Baurecht

Unwirksamkeit von Festsetzungen einer Gemeinbedarfsfläche im Bebauungsplan, Rechtsschutzbedürfnis, Bestimmtheit eines Antrags auf Vorbescheid, Abgrenzung Innen- und Außenbereich

Aktenzeichen  M 9 K 20.1947

Datum:
30.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 31839
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 5
BauGB § 35

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar; für die Beigeladene nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags. Die Klägerin darf die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg, da sie unzulässig und unbegründet ist.
I. Die Verpflichtungsklage ist bereits unzulässig. Der Klage fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Eine Vorbefassung der Behörde mit dem Antrag ist zwar erfolgt, aber die Klägerin hat nach ihrem Vortrag in der mündlichen Verhandlung kein Interesse mehr an der Entscheidung über ihren Antrag. Nach dem Vortrag in der mündlichen Verhandlung will die Klägerin eine Entscheidung über die planungsrechtliche Zulässigkeit eines allgemeinen Wohngebäudes i.S.d. § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO. Nach den eingereichten und maßgeblichen Plänen zum Vorbescheid handelt es sich aber um einen Beherbergungsbetrieb i.S.d. § 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO.
Beherbergungsgewerbe sind solche Betriebe, die einem ständig wechselnden Kreis von Gästen zu gewerblichen Zwecken gegen Entgelt vorübergehende Übernachtungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen, ohne dass die Gäste in den Räumen unabhängig eine eigene Häuslichkeit begründen können. Zum typischen Erscheinungsbild eines Beherbergungsbetriebes gehören neben den Gasträumen, dem Büro und dem Empfangsbereich z.B. Frühstücks- und Gemeinschaftsräume. (Stock in: EZBK, 141. EL Februar 2021, BauNVO § 4 Rn. 110). Für die 22 Zimmer des Apartmenthauses ist ein gemeinschaftlicher Frühstücksraum vorgesehen und neben dem Eingangsbereich befindet sich eine Rezeption. Des Weiteren sind zwei WCs auf dem Gang zu gemeinschaftlichen Nutzung vorgesehen. Die Zimmer selbst verfügen über keine Kochgelegenheit. Aufgrund des aus den Plänen ersichtliche Nutzungskonzept liegt ein Betrieb des Beherbergungsgewerbes i.S.d. § 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO vor.
Die Verpflichtung zur Erteilung des Vorbescheides würde dem Interesse der Klägerin deswegen nicht entsprechen, da sie nur eine Entscheidung über die Zulässigkeit eines Beherbergungsbetriebes erhalten würde. Eine Änderung des Antrages in der mündlichen Verhandlung konnte schon nicht erfolgen, da der Antrag nach Art. 71 Satz 4 BayBO i.V.m. Art. 64 Abs. 1 Satz 1 BayBO schriftlich gestellt werden muss.
Selbst bei Unterstellung zugunsten der Klägerin, dass trotz dieser eindeutigen Pläne ein allgemeine Wohnnutzung vorliegen und verbeschieden werden könnte, scheitert ein Anspruch jedenfalls an der fehlenden Bestimmtheit des Vorbescheidsantrages. Ein ordnungsgemäßer Antrag nach Art. 71 Satz 1 BayBO wäre dann nicht gegeben. Die Einordnung dieses Vorhaben als Wohngebäude i.S.d. § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO oder als Betrieb des Beherbergungsgewerbes i.S.d. § 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO ist zwar eine Frage der rechtlichen Einordnung, die nicht zur Unbestimmtheit des Antrages führt (BVerwG, B.v. 15.12.2006 – 4 B 60/06 – juris Rn. 6). Einem Vorbescheidsantrag muss aber das Vorhaben, dessen Zulässigkeit geprüft werden soll entnommen werden können und damit auch die Angaben enthalten um eine rechtliche Einordnung der Nutzung vorzunehmen. Denn nur unter diesen Voraussetzungen kann mit der gebotenen Bestimmtheit (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG) über den Antrag entschieden werden (vgl. BayVGH, U.v. 22.5.2006 – 1 B 04.3531 – BayVBl 2007, 760). Es ist nicht Aufgabe der Baugenehmigungsbehörden, aus mehreren in Betracht kommenden Bebauungsmöglichkeiten eine prüf- und genehmigungsfähige Variante herauszusuchen bzw. zu ermitteln. Es obliegt ausschließlich dem Antragsteller, durch die Formulierung einer entsprechenden konkreten / bestimmten Frage das behördliche Prüfprogramm festzulegen. Fehlt es an einer solchen Frageformulierung, ist der Vorbescheidsantrag zu unbestimmt und nicht geeignet einen Anspruch auf