Baurecht

Vergabeverfahren: Zulässigkeit einer produktspezifischen Vergabe

Aktenzeichen  Verg 4/21

Datum:
25.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 37503
Gerichtsart:
BayObLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VgV § 31 Abs. 1 S. 1, Abs. 6

 

Leitsatz

Eine produktspezifischen Ausschreibung ist vergaberechtlich zulässig, wenn objektive und auftragsbezogene Gründe hierfür bestehen und der Auftraggeber diese in der Ausschreibung konkret benennt (hier: Gründe des Arbeitsschutzes und der Verkehrssicherheit bei einem LKW für den Winterdienst). Dem öffentlichen Auftraggeber steht bei der Einschätzung, ob die Vorgabe eines bestimmten Herstellers gerechtfertigt ist, ein Beurteilungsspielraum zu. (Rn. 36 – 41) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RMF-SG-21- 3194-5-45 2021-03-18 Bes VKNORDBAYERN Vergabekammer Ansbach

Tenor

1. Der Antrag der Antragstellerin vom 2. März 2021, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer Nordbayern vom 19. März 2021, Az. RMFSG- 21- 3194-5-45 zu verlängern, wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin erhält Gelegenheit, bis zum 15. April 2021 mitzuteilen, ob sie ihre Beschwerde aufrechterhält.
3. Binnen gleicher Frist besteht Gelegenheit, sich zum Streitwert des Beschwerdeverfahrens zu äußern.

Gründe

I.
Die Vergabestelle beabsichtigt die Beschaffung eines dreiachsigen LKW, 26 Tonnen mit Ladekran und Wechselbrücke im offenen Verfahren, der u.a. für den Winterdienst eingesetzt werden soll. Der Auftrag wurde am 21. Oktober 2020 europaweit bekannt gemacht. Mit der Bekanntmachung waren auch die Vergabe- und Vertragsunterlagen abrufbar.
Zentraler Streitpunkt des Verfahrens sind produktspezifische Vorgaben in den Auftragsunterlagen, die die Antragstellerin für unzulässig hält.
Ursprünglich hieß es in Position 2.7. (Hydraulikterminal) der Ausführungsbeschreibung:
– Alle Einstellungen für Schneepflug und Streugerät bzw. die aktuellen Betriebszustände müssen in einem zentralen Farb-Display (mindestens X´´Bildschirmdiagonale) vorgenommen und angezeigt werden.
Ein zusätzlicher Bildschirm ist nicht zulässig.
– der Bildschirm ist als Touchscreen auszuführen.“
In Position 5.1. wird zur Verwendung des Hydraulik-Wechselsystems ausgeführt:
„Winterdiensteinheit:
Auf die Winterdienst-Wechseleinheit müssen folgende Anbauteile funktionstüchtig montiert werden
– Salzstreumaschine FS30 mit 5 [m³] Salzinhalt und ca. 2200 [l] Sole oder Kombinationsstreumaschine mit 5 [m³] Salzinhalt und ca. 6600 [l] Sole der Firma K.W. “
Laut Position 7.5. hatte der Bieter mindestens zwei gleichwertige Fahrzeuge als Referenzfahrzeuge mit deren Einsatzorten zu benennen.
Als Frist zur Angebotsabgabe wurde ursprünglich der 19. November 2020, 9.00 Uhr bestimmt. Nach wiederholter Verlegung führte die Vergabestelle die Submission am 18. März 2021 durch, nachdem der Senat einen Antrag der Antragstellerin auf erneute Verschiebung des Termins mit Beschluss vom 17. März 2021 zurückgewiesen hatte.
Die Antragstellerin rügte am 29. Oktober 2020 u.a. zu Position 2.7 der Ausführungsbeschreibung, alle Einstellungen über ein Display ohne zusätzlichen Bildschirm zu bedienen, sei ein Alleinstellungsmerkmal (Fa. K.W.). Desweiteren sei eine Erkennung zwingend vorgeschrieben, ohne entspreche es nicht dem Stand der Technik. Auch die Position 5.1. enthalte ein Alleinstellungsmerkmal, K.W. werde direkt angefordert, ebenso Position 7.5. (Referenzen). Dies könne nur die Fa. Z. anbieten.
Die Vergabestelle teilte der Antragstellerin am 4. November 2020 mit, dass die Ausschreibung des Hydraulikterminals aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen sowie wegen der Bedienerfreundlichkeit erfolgt sei. Es sei explizit eine Lösung ohne automatische Erkennung mittels Kodierstecker gefordert worden, da die Vergabestelle mit der Steckerlösung schlechte Erfahrungen gemacht habe und dies andernfalls bei diversen Anbauteilen weitere Investitionen auslösen würde. Auch zu den weiteren Rügen wurde Stellung genommen.
In der Folgezeit fasste die Vergabestelle die Position 2.7. der Ausführungsbeschreibung wie folgt:
„Es ist ein Hydraulikbedienpult des Typs K.W. … in der aktuellsten Version zu verbauen“
In der Anlage zur Vergabedokumentation Teil 1 wurde festgehalten, aus welchen Gründen die Vergabestelle in einzelnen Positionen (u.a. in Position 2.7.) von der Produktneutralität gemäß § 31 Abs. 6 VgV abweiche.
Die Rüge der Antragstellerin vom 5. November 2020, dass nach Aktualisierung der Unterlagen der Hersteller in Position 2.7. direkt genannt werde, was unzulässig sei, wies die Vergabestelle am 5. November 2020 zurück. Es sei das Terminal der Firma K.W. aus triftigen Gründen ausgeschrieben worden.
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 11. November 2020, eingegangen am 12. November 2020 einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer gestellt.
Ihrer Ansicht nach handele es sich bei der Vorgabe in Position 2.7. um eine unzulässige produktbezogene Leistungsbeschreibung. Eine Rechtfertigung sei nicht ersichtlich. Die Produktvariante sei am Markt nur für einen bestimmten Kundenkreis verfügbar. Die Antragstellerin werde nicht beliefert, da sie in Konkurrenz mit dem Unternehmen stehe, das die Produkte der Fa. K.W. vertreibe. Es würden somit andere Lieferanten, die so ein System nicht liefern könnten, diskriminiert. Die Fa. K.W. habe zudem keine Sicherheiten verbaut, dies könne zu schweren Unfällen führen. Den von der Vergabestelle angeführten Gründen für die produktspezifische Ausschreibung werde widersprochen. Für das Fabrikat, das die Antragstellerin verwende, müsse ein Fahrer nicht eingewiesen werden. Es sei benutzerfreundlich, selbsterklärend und komme dem Joystick gleich, den die Fa. K.W. verwende. Bei der Vergabestelle würden auch Fahrzeuge genutzt, die die Antragstellerin geliefert habe. Das Terminal der Fa. K.W. sei außerdem wesentlich teurer.
Die Antragstellerin hat beantragt,
Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens, Feststellung von Vergabeverstößen, Anordnung von Maßnahmen zur Beseitigung der festgestellten Vergabeverstöße, Feststellung für die Antragstellerin, dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten notwendig war.
Die Vergabestelle hat beantragt,
den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen Sie hat ihre produktspezifische Vorgabe verteidigt und insbesondere auf Arbeitsschutzgründe, Verkehrssicherheitsaspekte, Praktikabilitätserwägungen und Kostenersparnis verwiesen, wie dokumentiert. Eine Rückfrage beim Vertriebspartner der Fa. K.W. habe ergeben, dass die Antragstellerin das Bedienterminal sehr wohl grundsätzlich erwerben könne.
Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag mit Beschluss vom 19. Februar 2021, zugestellt am 25. Februar 2021, abgelehnt. Nach Auffassung der Vergabekammer wurde die Position 2.7. rechtmäßig erstellt. Die produktspezifische Ausschreibung sei vorliegend zulässig. Die Vergabestelle habe ihre Vorgabe ausreichend sachlich gerechtfertigt. Sie habe in ihrer Dokumentation nachvollziehbare und objektive Gründe angegeben, die tatsächlich vorhanden seien und die Antragstellerin nicht diskriminieren würden. In der Dokumentation sei erläutert worden, dass es aus Gründen der Arbeitssicherheit und der Verkehrssicherheit wichtig sei, möglichst einheitliche Gegebenheiten zur Verfügung zu stellen. Diese entlasteten das Personal, es würden Kosten gespart und Umbauzeiten entfallen. Alle Gründe seien auftragsbezogen und willkürfrei. Sachfremde Erwägungen und offensichtliche Fehler könne die Vergabekammer nicht erkennen. Die Antragstellerin habe die plausible Darlegung nicht entkräften können. Unerheblich sei, ob andere Produkte andere Vorteile hätten. Auch die Festlegungen in den Positionen 5.1. und 7.5. seien rechtmäßig und nicht zu beanstanden.
Ergänzend wird wegen der weiteren Einzelheiten auf den angefochtenen Beschluss der Vergabekammer Bezug genommen.
Mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 2. März 2021, beim Bayerischen Obersten Landesgericht nach Weiterleitung durch das zunächst von der Antragstellerin angerufene Oberlandesgericht München eingegangen am 3. März 2021, macht sie geltend, dass die Vergabekammer den Ausführungen der Vergabestelle unkritisch und zu Unrecht gefolgt sei. Sie beharrt auf ihrem Standpunkt, dass die Vergabestelle die von ihr reklamierte Produktbezogenheit nicht zulässig festgelegt und das von ihr offensichtlich reklamierte Leistungsbestimmungsrecht nicht sachgerecht ausgeübt habe. Inhaltlich gehe es um den Joystick und das Hydraulikterminal und darum, dass eine Kombinationsstreumaschine der Firma K.W. gefordert werde. Es treffe nicht zu, dass ein System aus Hydraulikterminal mit den dazugehörenden zu steuernden Winterdienstkomponenten vorgehalten werde, denn es werde auch das für die Antragstellerin verfügbare System eingesetzt. In einem vergleichbaren Fall habe das Oberlandesgericht München bereits einen Verstoß gegen § 31 Abs. 6 VgV festgestellt, ebenso müsse hier entschieden werden. Die Antragstellerin werde benachteiligt und sei vom Wettbewerb ausgeschlossen, da sie schlicht vom Hersteller nicht beliefert werde. Damit würden von der Vergabestelle unerfüllbare Anforderungen an die Bieterin gestellt, was zu einem grundlegenden Mangel des Verfahrens führe. Auch sei unklar, was mit „aktuellster Version“ gemeint sei, weswegen das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung nicht beachtet worden sei. Es sei in den allgemein verfügbaren Medien unter der Bezeichnung des verwendeten Typs nichts herzuleiten, die Typbezeichnung sei nicht eruierbar. Die Diskussion in der Verhandlung vor der Vergabekammer habe deutlich gemacht, dass nicht einmal die Vergabestelle selbst wisse, welches Bedienpult sie haben wolle. Es sei bemerkenswert, dass die von der Vergabestelle vorgelegte Dokumentation des unzulässig gewünschten Herstellers zwei Bedienpulte mit zwei Displays zeige, was nicht der Leistungsbeschreibung entspreche.
Die Vergabestelle habe keine nachvollziehbaren, objektiven und auftragsbezogenen Gründe angegeben, die die Festlegung sachlich rechtfertigen könnten. Es sei keine große Einweisung nötig, das Gerät könne sofort von jedermann bedient werden. Ohnehin sei eine Einweisung aus Arbeitsschutz- und Verkehrssicherheitsaspekten zwingend durchzuführen. Unrichtig sei, dass eine Gefährdungsbeurteilung im arbeitsschutzrechtlichen Sinne erstellt werden müsse. Auch komme nicht dieses System an der beschaffenden Dienststelle zum Einsatz. Die erhöhte Ablenkung bei der Bedienung nur eines Terminals stehe diametral zu den Ausführungen im Vergabevermerk. Es sei unrichtig, dass mehr Displays mehr Ablenkung verursachen würden. Ebenso sei nicht zutreffend, dass durch die singuläre Festlegung die Kompatibilität sichergestellt werde und Umbaukosten gespart würden. Es sei auch nicht nur das festgelegte Terminal universell einsetzbar. Alle Tätigkeiten könnten so oder so zeitgerecht erfüllt werden. Ebenso sei unzutreffend, dass die Erkenntnisse der Vergabestelle auf langjährigen Erfahrungen beruhen würden.
Alle dies habe der Geschäftsführer der Antragstellerin eidesstattlich versichert, was die Vergabekammer ignoriert habe.
Dem Produkt der Firma K.W. fehle die automatische Erkennung, es bestehe damit eine erhöhte Unfallgefahr. Auch mit diesem, von der Antragstellerin glaubhaft gemachten Einwand habe sich die Vergabekammer nicht befasst.
Die Vergabekammer hätte feststellen müssen, dass die Bestimmung nicht willkürfrei getroffen worden sei, dass Gründe weder festzustellen noch erwiesen seien, dass die Antragstellerin diskriminiert und in ihren Auftragschancen beeinträchtigt werde und die produktspezifische Vorgabe in Position 2.7. nicht gerechtfertigt sei.
In ihrem ergänzenden Schriftsatz vom 19. März 2021 hat die Antragstellerin mitgeteilt, dass sie sich mit einem Anspruchsschreiben an die Firma D. GmbH gewandt habe, der sie vorwirft, unzutreffende Erklärungen abzugeben und die Belieferung der Antragstellerin ohne sachlichen Grund zu verweigern bzw. auf die Anfragen und Bestellungen der Antragstellerin nicht zu antworten.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss der Vergabekammer vollständig aufzuheben, Vergabeverstöße festzustellen, geeignete Maßnahmen zur Beseitigung der festgestellten Vergabeverstöße anzuordnen und die Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen und den Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung abzuweisen.
Der Antragsgegner bezweifelt die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde, da das Beschwerdevorbringen sprachlich und inhaltlich kaum verständlich sei. Jedenfalls sei die Beschwerde unbegründet, da weder ein Vergabeverstoß noch eine Rechtsverletzung der Antragstellerin festgestellt werden könne. Die Gründe für die produktspezifische Festlegung in Position 2.7. seien korrekt dokumentiert, objektiv nachvollziehbar und sachlich zutreffend. Die Antragstellerin werde nicht diskriminiert, vielmehr sei – wie die Vergabekammer zutreffend festgestellt – die Vorgabe aus den dargelegten Gründen gerechtfertigt. Die Einwände der Antragstellerin in der Beschwerde seien nicht geeignet, die Richtigkeit der Entscheidung der Vergabekammer infrage zu stellen. Die Festlegung sei eindeutig. Die Antragstellerin wisse auch genau, was geliefert werden müsse. Das Produkt … sei im Katalog der Firma K.W. dargestellt. Es sei auch unzutreffend, dass die Antragstellerin von der Herstellerin nicht beliefert werde. Für den Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung fehle es schon am Rechtsschutzinteresse, er sei aber auch unbegründet, da die sofortige Beschwerde ohne Erfolgsaussicht sei.
Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten Bezug genommen.
II.
Der Antrag der Antragstellerin auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung bis zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde ist gemäß § 173 Abs. 2 Satz 1 GWB abzulehnen. Der Antrag ist zwar zulässig, unter Berücksichtigung aller möglicherweise geschädigten Interessen überwiegen jedoch die nachteiligen Folgen einer Verzögerung der Vergabe bis zur Entscheidung über die Beschwerde die mit einer weiteren Verzögerung verbundenen Vorteile. Dies gilt namentlich bei Berücksichtigung des Interesses der Allgemeinheit an einer wirtschaftlichen Erfüllung der Aufgaben des Antragsgegners entsprechend § 173 Abs. 2 Satz 2 GWB sowie der in § 173 Abs. 2 Satz 3 GWB genannten Gesichtspunkte, darunter insbesondere der Erfolgsaussichten der sofortigen Beschwerde.
Denn das Rechtsmittel der Antragstellerin hat nach summarischer Prüfung aller Voraussicht nach keine Erfolgsaussichten. Dem Interesse des Antragsgegners an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens ist damit der Vorrang zu gewähren (h.M., vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 3. August 2018, Verg 30/18, juris Rn. 38 f).
Nach summarischer Prüfung hält der Senat die Ausführungen der Vergabekammer, mit der diese die produktspezifischen Vorgaben der Vergabestelle in der Leistungsbeschreibung für vergaberechtlich zulässig erachtet hat, für überzeugend. Die Beschwerdebegründung vermag keine stichhaltigen Argumente vorzubringen, die die Richtigkeit der Entscheidung der Vergabekammer in Frage zu stellen vermögen.
Im Einzelnen:
1. Die Antragstellerin hat nach Aktenlage im streitgegenständlichen Vergabeverfahren kein Angebot abgegeben, weswegen es denkbar ist, dass der Antragsgegner zeitnah eine Zuschlagsentscheidung im Anschluss an die zwischenzeitlich durchgeführte Submission trifft, ohne die Antragstellerin hierüber nach § 134 Abs. 1 GWB vorab informieren zu müssen. Auch sonstige im GWB genannte Unwirksamkeitsgründe (wie etwa bei einer unzulässigen defacto-Vergabe) würden im Falle der Erteilung des Zuschlags nicht greifen und zwar unabhängig davon, ob die Einwände der Antragstellerin gegen die Vorgaben der Ausschreibung berechtigt sind oder nicht. Bei dieser Sachlage besteht ein Rechtsschutzbedürfnis an einer Sachentscheidung über den Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung.
2. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, soweit sich die Antragstellerin weiterhin gegen die Festlegung des Produkts K.W. in Position 2.7. der Ausführungsbeschreibung wendet. Insoweit kann anhand des Beschwerdevorbringens inhaltlich noch nachvollzogen werden, weshalb die Antragstellerin die Entscheidung der Vergabekammer für fehlerhaft hält. Dagegen fehlt es in der Beschwerde an jeglicher Auseinandersetzung mit den Ausführungen der Vergabekammer zu den Positionen 5.1. und 7.5. Diese hat die Vergabekammer als zulässig beurteilt. Sofern die Antragstellerin – was anhand des Beschwerdevorbringens unklar bleibt – auch die hierauf bezogenen Rügen weiterverfolgt, ist die Beschwerde mangels ausreichender Begründung unzulässig, § 172 Abs. 2 GWB (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Januar 2020, VII Verg 20/19, juris Rn. 48).
3. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat nach summarischer Prüfung auch im übrigen keine Erfolgsaussichten, da die Ausführungen der Vergabekammer zur Rechtmäßigkeit der Festlegung des Produkts K.W. überzeugend erscheinen.
a) Zu den rechtlichen Voraussetzungen für eine produktspezifische Ausschreibung (§ 31 Abs. 6 VgV) hat die Rechtsprechung folgende Grundlagen herausgearbeitet:
Im Ausgangspunkt ist der öffentliche Auftraggeber in seiner Beschaffungsentscheidung frei. Die Entscheidung darüber, ob und gegebenenfalls was zu beschaffen ist, wird erfahrungsgemäß von zahlreichen Faktoren beeinflusst, unter anderem von technischen, wirtschaftlichen, gestalterischen oder solchen der sozialen, ökologischen oder ökonomischen Nachhaltigkeit. Die Wahl unterliegt der Bestimmungsfreiheit des Auftraggebers, deren Ausübung dem Vergabeverfahren vorgelagert ist. Das Vergaberecht regelt demnach nicht, was der öffentliche Auftraggeber beschafft, sondern nur die Art und Weise der Beschaffung (OLG Celle, Beschluss vom 31. März 2020, 13 Verg 13/19, juris Rn. 39; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31. Mai 2017, VII-Verg 36/16, juris Rn. 40; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14. September 2016,15 Verg 7/16, juris Rn. 29).
§ 31 Abs. 1 Satz 1 VgV regelt, dass die Leistungsbeschreibung in einer Weise zu fassen ist, dass sie allen Unternehmen den gleichen Zugang zum Vergabeverfahren gewährt. In der Leistungsbeschreibung darf nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren, das die Erzeugnisse oder Dienstleistungen eines bestimmten Unternehmens kennzeichnet, verwiesen werden, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produkte begünstigt oder ausgeschlossen werden. Solche Verweise sind nur dann zulässig, wenn sie durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt sind (§ 31 Abs. 6 Satz 1 letzter HS VgV) oder wenn der Auftragsgegenstand andernfalls nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden kann (§ 31 Abs. 6 Satz 2 VgV). Um die letztgenannte Alternative geht es vorliegend nicht, vielmehr ist Kernpunkt des Streits, ob die Festlegung des Produkts der Firma K.W. durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist oder nicht.
Die Rechtsprechung verlangt für eine Rechtfertigung einer produktspezifischen Ausschreibung, dass der Auftraggeber objektive und auftragsbezogene Gründe angibt und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen hat, solche Gründe tatsächlich vorhanden (festzustellen und notfalls erwiesen) sind und die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert (OLG Celle, a.a.O., Rn. 41; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. April 2016, VII-Verg 47/15, juris Rn. 21). Dabei ist zu berücksichtigen, dass jede Festlegung auf einen bestimmten Hersteller oder ein bestimmtes Produkt wettbewerbsfeindlich ist. Liegen aber die dargelegten Voraussetzungen vor, muss dies der Bieter hinnehmen. Auch steht dem öffentlichen Auftraggeber bei der Einschätzung, ob die Vorgabe eines bestimmten Herstellers gerechtfertigt ist, nach der Rechtsprechung ein Beurteilungsspielraum zu, wobei beispielsweise das OLG Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 3. März 2020, Verg 46/09 tendenziell sogar einen noch niedrigeren Prüfungsmaßstab und damit eine noch geringere Prüfungsdichte angenommen hat (OLG Düsseldorf, a.a.O., juris Rn. 50). Einhellig wird davon ausgegangen, dass die Festlegung nicht zwingend sein muss, ebenso wenig kommt es darauf an, ob das Gericht (oder andere Vergabestellen) anstelle des Antragsgegners eine produktspezifische Vorgabe wählen würde. Die Entscheidung muss aber nachvollziehbar begründet und dokumentiert sein, wenngleich eine vorherige Markterkundung nicht erforderlich ist.
b) Ausgehend von diesen Vorgaben hält der Senat in Übereinstimmung mit der Vergabekammer die Festlegung in Position 2.7. der Ausführungsbestimmung für vergaberechtlich zulässig. Auf die Ausführungen im Beschluss der Vergabekammer wird Bezug genommen. Die Einwände der Antragstellerin in der sofortigen Beschwerde erscheinen nicht geeignet, die Richtigkeit der Entscheidung der Vergabekammer in Frage zu stellen.
– Es mag sein, dass die Antragstellerin in den Einzugsbereich der Vergabestelle einzelne Fahrzeuge mit dem von ihr verwendete Hydraulikterminal geliefert hat. Hierzu hat die Vergabestelle dargelegt, dass es bei der Straßenmeisterei, bei der der zu beschaffende LKW eingesetzt werden soll, gerade keine Fahrzeuge der Antragstellerin gebe. Es besteht kein Grund, diesen Vortrag der Vergabestelle in Zweifel zu ziehen. Allein dass die Antragstellerin substantiellen Vortrag der Gegenseite pauschal und ohne stichhaltige Sachargumente bestreitet, hindern weder die Vergabekammer noch den Senat daran, Angaben der Vergabestelle als sachlich zutreffend zu qualifizieren. Dies gilt gleichermaßen für die Erläuterungen der Vergabestelle, wonach mit dem LKW die Winterdienstkomponente der Firma K.W. genutzt werden soll, und auch für die Darlegungen zur Zahl und Ausstattung aller verfügbaren LKWs.
– Soweit sich die Antragstellerin auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 26. März 2020, Verg 22/19 beruft, verkennt sie, dass es dort um eine – zunächst von der Vergabestelle selbst gar nicht erkannte – verdeckte produktspezifische Ausschreibung ging. Dementsprechend fehlten dokumentierte sachliche Gründe für die Festlegung auf einen Hersteller, die auch nicht im Laufe des Nachprüfungsverfahrens tragfähig nachgeschoben werden konnten. Hier hat die Vergabestelle dagegen sehenden Auges eine Festlegung auf einen bestimmten Hersteller vorgenommen und ihre Überlegungen auch zeitnah dokumentiert.
– Es handelt sich nicht um eine objektiv unmögliche Leistung, die die Vergabestelle verlangt. Es gibt auch nicht nur einen Bieter, der ein Angebot abgeben kann, wie die Antragstellerin selbst in ihrem Schriftsatz vom 19. März. 2021 zugesteht. Selbst wenn sie – was strittig ist – von der Firma D. GmbH entgegen deren vorgelegten Schreiben bei der streitgegenständlichen Ausschreibung quasi „boykottiert“ worden sein sollte, mag dies kartellrechtliche Fragen aufwerfen (vgl. auch das nunmehrige Anspruchsschreiben der Antragstellerin). Dies ist jedoch für die Beurteilung des § 31 Abs. 6 VgV nicht entscheidungserheblich. Wie dargelegt liegt ein wettbewerbsbeschränkender Effekt in der Natur einer Festlegung auf Produkte eines Herstellers. Dass ein Bieter damit möglicherweise nicht oder nur unter schlechteren Bedingungen ein Angebot abgeben kann, hindert die Vergabestelle nicht an der Vorgabe, sofern die oben genannten Voraussetzungen gegeben sind.
– Auch der nunmehrige Einwand der Antragstellerin, die Leistungsbeschreibung sei nicht hinreichend erschöpfend und eindeutig beschrieben, vermag der Senat nicht zu teilen. Auf die vorgelegten Unterlagen des Antragsgegners ist zu verweisen, die ein passendes Produkt des Herstellers zeigen. Ob es andere Produkte desselben Herstellers gibt, die mehrere Displays haben, ist nicht maßgeblich. Zu Recht weist der Antragsgegner auch darauf hin, dass die Ausführungen der Antragstellerin, einer marktkundigen Fachfirma, sehr wohl erkennen lassen, dass sie genau weiß, was gefordert ist.
Die Gründe für die Festlegung müssen nicht zwingend sein; es kommt, wie dargelegt, auch nicht darauf an, ob andere Vergabestellen einen Bedarf für ähnliche Festlegungen sehen oder nicht. Auch wie die Antragstellerin die Vor- und Nachteile ihres Produktes gegenüber dem Produkt der Firma K.W. bewertet, ist nicht maßgeblich. Notwendig, aber auch ausreichend ist, dass die dokumentierten und im Verfahren wiederholten Gründe für die Festlegung des Produkts objektiv nachvollziehbar sind und die Entscheidung sachlich rechtfertigen. Dies ist in Bezug auf das zentrale Vorbringen der Vergabestelle, sie habe sich für ein Terminal mit einem Display aus Gründen des Arbeitsschutzes und der Verkehrssicherheit entschieden, der Fall. Es leuchtet unmittelbar ein, dass die Bedienung für den Fahrer mit Hilfe eines Displays einfacher ist, als die Nutzung zweier Displays, ebenso dass es vorteilhaft ist, in allen Fahrzeugen eine einheitliche Ausstattung zu verwenden, weil jeder Fahrer durchgängig und zu jeder Zeit eine vertraute Technik vorfindet. Dies mindert die Gefahr von Fehlern im Einsatz und fördert einen reibungslosen Arbeitsablauf. Den von der Vergabestelle daraus gezogene Schluss, damit würden eine höhere Verkehrssicherheit und eine bessere Arbeitssicherheit gewährleistet, hält der Senat ebenfalls für gerechtfertigt. Soweit die Antragstellerin diesen Erwägungen widerspricht und auf die eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers verweist, stellt dies lediglich den Versuch dar, ihre eigene Bewertung anstelle der Bewertung der Vergabestelle bzw. der Vergabekammer zu setzen. Auch in Bezug auf die weiteren Aspekte (Kompatibilität/Kosten) erscheinen die von der Vergabestelle angeführten Erwägungen nachvollziehbar. Es ist damit Verg 4/21 – Seite 12 – festzustellen, dass die Vorgabe der Vergabestelle auf sachlichen, auftragsbezogenen Gründen beruht, die sachlichen Gründe tatsächlich auch bestehen und von hinreichendem Gewicht erscheinen, womit die vorgenommene Festlegung nicht zu beanstanden ist.
– Anhaltspunkte, dass bei der Entscheidung der Vergabestelle willkürliche oder diskriminierende Aspekte eine Rolle gespielt hätten, sind nicht ersichtlich und vermag die Antragstellerin auch nicht darzutun.
– Zur Frage der fehlenden automatischen Erkennung kann ebenfalls auf die Ausführungen der Vergabekammer Bezug genommen werden.
III.
Ausgehend von den dargelegten Erwägungen hält der Senat nach summarischer Prüfung die sofortige Beschwerde für aussichtslos und empfiehlt die Rücknahme.
Die Antragstellerin erhält Gelegenheit, sich zum Senatsbeschluss und der Frage der Rücknahme der Beschwerde bis zum 15. April 2021 zu äußern.
Zugleich wird Gelegenheit gegeben, binnen gleicher Frist zum Streitwert Stellung zu nehmen.


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