Baurecht

Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung für ein Mehrfamilienhaus, Entgegenstehende Festsetzungen eines Bebauungsplans, Inzidentprüfung des Bebauungsplans, Planrechtfertigung, Abwägungsergebnis, Wirksamkeit des Bebauungsplans

Aktenzeichen  Au 5 K 20.1380

Datum:
16.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 32243
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 30 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen hat die Klägerin zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung (§ 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
1. Das baugenehmigungspflichtige Vorhaben (Art. 55 Abs. 1 Bayerische Bauordnung – BayBO) ist nicht genehmigungsfähig.
Gemäß Art. 68 Abs. 1 S. 1 BayBO ist die Baugenehmigung zu erteilen, sofern dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Vorliegend bestimmt sich der Prüfungsumfang nach Art. 59 Satz 1 BayBO.
Das Vorhaben ist bauplanungsrechtlich nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BayBO i.V.m. § 30 Abs. 1 BauGB unzulässig, weil es den Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. … „…“ widerspricht. Nach den Festsetzungen des Bebauungsplans sind auf dem Baugrundstück Gebäude mit einer Firsthöhe von 10 m und höchstens zwei Vollgeschossen zulässig. Das streitgegenständliche Bauvorhaben weist eine Firsthöhe von 12,44 m und drei Vollgeschosse auf. Zudem hält es die im Bebauungsplan festgesetzten Abstände von Tiefgaragen zu angrenzenden öffentlichen Verkehrsflächen und zu Nachbargrundstücken von mindestens 1 m nicht ein. Der Abstand der antragsgegenständlichen Tiefgarage zur Nordgrenze beträgt 0,235 m und zur öffentlichen Verkehrsfläche im Süden 0,202 m.
a) Der Bebauungsplans Nr. … „…“ weist nach Auffassung der Kammer keine Mängel auf, die im Rahmen der erforderlichen Inzidentkontrolle zu prüfen sind. Es ist deshalb von der Wirksamkeit des Bebauungsplans auszugehen.
Das Gericht hat vorliegend im Rahmen einer Inzidentprüfung die Wirksamkeit des Bebauungsplans zu überprüfen. Für den Fall, dass der Bebauungsplan unwirksam wäre, käme die Anwendung des § 30 Abs. 1 BauGB nicht in Betracht und das antragsgegenständliche Bauvorhaben wäre bauplanungsrechtlich nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilen.
Vorliegend ist die Inzidentprüfung, nachdem die Jahresfrist des § 215 Abs. 1 Satz 1 BauGB bereits abgelaufen ist, auf die von dieser Vorschrift nicht erfassten Mängel (sog. „Ewigkeitsmängel“) beschränkt (BayVGH, U.v. 22.9.2015 – 1 B 14.1652 – juris Rn. 20). Im Rahmen der Inzidentkontrolle ist demnach zu prüfen, ob ein Verstoß gegen den Erforderlichkeitsgrundatz (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB) oder gegen den Bestimmtheitsgrundsatz oder ein fehlerhaftes Abwägungsergebnis (§ 1 Abs. 7 BauGB) oder das Fehlen jeglicher oder Überschreiten einer Rechtsgrundlage vorliegt. Unabhängig von der Regelung des § 215 Abs. 1 Satz 1 BauGB sind Fehler des Abwägungsvorgangs im Rahmen einer Inzidentkontrolle nicht ausreichend, um von einer Unwirksamkeit des betroffenen Bebauungsplans ausgehen zu können; vielmehr bedarf es eines Mangels des Abwägungsergebnisses (BayVGH, B.v. 12.4.2021 – 9 ZB 19.1612 – juris Rn. 14). Ein relevanter Fehler ist dabei erst anzunehmen, wenn eine fehlerfreie Nachholung der erforderlichen Abwägungsentscheidung schlechterdings nicht zum selben Ergebnis führen könnte, weil andernfalls der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen würde, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht, mithin die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit überschritten würden (BayVGH, B.v. 12.4.2021 a.a.O. Rn. 14).
Gemessen an diesen Vorgaben weist der Bebauungsplan Nr. … nach Auffassung der Kammer keine Mängel auf, die im Rahmen der Inzidentkontrolle zur Feststellung seiner Unwirksamkeit führen könnten.
aa) Dem Bebauungsplan Nr. … fehlt es nicht an der erforderlichen Planrechtfertigung (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB).
Allein der Umstand, dass – worauf die Klägerseite hinweist – der Bebauungsplan Nr. … nur einen flächenmäßig geringen Umgriff hat und sich im Wesentlichen auf ein bereits bebautes sowie ein weiteres, unbebautes Grundstück im Innenbereich beschränkt, steht der Erforderlichkeit der Planung nicht entgegen. Mit einem Bebauungsplan kann auch eine bereits vorhandene Bebauung in einem Gebiet nach § 34 BauGB überplant werden. Auch die Beschränkung der Planung auf nur ein Grundstück kann zulässig sein (Battis in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 1 Rn. 26a; s. hierzu auch BayVGH, U.v. 7.3.2018 – 1 N 15.625 – juris Rn. 12). Zwar widerspricht eine reine „Negativplanung“ oder „Verhinderungsplanung“ den Anforderungen des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Bauplanerische Festsetzungen sind deshalb insbesondere dann unzulässig, wenn sich die Planung darin erschöpft bzw. das Konzept einer künftigen Planung sich darauf beschränkt, einzelne Vorhaben auszuschließen. Die planende Gemeinde darf jedoch mit Mitteln des Bauplanungsrechts grundsätzlich auch städtebauliche Ziele verfolgen, die mehr auf Bewahrung als auf Veränderung der vorhandenen Situation zielen (BVerwG, B.v. 18.12.1990 – 4 NB 8.90 – BayVBl 1991, 280; BayVGH, U.v. 19.12.2019 – 1 N 17.1236 – juris Rn. 21). Dabei darf eine Gemeinde im Rahmen des § 1 Abs. 3 BauGB auch auf Bauanträge mit der Aufstellung eines Bebauungsplans reagieren, der diesen die materielle Rechtsgrundlage entzieht, ohne dass allein deshalb bereits eine Negativplanung vorliegt (s. hierzu BayVGH, B.v. 12.4.2021 – 9 ZB 19.1612 – juris Rn. 9).
Dies vorausgesetzt, fehlt es der Beigeladenen vorliegend nicht an einem hinreichenden städtebaulichen Konzept für den Bebauungsplan Nr. … und an der Planrechtfertigung. In der Begründung des Bebauungsplans (Teil C) wird unter Nr. 3. „Anlass für die Planung“ ausgeführt, dass die Beigeladene die Aufstellung eines Bebauungsplans für erforderlich hielt, obwohl das Plangebiet als Innenbereich nach § 34 BauGB einzustufen sei. Dennoch sei zur Neuordnung und Klarstellung der Grundstückssituation im Bereich der öffentlichen Verkehrsflächen der, einschließlich Gehweg und planungsrechtlicher Sicherung von Flächen für den öffentlichen Personennahverkehr (Bushaltestelle) die Aufstellung eines Bebauungsplans erforderlich. Auch gehe es um die städtebauliche Ordnung von Gebäudestrukturen und Freiflächen im Bereich ehemals gewerblich genutzter Baustrukturen bzw. ehemaliger Stellplatzflächen im Hinblick auf eine mit der Umgebung verträgliche Umnutzung dieser zu Wohnzwecken. Mit der Aufstellung des Bebauungsplans wolle die Gemeinde konkrete Festlegungen zur Umsetzung der geplanten Nutzung und Ausprägung der geplanten baulichen Strukturen treffen, um eine geordnete städtebauliche Entwicklung des überplanten Areals zu erreichen. Mit