Entscheidung zu begründen (BayVGH, U.v. 21.10.2020 – 15 B 19.1591 – juris Rn. 26). Zur Beurteilung der maßgeblichen beantragten Nutzung sind hierbei sowohl der Antrag selbst als auch die diesem beigefügten Planunterlagen zur Konkretisierung des Vorhabens heranzuziehen (VG Ansbach, U.v. 9.10.2014 – 9 K 14.00830, BeckRS 2014, 58668). Maßgeblich für die Überprüfung der Bestimmbarkeit des Antrags ist das, was schriftlich mit dem Antrag und den beigefügten Planunterlagen beantragt wurde. Dies folgt daraus, dass der Bauherr den Gegenstand des Vorbescheids und damit auch die Zweckbestimmung lediglich durch seinen Antrag bestimmt (vgl. VG Ansbach, U v. 8.8.2018 – 3 K 17.2090, BeckRS 2018, 19109 Rn. 68). Es wäre deswegen Sache der Klägerin gewesen durch eine schriftliche Beschreibung der zukünftigen Vermietung als Teil des Antrages eine Konkretisierung hin zu einer allgemeinen Wohnnutzung vorzunehmen. Ohne diese Beschreibung fehlt es ansonsten jedenfalls an der hinreichend bestimmten Art der Nutzung. Weder die Baugenehmigungsbehörde noch das Gericht können ohne diese Beschreibung eine rechtliche Einordnung hin zu einem Wohngebäude i.S.d. § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO vornehmen.
II. Die Klage ist darüber hinaus in jedem Fall auch unbegründet, da die Klägerin sowohl im Falle einer Wohngebäudenutzung als auch eines Betriebs des Beherbergungsgewerbes keinen Anspruch auf den beantragten Vorbescheid hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das geplante Apartmenthaus widerspricht den Festsetzungen der 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 23 für das Gebiet S. … straße und L. …weg. Dieser setzt für das Vorhabengrundstück wirksam eine Gemeinbedarfsfläche für soziale Zwecke fest (unten 1.). Darüber hinaus ist das Vorhaben selbst bei unterstellter Unwirksamkeit des Bebauungsplans planungsrechtlich unzulässig, da es sich sodann im Außenbereich gemäß § 35 BauGB befinden würde (unten 2.).
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung des Vorbescheids gem. Art. 71 BayBO, da das Apartmenthaus nach den §§ 29 ff. BauGB bauplanungsrechtlich unzulässig ist. Die Zulässigkeit richtet sich nach § 30 Abs. 1 BauGB, da sich das Vorhaben im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans befindet und dieser hinsichtlich der Festsetzungen in Bezug auf das Vorhabengrundstück nicht unwirksam ist. Diese Festsetzung zur Art der Nutzung in Form von sozialen oder kirchlichen Zwecken widerspricht der geplanten Apartmenthausnutzung.
a) Die Festsetzung der Gemeinbedarfsfläche für „sozialen Zwecken dienende Gebäude und Einrichtungen“ in Bezug auf das klägerische Grundstück ist wirksam, da sie entgegen der Ansicht der Klägerin bestimmt genug ist.
Ein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz kann im Rahmen der inzidenten Überprüfung von Festsetzungen von Bebauungsplänen überprüft werden. Grundsätzlich kann im Wege einer solchen inzidenten Prüfung der in Frage stehenden Festsetzungen im Gegensatz zu einem Normenkontrollverfahren, welches den Bebauungsplan in seinem Gesamtgefüge zum Gegenstand hat, nur das überprüft werden, was offenkundig oder von den Beteiligten problematisiert worden ist. Der Umfang der Inzidentkontrolle ist dabei eingeschränkt auf die nicht von der Rügepflicht des § 215 Abs. 1 BauGB erfassten, dort abschließend genannten Fälle der stets beachtlichen Mängel, da § 215 Abs. 1 BauGB nicht nur auf eine Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle im Normenkontrollverfahren, sondern auch auf eine Beschränkung der im Rahmen einer Klage vorzunehmenden Inzidentprüfung abzielt. Damit wird die Möglichkeit einer inzidenten Verwerfung der Norm durch ein Gericht im Interesse der Bestandserhaltung des Bebauungsplans auf beachtliche Rechtsverstöße begrenzt‚ die auf Dauer seiner Wirksamkeit entgegenstehen, sogenannte Ewigkeitsfehler. Dies sind insbesondere Verstöße gegen den Erforderlichkeitsgrundsatz (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB) oder gegen den Bestimmtheitsgrundsatz sowie der Fall eines fehlerhaften Abwägungsergebnisses (§ 1 Abs. 7 BauGB) und des Fehlens jeglicher oder der Überschreitung einer Rechtsgrundlage (BayVGH, U.v. 14.5.2021 – 1 B 19.2111, BeckRS 2021, 12464, Rn. 20; BayVGH, U.v. 22.9.2015 – 1 B 14.1652, BeckRS 2015, 52671, Rn. 20).
Der Bestimmtheitsgrundsatz besagt, dass Bebauungspläne, genauso wie andere Rechtsnormen, die Rechtslage für die Betroffenen eindeutig erkennbar umschreiben müssen. Dies gilt sowohl für die Planzeichnung als auch die textlichen Festsetzungen. Hierfür ist es ausreichend, wenn der Inhalt des Bebauungsplans durch Auslegung ermittelt werden kann, wobei die Interpretation nicht durch den formalen Wortlaut beschränkt wird (OVG NW, U.v. 15.5.2013 – 2 D 122/12, BeckRS 2013, 52821). Es lassen sich indessen keine allgemein gültigen Regeln dafür ableiten, wie konkret bauplanerische Festsetzungen sein müssen, um insbesondere dem Gebot der Bestimmtheit von Rechtsnormen zu genügen. Vielmehr hängt das Maß gebotener Konkretisierung von den Umständen im Einzelfall ab (BVerwG; U.v.11.3.1988 – 4 C 56/84, NVwZ 1989, 659). Der nähere Inhalt der Festsetzungen muss sich unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse und des erkennbaren objektiven Willens des Normgebers im Einzelfall erschließen lassen können. Ausschlaggebend ist demnach der objektive Wille des Plangebers, soweit er wenigstens andeutungsweise im Satzungstext einen Niederschlag gefunden hat. Das erforderliche Maß der Konkretisierung von Festsetzungen eines Bebauungsplans richtet sich dabei danach, was nach den Verhältnissen des Einzelfalls wie Planungsziele und örtliche Verhältnisse für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist und dem Gebot gerechter Abwägung der konkret berührten privaten und öffentlichen Belange entspricht (BVerwG, B.v. 24.01.1995 – 4 NB 3/95 juris Rn. 3 m.w.N.).
Im Regelfall ist die Festsetzung einer Gemeinbedarfsfläche ohne jeglichen konkretisierenden Zusatz unwirksam, weil ohne festgesetzte nähere Zweckbestimmung eine Bandbreite höchst unterschiedlicher Vorhaben des Gemeinbedarfs zugelassen würden, sodass in diesem Fall weder das Planungsziel hinreichend deutlich erkennbar ist noch geprüft werden kann, ob die Festsetzung der Gemeinbedarfsfläche mit den Festsetzungen für die Nachbargrundstücke vereinbar ist. Ausreichend bestimmt ist die Festsetzung einer Gemeinbedarfsfläche aber dann, wenn sie einen Zusatz enthält, der in einer der örtlichen Situation angemessenen Weise hinreichend deutlich erkennen lässt, mit welchen besonderen Arten von (Gemeinbedarfs-) Nutzungen zu rechnen ist (BVerwG, B. v. 20.1.1995 – 4 NB 43/93 – juris Rn. 19). Zudem ist es grundsätzlich zulässig, die Festsetzung einer Gemeinbedarfsfläche durch Planzeichen im Sinne der Planzeichenverordnung (PlanZV) zu konkretisieren (OVG NW, U.v. 15.5.2013 – 2 D 122/12, BeckRS 2013, 52821; BVerwG; U.v.11.3.1988 – 4 C 56.84, juris Rn. 24).
