Baurecht

VII ZR 191/21

Aktenzeichen  VII ZR 191/21

Datum:
23.3.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2022:230322BVIIZR191.21.0
Normen:
§ 1 Abs 3 VOB B
§ 1 Abs 4 VOB B
§ 2 Abs 5 VOB B
§ 2 Abs 6 VOB B
§ 304 Abs 1 ZPO
Spruchkörper:
7. Zivilsenat

Leitsatz

1. Eine zusätzliche Vergütung nach § 2 Abs. 5 VOB/B kann auch aus mittelbaren bauzeitlichen Auswirkungen wie etwa Gerätestillstand von – unmittelbar Änderungen des Bauentwurfs betreffenden – Anordnungen gemäß § 1 Abs. 3 VOB/B resultieren. Entsprechendes gilt für einen Anspruch auf zusätzliche Vergütung nach § 2 Abs. 6 VOB/B i.V.m. § 1 Abs. 4 VOB/B.
2. Ausführungen, die ausschließlich die Höhe des Anspruchs betreffen, sind in einem Grundurteil unzulässig und binden für das Betragsverfahren nicht (Anschluss an BGH, Beschluss vom 18. August 2016 – III ZR 325/15 Rn. 11, NJW-RR 2016, 1150; Urteil vom 24. September 2009 – IX ZR 87/08 Rn. 21, FamRZ 2009, 2075 und Urteil vom 20. Dezember 2005 – XI ZR 66/05, NJW-RR 2007, 138, juris Rn. 18).

Verfahrensgang

vorgehend BGH, 8. Dezember 2021, Az: VII ZR 191/21, Beschlussvorgehend OLG Köln, 3. Februar 2021, Az: I-11 U 136/18, Urteilvorgehend LG Köln, 3. Juli 2018, Az: 5 O 456/17

