Baurecht

Versagung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Werbetafel

Aktenzeichen  W 4 K 18.828

Datum:
28.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 53497
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 5
GG Art. 14
BayBO Art. 59, Art. 81
BauGB § 34

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Bescheid der Stadt A. vom 15. Mai 2018 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die Baugenehmigung zur Anbringung der beantragten Plakatanschlagtafel zu erteilen. 
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu voll-streckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 

Gründe

Die zulässige Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, hat auch in der Sache Erfolg, weil die Klägerin einen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung für die beantragte Werbeanlage hat. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 15. Mai 2018 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Die Bauaufsichtsbehörde darf den Bauantrag auch ablehnen, wenn das Bauvorhaben gegen sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt.
Die Errichtung der geplanten Werbetafel ist ein gemäß Art. 55 Abs. 1 BayBO genehmigungsbedürftiges Vorhaben. Die Werbetafel ist als ortsfeste Anlage der Wirtschaftswerbung eine bauliche Anlage i.S.d. Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayBO. Es besteht auch keine Verfahrensfreiheit, insbesondere nicht nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 12 und Abs. 2 Nr. 6 BayBO. Da das Vorhaben keinen Sonderbau im Sinne von Art. 2 Abs. 4 BayBO darstellt, unterfällt es dem vereinfachten Genehmigungsverfahren. Im Zuge dessen prüft die Bauaufsichtsbehörde u.a. nach Art. 59 Abs. 1 Nr. 1 BayBO die Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB, den Vorschriften über Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO und den Regelungen örtlicher Bauvorschriften im Sinne von Art. 81 Abs. 1 BayBO.
1. Bauplanungsrechtliche Vorschriften stehen dem Vorhaben nicht entgegen.
Die bauplanungsrechtliche Beurteilung richtet sich nach § 34 Abs. 1 und 2 BauGB, da das Baugrundstück nach den in den Akten befindlichen Plänen und Lichtbildern und dem im gerichtlichen Augenscheintermin gewonnenen Eindruck innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile liegt. Darunter ist eine Bebauung von einigem Gewicht zu verstehen, die trotz etwaiger vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit erweckt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist (vgl. BVerwG, U.v. 3.12.1998 – 4 C 7.98 – juris).
Nach § 34 BauGB ist ein im unbeplanten Innenbereich gelegenes Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden (§ 34 Abs. 1 BauGB). Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der aufgrund des § 9a BauGB erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre (§ 34 Abs. 2 BauGB).
Die Eigenart der näheren Umgebung des Baugrundstücks entspricht vorliegend einem Mischgebiet (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO), da es, wie der gerichtliche Augenschein ergeben hat, durch ein Nebeneinander von Wohnnutzung und gewerblicher Nutzung gekennzeichnet ist. So befindet sich beispielsweise auf dem Vorhabensgrundstück selbst eine Textilpflege-Einrichtung sowie eine Fahrschule. Westlich schließt sich dann eine Musikschule an sowie ein Fachhandel für Bürobedarf in der H H2. Straße 19. Des Weiteren hat sich im Rahmen des Augenscheins ergeben, dass in unmittelbarer Nähe weitere Fremdwerbeanlagen im Euro-Format vorhanden sind. Die Kammer ist deshalb zu der Überzeugung gelangt, dass zwischen Wohnnutzung und den gewerblichen Nutzungen ein ausgewogenes Verhältnis besteht, weshalb von der in einem Mischgebiet typischerweise vorhandenen Gleichwertigkeit und Gleichgewichtigkeit der Nutzungsarten auszugehen ist (vgl. BVerwG, B.v. 11.4.1996 – 4 B 51/96 – juris).
Die von der Klägerin geplante selbständige Werbetafel ist ihrer Art nach gemäß § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO auch zulässig. Bei ihr handelt es sich zwar nicht um einen Gewerbebetrieb, sondern um eine Anlage für gewerbliche Zwecke, für die eine Regelung in den Nutzungskatalogen der Baugebietsvorschriften der Baunutzungsverordnung fehlt. Diese Regelungslücke wird aber geschlossen, indem eine selbständige Werbeanlage bauplanungsrechtlich wie ein Gewerbebetrieb behandelt wird (vgl. BayVGH, U.v. 11.12.2007 – 14 B 06.2880; U.v. 28.10.2005 – 26 B 04.1484 – beide juris m.w.N.).
2. Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Vortrags der Beklagten, die geplante Werbeanlage halte die festgesetzten Baulinien nicht ein.
Nach § 31 Abs. 2 BauGB kann von den Festsetzungen eines Bebauungsplans befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden, wenigstens einer der in Nrn. 1 bis 3 der Bestimmung alternativ genannten Befreiungsgründe vorliegt und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Ohne Zweifel liegen nach Auffassung der Kammer und insbesondere unter Berücksichtigung der Erkenntnisse, die im Rahmen des Augenscheins gewonnen wurden, die Voraussetzungen für eine Befreiung von den festgesetzten Baulinien vor, zumal die Beklagte selbst vorträgt, dass die geplante Werbeanlage die festgesetzte Baulinie nur deshalb nicht einhalte, da auch das Gebäude H H2. Straße 13 zur T H2.straße hin leicht hinter die festgesetzte Baulinie zurücktrete.
Zwar besteht in der Regel auch bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Befreiung nach Art. 31 Abs. 2 BauGB kein Rechtsanspruch auf die begehrte Entscheidung. Insoweit erfordert § 31 Abs. 2 BauGB zusätzlich eine Ermessensentscheidung der Baugenehmigungsbehörde. Vorliegend sind aber im Rahmen der Ermessensentscheidung keine zu berücksichtigenden städtebaulichen Belange, die auch wenn sie eine Ablehnung nicht gebieten, doch so gewichtig wären, dass sie dem Befreiungsinteresse vorgehen könnten, ersichtlich. Stehen einem Vorhaben keine städtebaulichen Gründe entgegen, verbleibt für eine ablehnende Ermessensentscheidung in der Regel kein Raum (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 7.8.2003 – 1 A 1016/93 – juris Rn. 39). Insoweit geht auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass für die Ausübung des Ermessens im Rahmen des § 31 Abs. 2 BauGB häufig nur ganz wenig Raum bestehe, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung gegeben seien (vgl. BayVGH, U.v. 24.3.2011 – 2 B 11.59 – juris Rn. 48; vgl. auch Jäde in Jäde/Dirnberger/Weis, BauGB/BauNVO, § 31 BauGB Rn. 29). In der Regel reduziert sich das Ermessen auf Null, wenn dem Vorhaben nicht zumindest gleichgewichtige städtebauliche Belange entgegenstehen (vgl. BayVGH, U.v. 24.3.2011 – 2 B 11.59 – juris Rn. 48). Vorliegend sind nach Auffassung der Kammer keine gewichtigen städtebaulichen Gründe erkennbar, die eine ermessensgerechte Versagung der Befreiung rechtfertigen könnten. Der Klägervertreter verweist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, was durch den Augenschein bestätigt wurde, dass das auch von § 34 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB geschützte Ortsbild nicht beeinträchtigt ist. Das im Baugesetzbuch geregelte und damit dem Kompetenztitel des Bodenrechts entstammende Beeinträchtigungsverbot erfasst nur solche Beeinträchtigungen, die bodenrechtliche Spannungen zu erzeugen in der Lage sind. Solche ergeben sich nicht schon aus jeder ästhetisch unschönen Baugestaltung, sondern nur, wenn eine größere Umgebung der Gemeinde tangiert ist, die über den Umgriff der näheren Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB hinausreicht (BVerwG, U.v. 11.5.2000 – 4 C 14/89 – juris). Für die Beeinträchtigung des Ortsbilds genügt einerseits nicht jedes „Berührtsein“ des Ortsbilds, andererseits ist aber auch nicht nur eine Verunstaltung umfasst, wie dies § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB voraussetzt (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Krautzberger, BauGB, Stand: August 2015, § 34 Rn. 69 m.w.N.). Gemessen an diesen Grundsätzen kann eine Beeinträchtigung des Ortsbilds seitens der Kammer vorliegend nicht festgestellt werden.
3. Die Bestimmungen der Werbeanlagensatzung (WAS) der Beklagten in der Fassung der Änderungsatzung vom 6. Juni 2014 können dem Vorhaben der Klägerin ebensowenig entgegengehalten werden.
3.1 Die Regelung des von der Beklagten zunächst genannten § 4 Abs. 4 Nr. 4 der WAS, wonach alle Werbeanlagen unzulässig sind, die wesentliche Sichtachsen und Blickbezüge, wichtige stadtbildprägende Gebäude, Alleen, Grünzüge, Vorgartenzonen, begrünte Bahndämme und Straßenraumbegrünungen beeinträchtigen oder verstellen oder störend überschneiden sowie Werbeanlagen in Bereichen, die im Landschaftsplan oder dem Flächennutzungsplan als öffentliche oder private Grünfläche dargestellt sind, ist nach Überzeugung der Kammer nicht mit höherrangigem Recht vereinbar.
I. Ü. liegen gemäß dem i. R. d. Augenscheins gewonnenen Überzeugung die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm nicht vor.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verstößt ein generelles Verbot in einer Ortssatzung, durch das die Werbung mit Großflächenwerbetafeln verboten wird, gegen Art. 14 GG (vgl. BVerwG, U.v. 28.4.1972 – 4 C 11.69 -; BVerwGE 40, 94). Ähnlich hat sich auch der Bayerische Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 23. Januar 2012 (Vf. 18-VII-09 – NVwZ-RR 2012, 297) geäußert. Das Recht eines Bauherrn, sein Grundstück im Rahmen der Gesetze baulich zu nutzen, sei durch das Eigentumsgrundrecht (Art. 103 Abs. 1 BV) geschützt. Eine Werbeanlagen- oder Gestaltungssatzung tangiere dieses Recht, wenn sie – wie vorliegend – Großflächenwerbetafeln grundsätzlich verbietet und damit die Nutzung von Grundstücken zu Werbezwecken beschränkt. Aufgrund dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben, so führt der Bayerische Verfassungsgerichtshof weiter aus, sei ein Verbot der Errichtung von Werbeanlagen durch den Satzungsgeber nur dann gerechtfertigt und somit verhältnismäßig, wenn die vom Gesetzgeber genannten ortsgestalterischen Gründe ein entsprechendes Verbot erforderten. Ob und inwieweit das der Fall sei, beurteile sich nach der konkreten Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des jeweiligen Bereichs. Sollen mit einer Werbeanlagensatzung Regelungen für das gesamte Gemeindegebiet erlassen werden, habe sich der Satzungsgeber daher mit dem Problem auseinanderzusetzen, dass ein Gemeindegebiet in seiner Gesamtheit in der Regel aus verschiedenen Bereichen bestehe, deren Ortsbild unterschiedlich schutzwürdig sei. Dementsprechend sei an die Zulässigkeit von Werbeanlagen je nach den Gegebenheiten des jeweiligen Gemeindebereichs und dem damit verbundenen Schutzzweck unterschiedliche Anforderungen zu stellen und es sei nach diesen Schutzmaßstäben abzustufen. Eine generalisierende Regelung zur Werbeanlagen könne deshalb nur bei einer Homogenität des zu schützenden Bereichs möglich sein.
Das bedeutet mit anderen Worten, dass der Satzungsgeber nach dieser Entscheidung bei Erlass einer Werbeanlagen- oder Gestaltungssatzung im Sinne von Art. 81 Abs. 1 Nr. 2 bzw. Nr. 1 BayBO die Schutzbedürftigkeit jedes betroffenen Gebiets sorgfältig abzuwägen und im Zweifel nach Baugebieten, Bauquartieren und unter Umständen noch weitergehend, etwa nach Straßenzügen, abzustufen hat. Maßstab für die gerichtliche Überprüfung der Gestaltungssatzung im Rahmen einer Klage sind dementsprechend die örtlichen Verhältnisse und die konkrete Schutzwürdigkeit des betroffenen Bereichs.
