Baurecht

Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung für bereits genehmigtes Vorhaben

Aktenzeichen  AN 9 K 15.01341

Datum:
8.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 55 Abs. 1
VwGO VwGO § 113 Abs. 5

 

Leitsatz

Einer Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung für ein Bauvorhaben, das bereits bauaufsichtlich genehmigt ist, fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

In sachdienlicher Auslegung des Klageantrags verfolgt die Klägerin im Wege der Verpflichtungsklage die Aufhebung der Baugenehmigung vom 7. Mai 2015 für die Errichtung eines Wintergartens und die Neubescheidung ihres Bauantrages vom 30. März 2015.
Die so verstandene Verpflichtungsklage ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses und Klagebefugnis bereits unzulässig. Die Klägerin kann nach Erteilung der Baugenehmigung vom 7. Mai 2015 für das von ihr zur Genehmigung gestellte Bauvorhaben entsprechend der eingereichten Bauvorlagen durch die vorliegende Klage keine Verbesserung ihrer Rechtsposition erlangen.
Das von der Klägerin beantragte Bauvorhaben wurde ohne Änderung der zur Genehmigung gestellten Bauvorlagen durch den streitgegenständlichen Bescheid vom 7. Mai 2015 bauaufsichtlich genehmigt. Die Bauvorlagen vom 30. März 2015 sehen in den Bauzeichnungen gemäß § 8 Abs. 3 BauVorlV das Wohnhaus als Bestand und in abweichender Markierung den zur Genehmigung gestellten Wintergarten als zu genehmigende neue Bausubstanz vor. Dementsprechend wurde seitens der Bauordnungsbehörde in sachdienlicher Auslegung des Bauantrags das Vorhaben als „Errichtung eines Wintergartens“ bezeichnet. Entsprechend der von der Klägerin zur Genehmigung gestellten Bauvorlagen des Bauantrags vom 30. März 2015, in denen das bestehende Wohnhaus als Bestand gekennzeichnet und der zu genehmigende Wintergarten in abweichender Markierung als zu genehmigende bauliche Substanz gekennzeichnet ist, wurde das Bauvorhaben mit der feststellenden Wirkung der Übereinstimmung mit öffentlichrechtlichen Vorschriften ohne maßgebliche Modifikation oder Einschränkung genehmigt.
Unter Berücksichtigung des Genehmigungserfordernisses nach Art. 55 BayBO, wonach die Errichtung einer baulichen Anlage gleichermaßen der Genehmigung bedarf wie eine Nutzungsänderung, ist die unterschiedliche Bezeichnung insoweit nicht maßgeblich. Das Genehmigungserfordernis nach Art. 55 Abs. 1 BayBO greift tatbestandlich bereits dann ein, wenn eine Anlage alternativ errichtet oder geändert wird oder wenn eine Nutzungsänderung gegeben ist. Die Baugenehmigung muss vielmehr das genehmigte Vorhaben, insbesondere Inhalt, Reichweite und Umfang der genehmigten Nutzung eindeutig erkennen lassen. Zur Bestimmung des Regelungsgehalts der Baugenehmigung kann auf den Tenor und die Gründe des Genehmigungsbescheids sowie auf die im Bescheid Bezug genommenen Bauvorlagen zurückgegriffen werden. In sachdienlicher Auslegung des Bauantrags hat die Klägerin vorliegend die bislang nicht bauaufsichtlich genehmigte bauliche Substanz des Wintergartens zur Genehmigung gestellt.
Mit Art. 55 Abs. 1 BayBO hat der Gesetzgeber für den in der Norm umschriebenen Bereich ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt eingeführt; somit kennt das Gesetz grundsätzlich keine nachträgliche Baugenehmigung (vgl. Simon/Busse/Becker, BayBO-Komm., Art. 55 Rn. 9 bis 10). Die Baugenehmigung umfasst in ihrer feststellenden Wirkung die Feststellung, dass ein Vorhaben öffentlichrechtlichen Vorschriften entspricht, und beinhaltet in ihrer verfügenden bzw. rechtsgestaltenden Wirkung insoweit die notwendige Baufreigabe. Wird eine bauliche Anlage, die ohne die erforderliche Baugenehmigung bereits errichtet wurde, nachträglich zur Genehmigung gestellt, so bedarf es sowohl der feststellenden als auch der rechtsgestaltenden Regelung der Baugenehmigung, um die bauliche Veränderung nachträglich zu legalisieren. Es ist daher vorliegend nicht zu beanstanden, dass die Bauordnungsbehörde entsprechend der zur Genehmigung gestellten Bauvorlagen von einer „Errichtung“ des zur Genehmigung gestellten Wintergartens ausgegangen ist, anstatt die von der Klägerin verwendete Bezeichnung „Nutzungsänderung von Wintergarten als selbstständige Nebenanlage zu Wintergarten“ zu verwenden. Eine Änderung des Bauvorhabens ist mit dieser abweichenden Bezeichnung nicht verbunden. Da Unterschiede im Kontrollprogramm einer zu erteilenden Baugenehmigung nicht aus Unterschieden im Bauvorgang Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung bestehen, sondern allein aus Unterschieden im Kontrollgegenstand, der zur Genehmigung gestellten baulichen Anlage und ihrer Nutzung resultieren (vgl. Mampel, ZfBR 2000, 10), handelt es sich bei der von Klägerseite gerügten Bezeichnung als „Errichtung“ nicht um eine maßgebliche Veränderung des Regelungsgehalts der Baugenehmigung.
Nachdem das Bauvorhaben somit entsprechend der zur Genehmigung gestellten Bauvorlagen mit Bescheid vom 7. Mai 2015 bauaufsichtlich genehmigt wurde, ist nicht ersichtlich, inwieweit die Klägerin durch das vorliegende Klageverfahren eine Verbesserung ihrer Rechtsposition erlangen könnte (vgl. BayVGH, B. v. 8.12.2014 – 1 B 14.835 – juris Rn. 3). Ein Rechtsschutzbedürfnis ist nur gegeben, wenn der Rechtsschutzsuchende schutzwürdige Interessen verfolgt (vgl. Ehlers in Schoch/Schneider/Bier, VwGO-Komm., § 40 Rn. 75). Einer Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung für ein Bauvorhaben, das bereits bauaufsichtlich genehmigt ist, fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis. Es handelt sich insoweit um eine nutzlose Klage auf Neuentscheidung einer bereits ohne Einschränkung oder Modifikation erteilten Baugenehmigung.
Soweit die Klägerin eine Beschwer wegen möglicher, der Baugenehmigung nachfolgender Vermessungsgebühren oder im Verhältnis zu Berufsgenossenschaften geltend machen will, sind diese Wirkungen nicht vom Regelungsgehalt der Baugenehmigung mit umfasst. Die Bezeichnung des Bauvorhabens als „Errichtung eines Wintergartens“ in der streitgegenständlichen Baugenehmigung begründet für die Klägerin keine zusätzliche Beschwer, da die Genehmigung zur Errichtung des Wintergartens den zur Genehmigung gestellten Bauvorlagen entspricht und eine Genehmigung der Nutzung insoweit mit einschließt.
Gleiches gilt für die von Klägerseite gerügte Baukostenberechnung der Bauordnungsbehörde. Unter Berücksichtigung, dass die Bauordnungsbehörde im Rahmen der streitgegenständlichen Baugenehmigung lediglich die Mindestgebühr in Höhe von 40,00 EUR gemäß Art. 1, 2, 5 KG i. V. m. Tarifnummer 2. I.1.24.1.1.2 festgesetzt hat, begründet die behördlicherseits erfolgte Baukostenberechnung keine weitergehende Beschwer für die Klägerin. Im Übrigen ist die Berechnung der Baukosten durch die Behörde auch nicht zu beanstanden. Zwar hat die Bauordnungsbehörde grundsätzlich von den in der Baubeschreibung angegebenen Baukosten auszugehen. Wenn jedoch eine vergleichende Berechnung der Bauaufsichtsbehörde ergibt, dass die Angaben der Baukosten in der Baubeschreibung unrealistisch oder nicht nachvollziehbar erscheinen, kann die Behörde eine eigene Baukostenberechnung anstellen. Dabei sind fiktive Baukosten entsprechend dem abstrakttypisierenden Ansatz des Abgabenrechts und entsprechend der allgemein gültigen, ortsüblichen Erfahrungssätze zugrunde zu legen (vgl. VG München, U. v. 14.11.2006 – M 1 K 06.3321 – juris). Bei der Baukostenberechnung ist der Behörde auch ein gewisser Schätzungsspielraum zuzubilligen (vgl. VGH Baden-Württemberg, U. v. 20.12.1994 – 8 S 1134/94 – juris). Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die von der Bauordnungsbehörde im Rahmen der Bearbeitung des Bauantrags erstellte Baukostenberechnung – unabhängig davon, dass sich die Baukostenberechnung nicht auf die Berechnung der Baugenehmigungsgebühr ausgewirkt hat und damit eine Neuberechnung nicht zu einer Verbesserung der Rechtsposition der Klägerin führen könnte – nicht zu beanstanden.
Die in der Baugenehmigung vom 7. Mai 2015 als Nebenbestimmung festgelegte Verpflichtung zur Vorlage von Prüfbescheinigungen über die ordnungsgemäße Bauausführung resultiert aus Art. 62 Abs. 3 BayBO i. V. m. Art. 36 Abs. 1 BayVwVfG.
Da die erteilte Baugenehmigung vom 7. Mai 2015 somit vollumfänglich dem zur Genehmigung gestellten Bauvorhaben entspricht, kann die Klägerin durch die erhobene Verpflichtungsklage auf erneute Verbescheidung des Bauantrages ihre Rechtsposition nicht verbessern. Vielmehr erscheint das Klagebegehren der Klägerin lediglich der Klärung prinzipieller Rechtsfragen zu dienen (vgl. Ehlers in Schoch/Schneider/Bier, VwGO-Komm., § 40 Rn. 94).
Neben dem Rechtsschutzbedürfnis fehlt es der vorliegenden Klage darüber hinaus auch an der erforderlichen Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO. Durch die antragsgemäße Verbescheidung des Bauantrags ist unter keinem denkbaren Aspekt ersichtlich, inwieweit die Klägerin eine mögliche Rechtsverletzung geltend machen könnte.
Die Klage war daher als unzulässig abzuweisen.
Die Kostenentscheidung resultiert aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift:
Ludwigstraße 23, 80539 München;
Postfachanschrift:
Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in
in Ansbach:
Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Beschluss:
Der Streitwert wird auf 1.100,00 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 9.1.2.6 der Empfehlung des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.


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