In dem von § 1 Abs. 3 und § 9 BauGB gezogenen Rahmen bestimmt die Gemeinde in planerischer Gestaltungsfreiheit, welches Maß an Konkretisierung von Festsetzungen der jeweiligen Situation angemessen ist. Dabei kann eine gewisse planerische Zurückhaltung der Funktion des Bebauungsplans entsprechen. Dessen spezifische Aufgabe ist es nämlich einen verbindlichen Rahmen zu setzen, der dem Eigentümer noch Spielraum für eigene Gestaltung belässt und die konkrete Verwaltungsentscheidung über ein bestimmtes Vorhaben nicht vorwegnimmt (BVerwG, U.v. 11.3.1988 – 4 C 56/84, NVwZ 1989, 659, 660). Auch aus der Begründung eines Bebauungsplans oder aus anderen Umständen kann sich in eng begrenztem Umfang die hinreichende Bestimmtheit der Festsetzung einer Gemeinbedarfsfläche ergeben (vgl. VGH BW, U.v. 11.3.1999 – 3 S 1524/96 – juris Rn. 32).
Gemessen hieran ist die Festsetzung einer Gemeinbedarfsfläche mit der hinzugefügten Zweckbestimmung „sozialen Zwecken dienende Gebäude und Einrichtungen“ ausreichend bestimmt, da mittels der Planzeichen in 4.1 der Planzeichenverordnung eine Konkretisierung erfolgt ist.
Die Festsetzung der Gemeinbedarfsfläche stützt sich dabei auf § 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB. Danach dürfen in einem Bebauungsplan aus städtebaulichen Gründen Flächen für einen Gemeinbedarf festgesetzt werden. Der Begriff des Gemeinbedarfs wird in § 5 Abs. 2 Nr. 2 a) BauGB definiert. Danach gehören zum Gemeinbedarf u.a. Anlagen und Einrichtungen mit kirchlichen und sozialen Zwecken, die nicht mit eindeutig privatwirtschaftlichem Gewinnstreben betrieben werden (VGH BW, U. v. 11.03.1999 – 3 S 1524/96 – juris Rn. 31). Mittels Planzeichen wurden durch den streitgegenständlichen Bebauungsplan somit die im Rahmen des Gemeinbedarfs möglichen Nutzungen auf die Nutzungsmöglichkeit der sozialen Zwecke begrenzt.
Weiter ist zu beachten, dass sich zum Zeitpunkt der Änderung des Bebauungsplans bereits das St. J. … sowie die H. …-J. …-Kapelle an den mit den Planzeichen „soziale Zwecke“ bzw. „kirchliche Zwecke“ markierten Stellen befunden haben, die in den zeichnerischen Festsetzungen auch ausdrücklich als „St. J. …“ und „H. …-J. …-Kapelle“ bezeichnet werden. Hieraus ergibt sich, dass die vorhandene Struktur an Gebäuden des Gemeinbedarfs auf dem klägerischen Grundstück erhalten bleiben sollte, und insbesondere im räumlichen Zusammenhang mit der denkmalgeschützten H. …-J. …-Kapelle auf der überbaubaren Grundstücksfläche des St. J. … eine mit der H. …-J. …-Kapelle verträgliche Nutzung zu sozialen Zwecken angestrebt wird. Das alte St. J. …, das bis zuletzt als Pfarrheim genutzt wurde, und die denkmalgeschützte H. …-J. …-Kapelle geben einen Rahmen für mögliche Nutzungen vor. Aufgrund der bestehenden örtlichen Verhältnisse ist nur eine mit der direkt angrenzenden Kapelle verträgliche soziale Nutzung möglich. Es wurde ein verbindlicher Rahmen gesetzt, der der Eigentümerin noch einen gewissen Spielraum für eine eigene Gestaltung belässt. Es führt nicht zu einer Unbestimmtheit des Bebauungsplans, dass durch die für den Bereich des St. J. … festgesetzte Nutzung für soziale Zwecke weiterhin eine Bandbreite an Nutzungsmöglichkeiten bestehen bleibt, die im Rahmen von zu einem Pfarrheim vergleichbaren sozialen Zwecken zulässig ist. Insoweit enthält vielmehr die in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO enthaltene Regelung ein geeignetes Instrumentarium, um im Einzelfall auftretende Konflikte zu lösen, da der Bebauungsplan hingegen nicht alle Probleme, die sich aus der in ihm enthaltenen grundsätzlichen Zulassung bestimmter Nutzungen im Plangebiet im Einzelfall für andere, insbesondere für nachbarliche Belange ergeben können, schon selbst abschließend zu bewältigen braucht (vgl. BVerwG, U.v. 11.3.1988 – 4 C 56/84, NVwZ 1989, 659, 660).
Das von der Klägerin angeführte Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 19. Juli 2011 ist aufgrund der obigen Ausführungen nicht mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbar. In dem angeführten Urteil nahm das OVG Nordrhein-Westfalen trotz Verwendung des Planzeichens „sozialen Zwecken dienende Gebäude und Einrichtungen“ als Konkretisierung keine hinreichende Bestimmtheit der Festsetzung an (OVG NW, U.v. 19.7.2011 – 10 D 131/08.NE – juris Rn. 38). Diese Entscheidung unterscheidet sich vom vorliegenden Fall allerdings dahingehend, dass der streitgegenständliche Bebauungsplan die Gemeinbedarfsfläche an einer Stelle festgesetzt hat, auf der bereits eine § 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB entsprechende Nutzung vorhanden ist. Die Bestandsnutzung „St. J. …“ und „H. …-J. …-Kapelle“ werden ausdrücklich in den zeichnerischen Festsetzungen genannt, sodass sich hieraus wie bereits ausgeführt ein Rahmen verträglicher Nutzungen ergibt. Des Weiteren überzeugt die Entscheidung des OVG Nordrhein-Westfalen nicht, da es grundsätzlich zulässig ist, die Festsetzung einer Gemeinbedarfsfläche mittels Planzeichen im Sinne der Planzeichenverordnung zu konkretisieren (vgl. BVerwG, U.v. 11.3.1988 – 4 C 56/84, NVwZ 1989, 659, 660). Es ist also eine durch den Verordnungsgeber gerade den Gemeinden ermöglichte Art und Weise der abstrakten Festsetzung im Rahmen des normativen Bebauungsplans. Alle in der BauNVO vorgesehenen Baugebiete enthalten abstrakte Vorgaben zur Art der Nutzung, ohne dass insoweit die Bestimmtheit dieser Begrifflichkeiten ernsthaft in Zweifel gezogen wird (so auch OVG NW, U.v. 15.05.2013 – 2 D 122/12.NE – juris Rn. 54). Werden aber solche im Bauplanungsrecht anerkannten und für sich genommen auch hinreichend bestimmte Begriffe zur Zweckbestimmung einer Gemeinbedarfsfläche verwendet, kann sich ein Bedürfnis nach einer weitergehenden Eingrenzung der Zweckbestimmung im Wesentlichen (nur) im Hinblick auf die Berücksichtigung nachbarlicher Belange ergeben. Im Falle eines größeren Nutzungsspektrums greift für nachbarliche Belange wie bereits ausgeführt allerdings das Korrektiv des in § 15 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BauNVO verankerten Gebots der Rücksichtnahme (vgl. OVG NW, U.v. 15.5.2013 – 2 D 122/12.NE – juris Rn. 54 f.). Entgegen der Ansicht der Klägerin ist der entschiedene Fall des OVG Nordrhein-Westfalen vom 15. Mai 2013 (OVG NW, U.v. 15.5.2013, 2 D 122/12.NE) durchaus mit dem vorliegenden vergleichbar, da in dieser Entscheidung auch eine Festsetzung bewertet und als hinreichend konkret eingestuft wurde, die eine Gemeinbedarfsfläche textlich mit der Zweckbestimmung „sozialen Zwecken, kulturellen Zwecken, der öffentlichen Verwaltung und der Schulnutzung dienend“ festsetzt. Ob die Zweckbestimmung textlich mit den in der BauNVO verwendeten Nutzungsbegriffen oder wie im vorliegenden Fall mittels Planzeichen in Verbindung mit einer textlichen Definition des verwendeten Planzeichens festgesetzt wird, kann dabei keinen Unterschied machen, da in beiden Fällen die Zweckbestimmung textlich unter Verwendung von gesetzlichen Begrifflichkeiten festgehalten wurde. In dem angeführten Fall war die Zweckbestimmung durch weitere Zwecke wie kulturelle und der öffentlichen Verwaltung und Schulnutzung dienend sogar weiter gefasst als die vorliegende, die lediglich soziale Zwecke vorsieht. Insofern muss daher die vorliegende Zweckbestimmung erst recht hinreichend konkret sein, wenn die Zweckbestimmung des angeführten Urteils des OVG Nordrhein-Westfalen ebenfalls als hinreichend konkret bewertet wurde. Erst Recht ist die von der Klägerin zitierte Entscheidung des BayVGH vom 9. April 2003 nicht mit dem vorliegenden Fall hinsichtlich des notwendigen Grades der Konkretisierung vergleichbar. In dieser Entscheidung enthielt der Bebauungsplan hinsichtlich der Gemeinbedarfsfläche folgende Festsetzung: „Einrichtungen und Anlagen zur Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen des öffentlichen und privaten Bereichs, Fläche für Gemeinbedarf, Flächen für Sport und Spielanlagen, § 5 Abs. 2 Nr. 2 u. Abs. 4, § 9 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 6 BauGB“ (BayVGH, U.v. 9.04.2003 – 26 N 01.312 – juris Rn. 21). Im Vergleich zum vorliegenden Fall waren die Festsetzungen, die dem Fall des BayVGH zugrunde lagen, somit erheblich weiter und unkonkreter gefasst.
b) Der Widerspruch des Vorhabens zu der wirksamen Festsetzung steht der Zulässigkeit des Apartmenthauses entgegen. Eine Befreiung von der Festsetzung nach § 31 Abs. 2 BauGB scheidet aus, da die Grundzüge der Planung berührt werden. Die Grundzüge der Planung sind berührt, da eine Befreiung von einer Festsetzung bezüglich der Art der baulichen Nutzung regelmäßig tief in das Interessengeflecht eines Bebauungsplanes eingreift. Mit der Festsetzung der Art der baulichen Nutzung wird die wichtigste städtebauliche Gestaltungsfunktion des Bebauungsplans ausgeübt (VGH BW, U.v. 13.9.2018 – 8 S 2254/17 – juris Rn. 59; VG München, U.v. 20.11.2019 – M 9 K 17.4569 – juris Rn. 33).
2. Darüber hinaus würde sich selbst bei unterstellter Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Festsetzung des Bebauungsplans die bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit des geplanten Apartmenthauses daraus ergeben, dass sich das Vorhaben im Außenbereich gemäß § 35 BauGB befinden würde und insofern hinsichtlich der Befürchtung der Entstehung einer Splittersiedlung gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB unzulässig wäre.
Dabei könnte letztlich offenbleiben, ob das noch bestehende St. J. … noch im Innenbereich liegt und ggf. nach einem Abriss eine nachprägende Wirkung hat, da das geplante Apartmenthaus ca. 2 m weiter in den Süden reicht und damit jedenfalls teilweise im Außenbereich liegen würde. Nach dem Ergebnis des Augenscheins befindet sich aber sogar das gesamte Vorhabengrundstück und damit auch das St. J. … nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB, sodass es auf eine nachprägende Wirkung schon nicht mehr ankommt.
Für das Bestehen eines Bebauungszusammenhangs ist entscheidend, ob und inwieweit eine tatsächlich aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche (noch) diesem Zusammenhang angehört (BVerwG, U.v. 6.11.1968 – IV C 2.66 – juris Rn 17; B.v. 2.4.2007 – 4 B 7/07 – juris Rn. 4). Wie eng die Aufeinanderfolge von Baulichkeiten sein muss, um sich als zusammenhängende Bebauung darzustellen, ist einzelfallbezogen zu entscheiden. Darüber, wo die Grenze des Bebauungszusammenhangs verläuft, ist nicht nach geographisch-mathematischen Maßstäben, sondern aufgrund einer umfassenden, die gesamten örtlichen Gegebenheiten erschöpfend würdigenden Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhalts zu befinden (BVerwG, U.v. 19.4.2012 – 4 C 10.11 – juris Rn. 11 m.w.N.). Denn bei der Grenzziehung zwischen Innen- und Außenbereich geht es darum, inwieweit ein Grundstück zur Bebauung ansteht und sich aus dem tatsächlich Vorhandenen ein hinreichend verlässlicher Maßstab für die Zulassung weiterer Bebauung gewinnen lässt. Die (be-)wertende Betrachtung der konkreten tatsächlichen Verhältnisse kann sich angesichts dieser vom Gesetzgeber vorgegebenen Kriterien nur nach optisch wahrnehmbaren Merkmalen richten. Der Bebauungszusammenhang endet regelmäßig am letzten Baukörper (BVerwG, B.v. 8.10.2015 – 4 B 28.15 – juris Rn. 5 f.).
Die im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB im Zusammenhang bebauten nordöstlichen Wohnhäuser befinden sich entlang der S. … straße auf einer von Nordwesten nach Südosten parallel zur S. … straße verlaufenden Linie. Das Grundstück der Klägerin liegt dagegen auf der anderen, südwestlichen Seite dieser Linie. Von den übrigen Seiten – also nordwestlich, westlich und südlich – wird das Grundstück von Freiflächen umschlossen, insbesondere setzt sich nach Nordwesten eine große Freifläche fort, die sich entlang der beschriebenen Linie zusammen mit dem klägerischen Grundstück auf deren südwestlicher Seite befindet. Das Grundstück liegt somit im Gegensatz zu den übrigen Wohnhäusern als einziges Grundstück auf der von Freiflächen umschlossenen Seite. Dieser von Nordwesten nach Südosten parallel zur S. … straße verlaufenden Linie kommt somit als Ortsrand trennende Wirkung zu. Demnach entsteht zwischen dem Grundstück der Klägerin und den nordöstlichen Wohnhäusern kein Eindruck der Geschlossenheit im Sinne einer zusammenhängenden Bebauung. Das Apartmenthaus hätte wie das St. J. … zur nordöstlichen Wohnbebauung einen Abstand von ca. 40 m und ist nach Nordwesten, Westen und Süden von großen Freiflächen umschlossen. Der zwischen der Wohnbebauung und dem St. J. … gelegenen H. …-J. …-Kapelle kommt für den Eindruck des im Zusammenhang bebauten Ortsteils keine prägende Wirkung zu, da diese nicht dem ständigen Aufenthalt von Menschen dient (vgl. BVerwG, U.v. 30.06.2015 – 4 C 5/14 – NVwZ 2015, 1767 Rn. 15 m. w. N.). Somit kann sie kein für die Annahme einer zusammenhängenden Bebauung maßgebliches Bindeglied zwischen der Wohnbebauung und dem St. J. … darstellen.
2. Das geplante Apartmenthaus ist im Außenbereich aufgrund von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB unzulässig, da es aufgrund seiner Lage im Außenbereich die Entstehung einer Splittersiedlung befürchten lässt. Bei dem geplanten Apartmenthaus handelt es sich nicht um ein privilegiertes Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB, da keine der dort aufgelisteten Nummern einschlägig ist. Somit richtet sich die Zulässigkeit für das Vorhaben als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB, und das Vorhaben wäre nur zulässig, wenn keine öffentlichen Belange, insbesondere solche nach § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB, beeinträchtigt werden.
Nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB liegt eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange vor, wenn das Vorhaben die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt. Anliegen dieses öffentlichen Belangs ist es, eine unorganische Siedlungsstruktur und Zersiedlung des Außenbereichs zu verhindern (Söfker in: EZBK, 141. EL Februar 2021, BauGB § 35 Rn. 103; BVerwG, U.v. 26.5.1967 – 4 C 25.66; U.v. 13.2.1976 – 4 C 72.74; U.v. 25.1.1985 – 4 C 29.81). Der Begriff der Splittersiedlung ist im Gesetz nicht definiert, ergibt sich aber aus dem Wortsinn und den planungsrechtlichen Zusammenhängen des Gesetzes. Eine Splittersiedlung ist gekennzeichnet durch in einem engeren räumlichen Bereich liegende Bauten, die in keiner organischen Beziehung zu den im Zusammenhang bebauten Ortsteilen stehen, und die selbst keinen im Zusammenhang gebauten Ortsteil darstellen, auch in keiner organischen Beziehung zu einem solchen stehen oder sich nicht in die geordnete städtebauliche Entwicklung einfügen (Söfker in: EZBK, 141. EL Februar 2021, BauGB § 35 Rn. 104). Der Bau des Apartmenthauses würde zu einer unorganischen Siedlungsstruktur führen und sich somit nicht in die geordnete städtebauliche Entwicklung einfügen, sodass die Entstehung einer Splittersiedlung zu befürchten ist. Demnach ist das geplante Vorhaben nach § 35 BauGB bauplanungsrechtlich nicht zulässig. Anhaltspunkte für die Erfüllung einer Teilprivilegierung i.S.d. § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB durch das Apartmenthaus nach Abriss des St. J. … sind nicht ersichtlich.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass die Klägerin auch die der Beigeladenen entstandenen außergerichtlichen Kosten trägt, weil sich die Beigeladene in diesem Verfahren durch einen eigenen Antrag dem aus § 154 Abs. 3 VwGO folgenden Kostenrisiko ausgesetzt hat.
IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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