Baurecht

Verlängerung der Geltungsdauer einer auf Basis eines Prozessvergleichs erteilten Baugenehmigung

Aktenzeichen  M 9 K 18.185

Datum:
5.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 11948
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 106
BayBO Art. 69

 

Leitsatz

1 Für die Verlängerung der Geltungsdauer einer Baugenehmigung gelten die gleichen materiellen Anforderungen wie für die erstmalige Erteilung. Die Baugenehmigungsbehörde hat daher zu prüfen, ob das Vorhaben zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Verlängerungsantrag den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein schutzwürdiges Vertrauen des Bauwerbers darauf, die Baugenehmigung werde verlängert, besteht nicht. Der Bauwerber trägt vielmehr das Risiko der Änderung nicht nur der Sach- und Rechtslage, sondern auch der Rechtsansicht oder Verwaltungspraxis der Baugenehmigungsbehörde. Aus den früheren Verlängerungsbescheiden kann der Kläger daher nichts zu seinen Gunsten herleiten. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung bzw. Verlängerung der Baugenehmigung, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, weder auf Basis des Vergleichs (1.) noch nach heutiger Rechtslage, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO (2.).
1. Der Kläger hat keinen aus Ziff. II des Prozessvergleichs vom 10. Juni 1999 folgenden Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung. Dies folgt schlicht daraus, dass er nach Vergleichsschluss eine Baugenehmigung beantragt und erteilt bekommen hat. Die Zusicherung wurde ausgeschöpft. Darauf wurde die Klägerseite in der mündlichen Verhandlung auch hingewiesen.
Für (wiederholte) Verlängerungen enthält der Vergleich keinerlei Regelungen, womit auf das Gesetz zurückzugreifen ist. Danach bestimmte sich die Verlängerung nach Art. 77 Abs. 2 BayBO a. F. bzw. bestimmt sich heute nach Art. 69 Abs. 2 BayBO.
2. Auch losgelöst vom Prozessvergleich besteht kein Anspruch auf Erteilung bzw. Verlängerung der Baugenehmigung, Art. 69 Abs. 2 Satz 1, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO.
Für die Verlängerung der Geltungsdauer einer Baugenehmigung gelten die gleichen materiellen Anforderungen wie für die erstmalige Erteilung. Die Baugenehmigungsbehörde hat daher zu prüfen, ob das Vorhaben zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Verlängerungsantrag den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht.
Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO sieht kein Ermessen vor, weswegen sich die Behörde über Art. 3 Abs. 1 GG durch eine etwaige „Verwaltungspraxis“ nicht selbst binden konnte. Auch im Übrigen besteht aufgrund der zwischenzeitlich gewährten Verlängerungen kein Vertrauensschutz, unabhängig davon, ob sich die Sach- und Rechtslage geändert hat oder nicht, vgl. dazu statt aller bspw. BayVGH, U.v. 17.10.2003 – 2 B 99.2667 – BeckRS 2003, 14843 (ebenso BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, BayBO, Stand: 10. Edition, 1.3.2019, Art. 69 Rn. 43; Simon/Busse, BayBO, Stand: 132. EL Dezember 2018, Art. 69 Rn. 97, jeweils m. w. N. aus der Rechtsprechung):
Ein schutzwürdiges Vertrauen des Bauwerbers darauf, die Baugenehmigung werde verlängert, wird von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht anerkannt; der Bauwerber trägt vielmehr das Risiko der Änderung nicht nur der Sach- und Rechtslage, sondern auch der Rechtsansicht oder Verwaltungspraxis der Baugenehmigungsbehörde. Aus den früheren Verlängerungsbescheiden kann der Kläger daher nichts zu seinen Gunsten herleiten.
Die Behörde trifft keine Hinweispflicht. Sie kann ihre Rechtsauffassung ändern und dies im Verlängerungsverfahren kundtun. Das Verlängerungsverfahren steht genau hierfür zur Verfügung, um den Antrag – neu – zu beurteilen.
Das Bauvorhaben liegt nach dem Ergebnis des Augenscheins – was mittlerweile auch zwischen den Beteiligten unstrittig ist, vgl. Niederschrift, S. 4 – im Außenbereich. Es beeinträchtigt § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 5, 7 BauGB.
Dies hat die Kammer für das gesamte Vorhabengrundstück auch bereits im Jahr 2006 festgestellt, vgl. VG München, U.v. 21.6.2006 – M 9 K 06.201 – Umdruck:
Das Wohnbauvorhaben liegt im Außenbereich gemäß § 35 BauGB. Die zusammenhängende Bebauung endet vorliegend im Norden des Baugrundstückes jenseits der S.straße (auf Fl.Nrn. 1651/1, 1350/15 und 1350/16), vgl. Auszug aus der Katasterkarte vom 18. September 2000 in der Baugenehmigungsakte. Südlich hiervon wurde zwischenzeitlich lediglich auf Fl.-Nr. 1651/15 ein Wohnhaus errichtet, das gesamte übrige Gelände (namentlich Fl.Nrn. 1651/13 und /14, 1350, 1350/24 sowie 1651/6) sind unbebaut und werden als Wiese genutzt, wie zuletzt der Augenschein ergeben hat.
Die Kostenentscheidung fußt auf § 154 Abs. 1, Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Beigeladene hat sich durch Antragstellung in ein Kostenrisiko begeben, weshalb es billig ist, dem Kläger auch ihre außergerichtlichen Kosten aufzubürden. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO, §§ 708ff. ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben