Baurecht

Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme durch erdrückende Wirkung

Aktenzeichen  M 8 K 15.1580

Datum:
25.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 34 Abs. 1 S. 1, Abs. 2
BauNVO BauNVO § 7 Abs. 2 Nr. 1
GG GG Art. 14 Abs. 1 S. 1
BayBO BayBO Art. 68 Abs. 4, Art. 71 S. 4

 

Leitsatz

Für die Prüfung einer erdrückenden Wirkung eines geplanten Gebäudes und damit eines Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot kommt es hinsichtlich der vorhandenen Baulichkeiten alleine darauf an, ob die Gebäude eine bauliche Verbindung aufweisen unabhängig davon, welche Nutzung in den einzelnen Anbauten stattfindet. Unterschiedliche Nutzungen rechtfertigen keine isolierte Betrachtung bei der Prüfung des Rücksichtnahmegebots. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Anfechtungsklage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der mit der Klage angegriffene Vorbescheid der Beklagten vom 19. März 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen nachbarschützenden Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
I.
Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung – und insoweit auch einen Vorbescheid – nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn der angefochtene Vorbescheid rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von im Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden Normen beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (BayVGH, B. v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20, 22).
II.
Die Beantwortung der einzelnen Fragen im streitgegenständlichen Vorbescheid vom 19. März 2015 verletzt keine nachbarschützenden Rechte des Klägers. Im Einzelnen ist zu der Beantwortung der Vorbescheidsfragen Folgendes festzustellen:
1. Frage 1
Mit Frage 1 wurde planungsrechtliche Zulässigkeit der streitgegenständlichen Aufstockung des Bestandsgebäudes nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, abgefragt, vgl. § 34 Abs. 1 BauGB. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des streitgegenständlichen Vorhabens richtet sich hier ausschließlich nach § 34 BauGB, da das Vorhaben nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegt.
Positive Beantwortung der Frage 1 verletzt den Kläger nicht in seinen nachbarschützenden Rechten. Soweit mit dem streitgegenständlichen Vorbescheid das Vorhaben hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung – Büronutzung – positiv beurteilt wurde, scheidet eine Nachbarrechtsverletzung der Klägers aus, da das Vorhaben unstreitig in einem Kerngebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 7 BauNVO liegt, in dem eine Büronutzung nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO allgemein zulässig ist.
1.1 Die positive Beurteilung der planungsrechtlichen Zulässigkeit der Aufstockung nach den Kriterien des Maßes der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, verletzt den Kläger ebenfalls nicht in seinen Rechten.
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung grundsätzlich keine nachbarschützende Funktion haben (vgl. BVerwG B. v. 23.6.1995 – 4 B 52/95 – juris; B. v. 19.10.1995 – 4 B 215/95 – juris). Da eine andere rechtliche Beurteilung nur dann in Frage kommt, wenn die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung in Bebauungsplänen nach dem ausdrücklichen Willen des Satzungsgebers nachbarschützende Funktion haben sollen, kann eine solche dem im unbeplanten Innenbereich vorgefundenen Maß der baulichen Nutzung nicht zukommen (vgl. BVerwG, B. v. 19.10.1995 a. a. O.). Ebenso vermittelt das Kriterium des Einfügens des Bauvorhabens nach der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB keinen Drittschutz (vgl. BVerwG, B. v. 19.10.1995 – 4 B 215/95 – juris Rn. 3; BayVGH, B. v. 6.11.2008 – 14 ZB 08.2327 – juris Rn. 9; B. v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 3). Entsprechendes gilt hinsichtlich des Kriteriums der Bauweise.
Ob sich das Vorhaben objektiv-rechtlich nach dem Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise oder der überbaubaren Grundstücksfläche in die nähere Umgebung einfügt, spielt daher für die Frage der Nachbarrechtsverletzung keine Rolle. Entscheidend ist nur, ob das Vorhaben gegen die Normen verstößt, die – zumindest auch – dem Schutz Dritter zu dienen bestimmt sind.
1.2 Vorliegend kann der Kläger nur eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme geltend machen. Im Rahmen des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, das im Begriff des „Sicheinfügens“ eines Vorhabens in die nähere Umgebung enthalten ist (BVerwG, U. v. 11.1.1999 – 4 B 128/98, NVwZ 1999, 879 – juris Rn. 6; BayVGH, B. v. 6.11.2008 – 14 ZB 08.2326 – juris Rn. 10 m. w. N.).
Die Aufstockung des rückwärtigen Bestandsgebäudes der Beigeladenen um zwei Geschosse ist gegenüber den Grundstücken des Klägers nicht rücksichtslos.
1.2.1 Inhaltlich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen können, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann er eine Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Das Rücksichtnahmegebot ist dann verletzt, wenn unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit des Betroffenen, der Intensität der Beeinträchtigung und der wechselseitigen Interessen das Maß dessen, was billigerweise noch zumutbar ist, überschritten wird (BVerwG, U. v. 25.2.1977 – IV C 22.75 BVerwGE 52, 122 – juris Rn. 22).
In der Rechtsprechung zum Rücksichtnahmegebot ist anerkannt, dass eine Verletzung dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft befindliches (Wohn-)Gebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird. Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen übergroßen Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (BVerwG, U. v. 13.3.1981 – 4 C 1/78, DVBl. 1981, 928 – juris Rn. 38: 12-geschossiges Gebäude in 15 m Entfernung zum 2,5-geschossigen Nachbarwohnhaus; U. v. 23.5.1986 – 4 C 34/85, NVwZ 1987, 34 – juris Rn. 15: drei 11,05 m hohe Siloanlagen im Abstand von 6 m zu einem 2-geschossigen Wohnanwesen; vgl. auch BayVGH, B. v. 10.12.2008 – 1 CS 08.2770, BayVBl. 2009, 751 – juris Rn. 23; B. v. 5.7.2011 – 14 CS 11.814 – juris Rn. 21). Hauptkriterien bei der Beurteilung einer „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung sind u. a. die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung. Für die Annahme einer „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung eines Nachbargebäudes ist somit grundsätzlich kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Gebäudes, was insbesondere gilt, wenn die Gebäude im dicht bebauten innerstädtischen Bereich liegen (BayVGH, B. v. 11.5.2010 – 2 CS 10.454 – juris Rn. 5; B. v. 5.12.2012 – 2 CS 12.2290 – juris Rn. 9).
Gemessen an diesen Voraussetzungen stellt sich das streitgegenständliche Vorhaben weder im Hinblick auf die gerügte erdrückende Wirkung noch hinsichtlich der Belichtung und Besonnung und hinsichtlich der gerügten Einblickmöglichkeiten als unzumutbar und damit rücksichtslos dar.
1.2.2 Der Kläger macht vorliegend geltend, durch die streitgegenständliche Aufstockung des grenzständigen Rückgebäudes der Beigeladenen würde sich die Belichtungs- und Belüftungssituation der klägerischen Gebäude, insbesondere der sich auf der Nordseite der …-kirche befindlichen Anbauten – Mesnerhaus, „Anbau Nord“ und Kapelle mit Wohnung – unzumutbar verschlechtern. Zwischen den nördlichen Anbauten und dem streitgegenständlichen Vorhaben bestehe ein erheblicher Höhenunterschied, was zu einer erdrückenden Wirkung des Vorhabens gegenüber dem Mesnerhaus, dem „Anbau Nord“ und der Kapelle mit Wohnraum und zu einem Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme führe. Zudem würden diese Gebäude durch das Vorhaben erheblich verschattet.
Entgegen der Ansicht des Klägers ist eine erdrückende Wirkung des Vorhabens auf sein Eigentum nicht gegeben. Eine erdrückende Wirkung scheidet vorliegend bereits deshalb aus, da das streitgegenständliche Vorhaben nicht erheblich höher ist, als die Gebäude des Klägers. Insbesondere kann bei der Bestimmung des maßgeblichen Höhenunterschieds zwischen den Gebäuden nicht außer Acht gelassen werden, dass das Mesnerhaus, der „Anbau Nord“ und die Kapelle auf der Nordseite der …-kirche an diese unmittelbar angebaut sind und mit dieser eine einheitliche bauliche Anlage bilden. Eine isolierte Betrachtung der Anbauten – ohne den Kirchenbaukörper – kann – entgegen der klägerischen Argumentation – nicht vorgenommen werden. Die Anbauten schließen sich im Norden unmittelbar an das Kirchengebäude an und bilden mit diesem eine bauliche Einheit. Die Einheitlichkeit der baulichen Anlage ergibt sich bereits aus der baulichen Verbindung der Anbauten mit dem Kirchenbaukörper. Auch optisch bilden die nördlichen Anbauten mit dem Kirchengebäude eine Einheit, indem sie sich diesem gestalterisch anpassen und als Teil der …-kirche wirken.
