Baurecht

Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung für Werbeanlagen, Örtliche Bauvorschrift über das Verbot von Werbeanlagen aus ortsgestalterischen Gründen, Denkmalschutzrechtlicher Ensembleschutz, Ermessensausübung bei der Erteilung einer ausnahmsweisen Genehmigung

Aktenzeichen  AN 9 K 21.01337

Datum:
18.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41285
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Art. 81 Abs. 1 Nr. 2 BayBO
Art: 6 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 BayDSchG
VwGO § 114

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.  

Gründe

Die Klage erweist sich zum Teil als unzulässig und im Übrigen als unbegründet.
Die Versagung der beantragten Baugenehmigung mit Bescheid vom 24. Juni 2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
1. Hinsichtlich der beantragten Baugenehmigung für die in der untersten Fensterreihe des wintergartenähnlichen Vorbaus zur Anbringung vorgesehenen, in den Bauunterlagen grau erscheinenden Glasdekorfolie fehlt es der Klägerin am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.
Bei der Glasdekorfolie handelt es sich nicht um eine genehmigungspflichtige Werbeanlage. Der Begriff der Werbeanlage findet sich in Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayBO. Der Begriff ist nicht legal definiert. Ihn kennzeichnet insbesondere, dass die jeweilige Anlage als Wirtschaftswerbung dient. Sie muss folglich „der gewerblichen oder beruflichen Ankündigung oder Anpreisung oder als Hinweis auf Gewerbe oder Beruf dienen“ (vgl. Art. 12 Abs. 1 Satz 1 BayBO 1994).(zum Ganzen: Busse/Kraus/Dirnberger, 143. EL Juli 2021, BayBO Art. 2 Rn. 59, 74).
Dies ist bei der als Teil der Werbeanlage B aufgeführten grau erscheinenden Dekorfolie nicht der Fall. Diese mag Sichtschutz-, aber ersichtlich nicht Werbezwecken zu dienen bestimmt sein.
Eine Baugenehmigung für ein (baurechtlich) genehmigungsfreies Vorhaben kommt mangels Bescheidungsinteresse nicht in Betracht (BeckOK BauordnungsR Bayern/Weinmann, 20. Ed. 1.11.2021, BayBO Art. 57 Rn. 24). Im Übrigen sieht die Bayerische Bauordnung ein Negativ-Attest über die fehlende Genehmigungspflicht eines Vorhabens nicht vor (VGH München, U.v. 2.9.1986 – 26 B 83 A. 2240 -, juris). Insofern ist nicht entscheidend, ob man das sich im explizit gestellten Bauantrag manifestierende Begehr der Klägerin mit Blick auf die Dekorfolie als Teil der von ihr Werbeanlage B genannten Vorhaben als Wunsch auf Erteilung eines Negativ-Attestes auslegen könnte; ebenso irrelevant ist, ob ein solches Attest eine einer Genehmigung ähnelnde faktischen formelle Legalisierungswirkung haben kann.
Darauf hinzuweisen ist allerdings, dass die Verneinung der baurechtlichen Genehmigungspflicht keinerlei Aussage über die denkmalschutzrechtliche Erlaubnispflicht- und -fähigkeit beinhaltet.
Im Übrigen ist anzumerken, dass die im Genehmigungsverfahren vorgelegte Fotomontage im Bereich oberhalb bzw. hinter der Glasdekorfolie rot gehaltene Hinweise auf Rabattaktionen erkennen lässt. Sollte dies als Teil der Werbeanlage B gedacht sein, wäre die Klage wohl auch insoweit unbegründet.
2. Wie die Beteiligten übereinstimmend annehmen, handelt es sich bei der Werbeanlage A sowie den als Teil der sog. Werbeanlage B geplanten in grüner und gelber Farbe ausgeführten Beklebungen um eine nach Art. 2 Abs. 1 Satz 2, 55 BayBO genehmigungspflichtige Neuerrichtung.
Ein Fall der Verfahrensfreiheit nach Art. 57 Abs. 12 Nr. 12 BayBO ist nicht gegeben.
Die Genehmigungspflicht besteht explizit auch für die Werbeanlage A. Die Planung des Austausches des Leuchtkastens „…“ gegen einen neuen Kasten „…“ ist nicht lediglich eine Instandsetzung oder ein das äußere Erscheinungsbild nicht berührender Ersatz einer bestandsgeschützten Anlage.
Zwar möchte die Klägerin wohl die technische Ausstattung des bisherigen hinterleuchteten Kastens erhalten und nur den Kasten gegen einen mit einem anderen Aufdruck ersetzen. Im Fall eines Leuchtkastens erscheint nach außen aber eben dieser Kasten als „Hülle“ der Werbeanlage als die Anlage. Die WaS verfolgt nach ihrer Rechtsgrundlage originär ortsgestalterische Zwecke (Art. 81 Abs. 1 Nr. 2 BayBO). Für die Beurteilung des Vorliegens einer neuen Anlage kann es somit nur auf den optischen Eindruck beim Betrachter ankommen. Die Wahrnehmung als neue Anlage beeinflusst aber nicht, wenn die Anlage gleichermaßen im Innern auf Technik einer gegebenenfalls sogar genehmigten Alt-Anlage zurückgreift.
3. Die Bauordnungsbehörde muss die Genehmigung nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 HS. 1 BayBO erteilen, wenn das Vorhaben keinen öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind.
Zur Anwendung kommt hier das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO, da es sich bei den Werbeanlagen jeweils nicht um einen Sonderbau i.S.d. Art. 2 Abs. 4 BayBO handelt. Zu prüfen sind daher die Vorschriften über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit (§§ 29 ff. BauGB) und die Regelungen örtlicher Bauvorschriften i.S.d. Art. 81 Abs. 1 BayBO.
Angesichts des Baugenehmigungserfordernisses entfällt hier die denkmalschutzrechtliche Erlaubnis (Art. 6 Abs. 3 Satz 1 BayDSchG). Jedoch wird die denkmalschutzrechtliche Prüfung Bestandteil des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens. Soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt, ersetzt oder eingeschlossen wird, sind im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens auch diese öffentlich-rechtlichen Anforderungen zu prüfen (Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO).
Zu diesen Anforderungen gehört vorliegend auch das Denkmalschutzrecht: Dieses ist zu prüfen, wenn in der Nähe von Baudenkmälern Anlagen errichtet, verändert oder beseitigt werden sollen, sofern sich dies auf den Bestand oder das Erscheinungsbild eines Baudenkmals auswirken kann, Art. 6 Abs. 1 Satz 2 DSchG. Dies trifft hier zu, da die geplanten Werbeanlagen in unmittelbarer Nähe zum Einzelbaudenkmal … errichtet werden sollen und sich darüber hinaus in der … Altstadt als Ensemble i.S.v. Art. 1 Abs. 3 BayDSchG befinden.
4. Die Werbeanlagen A und B sind nicht genehmigungsfähig, da sie prüfpflichtigen Vorschriften widersprechen (Art. 2 Abs. 1 Satz 2, Art. 59 Satz 1 Nr. 1 lit. c BayBO).
a) Das zur Genehmigung gestellte Leuchtband (Werbeanlage A) ist ein hinterleuchteter Kasten im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 1 lit. e WaS. Seine Fläche soll 550 cm x 80 cm, mithin 4,4 m2 betragen. Wie die Beteiligten erkennen, liegt dies über dem zulässigen Wert aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 lit. e WaS.
b) Die grünen und gelben Beklebungen im 1. Obergeschoss oberhalb des bisherigen Ladens „…“ als Teil der in den Planunterlagen genannten Werbeanlage B sind Fenster- und Schaufensterbeklebungen i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 1 lit. c WaS. Die Fenster haben jeweils das Maß 101,8 cm x 130,2 cm = 1,33 m2. Die Beklebung wiese jeweils die Maße 90 cm x 85 cm = 0,77 m2 auf. Mithin betrüge der Anteil der Beklebungen an der Fensterfläche 57,89%. Dies übersteigt den maximal zulässigen Beklebungsanteil von 50% nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 lit. c WaS.
c) Die zur Anbringung auf dem kleinen Schaufenster rechts des Eingangs beantragte grüne Beklebung mit gelber Schrift als Teil der Werbeanlage B soll die Maße 74,6 x 186,6 cm aufweisen. Dies entspricht der gesamten Fensterfläche. Folglich ist der maximal zulässige Beklebungsanteil von 50% nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 lit. c WaS überschritten.
d) Zuletzt hat die Beklagte die Werbeanlage A und die Teile der Werbeanlage B, die genehmigungspflichtige Werbeanlagen darstellen, in nicht zu beanstandender Weise aus Gründen des Denkmalschutzes abgelehnt.
Die Baugenehmigungsbehörde kann den Antrag auf Errichtung einer Anlage ablehnen, soweit das Vorhaben zu einer Beeinträchtigung des Wesens, des überlieferten Erscheinungsbilds oder der künstlerischen Wirkung eines Baudenkmals führen würde und gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechen, Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayDSchG.
Das Erscheinungsbild eines Ensembles wird dabei durch das erhaltungswürdige Orts-, Platz- oder Straßenbild geprägt (Art. 1 Abs. 3 BayDSchG), das nicht nur aus einzelnen Teilen baulicher Anlagen besteht, sondern aus einem Gesamteindruck (vgl. BayVGH, B.v. 12.12.2012 – 15 ZB 11.736 – juris Rn. 4; B.v. 29.2.2016 a.a.O. Rn. 10; B.v. 8.1.2021 a.a.O. Rn. 9; BayVGH, U.v. 26.10.2021 – 15 B 19.2130 -, Rn. 26, juris).
Entscheidend ist die unverstellte Wahrnehmung durch einen Betrachter – die Wirkung des Ensembles durch seine optische Präsenz. Die Ausstrahlungswirkung eines Denkmals kann ganz wesentlich von der Gestaltung seiner Umgebung abhängen, so dass die Ziele des Denkmalschutzes im Einzelfall häufig nur erreicht werden können, wenn auch die Umgebung eines denkmalgeschützten Gebäudes entsprechend beschränkt wird (so VG München, U.v. 24.3.2010 – M 9 K 09.3305). Von einer Beeinträchtigung dieses Erscheinungsbildes ist demnach nicht erst ausgehen, wenn ein verunstaltender Zustand hervorgerufen wird. Primär möchte das Denkmalschutzrecht gewährleisten, dass die jeweilige besondere Wirkung eines Baudenkmals, die es als Kunstwerk, als Zeugnis der Zeitgeschichte oder als bestimmtes städtebauliches Element auf den Betrachter ausübt, in seiner Wirkung nicht geschmälert wird. Neue Bauten müssen sich zwar weder völlig an vorhandene Baudenkmäler anpassen, noch unterbleiben, wenn eine Anpassung nicht möglich ist. Sie müssen sich aber am vom Denkmal gesetzten Maßstab messen lassen; sie dürfen es nicht gleichsam erdrücken, verdrängen, übertönen oder die gebotene Achtung gegenüber den im Denkmal verkörperten Werten vermissen lassen (vgl. BayVGH, U.v. 18.7.2013 – 22 B 12.1741; U.v. 24.1.2013 – 2 BV 11.1631).
Für die Bewertung der Schutzwürdigkeit eines Baudenkmals und seines Erscheinungsbildes, ist auf den Wissens- und Erkenntnisstand sachverständiger Betrachter abzustellen, da nur sie über die nötigen Kenntnisse und Informationen verfügen, um in objektivierbarer Weise Gründe für ein den persönlichen Bereich überschreitendes Interesse an der Erhaltung eines Bauwerks herauszuarbeiten (vgl. BayVGH, B.v. 13.5.2015 – 1 ZB 13.1334; U.v. 21.2.1985 – 26 B 80 A.720; B.v. 11.1.2018 – 1 ZB 16.1358 -, juris).
Auf Grundlage der Erkenntnisse des gerichtlichen Augenscheins ist die Kammer der Auffassung, dass die Zulassung der hier zu beurteilenden Werbeanlagen zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes der Baudenkmäler … sowie des Ensembles Altstadt führen würde.
Das Anwesen liegt zentral auf dem …, der einen westlichen Zugangsbereich zum Altstadtensemble bildet. Es ist insofern prominent platziert. Dabei kreuzt in der unmittelbaren Nähe östlich zu den Vorhaben die … straße, die ebenfalls Teil des Altstadt-Ensembles ist und im Kreuzungsbereich mit einer Vielzahl historischer, städtebaulich wertvoller Gebäude aufwartet – unter anderem das sich vom … aus betrachtet östlich auf der anderen Straßenseite liegende Hotel …, das ein Einzeldenkmal bildet (* … straße … in …, Aktennummer: …*). Das pittoreske Arrangement ergänzt das metallene, farblich auf den Platz abgestimmte Vertriebenendenkmal.
Noch deutlicher ist die Blickbeziehung der Vorhaben zur nördlich des … unmittelbar angrenzenden … als langgestreckter dreigeschossiger Sandsteinbau mit fünfgeschossigem Steildach, erbaut 1498-1502 und wiederaufgebaut 1951-53.
Gegenüber dieser historisch gewachsenen städtebaulichen Struktur erwecken der beantragte Leuchtkasten, die massiven farbigen Beklebungen im 1. Obergeschoss sowie die zusätzlichen Beklebungen an den großen und kleinen Schaufenstern im Erdgeschoss den Eindruck von Fremdkörpern: Dem ungeachtet, dass das verfahrensgegenständliche Anwesen weit jünger ist, als die … und insofern eine gewisse Dissonanz zur … verursacht, ist es unter anderem farblich so gestaltet, dass es sich dem Denkmal unterordnet und auch in seiner Farbgebung nicht den Bereich verlässt, der jede Harmonie ausschließt. In dieser Szenerie würden die großflächigen Beklebungen im Erdgeschoss, ersten Obergeschoss sowie der Leuchtkasten störende Elemente hineintragen.
In das weitläufige, historische und ersichtlich erhaltenswerte städtebauliche Arrangement …, … straße und … drängen großflächige Leuchtkästen und Beklebungen in einer Weise ein, die den Eindruck des Ensembles sowie des Einzeldenkmals … ersichtlich beeinflusst. Die baulichen Anlagen in unmittelbarer Nähe des … sowie der … sind in ihrer Gestaltung dem Baudenkmal und dem Ensemble gewissermaßen untergeordnet Selbst wirtschaftlichen Interessen dienende Werbeanlagen, etwa an der … selbst sind in einer Weise gestaltet, die die Aufmerksamkeit eines verständigen Beobachters nicht derart bindet, dass der Eindruck von der historischen Bedeutung der Erhaltungswürdigkeit i.S.v. Art. 1 BayDSchG entfiele. Das Gegenteil ergäbe sich jedoch bei einer Zulassung der Werbeanlagen A und B.
Allein vorstehende Ausführungen bilden einen hinreichend gewichtigen denkmalschutzrechtlichen Anlass, den bisherigen Zustand beizubehalten und die beantragten Werbeanlagen abzulehnen.
5. Die im Rahmen der Ablehnungsentscheidung von der Beklagten getroffene Ermessensentscheidung ist, soweit sie einer Überprüfung durch das Gericht unterliegt (§ 114 Satz 1 VwGO), nicht zu beanstanden. Insbesondere kann die Klägerin keinen vom grundsätzlichen Verbot der Errichtung der Werbeanlagen im Einzelfall abweichenden Genehmigungsanspruch für sich herleiten.
a) Von den abschließend aufgezählten Ausnahmetatbeständen des § 4 WaS ist keiner einschlägig. Gründe für eine Abweichung aus sonstigen Gründen im Sinne des § 5 WaS i.V.m. Art. 63 BayBO sind ebenfalls nicht ersichtlich.
Nach § 4 Nr. 1 WaS kann die Beklagte Werbeanlagen am Ort der Leistung an Gebäuden abweichend von § 2 WaS zulassen, wobei sich die Werbeanlage an die Gestaltung des Gebäudes und des baulichen Umfeldes anpassen muss. Nach den Vollzugsanweisungen der Beklagten hat diese in der – nach allgemeinen Grundsätzen – eng auszulegenden Ausnahmevorschrift Konstellationen architektonischer Gesamtkonzepte von Werbeanlagen an Fassaden im Blick. Darüber hinaus kommt eine ausnahmsweise Zulassung in Betracht für Firmenembleme und Warenzeichen in Abhängigkeit der Gliederung der Fassade. Insoweit geht es der Beklagten um die Zulassung von Logos, Bildzeichen oder Schriften, sofern sie nicht mit den architektonisch vorgegebenen Merkmalen der Fassade gestalterisch kollidieren. Unabhängig davon können nach Art. 5 WaS i.V.m. Art. 63 BayBO Abweichungen von der WaS zugelassen werden.