dieser Begründung greift die Gemeinde aus Anlass des Verkaufs des ehemaligen Sparkassengebäudes und des unbebauten Grundstücks Fl.Nr. … an die Klägerin die Problempunkte auf, die sich angesichts teils unklarer Grundstücksverhältnisse und der ungeklärten rechtlichen Situation der Bushaltestelle auch in städtebaulicher Hinsicht ergeben hatten. Der Leiter der Bauverwaltung der Beigeladenen hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass im überplanten Bereich teilweise unklare Grundstückssituationen geherrscht hätten. So sei nicht klar gewesen, in welchem Umfang für die Bushaltestelle auch privater Grund in Anspruch genommen werde. Dies habe auch für die entlang des Sparkassengebäudes angeordneten Stellplätze gegolten. Man habe deshalb die Planung zum Anlass nehmen wollen, diese Unklarheiten zu beseitigen. Mit dem Bebauungsplan Nr. … werden die erforderlichen Stellplätze, welche zum Teil bisher auf der noch unbebauten Fl.Nr. … nachgewiesen worden waren, sowie die entlang des Sparkassengebäudes gelegenen Stellplätze neu geordnet und in einer den heutigen Anforderungen genügenden Weise festgesetzt. Dies liegt im öffentlichen Interesse und kann deshalb als positives Planungsziel angesehen werden. Darüber hinaus ergibt sich aus den von den Beteiligten vorgelegten Unterlagen, dass die am Baugrundstück gelegene Bushaltestelle, die ebenfalls zum Teil auf privatem Grund der Klägerin liegt, bisher rechtlich nicht eindeutig gesichert ist. Die Bushaltstelle war Gegenstand vertraglicher Vereinbarungen zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin und der Beigeladenen im Jahr 1971. Seitdem steht sie der Allgemeinheit zur Verkehrszwecken zur Verfügung, ohne dass beispielsweise eine dingliche Sicherung oder eine Widmung erfolgt wäre. Es spricht einiges dafür, dass es sich vor diesem Hintergrund um eine tatsächliche öffentliche Verkehrsfläche handelt. Die Klägerin hat jedoch beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg nach Bekanntmachung des Bebauungsplans Nr. … Klage auf Feststellung erhoben, dass sie berechtigt sei, das Grundstück einzuzäunen (Az. Au 3 K 19.1375). Dies zeigt, dass der tatsächliche und rechtliche Bestand der langjährig an dieser Stelle vorhandenen Bushaltestelle nicht gesichert ist. Nach § 125 Abs. 1 BauGB setzt die Herstellung von Erschließungsanlagen i.S. des § 127 Abs. 2 BauGB einen Bebauungsplan voraus. Hierzu zählen nach § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB i.V.m. Art. 2 Nr. 1 Buchst. b BayBO auch die Omnibushaltebuchten. Mit der Festsetzung der Omnibushaltestelle formuliert die Beigeladene demnach ein positives Planungsziel, das Gegenstand eines Bebauungsplans sein kann. Der Umstand, dass der Beigeladenen der erforderliche Straßengrund noch nicht in vollem Umfang zur Verfügung steht, steht dem nicht entgegen. Die Beigeladene hat insoweit ein Enteignungsverfahren eingeleitet, welches noch nicht abgeschlossen ist. Der Vortrag des Klägerbevollmächtigten, dass die Omnibushaltestelle auch an anderer Stelle hätte verwirklicht werden können und dass die Beigeladene sich nicht ausreichend um Alternativen bemüht habe, steht der Planrechtfertigung nicht