Im Rahmen des gerichtlichen Augenscheins erklärte auch die Vertreterin des Staatlichen Bauamtes … des Klägers, dass die …-kapelle und der Wohnraum als bauliche Einheit mit der …-kirche gemeinsam errichtet worden seien. Der westlich liegende „Anbau Nord“ sei direkt an die „…-kapelle“ und die …-kirche angebaut. Auch das weiter westlich liegende Mesnerhaus sei mit den übrigen Anbauten und der …-kirche verbunden, wobei das Mesnerhaus erst später errichtet worden sei.
Auch der Umstand, dass das Mesnerhaus, der „Anbau Nord“ und die Kapelle mit Wohnraum eigener – nicht primär kirchlicher – Nutzung dienen und – wohl – über separate Eingänge verfügen, rechtfertigt keine isolierte Betrachtung bei der Prüfung des Rücksichtnahmegebots. Entscheidend ist die bauliche Verbindung mit dem Hauptbaukörper der Kirche, unabhängig davon, welche Nutzung in den einzelnen Anbauten stattfindet. Es geht vorliegend um die Frage, ob das streitgegenständliche Vorhaben hinsichtlich seiner Kubatur und Ausrichtung des Baukörpers die gebotene Rücksicht auf die Nachbarbebauung nimmt und nicht um etwaige Störungen, die sich aus einer bestimmten Nutzung des Vorhabengebäudes für die Nachbarschaft ergeben. Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung werden insoweit die benachbarten Baukörper nach ihren Größen verglichen. Die Tatsache, dass bestimmte Gebäudeteile unterschiedlich genutzt werden, kann nicht dazu führen, dass einzelne Gebäudeteile trotz bestehender baulicher Verbindung bei einem Größenvergleich vollständig ausgeblendet werden. Dies hätte zur Folge, dass sich ein Eigentümer einer Nutzungseinheit im Erdgeschoss eines Gebäudes regelmäßig mit Erfolg auf eine erdrückende Wirkung eines Nachbarvorhabens berufen könnte, obwohl sich seine Nutzungseinheit in einem gleich großen oder noch größeren Gebäude befindet.
Die im Eigentum des Klägers stehende Kirche überragt mit einer Höhe von 28,55 m das streitgegenständliche Vorhaben bei weitem, so dass eine erdrückende Wirkung des aufgestockten Rückgebäudes der Beigeladenen ausscheidet. Hinsichtlich der Belichtung der Anbauten ist zu beachten, dass sie auf ihrer Südseite im Schatten der Kirche stehen und die Belichtungssituation bereits aus diesem Grund erheblich beeinträchtigt ist. Im Norden befindet sich bereits jetzt das dreigeschossige Bestandsgebäude der Beigeladenen, so dass mit der Aufstockung keine erstmalige Belastung eintreten wird.
Auch gegenüber dem Seitenflügel des Gebäudes des … Staatsministeriums … hat das Vorhabensgebäude keine erdrückende oder einmauernde Wirkung. Der Seitenflügel des klägerischen Gebäudes ist viergeschossig, so dass es bereits an einem von der Rechtsprechung vorausgesetzten erheblichen Höhenunterschied zwischen den Baukörpern fehlt. Zudem befindet sich das streitgegenständliche Rückgebäude in einer Entfernung von mindestens ca. 23 m von dem Klägergebäude, wodurch ein etwa bestehender Höhenunterschied relativiert wird.
1.2.3 Soweit der Kläger geltend macht durch die von dem Bauvorhaben ausgehenden, zusätzlichen Einblickmöglichkeiten auf seine Grundstücke in seinen Rechten verletzt zu sein, liegt ebenfalls keine Verletzung des planungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme vor. Der Kläger muss die Möglichkeit der Einsichtnahme in seine Grundstücke grundsätzlich hinnehmen, da das öffentliche Baurecht keinen generellen Schutz vor unerwünschten Einblicken vermittelt. Gegenseitige Einsichtnahmemöglichkeiten sind im dicht bebauten innerstädtischen Bereich unvermeidlich. Die Betroffenen können sich durch das Anbringen von Jalousien, Vorhängen oder verspiegelten Fenstern behelfen (VG München, U. v. 15.4.2013 – M 8 K 12.1542 – juris Rn. 34). Das bauplanungsrechtliche Gebot des Einfügens bezieht sich nur auf die in § 34 Abs. 1 BauGB genannten städtebaulichen Merkmale der Nutzungsart, des Nutzungsmaßes, der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche. Die Möglichkeit der Einsichtnahme ist als städtebaulich nicht relevant darin nicht angesprochen (vgl. BVerwG, B. v. 24.4.1989 – 4 B 72/89 – juris Rn. 7; BayVGH, B. v. 23.4.2014 – 9 CS 14.222 – juris Rn. 13 m. w. N.).
Anhaltspunkte für einen Ausnahmefall mit besonders schwerwiegenden Auswirkungen sind vorliegend nicht zu erkennen. Insbesondere führt die besondere Zweckbestimmung der nördlichen Anbauten der …-kirche zu keinem anderen Ergebnis, da der Kläger nicht dargelegt hat, aus welchen Gründen ein geistlichen Zwecken dienendes Gebäude im Hinblick auf die Einblickmöglichkeiten schutzwürdiger ist, als eine Wohnnutzung. Es ist nicht ersichtlich, weshalb eine Einschränkung bzw. Vorbeugung etwaiger Einsichtnahmemöglichkeiten durch Anbringung von Vorhängen und Jalousien vorliegend nicht möglich sein soll.
Ferner ist zu berücksichtigen, dass bereits im Bestand zahlreiche Einblickmöglichkeiten auf die klägerischen Grundstücke vorhanden sind. Das dreigeschossige Rückgebäude der Beigeladenen verfügt auf der Südseite über 27 Fenster, die auf die Grundstücke des Klägers ausgerichtet sind. Auch das viergeschossige Rückgebäude auf dem Grundstück Fl.Nr. … verfügt – wie der gerichtliche Augenschein gezeigt hat – über zahlreiche Fenster mit Ausrichtung auf die …-kirche und die nördlichen Anbauten (…-kapelle, „Anbau Nord“ und Mesnerhaus). Daher führt die streitgegenständliche Aufstockung zu keiner erstmaligen Belastung der Klägergrundstücke durch Einblickmöglichkeiten. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass in dem streitgegenständlichen Rückgebäude Büronutzung stattfinden soll, so dass mit Einblickmöglichkeiten ohnehin nur während der Bürozeiten zu rechnen ist.
Eine über den zumutbaren Maß hinausgehende Beeinträchtigung des Klägers durch Einblickmöglichkeiten ist vorliegend nicht zu erwarten.
1.2.4 Soweit der Kläger geltend macht, durch die streitgegenständliche Aufstockung werde die Bebaubarkeit seiner Grundstücke eingeschränkt, weshalb das geplante Vorhaben ihm gegenüber rücksichtslos sei, lässt dieser Vortrag eine nähere Substantiierung vermissen. Es bleibt insbesondere ungewiss, um welche konkrete Bebauung es sich dabei handeln soll. Aufgrund einer wechselseitigen Prägung der benachbarten Grundstücksbebauung im Innenbereich nach § 34 BauGB, verändert grundsätzlich jede Bebauung die bestehende baurechtliche Situation der Nachbargrundstücke. Das nach § 34 Abs. 1 BauGB bestehende Baurecht wird nach Maßgabe der Umgebungsbebauung erweitert und eingeschränkt. Eine Nachbarrechtsverletzung kann daraus nicht abgeleitet werden.
1.3 Schließlich ergibt sich eine Nachbarrechtsverletzung des Klägers auch nicht aus einer etwaigen Beeinträchtigung der Denkmalwürdigkeit der in seinem Eigentum stehenden Baudenkmäler durch die streitgegenständliche Aufstockung.
Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs kann ein Denkmaleigentümer in seinen Rechten nur dann verletzt werden, wenn das genehmigte Vorhaben die Denkmalwürdigkeit des benachbarten Anwesens erheblich beeinträchtigt. Mit dem verfassungsrechtlichen Schutz des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ist es nicht vereinbar, dem Eigentümer eines Kulturdenkmals einerseits Pflichten für dessen Erhaltung und Pflege aufzuerlegen, die mit einem erheblichen finanziellen Aufwand verbunden sein können, ohne ihm andererseits die Möglichkeit zu geben, rechtswidrige Beeinträchtigungen durch Vorhaben in seiner Umgebung, die seine Erhaltungsinvestitionen möglicherweise entwerten, abzuwehren. Darüber hinaus lässt sich dem bayerischen Denkmalschutzgesetz jedoch kein allgemeiner Drittschutz zugunsten des Denkmaleigentümers entnehmen (BayVGH, B. v. 4.8.2011 – 2 CS 11.997 – juris; B. v. 17.7.2013 – 14 ZB 12.1153 – juris Rn. 17, 18).
Unabhängig von der Frage, ob sich der Kläger als Körperschaft des öffentlichen Rechts auf eine Verletzung des Denkmalschutzrechts berufen kann, ist vorliegend nicht ersichtlich, dass das streitgegenständliche Vorhaben die Denkmalwürdigkeit der denkmalgeschützten …-kirche und ihrer Anbauten erheblich beeinträchtigen könnte. Insbesondere ist mit der Aufstockung des Rückgebäudes auf dem Grundstück der Beigeladenen keine Verschlechterung der Einsehbarkeit der klägerischen Baudenkmäler verbunden. Da das Vorhabengrundstück straßenseitig mit einem fünfgeschossigen Vordergebäude bebaut ist, ist die …-kirche von der … Straße nur eingeschränkt einsehbar. Durch die Verwirklichung der geplanten Aufstockung des Rückgebäudes auf fünf Geschosse würde sich an dieser Situation nichts ändern. Dies gilt erst Recht für die nördlichen Anbauten der …-kirche. Insoweit ist der Vortrag der Klagepartei, die Wirkung der Kulturdenkmäler im Norden der …-kirche – „Anbau Nord“, das Mesnerhaus und die …-kapelle – werde durch die streitgegenständliche Aufstockung geschmälert, nicht nachvollziehbar.
Seinen Vortrag bezüglich einer Gefährdung der Baudenkmäler durch künftige Baumaßnahmen, hat der Kläger nicht näher substantiiert.
Zudem ist Gegenstand des hiesiges Verfahrens ein Vorbescheid nach Art. 71 BayBO, der nach gesetzlichen Vorschriften nicht zum Baubeginn berechtigt (vgl. Art. 71 Satz 4 BayBO). Bereits aus diesem Grund ist eine sich aus der Realisierung des Vorhabens resultierende Rechtsverletzung des Klägers nicht denkbar. Im Übrigen ergehen eine Baugenehmigung und ein Vorbescheid gemäß Art. 68 Abs. 4, 71 Satz 4 BayBO unbeschadet privater Rechte Dritter.
2. Frage 2
Frage 2 betrifft die Fassaden- und Dachgestaltung der streitgegenständlichen Aufstockung im Hinblick auf das Denkmalschutzrecht und verletzt den Kläger nicht in seinen nachbarschützenden Rechten. Im Übrigen ist auf die Ausführungen unter 1.3 zu verweisen.
3. Fragen 2.1 und 3
Auch diese Fragen betreffen die Dachgestaltung der geplanten Aufstockung und verletzen den Kläger nicht in seinen nachbarschützenden Rechten.
4.
Frage 4
Die Pflicht zur Herstellung einer ausreichenden Zahl von Stellplätzen oder Garagen ist grundsätzlich nicht nachbarschützend (BayVGH, B. v. 01.08.2007 – 14 CS 07.670 – juris). Alleiniger Zweck dieser Vorschrift ist es, die öffentlichen Verkehrsflächen vom ruhenden Kraftfahrzeugverkehr zu entlasten. Selbst dann, wenn insoweit ein Verstoß vorläge, ergäbe sich hieraus kein nachbarliches Abwehrrecht. Eine Nachbarrechtsverletzung des Klägers durch positive Beantwortung der Frage 4 ist nicht gegeben.
5. Frage 5
Es ist schließlich nicht ersichtlich, inwiefern der Kläger durch die geplante Situierung der erforderlichen Fahrradabstellplätze in seinen nachbarlichen Rechten verletzt sein kann.
6. Soweit der Kläger einen etwaigen Verstoß gegen die abstandsflächenrechtlichen Vorschriften des Art. 6 BayBO geltend macht, ist festzustellen, dass streitgegenständlicher Vorbescheid zu der Abstandsflächenproblematik keinerlei Feststellungen enthält und dementsprechend insoweit auch keine Bindungswirkung des Vorbescheids in Betracht kommt. Für das streitgegenständliche Vorhaben ist das vereinfachte Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO durchzuführen, weshalb eine Prüfung der Abstandsflächenvorschriften nicht stattgefunden hat. Abweichungen wegen Nichteinhaltung der Abstandsflächen des Art. 6 BayBO wurden vorliegend weder beantragt noch in Aussicht gestellt, so dass eine Nachbarrechtsverletzung bereits aus diesem Grund ausscheidet.
III.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs.1 VwGO abzuweisen. Es entspricht der Billigkeit, auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen dem Kläger gemäß § 162 Abs. 3 VwGO aufzuerlegen, da die Beigeladene einen Antrag gestellt und sich somit selbst einem Kostenrisiko gemäß § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben