Baurecht

Vergabe der Abfallentsorgung – Angabe von Referenzprojekten samt Ansprechpartner

Aktenzeichen  Z3-3/31941/10/03/16

Datum:
9.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Vergabekammer
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VOL/A VOL/A § 7 EG Abs. 3 lit. a), § 19 EG Abs. 3 lit. a)

 

Leitsatz

Hat der Auftraggeber in der Bekanntmachung festgelegt, dass Liste der Referenzprojekte mit vergleichbaren Leistungen in den letzten 3 Jahren mit Angabe des Leistungsumfangs, der Leistungszeit sowie der Auftraggeber mit Ansprechpartner vorzulegen ist, stellt die Forderung nach der Nennung von Ansprechpartnern für die Referenzen im Regelfall keine leere Förmelei dar, die ein Bieter ohne Konsequenzen auch unterlassen kann. (Abgrenzung zu OLG München, Beschluss vom 12.11.2012 – Verg 23/12) (amtlicher Leitsatz)
Mindestanforderungen an die Eignung müssen in der Bekanntmachung nicht zwingend unter der Überschrift “Möglicherweise geforderte Mindeststandards” benannt werden, es genügt eine hinreichend klare und transparente Anforderung in der Bekanntmachung. (amtlicher Leitsatz)
Vergleichbar ist eine Referenzleistung mit der ausgeschriebenen Leistung wenn sie dieser so weit ähnelt, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung eröffnet. Dies kann zweifelhaft sein, wenn die zu entsorgenden Mengen der Referenzaufträge weit hinter den Mengen des ausgeschriebenen Auftrags zurückbleiben. (amtlicher Leitsatz)

Tenor

1. Dem Antragsgegner wird untersagt, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht wird der Antragsgegner verpflichtet, das Angebot der Beigeladenen auszuschließen und die Angebotswertung unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.
2. Der Antragsgegner und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin notwendigen Auslagen zu gleichen Teilen.
3. Für das Verfahren wird eine Gebühr von …,00 Euro festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen.
4. Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten der Antragstellerin war notwendig.

Gründe

I.
Der Antragsgegner beabsichtigt die Vergabe der „Beseitigung und Behandlung von Siedlungsabfällen, Los 4 Übernahme und Vermarktung von Altpapier“. Eine entsprechende Veröffentlichung erfolgte im Rahmen einer EU-weiten Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften im Wege eines offenen Verfahrens nach den Bestimmungen der VOL/A.
Das vorliegende Vergabeverfahren war bereits Gegenstand einer Entscheidung der erkennenden Vergabekammer vom 17.11.2015 (Az. Z3-3-3194-1-52-10/15). Mit dieser Entscheidung hatte die Vergabekammer den Antragsgegner verpflichtet, das Vergabeverfahren für Los 4 in den Stand vor Versendung der Vergabeunterlagen unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zurückzuversetzen.
Mit Schreiben vom 10.12.2015 hat der Antragsgegner erneut zur Abgabe von Angeboten aufgefordert und dabei die Aufforderung zur Angebotsabgabe und die Leistungsbeschreibung mit Modifikationen übersandt. Die Antragstellerin hat daraufhin ein Angebot abgegeben.
Unverändert blieben mit den neuen Vergabeunterlagen die ursprünglichen Anforderungen an die Leistungsfähigkeit und deren Nachweis durch die Bieter. Unter Ziffer III.2.3 der Vergabebekanntmachung war gefordert, dass die Bieter eine
„Liste der Referenzprojekte mit vergleichbaren Leistungen in den letzten 3 Jahren mit Angabe des Leistungsumfangs (Mengen), der Leistungszeit sowie der Auftraggeber mit Ansprechpartner.“
vorlegen sollten. Eine exakt gleichlautende Anforderung findet sich in der Angebotsaufforderung unter Nr. 9 Buchstabe i). Unter Nr. 9 vorletzter Absatz der Angebotsaufforderung wurde klargestellt, dass diese Unterlagen bereits mit dem Angebot einzureichen waren. Im Falle des Fehlens von Unterlagen wurde auf die Möglichkeit einer Nachforderung hingewiesen.
Die spätere Beigeladene gab fristgemäß ein Angebot ab, dass die geforderte Liste der Referenzprojekte nicht enthielt. Mit Schreiben vom 02.02.2016 forderte der Antragsgegner die spätere Beigeladene auf, die geforderte „Liste der Referenzprojekte mit vergleichbaren Leistungen in den letzten 3 Jahren mit Angabe des Leistungsumfangs (Mengen), der Leistungszeit sowie der Auftraggeber mit Ansprechpartner“ in aussagekräftiger Form bis zum 08.02.2016 vorzulegen.
Die spätere Beigeladene legte daraufhin fristgerecht eine Liste mit der Angabe von zwei Gewerbebetrieben für das Jahr 2013, 13 Gewerbebetrieben für das Jahr 2014 und 17 Gewerbebetrieben für das Jahr 2015 vor, bei denen sie die Übernahme und Vermarktung von Altpapier durchgeführt hatte. Ansprechpartner enthielt diese Liste nicht. Die übernommenen Mengen für die Jahre 2013 und 2014 bleiben auch in Addition der Mengen der gesamten Gewerbebetriebe weit hinter den für den streitgegenständlichen Auftrag angenommenen Mengen von 12.000 pro Jahr zurück. Auch die übernommenen Mengen für 2015 machen in Addition nur etwas mehr als 3/5 der für den streitgegenständlichen Auftrag angenommenen Mengen aus.
Mit Informationsschreiben nach § 101 a GWB vom 16.03.2016 wurde der Antragstellerin mitgeteilt, dass auf ihr Angebot der Zuschlag nicht erteilt werden könne, weil sie nicht das preislich günstigste Angebot abgegeben habe. Es sei daher beabsichtigt, den Zuschlag auf das preislich günstigste Angebot der Beigeladenen zu erteilen.
Diese Entscheidung rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 17.03.2016 gegenüber dem Antragsgegner als vergaberechtswidrig, da die Beigeladene nach der Marktkenntnis der Antragstellerin noch niemals einen Auftrag im Bereich der kommunalen Altpapierverwertung ausgeführt habe.
Auf die Rüge der Antragstellerin teilte der Antragsgegner mit Schreiben vom 23.03.2016 mit, die Beigeladene habe eine Liste der Referenzobjekte mit vergleichbaren Leistungen vorgelegt. Der Rüge könne daher nicht abgeholfen werden.
Weil die vorangegangene Rüge den Antragsgegner nicht zur Änderung seiner Rechtsauffassung bewegte, beantragte die Antragstellerin am 24.03.2016 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens und weiter:
1. dem Antragsgegner zu untersagen, den Zuschlag in dem Los 4 an die Beigeladene zu erteilen,
2. den Antragsgegner zu verpflichten, die Angebote unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu zu werten,
3. der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakte gemäß § 111 GWB zu gewähren,
4. die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin für notwendig zu erklären,
5. dem Antragsgegner die Kosten des Nachprüfungsverfahrens aufzuerlegen.
Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Nachprüfungsantrag gegen die beabsichtigte Zuschlagserteilung auf das Angebot der Beigeladenen, da dieses Unternehmen nicht die verlangten Nachweise vorgelegt habe und nicht die für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen erforderliche Eignung besitze.
Die von der Beigeladenen offenbar vorgelegten Referenzen zur Übernahme und Verwertung von Altpapier für gewerbliche Auftraggeber seien unter verschiedenen Gesichtspunkten mit dem hier ausgeschriebenen Auftrag, der Übernahme und Verwertung von Altpapier aus einer kommunalen Sammlung, nicht vergleichbar. Nach Ziff. 1.6.4 Abs. 2 der Leistungsbeschreibung für Los 4 habe der Auftragnehmer die Bestimmungen zum Verpackungsanteil im Altpapier gemäß Ziffer 1.3 Abs. 5 der Leistungsbeschreibung zu berücksichtigen. Er habe die Entwicklung der Rechtsprechung zur Vertragssituation mit den dualen Systemen zum Verpackungsanteil im Altpapier zu beachten und darauf zu reagieren, Ziffer 1.3 Abs. 5 der Leistungsbeschreibung. Er habe gegenüber den dualen Systemen Nachweise zu führen. Der Auftragnehmer von Los 1 übertrage seine Pflichten im Rahmen der Nachweisführung gegenüber den dualen Systemen auf den Auftragnehmer von Los 4. Der Auftragnehmer von Los 4 übernehme die Nachweisführung gegenüber den dualen Systemen und berücksichtige diese Aufgabe in den Angebotspreisen, Ziffer 1.3 Abs. 4 der Leistungsbeschreibung. Damit habe der Vertragspartner hier rechtlich vorgegebene Pflichten zu erfüllen, die sich bei einer gewerblichen Altpapierverwertung nicht stellen. Der Antragsgegner verlasse sich hinsichtlich seiner Pflichten gegenüber den dualen Systemen auf den Auftragnehmer zu Los 4. Diese besonderen Pflichten kenne ein Altpapierverwerter im gewerblichen Bereich nicht. Weitere Unterschiede zwischen kommunalen und gewerblichen Referenzen würden hinzu treten, die eine Vergleichbarkeit ausschließen. Dies sehe der Antragsgegner selbst so, da er Referenzen über „vergleichbare“ Leistungen verlangt habe. Dass eine Referenz zur Entsorgung gewerblichen Altpapiers mit einer Referenz zur Entsorgung kommunalen Altpapiers nicht vergleichbar sei, sei in der Rechtsprechung entschieden worden. Die Nichtvorlage der Referenz zu kommunalen Altpapier führe dazu, dass die Antragstellerin ihre Eignung nicht nachweisen könne und schon auf der formalen Ebene zwingend von der Wertung auszuschließen sei. Dass die Vergleichbarkeit sich hier nur auf kommunale Dienstleistungen im Bereich der Altpapierverwertung beziehen müsse, ergebe sich aus der Aufteilung der Ausschreibung in verschiedene kleinteilige Lose. Vergleichbar sei eine Referenz bei dieser Aufteilung nur, wenn sie den konkret ausgeschriebenen Leistungsbereich umfasse. Referenzen würden gefordert werden, damit der Auftraggeber sich über die Leistungsfähigkeit anhand bereits ausgeführter Aufträge vergewissern könne. Die Vergleichbarkeit setze dabei voraus, dass die Leistung für mindestens einen vergleichbaren öffentlichen Auftraggeber erbracht worden sei. Wegen der strukturellen Unterschiede zwischen der Abfallentsorgung im hoheitlichen Bereich durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger, der bis zur endgültigen Verwertung des Abfalls entsorgungspflichtig bleibe, und der gewerblichen Altpapierverwertung, könne nur eine Referenz aus dem öffentlichen Bereich als vergleichbar gewertet werden.
Im Ergebnis sei das Angebot der Beizuladenden zwingend auszuschließen, da die Leistungsfähigkeit anhand der von dem Antragsgegner geforderten Referenzen nicht nachgewiesen werden könne.
Die Vergabekammer informierte den Antragsgegner über den Nachprüfungsantrag mit Schreiben vom 24.03.2016 Diese legte die Vergabeunterlagen vor.
Der Antragsgegner beantragte mit Schriftsatz vom 29.03.2016:
1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der zu zweckentsprechenden Rechtsverteidigung angefallenen Auslagen des Antragsgegners zu tragen.
Der ehrenamtliche Beisitzer hat die Entscheidung über die Beiladung, den Umfang der Akteneinsicht sowie im Falle eines Rücknahmebeschlusses auf den Vorsitzenden und den hauptamtlichen Beisitzer übertragen.
Mit Beschluss vom 06.04.2016 wurde der Bieter, der den Zuschlag erhalten sollte, im Verfahren beigeladen.
Die Vergabekammer hat mit Schreiben vom 12.04.2016 die Beteiligten zur mündlichen Verhandlung am 02.05.2016 geladen.
Mit Schreiben vom 13.04.2016 begründete der Antragsgegner seine Anträge vom 29.03.2016. Demnach sei der Nachprüfungsantrag unbegründet, da der Antragsgegner im Rahmen des ihm insoweit zustehenden Beurteilungsspielraums zu Recht davon ausgegangen sei, dass die von der Beigeladenen benannten Referenzen über die Verwertung von Altpapier für gewerbliche Auftraggeber vergleichbar seien.
Bei der Eignungsprüfung sei zwischen der formellen und der materiellen Eignungsprüfung zu unterscheiden. Das gelte jedenfalls dann, wenn – wie hier – keine Mindestanforderungen bzw. konkrete Anforderungen hinsichtlich Art und Umfang der Referenzleistungen aufgestellt worden seien. Im Rahmen der formellen Eignungsprüfung sei festzustellen gewesen, dass die Beigeladene eine Liste von Referenzprojekten vorgelegt und damit die formellen Nachweisvoraussetzungen erfüllt habe. Die Frage der Vergleichbarkeit der Leistungen unterliege nicht der formellen, sondern der materiellen Eignungsprüfung. Im Rahmen der materiellen Eignungsprüfung gelte, dass eine Referenzleistung dann vergleichbar sei, wenn sie der ausgeschriebenen Leistung so weit ähnelt, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung eröffne.
Bei der Bewertung der Frage der Vergleichbarkeit der Referenz komme dem Antragsgegner ein nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Vorliegend sei zunächst zu berücksichtigen, dass Gegenstand des im Los 4 ausgeschriebenen Auftrags ausschließlich die „Übernahme und Vermarktung von AItpapier“ sei. Die Sammlung des kommunalen Altpapiers obliege hingegen nicht dem Auftragnehmer des im Los 4 ausgeschriebenen Auftrags. Der Antragsgegner habe mithin zu beurteilen, ob die Übernahme und Vermarktung von Altpapier von gewerblichen Auftraggebern mit der Übernahme und Vermarktung von kommunalem Altpapier soweit vergleichbar sei, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit der Beigeladenen für die ausgeschriebene Leistung eröffne. Dies sei vom Antragsgegner im Rahmen des ihm insoweit zustehenden Beurteilungsspielraums bejaht worden. Hauptgegenstand der ausgeschriebenen Leistung sei die Übernahme und die Sicherstellung der ordnungsgemäßen Verwertung des Altpapiers. In Bezug auf diese Tätigkeit würden keine substantiellen Unterschiede zwischen Aufträgen bestehen, die kommunales AItpapier zum Gegenstand hätten und Aufträgen, die Altpapier gewerblicher Auftraggeber zum Gegenstand hätten.
Die Beigeladene nahm mit Schreiben vom 20.04.2016 zum Nachprüfungsantrag und der Antragserwiderung Stellung. Demnach sei die Feststellung der Eignung der Beigeladenen durch die Vergabestelle unter keiner Betrachtungsweise zu beanstanden.
Die Antragstellerin verkenne in ihrem Vortrag offensichtlich, dass hinsichtlich der Benennung von Referenzen keine Mindestanforderung gestellt war. Die Frage nach dem Bestehen einer entsprechenden Mindestanforderung könne aber letztlich dahinstehen. Denn unabhängig davon, dass allein das Vorliegen von nicht vergleichbaren Referenzen den Auftraggeber nicht zum Ausschluss der Beigeladenen zwingen würde, und unabhängig davon, dass die Beigeladene sowohl im Konzern als auch für ihre Geschäftsführer und Mitarbeiter zahllose weitere, einschlägige Referenzen habe, seien selbst die von der Antragstellerin monierten „privaten“ Referenzen nicht geeignet, den begehrten Angebotsschluss zu rechtfertigen. Denn auch die ebenfalls benannten Referenzen privater Auftraggeber seien mit dem vorliegenden Auftrag vergleichbar. Es habe sich zudem gezeigt, dass aus Warte des Auftraggebers vollkommen irrelevant sei, ob das Altpapier in dem Referenzauftrag von einem Privaten oder einem Öffentlichen oder gar Kommunalen Auftraggeber erworben worden sei. Unzutreffend sei insoweit übrigens, dass es bei der Entsorgung von Altpapier privater Herkunft keine Entsorgungspflicht des Dienstleisters gäbe. Vielmehr treffe auch den privaten Auftraggeber allgemein eine Entsorgungspflicht, die er auf seinen Auftragnehmer vertraglich übertrage. Insoweit ergäben sich also zum vorliegenden Fall keinerlei Unterschiede. Auch auf die Qualität des in den Referenzaufträgen zu entsorgenden Altpapiers komme es weiter nicht an. Denn diese hätte allenfalls auf die wirtschaftliche Vermarktung des Papiers Einfluss, die aber allein im Interesse des Auftragnehmers stehe. Abgesehen davon sei der Vortrag der Antragstellerin zudem auch insoweit unzutreffend, als die benannten Referenzen sehr wohl auch solche mit vergleichbaren Qualitäten des Altpapiers betreffen. Gleiches gelte auch für die Auftragsgröße, die Laufzeit und „die vertraglichen Konditionen“. Zudem sei noch ergänzend zu berücksichtigen, dass der Vergabestelle, worauf auch schon der Antragsgegner hingewiesen habe, bei der Bewertung der Frage der Vergleichbarkeit der Referenz ein nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielräum zukomme. Also selbst wenn vorliegend die Benennung vergleichbarer Referenzen als Mindestanforderung gestellt worden wäre, wäre die Einordnung der „privaten“ Referenzen als vergleichbare Referenzen aufgrund des insoweit bestehenden Beurteilungsspielraums rechtlich nicht zu beanstanden.
Mit Schriftsatz vom 22.04.2016 erwiderte die Antragstellerin auf den Schriftsatz des Antragsgegners vom 13.04.2016 und nahm zu den mit Verfügung vom 12.04.2016 im Rahmen der Akteneinsicht übermittelten Auszügen aus den Vergabeakten Stellung.
Der Antragsgegner könne sich zwar auf einen Beurteilungsspielraum, der der Vergabestelle zustehe und im Nachprüfungsverfahren nur eingeschränkt überprüfbar sei, berufen. Dieser Beurteilungsspielraum müsse sich jedoch in den rechtlichen Grenzen bewegen, die sich aus den formellen und materiellen Anforderungen an die Eignungsprüfung ergeben. Mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe habe der Antragsgegner hier eine „Liste der Referenzprojekte mit vergleichbaren Leistungen im jeweiligen Los in den letzten drei Jahren“ gefordert. Der Leistungsumfang dieses Vertrages betrage ca. 12.000 t Altpapier pro Jahr in einem Landkreis mit 243.000 Einwohnern. Die Laufzeit betrage 5 Jahre, mit der Option zweijähriger Verlängerung. Die Antragstellerin könne sich nicht vorstellen, dass gewerbliche Aufträge, die die Beigeladene als Referenz angegeben habe, einen annähernd großen Umfang und eine auch nur annähernd lange Laufzeit hätten.
Nicht vergleichbar seien gewerbliche Aufträge auch hinsichtlich der Zusammensetzung des Altpapiers, also der Qualität. Der Auftraggeber müsse sich anhand der vorgelegten Referenzen davon überzeugen, dass der Bieter derartige Anforderungen an die Bewältigung von Qualitätsmängeln erkennen und erfüllen könne.
Der Antragsgegner meine, er könne für die Beurteilung der Vergleichbarkeit der Referenzen einen Beurteilungsspielraum in Anspruch nehmen und habe im Rahmen dieses Beurteilungsspielraums entscheiden dürfe, dass die Referenzen vergleichbar seien. Der Antragsgegner übersehe schon im Ausgangspunkt, dass die Vergleichbarkeit der Referenzprojekte, wie alle Vorgaben der Vergabeunterlagen, vom Empfängerhorizont eines objektiven und branchenkundigen Bieters aus zu beurteilen sei. Das sei hinsichtlich der Abfallentsorgung bei Referenzen aus dem gewerblichen Bereich nicht der Fall, da es fundamentale regulatorische und praktische Unterschiede zwischen den Anforderungen an die gewerbliche Abfallentsorgung einerseits, die Verantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers andererseits gebe, die der Antragsgegner in der Antragserwiderung ignoriere oder relativiere. Aus der Sicht eines Sachverständigen Bieters könne die Forderung nach vergleichbaren Referenzen daher nur als die Ausführung von Aufträgen zur Entsorgung von kommunalem Altpapier verstanden werden. Die eigene Leistungsbeschreibung betone unter Ziffer 1.5.1 den fundamentalen Unterschied zwischen der Beauftragung durch einen öffentlichen Auftraggeber gegenüber der Beauftragung durch einen gewerblichen Auftraggeber. Kein privater Auftraggeber stelle vergleichbare Anforderungen an die Ausführung eines Entsorgungsauftrags. Gänzlich fehl gehe die inhaltliche Argumentation hinsichtlich der Nachweisführung. Hier würden entscheidende Unterschiede zur Entsorgung von Altpapier aus gewerblichen Herkunftsbereichen bestehen, die der Vergleichbarkeit der Referenzen entgegenstünden. Bei der notwendigen Nachweisführung gegenüber den Dualen Systemen handele es sich um etwas völlig anderes als die vom Antragsgegner als vergleichbar angeführten „Entsorgungsnachweise“ bei der Entsorgung gewerblichen Altpapiers. Bezeichnenderweise bleibe der Antragsgegner hinsichtlich der konkreten Nachweispflichten bei der Verwertung von Altpapier gewerblicher Auftraggeber denn auch im Ungefähren. Ein Unternehmen, das überhaupt keine Erfahrung mit Aufträgen im kommunalen Bereich habe, habe weder die notwendige Software noch sei es lizensiert noch verfüge es über die Fachkenntnisse und jedenfalls nicht über die Erfahrungen, um die entsprechende Software bedienen und die Nachweispflichten erfüllen zu können. Mitnichten sei die Bewältigung der administrativen Aufgabe in dem komplexen Nachweisführungssystem nach der Verpackungsverordnung jedem Entsorger zuzutrauen sei, der Altpapier aus gewerblichen Herkunftsbereichen zur Verwertung übernehme.
Mit Schreiben vom 27.04.2016 führte die Beigeladene aus, dass die Feststellung der Eignung der Beigeladenen durch die Vergabestelle auch weiterhin unter keiner Betrachtungsweise zu beanstanden sei. Der Auftraggeber habe mit der Forderung nach Angaben zu den Referenzen keine Mindestanforderung und auch keine Eignungskriterien formuliert. Er habe mithin auch keine „vergleichbaren Referenzen gefordert“, wie die Antragstellerin weiter meine. Eine solche Forderung hätte er wirksam nur in der Bekanntmachung in der dafür vorgesehenen Rubrik formulieren können. Tatsächlich sei eine solche Forderung weder in der Bekanntmachung noch in den Vergabeunterlagen aufgestellt worden. Konsequenz hieraus sei, dass dem Antragsgegner ein doppelter bzw. ein zweistufiger Beurteilungsspielraum zustehe, der einer Überprüfung durch die Nachprüfungsinstanzen jeweils nur eingeschränkt offen stehe.
Was schließlich die Frage der Nachweisführung gegenüber den Dualen Systemen betreffe, so sei der Antragstellerin im Ausgangspunkt darin Recht zu geben, dass diese Nachweispflichten im vorliegenden Fall, also bei der Entsorgung von Altpapier, eine andere Natur haben als etwa bei gefährlichen Abfällen. Zu ergänzen wäre in diesem Zusammenhang nur, dass die Beigeladene auch mit der Entsorgung gefährlicher Abfälle befasst sei und den insoweit bestehenden Nachweispflichten stets umfänglich nachgekommen sei. Gegenüber diesen restriktiven Nachweispflichten nach der Maßgabe des KrWG sei die Nachweisführung, die auf der Grundlage der VerpackV für das Altpapier zu leisten sei, sehr viel leichter.
Der Antragsgegner erklärte mit Schreiben vom 27.04.2016, dass den Vergabeunterlagen – auch aus der Sicht eines objektiven Empfängerhorizonts – nicht zu entnehmen sei, dass die Ausführung von Referenzaufträgen über die Übernahme und Verwertung von Altpapier aus kommunalen Sammlungen und damit verbundene Erfahrungen mit dem Nachweisführungssystem der Dualen Systeme zwingende Voraussetzung für die Feststellung der Eignung eines Bieters seien. Mithin unterliege die Frage der Vergleichbarkeit von Referenzaufträgen von gewerblichen Auftraggebern und die Frage, ob einem Bieter mit entsprechenden Referenzaufträgen zuzutrauen sei, die administrative Nebenleistung der Nachweisführung gegenüber den Dualen Systemen zu bewältigen, dem Beurteilungsspielraum und der Prognoseentscheidung des Antragsgegners. Da die Referenzen der Beigeladenen zwanglos den Rückschluss auf die Sicherstellung der Übernahme und der ordnungsgemäßen Verwertung der ausgeschriebenen Altpapiermengen zulassen und auch keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Beigeladene – als zertifizierter Entsorgungsfachbetrieb – nicht in der Lage sein könne, die Verpflichtung der Nachweisführung gegenüber den Dualen Systemen auf der Grundlage der vereinheitlichen wme.fact-Software zu erfüllen, habe aus Sicht des Antragsgegners weder eine Veranlassung noch eine Berechtigung bestanden, der Beigeladenen die Eignung abzusprechen.
Auch die Antragstellerin nahm nochmals mit Schriftsatz vom 27.04.2016 Stellung und erwiderte auf das Schreiben der Beigeladenen vom 20.04.2016, dass Entgegen deren Vortrag die von ihr vorgelegten Referenzleistungen nicht als „vergleichbare Leistungen“ eingestuft werden können. Die Beigeladene setze sich mit diesem zentralen Unterschied zwischen gewerblicher und kommunaler Altpapierentsorgung überhaupt nicht näher auseinander. Die Beigeladene weise auch wiederholt auf den weiten, nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum des Antragsgegners hinsichtlich der materiellen Eignungsprüfung und hinsichtlich der Vergleichbarkeit der vorgelegten Referenzen hin. Sie verkenne dabei aber, dass der Antragsgegner die Grenzen dieses Beurteilungsspielraums tatsächlich überschritten habe. Die Einstufung der von der Beigeladenen vorgelegten Referenzen als „vergleichbar“ sei als rechtsfehlerhaft zu werten. Die von der Beigeladenen vorgelegten Referenzen aus dem gewerblichen Bereich würden keinen Rückschluss auf ihre Leistungsfähigkeit im Bereich der kommunalen Altpapierentsorgung zulassen. Ein derartiger Rückschluss sei ausschließlich auf der Grundlage eines unvollständigen Sachverhalts bzw. auf der Basis sachfremder Erwägungen möglich. Es erscheine zudem willkürlich von einer „vergleichbaren Leistung“ auch dann auszugeben, wenn die von einem Bieter vorgelegten Referenzaufträge einen ganzen Teilbereich der nunmehr ausgeschriebenen Leistungen überhaupt nicht umfassen. Von einer „ähnlichen“ Leistung könne ausgegangen werden, wenn diese einen gleich hohen Schwierigkeitsgrad aufweise und einen verlässlichen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit und die Fachkunde des Bieters zulasse. Dass die Beigeladene über die erforderliche Fachkunde und Leistungsfähigkeit verfüge, um den Anforderungen dieses komplexen Nachweissystems umfassend zu entsprechend, lasse sich nicht aus den von der Beigeladenen vorgelegten Referenzen ableiten. Die Beigeladene habe ausschließlich Referenzen aus dem gewerblichen Bereich vorgelegt, in dem es entsprechend umfangreiche und komplexe Nachweispflichten gerade nicht gebe.
Die mündliche Verhandlung fand am 02.05.2016 in den Räumen der Regierung von Oberbayern statt. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zum Vortrag. Die Sach- und Rechtslage wurde erörtert. Auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.
Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert, soweit diese vor der mündlichen Verhandlung eingingen. Im Einzelnen wird auf deren Inhalt sowie auf die weiteren vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.
Der Antragsgegner nahm noch einmal mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 04.05.2016 zu den Fragen der Vergleichbarkeit der Angebote und der Rechtsfolgen der unterbliebenen Nennung des Ansprechpartners für die Referenzen Stellung.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet. Ein Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen darf nicht erfolgen, da mangels Angabe des Ansprechpartners für die Referenzaufträge schon die formalen Anforderungen an die Referenznachweise nicht eingehalten waren. Zudem ist auch die Vergleichbarkeit der Referenzen aufgrund der erheblich hinter dem streitgegenständlichen Auftrag zurückbleiben Mengen sehr zweifelhaft.
1. Der Nachprüfungsantrags ist zulässig.
1.1 Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ist gegeben, §§ 98 Nr. 2, 99 Abs.1 und 4, 100 Abs. 1 Nr.1, 104 Abs. 1, 127 Nr. 1 GWB, §§ 1 Abs. 1 und 2, 2 Abs. 2 Satz 1 BayNpV. Eine Ausnahmebestimmung des § 100 Abs. 2 GWB liegt nicht vor.
Der Antragsgegner hat seinen Sitz im Regierungsbezirk Schwaben und ist Auftraggeber gemäß § 98 Nr. 2 GWB.
Der 4. Teil des GWB ist anwendbar, da es sich um einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag nach § 99 Abs. 4 GWB handelt.
Auch überschreitet der Gesamtauftragswert unter Berücksichtigung der Regelung in § 3 Abs. 4 Nr. 2 VgV den für das Vergabeverfahren maßgeblichen Schwellenwert von 207.000,00 €.
1.2 Der Nachprüfungsantrag ist statthaft und die Antragstellerin ist antragsbefugt, §§ 107 Abs. 2, 108 GWB. Mit ihren Vorwürfen legt sie die Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs.7 GWB dar. Die Antragstellerin hat ihr Interesse am Auftrag durch die Abgabe ihrer Angebote nachgewiesen. Es ist nicht erkennbar, dass sie mit diesem Nachprüfungsantrag einen anderen Zweck verfolgt, als den, die strittigen Aufträge zu erhalten. Da der – preislich zweitplatzierten – Antragstellerin der Zuschlag nicht erteilt werden soll, droht ihr ein finanzieller Schaden, wenn die Beigeladene den Zuschlag erhält.
1.3 Die Antragstellerin ist auch ihrer Rügeobligenheit nach § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB nachgekommen, da sie auf die Mitteilung der Nichtberücksichtigung ihres Angebots nach § 101a GWB am 16.03.2016 die Rüge der ihrer Ansicht nach unzureichenden Referenznachweise der Beigeladenen bereits am nächsten Tag, den 17.03.2016, gegenüber dem Antragsgegner erhoben hat.
2. Der zulässige Nachprüfungsantrag ist auch begründet. Die Antragstellerin ist durch den Verbleib des Angebots der Beigeladenen in der Wertung in ihren Rechten verletzt. Der Antragsgegner hätte das Angebot der Beigeladenen für den Zuschlag nicht berücksichtigen dürfen, da diese die von der Vergabestelle vorgegebenen formellen und materiellen Anforderungen an die geforderten vergleichbaren Referenzen nicht erfüllt hat.
2.1 Das Angebot der Beigeladenen ist schon nach § 19 EG Abs. 3 lit. a) VOL/A auszuschließen, weil es die wirksam geforderte und nachgeforderte Angabe des Ansprechpartners der Referenzen nicht enthielt. Dies führt dazu, dass die Beigeladene schon in formeller Hinsicht die Anforderungen der Vergabestelle an die Referenznachweise nicht eingehalten hat.
Obgleich bereits mit dem Angebot eine „Liste der Referenzprojekte mit vergleichbaren Leistungen in den letzten 3 Jahren mit Angabe des Leistungsumfangs (Mengen), der Leistungszeit sowie der Auftraggeber mit Ansprechpartner.“
vorzulegen war, enthielt das Angebot der Beigeladenen eine solche Liste nicht. Auch auf explizite Nachforderung des Antragsgegners vom 02.02.2016 gem. § 19 EG Abs. 2 Satz 1 VOL/A, eine entsprechende Liste (u. a. mit Ansprechpartnern) vorzulegen, hat die Beigeladene zwar eine Liste vorgelegt, die den Leistungsumfang, die Leistungszeit sowie die gewerblichen Auftraggeber erkennen lässt, aber keine Ansprechpartner enthält. Da das Angebot damit eine geforderte und wirksam nachgeforderte Erklärung nicht enthält, ist es zwingend auszuschließen. Gleichzeitig erfüllt die Referenzliste damit auch in formeller Hinsicht nicht die gestellten Anforderungen der Vergabestelle, weshalb es einer materiellen Eignungsprüfung gar nicht zugänglich ist. (vgl. OLG Beschluss vom 17.09.2015 – Verg 3/15)
Der im Verfahren mehrfach zitierten Entscheidung des OLG München vom 12.11.2012 – Verg 23/12 ist im Übrigen nicht zu entnehmen, dass die Forderung nach der Nennung von Ansprechpartnern für Referenzen, stets eine leere Förmelei darstellt, weshalb ein Bieter ohne Konsequenzen diese Benennung unterlassen könne. Der vom OLG München entschiedene Sachverhalt unterscheidet sich – bei identischer Formulierung der Eignungsanforderung – maßgeblich vom vorliegenden Fall. Das OLG München hatte über einen Sachverhalt zu entscheiden, bei dem der Bieter nach Auffassung des Senats ausreichende Referenzen bereits mit dem Angebot vorgelegt hatte, lediglich die Nennung der Ansprechpartner fehlte. Die Vergabestelle unterließ es nun, die fehlende Erklärung nachzufordern, weil ihr der Referenzgeber ohnehin bekannt war und sie eine Nachforderung als leere Förmelei ansah. Nach Auffassung des OLG München konnte es dem Bieter nicht zum Nachteil gereichen, dass der Auftraggeber die nach § 7 EG Abs. 13 VOL/A mögliche und gebotene Nachforderung unterlassen hat, daher konnte in der Entscheidung des OLG München auch dahingestellt bleiben, ob diese aus dem vom Antragsgegner genannten Grund ohnehin entbehrlich war.
Diese Sachverhalt unterscheidet sich maßgeblich vom vorliegenden Fall, wo der Auftraggeber in völliger Unkenntnis der möglichen Referenzgeber explizit im Nachforderungsschreiben die bereits in der Bekanntmachung und den Vergabeunterlagen enthaltene Forderung nach der Nennung von Ansprechpartnern wiederholt hat und diese innerhalb der gesetzten Frist (und auch danach) nicht erfolgt ist.
In dieser Situation war es dem Antragsgegner verwehrt, mit der im Vergabevorschlag auf S. 3 enthaltenen Begründung, die benannten Unternehmen seien „überwiegend“ bekannt, stillschweigend auf die Vorlage dieser Erklärung zu verzichten und damit eine formelle Anforderung an die zu erbringenden Referenznachweise nachträglich fallen zu lassen.
2.2 Ohne dass es noch entscheidungserheblich darauf ankommt, bestehen auch durchgreifende Zweifel, ob die vorgelegten Referenzen der Beigeladenen vergleichbar sind.
Anders als die Beigeladene meint, hatten die Bieter aufgrund der gleichlautenden und eindeutigen Anforderungen unter Ziffer III.2.3 der Vergabebekanntmachung und Nr. 9 Buchstabe i) der Angebotsaufforderung vergleichbare Referenzen vorzulegen. Dass die geforderte „Liste der Referenzprojekte mit vergleichbaren Leistungen“ nicht unter den „möglicherweise geforderten Mindeststandards“ in der Bekanntmachung genannt war, ändert daran nichts. Entscheidend ist die klare Anforderung in der Bekanntmachung und den Vergabeunterlagen.
Vergleichbar ist eine Referenzleistung mit der ausgeschriebenen Leistung wenn sie dieser so weit ähnelt, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung eröffnet.
Bei der Bewertung der Frage der Vergleichbarkeit der Referenz kommt der Vergabestelle, die regelmäßig über spezifisches Fachwissen und fachliche Erfahrung zum Gegenstand der Ausschreibung verfügt, die den Nachprüfungsinstanzen meist fehlen werden, ebenso wie zur Prüfung der Geeignetheit selbst ein nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu (OLG München, Beschluss vom 12.11.2012 – Verg 23/12).
Die Entscheidung der Vergabestelle, die Leistungen für die Übernahme des Altpapiers von Gewerbebetrieben grundsätzlich als vergleichbar mit der Übernahme von Altpapier aus der kommunalen Sammlung anzusehen, ist angesichts obiger Prämissen, nicht zu beanstanden, da insbesondere keine Haussammlung Gegenstand des strittigen Loses 4 war, die sich von der Übernahme des Altpapiers von Gewerbebetrieben erheblich unterscheiden würde (siehe dazu OLG Brandenburg, Beschluss vom 15.09.2009 – Verg W 8/09). Auch die jeweils unterschiedlichen Dokumentationspflichten machen die Entscheidung der Vergabestelle insoweit nicht ermessensfehlerhaft.
Allerdings hat sich die Vergabestelle ausweislich der Vergabedokumentation nicht hinreichend damit auseinandergesetzt, dass die Mengen der Referenzliste selbst in Addition aller Gewerbebetriebe im „stärksten“ Jahr 2015 weit hinter den für den streitgegenständlichen Auftrag erwarteten 12.000 t pro Jahr zurückbleiben. Der Antragsgegner hat dazu nur im Bietergespräch mit der Beigeladenen geprüft, dass diese seit über einem Jahr eine nach BImSchG genehmigte Halle verfügt, die sowohl genehmigungsrechtlich als von der vorhandenen Ausrüstung her geeignet ist, die entsprechenden Mengen umzuschlagen. Dies war zwar notwendiger Teil der Eignungsprüfung, da unter Ziffer III.2.3 zu Los 4 die Benennung der vorhandenen oder noch zu beschaffenden Einrichtungen zur Erbringung der Dienstleistung und deren Beschreibung gefordert war, hat aber nichts mit der Frage zu tun, ob die vorgelegten Referenzen wegen den erheblich zurückbleibenden Mengen und der Herkunft von 17 unterschiedlichen Gewerbebetrieben mit jeweils recht kleinen Einzelmengen (meist deutlich unter 1.000 t, nur bei einer Referenz etwas mehr als 2.500 t) der ausgeschriebenen Leistung so weit ähnelt, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung eröffnet. Zu dieser Frage hat die Vergabestelle eine etwaige Ermessensausübung zumindest nicht dokumentiert
Auf die weiteren im Verfahren erörterten Aspekte kommt es nicht mehr entscheidungserheblich an.
II.
3. Kosten des Verfahrens
Die Kostenentscheidung beruht auf § 128 Abs. 1, Abs.2, Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 1, 2, 4 GWB i. V. m. Art. 80 Abs. 2, Abs. 3 S. 2 BayVwVfG.
Der Antragsgegner und die Beigeladene, die eigene Anträge gestellt hat, haben als Unterliegende die Kosten des Verfahrens (Gebühren und Auslagen) als Gesamtschuldner jeweils anteilig zu tragen.
Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 128 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und im Einzelfall auf 100.000 Euro erhöht werden kann, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind. Die Gebühr wird vorliegend auf …,00 € festgesetzt.
Von der Antragstellerin wurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskraft erstattet.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten der Antragstellerin wird als notwendig angesehen. Die anwaltliche Vertretung war erforderlich, da eine umfassende Rechtskenntnis und damit eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens nach dem GWB von der Antragstellerin nicht erwartet werden kann und die Verfahrensbeteiligten hier aufgrund der komplexen Rechtsmaterie auf anwaltliche Vertretung angewiesen waren.


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