Entsprechend der den oben unter Ziff. 3 lit. c zu findenden Ausführungen kommt ein Ausnahmetatbestand aus § 4 WaS hier nicht in Betracht: Die beantragten Anlagen fügen sich wie dargestellt nicht ein. Es handelt sich um eine Konstellation, die zu vermeiden der Sinn und Zweck der Werbeanlagensatzung ist. Es sind keine beachtlichen Hinweise dafür ersichtlich, dass es bei der verfahrensgegenständlichen Konstellation um eine Atypik handelt, die eine Ausnahme oder Abweichung rechtfertigen könnten. Die Beklagte würde die ortsgestalterischen Ziele ihrer WaS vielmehr konterkarieren, falls die die Anlagen zuließe. Dasselbe gilt für die Abweichung nach § 5 WaS. Eine solche kommt überhaupt nur in Betracht, wenn die Abweichung unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Letzteres ist hier nicht der Fall: Die Klägerin hat keine über ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen hinausgehenden Aspekte vorgetragen, die die Ziele der WaS sowie die anerkannten Belange des Denkmalschutzes auf- oder gar überwiegen könnten. Im Übrigen ist die Erwägung wenig tragfähig, wonach sich bei Zulassung einer Ausnahme sogar eine Verbesserung ergebe, da künftige der Leuchtkasten am ehemaligen Laden … entfiele. Denn insoweit ist festzustellen, dass dieser Leuchtkasten spätestens im Fall einer Folgenutzung des aktuell leerstehenden Ladens entfernt werden wird; ein neuer Nutzer hätte sich seinerseits an die WaS zu halten.
b) Schließlich besteht kein Grund, der das Ermessen der Beklagten hinsichtlich der Zulassung einer Ausnahme im Wege der Ausnahme (§ 4 WaS) oder der Abweichung (§ 5 WaS) auf null reduzieren könnte.
Insbesondere ergibt sich ein solcher nicht aus einer der hiesigen Genehmigungsverweigerung vermeintlich widersprechenden Genehmigungspraxis (Selbstbindung der Verwaltung, Art. 3 GG; zum Ganzen: Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, 9. Aufl. 2018, VwVfG § 40 Rn. 104 m.w.N.).
Die Klägerin konnte insoweit bereits nicht substantiiert Bezugsfälle benennen, aus denen sich ergeben haben würde, dass die Beklagte in vergleichbaren Sachverhaltskonstellationen Bauwerbern mit einem dem der hiesigen Klägerin gleichen Begehr Baugenehmigungen für Werbeanlagen erteilt haben soll.
Insbesondere ist zu bemerken, dass das Werbebanner am … bereits keine Anlage der Wirtschaftswerbung darstellt. Darüber hinaus wurde der Leuchtkasten der „…“ ausweislich der in den Werbeakten der Beklagten zu findenden Bildern zu einem Zeitpunkt angebracht, in dem die WaS noch gar nicht in Kraft war. Nach Angaben der Beklagten wurde er genehmigt und genießt insofern Bestandsschutz. Die Klägerin ist dem nicht entgegengetreten. Nichts anderes gilt für die am Anwesen … angebrachte Werbeanlage der …
c) Angesichts nicht bestehender Ermessensfehler kommt ein Bescheidungsurteil entsprechend dem Hilfsantrag der Klägerin nicht in Betracht.
d) Schließlich ist erneut darauf hinzuweisen, dass es sich vorliegend mit Blick auf den Leuchtkasten (Werbeanlage A) um die Neuerrichtung einer Werbeanlage handelt. Aus der Tatsache, dass der aktuell noch angebrachte Leuchtkasten „…“ genehmigt worden ist, kann sie für den neu beantragten nichts für sich herleiten: Anders als die Klägerin vorträgt ist ein allein aus der Verfassung abgeleiteter, aktiver („überwirkender“) Bestandsschutz nicht anzuerkennen. Das ist in der Rechtsprechung schon seit langem geklärt (vgl. nur: BVerwG vom 12.3.1998 – 4 C 10.97 -, juris; BayVGH, B.v. 25.10.2012 – 15 ZB 12.2116 -, Rn. 8 -, juris; Busse/Kraus/Decker, 143. EL Juli 2021, BayBO Art. 76 Rn. 126). Folglich kann dahinstehen, ob es sich beim faktischen Austausch der aktuellen durch die beantragte Werbeanlage A (dazu Ziff. 2) überhaupt um die Konstellation handelt, für die der Gedanke des aktiven Bestandsschutzes entwickelt worden war.
6. Dementsprechend war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Streitwert wurde gemäß § 52 Abs. 1 GKG festgesetzt. Ermessensleitend war, dass zum einen die Genehmigung für einen hinterleuchteten Kasten (§ 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Ziff. 9.1.2.3.1 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013), zum anderen die Genehmigung diverser Beklebungen beantragt worden war.


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