entgegen, sondern ist allenfalls im Rahmen der nach § 1 Abs. 7 BauGB vorzunehmenden Abwägung zu berücksichtigen. Auch das unter Nr. 3. der Begründung zum Bebauungsplan formulierte Ziel der städtebaulichen Ordnung von Gebäudestrukturen und Freiflächen im Hinblick auf eine mit der Umgebung verträgliche Umnutzung dieser zu Wohnzwecken rechtfertigt die Planung aus städtebaulichen Gründen. Auch wenn das Plangebiet im Innenbereich nach § 34 BauGB gelegen ist, teilweise bereits bebaut ist und durchgehend von Bebauung umgeben ist, hat nicht zuletzt auch der durchgeführte Augenscheinstermin gezeigt, dass sich dieser Bereich und die Umgebung, bezogen auf das Maß der baulichen Nutzung, in einer Entwicklung befinden. In unmittelbarer Nachbarschaft des Plangebiets im Süden, Westen und Osten ist ausschließlich eine zweigeschossige Bebauung mit Satteldach, teils in Reihenhausform, vorzufinden. Unmittelbar nördlich schließt sich ein Wohngebiet mit eingeschossigen Häusern mit Satteldach an. Das Maß der baulichen Nutzung ist hier nochmals reduziert gegenüber der Bebauung entlang der … Demgegenüber tritt mit dem Gebäude … Hs.Nr. … bereits ein sehr dominanter Baukörper in Erscheinung, der zwei Vollgeschosse, aber auch ein bereits massiv mit Zwerchgiebeln ausgebautes Dachgeschoss aufweist, der möglicherweise Bezugspunkt in Richtung einer dreigeschossigen Bebauung sein könnte. Auf dem Grundstück Hs.Nr. … entsteht derzeit ein dreigeschossiges Wohngebäude, welches allerdings in der Höhenentwicklung wegen des Flachdachs hinter dem streitgegenständlichen Bauvorhaben zurückbleibt. Es ist zwischen den Beteiligten umstritten, ob die genannten Gebäude der näheren Umgebung zuzurechnen sind und als Referenzobjekte für das Bauvorhaben der Klägerin herangezogen werden können. Sollte dies der Fall sein, nähme das Plangebiet hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung eine Entwicklung, die in Gebäudehöhe und Geschossigkeit so jedenfalls im Bereich des Baugrundstücks und dessen nächster Umgebung derzeit noch nicht angelegt ist. Vor diesem Hintergrund ist der Bebauungsplan geeignet, im Hinblick auf das Maß der baulichen Nutzung die vorhandene Situation zu bewahren. Auch dies kann als positives Planungsziel angesehen werden.
bb) Die von der Klägerin angeführten Abwägungsmängel führen ebenfalls nicht zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans Nr. …
Im Rahmen der Inzidentkontrolle sind Fehler des Abwägungsvorgangs nicht ausreichend, um von einer Unwirksamkeit des betroffenen Bebauungsplans ausgehen zu können; vielmehr bedarf es eines Mangels des Abwägungsergebnisses (BayVGH, B.v. 12.4.2021 – 9 ZB 19.1612 – juris Rn. 14). Ein derartiger Mangel ist nach Auffassung der Kammer jedoch nicht ersichtlich, weil nicht davon auszugehen ist, dass eine fehlerfreie Nachholung der erforderlichen Abwägungsentscheidung nicht auch zum selben Ergebnis führen könnte und die Planung den Ausgleich zwischen öffentlichen und privaten Belangen damit im Ergebnis in einer Weise vornimmt, die die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit nicht überschreitet und zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange nicht außer Verhältnis steht.
Die von der Klägerin insoweit gerügte Verringerung der Baumasse im Vergleich zu der Baumasse, die nach ihrer Auffassung im Rahmen des § 34 BauGB verwirklicht werden könnte, führt nicht zu einem fehlerhaften Abwägungsergebnis. Zum einen steht, wie bereits im Rahmen der Planrechtfertigung (Rn. 31) ausgeführt wurde, nicht fest, ob sich die von der Klägerin vorgelegte Planung, bezogen auf das Maß der baulichen Nutzung, tatsächlich in die nähere Umgebung einfügt. Ein Baurecht für diese Planung hat die Klägerin noch nicht erworben, allein eine positive Aussage von Seiten eines Mitarbeiters des Landratsamts genügt hierfür nicht. Damit greift der Bebauungsplan nicht in bestehendes Baurecht ein bzw. beschränkt oder entzieht ein solches nicht. Allein eine Verringerung der Baumasse durch den Bebauungsplan im Vergleich zu der nach Auffassung der Bauherrin maximal möglichen Baumasse führt noch nicht zu einem fehlerhaftem Abwägungsergebnis. Vielmehr ist es den Gemeinden gestattet, bei beschränkenden Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung und zu den überbaubaren Grundstücksflächen bestehendes, aber nicht ausgenutztes Baurecht zu reduzieren, sofern dadurch die Plankonzeption nicht konterkariert wird; sofern eine derartige Bauleitplanung alsdann eine bislang vorhandene Bebaubarkeit eines Grundstücks einschränkt, ist dies keine Frage der Erforderlichkeit der Planung, sondern vielmehr eine Frage der Einzelheiten einer konkreten planerischen Lösung (s. hierzu BayVGH, U.v. 7.3.2018 – 1 N 15.625 – juris Rn. 12). Dass hierbei das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB verletzt wurde, ist nach Auffassung der Kammer nicht ersichtlich. Aus der Abwägungsentscheidung der Beklagten in der Sitzung vom 3. Mai 2018 (Behandlung der Einwendungen, Nr. 12), auf die in den weiteren Abwägungsentscheidungen Bezug genommen wird, geht hervor, dass der Plangeber davon ausging, dass die baulichen Entwicklungsmöglichkeiten der beiden überplanten Grundstücke nicht unzumutbar eingeschränkt würden. Aus den Ausführungen zur Abwägungsentscheidung ergibt sich, dass durchaus ein Abgleich zwischen dem zulässigen Baurecht nach § 34 BauGB mit den getroffenen Festsetzungen erfolgt ist. Zum einen war es dem Plangeber wichtig, auf die umgebenden Gebäudestrukturen abzustellen und deshalb eine maximale Gebäudehöhe von 10 m und die Zulässigkeit von maximal zwei Vollgeschossen festzusetzen. Die damit zwangsläufig verbundene Beschränkung des bislang nicht ausgenutzten Baurechts wurde erkannt. Es wurde deshalb, wie sich aus der Abwägungsentscheidung ergibt, die überbaubare Grundstücksfläche nach Westen hin erweitert, um eine höhere Flexibilität gewährleisten zu können. Zudem wurden auch im Osten der überbaubaren Grundstücksflächen Flächen für Garagen und Stellplätze zeichnerisch festgelegt, um auch insoweit eine größere Flexibilität einzuräumen. Auch wurde in die Abwägung mit einbezogen, dass die Umsetzung einer Tiefgarage jedenfalls technisch noch möglich ist. Die Prüfung, ob eine Tiefgarage auch wirtschaftlich sinnvoll ist, obliegt dem jeweiligen Investor. Insoweit ergeben sich aus dem Bebauungsplan keine Verpflichtungen, sondern lediglich Rahmenvorgaben, innerhalb derer verschiedenste Planvarianten verwirklicht werden können. Dass diese das Baugrundstück insbesondere auch im Hinblick auf die im näheren Umfeld doch prägend vorhandene Gebäudestruktur in Form von ein- oder zweigeschossigen Häusern mit Satteldach und entsprechend reduzierten Gebäudehöhen in unzumutbarer Weise einschränken, ist jedenfalls nicht ersichtlich. Die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung sind demnach von der Planungshoheit der Beigeladenen umfasst.
Ein fehlerhaftes Abwägungsergebnis ergibt sich nach Auffassung der Kammer auch nicht aus dem Umstand, dass der Bebauungsplan das Baugrundstück Fl.Nr. … auf einer Fläche von ca. 40 m² mit einer öffentlichen Bushaltestelle überplant. Zwar sind beim Entzug eines nicht ausgeübten Baurechts im Hinblick auf die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG Art, Ausmaß und Gewicht der potentiellen Beeinträchtigung des Grundeigentums bei der Abwägung zu berücksichtigen (BayVGH, U.v. 7.3.2018 a.a.O. Rn. 13). Dass gegen dieses Erfordernis in einer auf die Rechtmäßigkeit des Abwägungsergebnisses durchschlagenden Weise verstoßen worden wäre, ist nicht ersichtlich. Dem Plangeber war bei der Entscheidung über den Bebauungsplan bewusst, dass mit den getroffenen Festsetzungen zur öffentlichen Bushaltestelle in einem geringen Umfang auch Privateigentum der Klägerin in Anspruch genommen werden muss. Der rechtlich ungesicherte Bestand der Bushaltestelle und die Erkenntnis, dass die Grundstückssituation in diesem Bereich nicht ausreichend geklärt ist, waren schließlich mit ausschlaggebend für die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. … Bereits in einer Sitzung des Gemeinderats vom 1. Juni 2017 waren die Planungen der Klägerin und deren Auswirkungen auf die Omnibushaltebucht Gegenstand der Diskussion. In der Folge kam es zu weiteren Gesprächen, ohne dass hinsichtlich der Bushaltestelle und der Übertragung der hierfür erforderlichen Flächen an die Beigeladene Einvernehmen erzielt werden konnte. In der Abwägungsentscheidung wird ausgeführt, dass die Bushaltestelle an der südlichen Grenze des Grundstücks Fl.Nr. … erhalten werden soll und barrierefrei ausgebaut werden soll. Dabei sollen im Zuge der aktuellen Bebauungsplanung die im Bestand bislang teilweise noch ungeklärten Grundstücksverhältnisse bereinigt und klargestellt werden (Sitzungsprotokoll vom 03.05.2018 Behandlung der Einwendungen, Nr. 12). Bereits daraus wird ersichtlich, dass dem Gemeinderat bei seiner Abwägungsentscheidung bewusst war, dass die öffentliche Bushaltestelle jedenfalls auch auf privatem Grund liegt und damit in Eigentum eingegriffen wird. Dennoch wurde an der Planung festgehalten. Dass damit den Belangen des öffentlichen Personennahverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung (§ 1 Abs. 6 Nr. 9 BauGB) ein höheres Gewicht eingeräumt wurde als dem Eigentumsrecht der Klägerin, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die nunmehr im Bebauungsplan festgesetzte öffentliche Bushaltestelle existiert an dieser Stelle seit 50 Jahren. Sie ist fester Bestandteil des Bushaltestellennetzes des Betreibers des öffentlichen Nahverkehrs und stellt ein Bindeglied in der Anbindung des östlichen Ortsteils der Beigeladenen an die Hauptdurchgangsstraße dar. Der gesicherte Erhalt und der an die Anforderungen der heutigen Zeit angepasste barrierefreie Ausbau einer derartigen Haltestelle entsprechen dem großen öffentlichen Interesse an Ausbau und Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs. Alternativlösungen, die ohne Inanspruchnahme privaten Grundes als Ersatz für die Bushaltestelle in Frage kämen, konnten im Laufe der Gespräche zwischen der Beigeladenen und Klägerin nicht gefunden werden. Sie drängen sich auch nicht auf, nachdem die nähere Umgebung der bestehenden Bushaltestelle bis auf das Baugrundstück selbst bereits bebaut ist. Eine weitere Verlagerung würde jedoch in das bestehende Haltestellennetz in einer Weise eingreifen, die ohne Mitwirkung des Betreibers des öffentlichen Personennahverkehrs nicht möglich wäre. Weiter ist zu berücksichtigen, dass angesichts des jahrzehntelangen Bestehens der Bushaltestelle eine Akzeptanz des Standortes bei den Nutzern eingetreten ist. Offen bleiben kann, ob die Verletzung der Klägerin in ihren Belangen durch die Festsetzung der Bushaltestelle auch deshalb geringer zu bewerten ist, weil viel dafür spricht, dass es sich dabei jedenfalls zum Zeitpunkt der Bekanntmachung des Bebauungsplans am 7. Juni 2019 noch um eine tatsächlich öffentliche Verkehrsfläche gehandelt hat, die durch die Rechtsvorgängerin der Klägerin für den Verkehr freigegeben worden war. In diesem Fall wäre die Klägerin in der Nutzung ihres Eigentums stark eingeschränkt, weil sie erst mit der Durchsetzung eines Folgenbeseitigungsanspruchs wieder die volle Verfügungsbefugnis über die betroffenen Flächen erlangen würde. Einen derartigen Anspruch hat die Klägerin vorliegend erst nach Bekanntmachung des Bebauungsplans mit Erhebung einer Feststellungsklage am 3. September 2019 mit dem Ziel der Feststellung, dass sie berechtigt sei, das Grundstück einzuzäunen, geltend gemacht (Az. Au 3 K 19.1375). Unabhängig davon ist bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Abwägungsergebnisses auch zu berücksichtigen, dass mit der Festsetzung der Bushaltestelle nur ein kleiner Anteil des klägerischen Grundstücks von ca. 40 m² in Anspruch genommen wird. Im Hinblick auf die Gesamtgrundstücksfläche der Fl.Nr. … von … m² handelt es sich dabei um einen Anteil von ca. 5%. Von einer überproportionalen oder unverhältnismäßigen Inanspruchnahme kann dabei nicht die Rede sein. Hinzu kommt, dass die Klägerin nicht entschädigungslos bleiben wird. Für den Fall, dass eine einvernehmliche Regelung nicht getroffen werden kann, wird ein angemessener Ausgleich in dem bereits eingeleiteten Enteignungsverfahren zu finden sein. Eine Entwertung oder unverhältnismäßige Einschränkung der Bebaubarkeit des Grundstücks Fl.Nr. … kann jedenfalls angesichts der geringen in Anspruch genommenen Fläche und des Umstands, dass der Bereich der südlichen Grundstücksgrenze bereits seit 50 Jahren mit einer öffentlichen Verkehrsfläche belastet ist, nicht angenommen werden. Selbst wenn demnach der Abwägungsvorgang Mängel aufweisen würde, ist davon auszugehen, dass eine fehlerfreie Nachholung der erforderlichen Abwägungsentscheidung zum selben Ergebnis führen könnte, weil damit die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit auch bei Berücksichtigung der privaten Belange der Klägerin, insbesondere ihres Eigentumsrechts, nicht überschritten würden.
Sonstige Mängel, die im Rahmen der Inzidentkontrolle zu prüfen wären, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Damit erweist sich der Bebauungsplan Nr. … „…“ als wirksam.
b) Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB von den Festsetzungen des Bebauungsplans liegen nicht vor.
Sowohl die Festsetzung der Zahl der Vollgeschosse als auch die festgesetzte maximale Gebäudehöhe gehören vorliegend zu den Grundzügen der Planung. In der Begründung zum Bebauungsplan (Teil C Nr. 4.2) wird ausgeführt, dass Ziel der Festsetzungen eine weitestgehend einheitliche Höhenentwicklung und Kubatur der neu entstehenden Gebäude ist. Damit solle sichergestellt werden, dass die geplante Bebauung sich bestmöglich in die bestehende Struktur einpasse. Damit bringt der Plangeber klar zum Ausdruck, dass die Festsetzung von Gebäudehöhen und die Festsetzung der Zahl der Vollgeschosse bewusst als städtebauliches Instrument eingesetzt wurden und einen Grundzug der Planung darstellen. Gegen diese Festsetzungen verstößt das Vorhaben der Klägerin, so dass es an den tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB fehlt.
Nachdem der wirksame Bebauungsplan dem Bauvorhaben der Klägerin entgegensteht, kommt es auf die Frage, ob das Vorhaben sich nach § 34 Abs. 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, nicht mehr an. Die Klage war demnach abzuweisen.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig, weil sie einen Antrag gestellt und sich damit am Kostenrisiko beteiligt hat (§ 162 Abs. 3 VwGO).
3. Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).


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