Aktenzeichen B 2 K 17.495
BayDSchG Art. 6 Abs. 1 S. 3
BGB § 158 Abs. 1, § 242
Leitsatz
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 2.6.2017 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 v. H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 v. H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.
1. Die Klage ist als Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO zulässig.
Insbesondere fehlt der Klage nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Ein Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben, wenn der Rechtsschutzsuchende schutzwürdige Interessen verfolgt. Das BVerfG ordnet das Rechtsschutzbedürfnis als allgemeines Prinzip ein, wonach jede an einen Antrag gebundene gerichtliche Entscheidung ein Rechtsschutzbedürfnis voraussetzt. (Ehlers in Schoch/Schneider/Bier, VwGO vor § 40 Rn. 75; BVerfG, B.v. 19.10.1982 – 1 BvL 34/80 – juris). Die Klägerin verfolgt vorliegend schutzwürdige Interessen. Sie hat sich zwar in der mündlichen Verhandlung am 24.05.2016 in der Verwaltungsstreitsache B 2 K 16.98 verpflichtet, die (auch vorliegend) streitgegenständlichen Solarmodule nebst Aufständerungen etc. zu beseitigen. Die vorliegend streitgegenständliche Anordnung verpflichtet, die Klägerin jedoch zu der Verlegung der Solarmodule, was über die Selbstverpflichtung der Klägerin vom 24.05.2016 hinausgeht, sodass das Rechtsschutzbedürfnis vorliegend nicht aufgrund der Selbstverpflichtung entfällt. Denn der Klägerin wird mit der vorliegenden Verlegungsanordnung mehr abverlangt, als ihre Selbstverpflichtung zur reinen Beseitigung umfasst.
2. Die Klage hat in der Sache Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 02.06.2017 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
a) Die Verlegungsanordnung gem. Ziffer 1 des Bescheides ist bereits rechtswidrig, da sie ein dem Grundsatz von Treu und Glauben widersprechendes widersprüchliches Verhalten (venire contra factum proprium) der Beklagten darstellt. Der auch im Verwaltungsrecht entsprechend § 242 BGB geltende Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. BVerwG, B.v. 1.4.2004 – 4 B 17.04 – juris), umfasst das Verbot widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) – (vgl. etwa BayVGH, B.v. 16.11.2009 – Az. 2 ZB 08.2389 – juris Rn. 11).
Die Verlegungsanordnung steht im Widerspruch zu den im Hinblick auf die Solarmodule abgegebenen Erklärungen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 24.05.2016 in der Verwaltungsstreitsache B 2 K 16.98. Insoweit waren eine Baueinstellung im Hinblick auf Bauarbeiten an den Solaranlagen und den Installationsleitungen hierfür und ein entsprechendes Zwangsgeld streitgegenständlich (Ziff. 1 und 2 des Bescheides der Beklagten vom 11.03.2014). Die Beklagte erklärte am 24.05.2016 zu Protokoll des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth, unter der Voraussetzung der unstreitigen Erledigung des Rechtsstreits und unter der weiteren Voraussetzung, dass die streitgegenständlichen Solarmodule bis spätestens 30.09.2016 von den Dachgauben abmontiert seien (einschließlich Aufständerungsmaterial etc.) das streitgegenständliche Zwangsgeld von 2.500,00 EUR auf 1.250,00 EUR zu reduzieren. Zudem erklärte die Beklagte, im Falle der Weigerung der derzeitigen Eigentümer die Baumaßnahmen durchführen zu lassen, diesen gegenüber eine entsprechende Duldungsanordnung zu erlassen. An die zu Protokoll erklärte Vorgehensweise hat sich die Beklagte nicht gehalten. Dies lässt sich aus dem Schriftverkehr in der Behördenakte nachvollziehen. Die Klägerin fragte im Nachgang zur mündlichen Verhandlung vom 24.05.2016 am 31.08.2016 per Email bei den Eigentümern des Flurstücks Nr. 1028/3 der Gemarkung Bamberg entsprechend der übernommenen Verpflichtung zwecks Vereinbarung eines Termins zur Demontage der Solaranlagen an. Mit Antwort-Email vom 7.9.2016 stellten die Eigentümer die Gestattung der Demontage der Solaranlage gegenüber dem Geschäftsführer der Klägerin unter die Bedingung, dass die Solaranlage dann auch auf dem Wintergarten montiert werden müsste und die Installationsschäden behoben werden müssten. Weiterhin boten die Eigentümer an, gegen Kostenerstattung die Demontage und Installation der Solaranlage auf dem Wintergarten selbst vorzunehmen und führten aus, dass jegliche Arbeiten direkt am Haus nur über sie laufen dürften.
Hierin ist eine Verweigerung der Eigentümer im Hinblick auf eine Demontage durch die Klägerin zu erblicken. Aus der Antwort-Email vom 7.9.2016 lässt sich eine Ablehnung der Eigentümer entnehmen, die Klägerin überhaupt weiterhin an ihrem Anwesen tätig werden zu lassen. Denn die enthaltene Erklärung der Eigentümer „Jegliche Arbeiten direkt am Haus werden ausdrücklich nur über uns laufen, um weitere Schäden an unserem Haus zu vermeiden“ wird nur durch die Einschränkung „Die Pflasterarbeiten dürfen Sie gerne selbst in Auftrag geben“ beschränkt. Hieraus lässt sich entnehmen, dass die Eigentümer mit einer Beseitigung der Solaranlagen durch die Klägerin nicht einverstanden waren.
Doch selbst wenn man aus der enthaltenen Formulierung „Wir sind gerne bereit einen zeitnahen Termin für den Abbau der Solaranlage zu finden, allerdings beinhaltet dieser Termin selbstverständlich auch die Montage der Solaranlage auf de[m] von Ihnen unterzeichneten Bauantrag für den Anbau“ eine grundsätzliche Zustimmung zur Beseitigung der Solarmodule durch die Klägerin entnehmen wollte, wäre die Demontage für die Klägerin nicht ohne die Erfüllung einer seitens der Eigentümer gestellten aufschiebenden Bedingung analog § 158 Abs. 1 BGB erfüllbar. Somit wäre die Klägerin an der Erfüllung der von ihr übernommenen Beseitigungsverpflichtung gehindert, solange sie nicht zusätzlich weitere Arbeiten ausführen würde (Verlegung), zu denen sie sich nicht verpflichtet hat und auch nicht verpflichtet ist (vgl. Buchstabe b)). Das Abhängigmachen der Beseitigung von einer zusätzlichen Verlegung ist somit als eine Weigerung der Eigentümer im Hinblick auf die (reine) Beseitigung zu bewerten. Das Stellen der Bedingung wurde durch den in der mündlichen Verhandlung angehörten Miteigentümer bestätigt, der ausführte, mit einer Entfernung einverstanden zu sein, sofern die Module am genehmigten Ort auf dem Wintergarten wieder angebracht würden.
Aufgrund der Weigerung der Eigentümer wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, gemäß ihrer Erklärung vom 24.05.2016 eine Duldungsanordnung gegen die Eigentümer zu erlassen. Dies tat die Beklagte jedoch nicht, sondern ging anstatt dessen über ihre Protokollerklärungen vom 24.05.2016 hinaus und verpflichtete die Klägerin zur Verlegung. Diese Vorgehensweise ist als venire contra factum proprium als rechtswidrig zu bewerten.
b) Unabhängig hiervon bestehen Zweifel, ob für die Verlegungsanordnung gem. Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides eine Rechtsgrundlage gegeben ist.
Die Beklagte stützt die Verlegungsanordnung auf Art. 54 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BayBO. Insoweit berücksichtigt die Beklagte nicht hinreichend, dass die Generalklausel des Art. 54 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BayBO als Auffangtatbestand nur herangezogen werden kann, wenn die bauaufsichtlichen Spezialbefugnisse nicht greifen, worunter etwaArt. 76 S. 1 BayBO fällt (Simon/Busse/Dirnberger, 131. EL Oktober 2018, BayBO Art. 54 Rn. 37).
Als Rechtsgrundlage für die Anordnung der Beklagten kommt vorliegend zunächstArt. 76 S. 1 BayBO in Betracht. Denn die angeordnete Verlegung der Solarmodule von den Dachgauben der Doppelhaushälfte auf das Wintergartendach schließt die Beseitigung der Module von den Dachgauben mit ein. Die Module können nicht auf das Wintergartendach montiert werden, ohne zuvor von den Dachgauben abmontiert worden zu sein. Es bestünde die Möglichkeit, dass die der Bauaufsichtsbehörde im Rahmen des Art. 76 S. 1 BayBO gesetzten Grenzen der Beseitigungsbefugnis umgangen werden könnten, wenn eine die Beseitigung mitumfassende Anordnung, die über die Grenzen des Art. 76 S. 1 BayBO hinausgeht, auf Art. 54 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BayBO gestützt werden könnte.
Der Umfang der Beseitigungsbefugnis gem. Art. 76 S. 1 BayBO wird vorliegend durch die Beklagte überschritten. Von der Beseitigungsbefugnis ist zwar neben der vollständigen Beseitigung einer Anlage auch die Entfernung der Baumaterialien, von Restbauteilen, Schutt, sowie von Auf- und Anschüttungen im Rahmen der illegal geschaffenen Anlagen umfasst (zwar streitig, aber wohl überwiegende Auffassung, vgl. etwa BayVGH U.v. 22.04.1992, 2 B 90.1348; BayVGH U.v. 22.09.1986, 14 B 85 A.707; OVG Bautzen U.v. 20.08.2008, 1 B 186/07; OVG Bremen B.v. 13.1.1995, 1 B 140/94; VG München, B.v. 10.2.1999 – M 1 S 98.5673 – alle juris). Jedenfalls nicht von Art. 76 S. 1 BayBO umfasst ist jedoch die in einer Verlegungsanordnung enthaltene Verpflichtung zur (Neu-)Montage der entfernten Gegenstände an einem anderen Ort. Insoweit wird vorliegend die Beseitigungsbefugnis durch die Beklagte überschritten. Der Begriff der Beseitigung, der im Sinne eines Entfernens zu verstehen ist, umfasst keine Neu- bzw. Wiederanbringung.
Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Grundsatz, dass – sofern von der Baugenehmigung Gebrauch gemacht wird – ein genehmigtes Vorhaben grundsätzlich als Ganzes in der genehmigten Form ausgeführt werden muss (vgl. zu diesem Grundsatz: Simon/Busse/Lechner, 131. EL Oktober 2018, BayBO Art. 68 Rn. 104). Denn das Bauvorhaben „Wintergarten mit Dachsolaranlage“ wäre unzweifelhaft auch ohne Dachsolaranlage genehmigungsfähig. Ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 S. 3 DSchG läge nicht vor.
Im Ergebnis kann jedoch eine Entscheidung über die Rechtsfrage, ob eine Verlegungsanordnung auf Art. 54 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BayBO gestützt werden kann, vorliegend dahinstehen.
c) Denn selbst wenn die Verlegungsanordnung gem. Ziffer 1 des Bescheides aufArt. 54 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BayBO gestützt werden könnte, wäre sie materiell rechtswidrig, da sie gegenüber der Klägerin als Inhaltsadressatin unverhältnismäßig ist. Denn es ist ein milderes, ebenso effektives Mittel verfügbar, um das von der Beklagten verfolgte Ziel zu erreichen.
Ziel der Beklagten ist die Beseitigung eines durch die auf den Dachgauben der Doppelhaushälfte aufgeständerten Solaranlagen hervorgerufenen, denkmalschutzrechtswidrigen Zustandes. Denn die Beklagte führt in der Begründung des Bescheides aus, dass die auf den Dachgauben aufgeständerten Solaranlagen wesensfremde Elemente innerhalb der konkreten Ensemble-Situation, sowie eine Beeinträchtigung des Ensembles gem. Art. 6 Abs. 1 Satz 3 DSchG darstellen. Das Ziel kann die Beklagte jedoch mindestens ebenso gut durch eine (mit einer Duldungsanordnung gegenüber den Eigentümern des Anwesens versehene) Beseitigungsanordnung erreichen. Diese greift weniger stark in die Rechte der Klägerin ein, da die reine Beseitigung für die Klägerin weniger arbeitsaufwendig und kostenintensiv ist als die Verlegung, die neben der Demontage auch eine Neumontage umfasst.
Die Argumentation der Beklagten, die Verlegungsanordnung sei gewählt worden, da sie gegenüber den Eigentümern des Anwesens im Vergleich zu einer Beseitigungsanordnung das mildere Mittel sei, verkennt, dass eine Anordnung der Eingriffsverwaltung dem Adressaten gegenüber verhältnismäßig sein muss. Die durch die Beklagte angeführten Kommentarzitate aus Simon/Busse/Dirnberger, 131. EL Oktober 2018, BayBO Art. 54 Rn. 65 u. Art. 76 Rn. 242 führen zu keinem anderen Ergebnis, da hier nur ausgeführt wird, dass die Maßnahme den einzelnen und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigen soll. Hieraus lässt sich jedoch gerade nicht entnehmen, dass die Beklagte anstatt des Adressaten im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der Anordnung schwerpunktmäßig bzw. vorrangig Dritte berücksichtigen darf.
Aufgabe der Beklagten als untere Bauaufsichtsbehörde ist gem. Art. 54 Abs. 2 Satz 1 BayBO bei der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und Beseitigung sowie bei der Nutzung und Instandhaltung von Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die auf Grund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden, soweit nicht andere Behörden zuständig sind. Aufgabe der Beklagten als untere Bauaufsichtsbehörde ist jedoch nicht, in Streitigkeiten im Rahmen eines privatrechtlichen Bauträgervertrages, vorliegend zwischen der Klägerin und den Grundstückseigentümern, einen möglicherweise bestehenden privatrechtlichen Anspruch auf Montage von Solaranlagen auf einem Wintergartendach durch eine hoheitliche Anordnung durchzusetzen. Die Geltendmachung und Durchsetzung eines solchen Anspruches ist Sache des anspruchsberechtigten Vertragspartners bzw. der anspruchsberechtigten Vertragspartner.
Eine Verhältnismäßigkeit der Verlegungsanordnung ergibt sich nicht aus dem Vortrag der Beklagten, dass die Solaranlagen notwendig für das Energiekonzept des Anwesens der Eigentümer seien. Es ist seitens der Beklagten schon nicht hinreichend dargelegt, inwiefern im Rahmen des mit Gas- und Solarenergie betriebenen Warmwasseraufbereitungssystems die Solaranlagen unerlässlich sein sollen.
Eine etwaige, durch die Eigentümer in Anspruch genommene Förderung der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), für welche die Solaranlage „wichtig sei“, führt zu keinem abweichenden Ergebnis. Denn es steht den Eigentümern frei, die von den Dachgauben zu beseitigenden Solaranlagen selbst auf dem Wintergarten zu montieren bzw. montieren zu lassen.
Überdies betrifft eine Förderung durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau die Finanzierungsbedingungen im Hinblick auf die Immobilie, deren Einhaltung Sache der Eigentümer ist. Die Sicherstellung der Einhaltung einer etwaigen Förderungsbedingung „Solaranlage“ ist nicht Aufgabe der unteren Bauaufsichtsbehörde.
d) Aufgrund der Rechtswidrigkeit der Verlegungsanordnung gem. Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides als Grundverfügung, war auch die Zwangsgeldandrohung gem. Ziffer 2 aufzuheben. Ebenso war die Kostenentscheidung gem. Ziffer 3 des Bescheides aufzuheben (Art. 16 Abs. 5 KG).
3. Als unterlegene Beteiligte hat gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung – ZPO -.