Unter Berücksichtigung dessen wird die Regelung in § 4 Abs. 4 Nr. 4 der WAS den in der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen nicht gerecht. So lässt sich schon nicht erkennen, was die Beklagte unter wesentlichen Sichtachsen und Blickbezügen versteht, ebenso wenig wird klar, was die Satzung unter einem wichtigen, das Stadtbild prägenden Gebäude meint. Dies stellt bereits einen Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz dar. Desweiteren wird durch die Regelung gerade nicht differenziert im Hinblick auf die Schutzbedürftigkeit jedes einzelnen Baugebiets, sondern eine generelle Regelung getroffen, was nach der oben dargestellten Auffassung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs gerade nicht zulässig ist. Daneben liegen – wie erwähnt – die Tatbestandsvoraussetzungen nicht vor, da die Kammer im Rahmen des Augenscheins nicht erkennen konnte, dass es sich vorliegend um eine wesentliche Sichtachse o. ä. i. S. v. § 4 Abs. 4 Nr. 4 WAS handelt.
3.2 Ebenso verstößt § 4 Abs. 4 Nr. 7 WAS gegen höherrangiges Recht, wonach Werbeanlagen, insbesondere Großformatdrucke, die größere Fassadenteile oder Fassaden überdecken generell unzulässig sind, ausgenommen in Gewerbe-, Industrie- und vergleichbaren Sondergebieten oder in Gebieten, die nach der vorhandenen Bebauung solchen Gebieten entsprechen. Auch hier differenziert die Beklagte nicht im Hinblick auf die betroffenen Gebiete. Zudem würde diese Regelung ein generelles Verbot von Werbeanlagen in Mischgebieten nach sich ziehen, was unter Berücksichtigung der oben genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zweifellos gegen Art. 14 GG verstößt.
3.3 Die Beklagte kann sich weiterhin auch nicht auf § 4 Abs. 4 Nr. 10 der WAS stützen, da bereits die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Regelung nicht vorliegen. Wie der Augenscheintermin ergeben hat, dient das vorliegende Mischgebiet nicht überwiegend dem Wohnen. Vielmehr ist von einem gleichgeordneten Nebeneinander von Wohnen und gewerblicher Nutzung auszugehen. Auf die Frage, ob diese Regelung mit höherrangigem Recht vereinbar ist, kommt es daher nicht an.
3.4 Für die Kammer war im Rahmen des Augenscheintermins auch nicht erkennbar, dass die Werbeanlage sich hinsichtlich ihrer Höhen- und Größenentwicklung nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen würde, so dass auch die Voraussetzungen von § 4 Abs. 4 Nr. 20 WAS nicht vorliegen.
3.5 Nicht mit höherrangigem Recht vereinbar ist schließlich der von der Beklagten zitierte § 7a Abs. 1 WAS, wonach an straßen- und stadtbildprägenden Zu- und Abfahrten der Stadt und der Straßenteile Großflächenwerbetafeln für Fremdwerbung, die außerhalb von Baufenstern als freistehende Werbeanlagen nicht parallel zur Straße errichtet würden oder mit der Unterkante der Werbeflächen über ein Meter über dem natürlichen Gelände liegen oder beleuchtet sind, unzulässig sind. Wie oben bereits ausgeführt, setzt eine solche generalisierende Regelung für Werbeanlagen die Homogenität des zu schützenden Bereichs voraus. Eine solche Homogenität kann die Kammer vorliegend allerdings nicht erkennen, zumal § 7a Abs. 1 WAS alle straßen- und stadtbildprägenden Zu- und Abfahrten der Stadt im Bereich der Zone IV in das Verbot einbezieht, ohne auf die örtlichen Verhältnisse und die konkrete Schutzwürdigkeit des betroffenen Bereichs abzustellen.
3.6 Nach alledem steht die Werbeanlagensatzung der Beklagten dem Vorhaben nicht entgegen.
4. Auch eine Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs (Art. 14 Abs. 2 BayBO i.V.m. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BayBO) steht dem Vorhaben nicht entgegen. Die Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 2 BayBO liegen nicht vor. Wie der Augenscheintermin ergeben hat, ist nicht davon auszugehen, dass die streitgegenständliche Werbeanlage am Vorhabensstandort die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs gefährdet. Der Oberbegriff der „Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs“ hat zum Ziel, dass kein Verkehrsteilnehmer gefährdet (Sicherheit) oder mehr als nach den Umständen unvermeidlich behindert oder belästigt wird (Leichtigkeit). Die Sicherheit hat also die Abwendung von Gefahren für den Verkehr und ausgehend von dem Verkehr im Blick, die Leichtigkeit den möglichst ungehinderten Verkehrsfluss. Die Sicherheit des Verkehrs wird durch das Bauvorhaben zweifellos nicht beeinträchtigt. In einem innerörtlichen Bereich, wie hier, sind die Verkehrsteilnehmer an das Vorhandensein von Werbeanlagen gewöhnt (vgl. BayVGH, B.v. 30.7.2012 – 9 ZB 11.2280 – juris Rn. 10). Werbeanlagen werden insbesondere dann wahrgenommen, wenn der Verkehr stockt oder gar vollständig zum Erliegen kommt. Eine gewisse Ablenkungswirkung der Werbeanlagen für die Verkehrsteilnehmer besteht letztlich immer (vgl. BayVGH, a.a.O.). Angesichts der erlaubten Fahrgeschwindigkeit innerhalb von 50 km/h ist die Sicherheit des Verkehrs grundsätzlich nicht merklich beeinträchtigt. Ein der Straßenverkehrsordnung nicht entsprechendes Verhalten der Verkehrsteilnehmer, beispielsweise die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, kann der Beurteilung der Zulässigkeit des Vorhabens dabei nicht zugrunde gelegt werden. Im Übrigen darf in diesem Zusammenhang nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Beklagte ihre Behauptung, die Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs sei beeinträchtigt, mit keinem Argument untermauert hat. Der Augenscheintermin hat gezeigt, dass an dieser Stelle weder ein Unfallschwerpunkt liegen kann noch ein Unfallgefahrenpunkt, zumal die Werbeanlage nur für Verkehrsteilnehmer sichtbar ist, die ortsauswärts fahren.
5. Letztendlich rechtfertigt auch Art. 8 Satz 2 BayBO, auf den sich die Beklagte ebenso berufen hat, kein anderes Ergebnis. Diese Vorschrift bestimmt, dass bauliche Anlagen das Straßen-, Orts- und Landschaftsbild nicht verunstalten dürfen. Dabei ist anerkannt, dass das Straßenbild in Einzelfällen dann verunstaltet sein kann, wenn ein architektonisch hervorgehobenes Gebäude, das Bestandteil des Straßenbilds ist, durch die bauliche Anlage verunstaltet wird (vgl. BayVGH, B.v. 16.2.2016 – 2 ZB 15.2503). In Bezug auf Werbeanlagen entspricht es gefestigter Rechtsprechung, dass sie ihren Anbringungsort verunstalten, wenn sie die entsprechende Wand zu einem Werbeträger degradieren bzw. umfunktionieren (vgl. BayVGH, B.v. 24.9.2002 – 14 ZB 02.1849 – juris) oder einem vorhandenen ruhigen Erscheinungsbild einen Fremdkörper aufsetzen und es damit empfindlich stören. Eine solche empfindliche Störung konnte die Kammer im Rahmen des Augenscheintermins vorliegend nicht erkennen. Der Klägervertreter weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass im weiteren Verlauf der H1. Straße weitere Werbeanlagen im Obergeschossbereich vorhanden sind, wie sich insbesondere auch aus den im Rahmen des Augenscheins gefertigten Bildern ergibt.
6. Nach alledem war die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die Baugenehmigung zur Anbringung der beantragten Plakatanschlagtafel zu erteilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.


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