebaulichen Gründen getragene, nicht nur dem privaten Interesse des Investors dienende und damit die Planung rechtfertigende Zielsetzung sein (BVerwG, U. v. 3.6.2014 – 4 CN 6.12 – juris Rn. 19). Im vorliegenden Fall erscheint es danach aber zumindest fraglich, ob die einzig unter Nr. 4 der Begründung des Bebauungsplans genannten Planungsziele, die bisherigen Konflikte aus dem Nebeneinander von gewerblicher und wohnbaulicher Nutzung durch geeignete planerische Maßnahmen ausräumen zu wollen und die vorhandenen Nutzungen, die auf Grundlage des „aufgehobenen“ Bebauungsplans genehmigt wurden, in ihrem Bestand sichern zu wollen, ohne weitere Ausführungen in der Begründung des Bebauungsplans oder der Abwägungsentscheidung des Gemeinderats insbesondere das Heranrücken von Wohnbebauung auf der Teilfläche des Grundstücks FlNr. 3510 Gemarkung Großwallstadt an das Sportgelände rechtfertigen können.
2. Im Rahmen des Bauleitplanverfahrens sind nach § 1 Abs. 7 BauGB die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.
Eine Verletzung des Gebots gerechter Abwägung liegt vor, wenn eine sachgerechte Abwägung überhaupt nicht stattfindet, wenn Belange in die Abwägung nicht eingestellt werden, die nach Lage der Dinge eingestellt werden müssen, wenn die Bedeutung der betroffenen privaten Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtung einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet. Die Gemeinde hat hierzu das notwendige Abwägungsmaterial zu ermitteln und die betroffenen Interessen und Belange mit der ihnen objektiv zukommenden Bedeutung, hier insbesondere die Folgen der planerischen Ausweisung für das Grundeigentum und seine Nutzungsmöglichkeiten, in die Abwägung einzustellen (vgl. BayVGH, U. v. 24.9.2015 – 9 N 12.2303 – juris Rn. 21 m. w. N.). Dabei ist im Rahmen der bauleitplanerischen Abwägung auch der – im allgemein anerkannten Planungsgrundsatz des § 50 BImSchG enthaltene – Trennungsgrundsatz als Abwägungsdirektive zu beachten (BVerwG, B. v. 6.3.2013 – 4 BN 39.12 – juris Rn. 4). Eine Bauleitplanung ist danach regelmäßig verfehlt, wenn sie unter Verstoß gegen § 50 BImSchG dem Wohnen dienende Gebiete anderen Gebieten so zuordnet, dass schädliche Umwelteinwirkungen auf die Wohngebiete nicht so weit wie möglich vermieden werden (vgl. BVerwG, B. v. 22.6.2006 – 4 BN 17.06 – juris Rn. 5). Maßgeblich für die Abwägung ist dabei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses (§ 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB).
Hier wird im schalltechnischen Gutachten der Ingenieurbüro J. GmbH vom 1. April 2010 im festgesetzten allgemeinen Wohngebiet eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte der 18. BImSchV durch die Geräuschimmissionen der Sportanlagen in den Ruhezeiten um 4,6 dB(A) an Werktagen und bis 3,4 dB(A) an Sonntagen prognostiziert. Zudem ergibt sich aus dem Gutachten im allgemeinen Wohngebiet eine Überschreitung der Orientierungswerte der DIN 18005 um 1 dB(A) tagsüber bereits allein durch die Vorbelastung. Im Abwägungsbeschluss des Gemeinderats der Antragsgegnerin vom 29. November 2011 finden sich hierzu keine Ausführungen. Zwar wurde in dieser Gemeinderatssitzung die Stellungnahme des Landratsamts Miltenberg – Immissionsschutz vom 10. September 2010, die ebenfalls auf die Überschreitungen hinweist, behandelt. Diese Stellungnahme wurde jedoch lediglich als Hinweis zur Kenntnis genommen und im Folgenden ausgeführt, dass eine Anordnung von schutzbedürftigen Räumen auf der von den Sportflächen abgewandten Seite nicht immer vermeidbar sein wird und sofern nicht aktiver Lärmschutz greift, folglich passiver Schallschutz anzuwenden ist. Die erforderliche Beachtung der Wertungen der 18. BImschV sowie eine Abwägung der Belange der Bewohner des Wohngebietes auf der einen und des Antragstellers als Betreiber der Sportanlagen auf der anderen Seite ist daraus allerdings nicht ohne Weiteres ersichtlich (vgl. BVerwG, B. v. 26.5.2004 – 4 BN 24.04 – juris Rn. 7). Dieser Mangel dürfte auch erheblich sein, da er offensichtlich und mit Einfluss auf das Abwägungsergebnis gewesen sein dürfte (§ 214 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB).
Im Hinblick darauf kommt es auf die vom Antragsteller geltend gemachten inhaltlichen Zweifel an dem schalltechnischen Gutachten vom 1. April 2010 nicht an. Allerdings erscheint unter Berücksichtigung von Bild 5 unter Nr. 5.2 der VDI-Richtlinie 3770 und der fehlenden Angaben zu den zugrunde gelegten Zuschauerzahlen in diesem Gutachten nachvollziehbar, dass für den Sportanlagenlärm möglicherweise höhere Schallleistungspegel anzusetzen sind.
Es erscheint darüber hinaus nicht von vornherein ausgeschlossen, dass dieser Abwägungsfehler im Abwägungsvorgang zumindest im Hinblick auf das Heranrücken des festgesetzten Wohngebiets an das Sportgelände auch zu einem Fehler im Abwägungsergebnis führt (vgl. BVerwG, U. v. 5.5.2015 – 4 CN 4.14 – juris Rn. 15).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).
Die Nr. I. der Entscheidungsformel ist nach Rechtskraft des Urteils ebenso zu veröffentlichen, wie die Rechtsvorschrift bekannt zu machen wäre (§ 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Rechtsmittelbelehrung
Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 20.000,– Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 1 und 8 GKG).
Gründe:
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 und 8 GKG i. V. m. Nr. 9.8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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