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Grundurteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 3. Februar 2021 wird gemäß § 552a Satz 1 ZPO auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von Vorhaltekosten für Baugeräte, um die es in der Revisionsinstanz allein geht, in Anspruch.
2
Der Beklagte beauftragte die Klägerin am 11. April 2016 unter Einbeziehung der VOB/B (2012) mit dem Gewerk Schadstoffsanierung und Abbrucharbeiten beim Teilrückbau des Flügels C der Justizvollzugsanstalt R.      . Dieser Flügel bestand aus zwei Gebäudeteilen, nämlich dem Wirtschaftsgebäude (Bauabschnitt 1) und dem Zellentrakt (Bauabschnitt 2). Dem Vertrag lag ein bauseits erstelltes Schadstoffgutachten zugrunde.
3
Dabei sollte in einem ersten Arbeitsschritt zunächst das Wirtschaftsgebäude saniert und zurückgebaut werden und parallel dazu die Schadstoffsanierung des Zellentrakts erfolgen, damit dieser sofort nach dem Rückbau des Wirtschaftsgebäudes ebenfalls zurückgebaut werden könnte.
4
Nach Beginn der Arbeiten in dem Bauabschnitt 1 wurde in dem Dach des Wirtschaftsgebäudes eine bis dahin unbekannte asbesthaltige Rohrisolierung vorgefunden, die saniert werden musste, bevor der Abbruch des Gebäudes weitergeführt werden konnte.
5
Die Mehrkosten hierfür wurden von der Klägerin mit dem Nachtragsangebot Nr. 02 vom 10. Juni 2016 geltend gemacht und von dem Beklagten bis auf die Position NT 02.04.01 betreffend die Gerätevorhaltung von einem Kettenbagger für fünf Tage akzeptiert.
6
Mitte Juni 2016 stellte sich ferner heraus, dass im Bereich des Bauabschnitts 2 Mehrleistungen im Zellentrakt wegen der im Verhältnis zu dem Schadstoffgutachten erheblich höheren Asbestbelastung von PVC-Böden und asbesthaltigen Klebers notwendig werden würden. Hierauf wies die Klägerin mit Schreiben vom 22. Juni 2016 hin. Der asbestbelastete PVC-Boden konnte nicht wie geplant im so genannten BT11- oder BT17-Verfahren durch bloßes Befeuchten der betroffenen Stellen sowie durch die Verwendung von Flächenschleifmaschinen, sondern nur in einem wesentlich aufwändigeren als dem vertraglich vorgesehenen Verfahren entfernt werden, nämlich durch den Einsatz von Handschleifgeräten bei Unterdruck. Dies hatte zur Folge, dass der Abbruch des Zellentrakts nicht im direkten Anschluss an den Abbruch des Wirtschaftsgebäudes ab dem 7. Juli 2016, sondern erst nach einem bis zum 19. August 2016 andauernden 32-tägigen Stillstand erfolgen konnte. Die gesamten Arbeiten wurden am 24. März 2017 abgeschlossen.
7
Die hierdurch entstehenden Mehrkosten für die Sanierungen im Zellentrakt wurden durch die Klägerin zunächst in ihrem Nachtragsangebot Nr. 03 vom 24. Juni 2016 angeboten sowie von dem Beklagten geprüft und beauftragt. Den Ausgleich der mit den Positionen NT 03.03.01 und 03.03.02 geltend gemachten Vorhaltekosten für zwei Kettenbagger akzeptierte der Beklagte hingegen nicht. Diese Kosten wurden alsdann entsprechend dem Prüfungsvermerk des bauleitenden Unternehmens vom 13. Juli 2016 und im Anschluss an eine Baubesprechung vom 3. August 2016 aus dem Nachtrag herausgerechnet und von der Klägerin mit Schreiben vom gleichen Tage in einem gesonderten Nachtragsangebot Nr. 05 angeboten. Eine Bezahlung dieser Vorhaltekosten lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 10. Januar 2017 ab.
8
Unter dem 2. Juni 2017 legte die Klägerin Schlussrechnung. Der Beklagte akzeptierte die Schlussrechnung bis auf die in Ansatz gebrachten Vorhaltekosten der Nachträge Nr. 02 und Nr. 05 in Höhe eines Betrags von 109.720,39 € netto, aus dem sich nach Abzug des vereinbarten Nachlasses von 9 % und Hinzurechnung der Umsatzsteuer die verbleibende Restforderung von 118.816,57 € brutto ergibt, die die Klägerin mit der vorliegenden Klage nebst Zinsen und außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten weiterverfolgt.
9
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision möchte der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.
II.
10
Die Revision ist gemäß § 552a Satz 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, weil weder die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision vorliegen noch die Revision Aussicht auf Erfolg hat.
11
1. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung unter anderem in BauR 2021, 973 veröffentlicht ist, hat seine Entscheidung – soweit für das Revisionsverfahren von Interesse – wie folgt begründet:
12
Der Beklagte schulde der Klägerin dem Grunde nach eine Vergütung für den eingetretenen Gerätestillstand gemäß § 631 BGB i.V.m. § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B.
13
Unstreitig seien im Rahmen der Arbeiten zur Schadstoffsanierung und zum Abbruch im Bereich des Flügels C der Justizvollzugsanstalt R.      auf Anordnung des Beklagten durch die Klägerin abweichend von dem vereinbarten Bausoll zusätzliche beziehungsweise von der ursprünglich vorgesehenen Art ihrer Ausführung abweichende Leistungen erbracht worden. Ebenfalls stehe zwischen den Parteien außer Streit, dass der Klägerin hieraus erhöhte Material- und Lohnkosten zustünden, so wie sie von ihr in den Nachträgen Nr. 02 und Nr. 05 geltend gemacht und in der Schlussrechnung abgerechnet worden seien. Diese fänden ihre Rechtsgrundlage hinsichtlich der zusätzlich notwendig gewordenen Sanierung der nachträglich aufgefundenen Rohrisolierung im Dach in§ 2 Abs. 6 VOB/B i.V.m. § 1 Abs. 4 VOB/B und hinsichtlich der von der Baubeschreibung abweichenden Sanierung der PVC-Böden in § 2 Abs. 5 VOB/B i.V.m. § 1 Abs. 3 VOB/B.
14
Die Klägerin könne aber dem Grunde nach auch einen Ausgleich für die durch den Stillstand der Baugeräte entstandenen Kosten gemäß § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B verlangen, da ihr solche Kosten durch auf Anordnung des Beklagten geänderte beziehungsweise zusätzliche Leistungen im Zuge der dem Abbruch vorhergehenden Schadstoffsanierung entstanden seien.
15
§ 6 Abs. 6 Satz 1 VOB/B stelle insoweit keine abschließende Sonderregelung dar.
16
Ein Anspruch der Klägerin ergebe sich im Streitfall weder aus § 6 Abs. 6 Satz 1 VOB/B noch aus § 6 Abs. 6 Satz 2 VOB/B i.V.m. § 642 BGB.
17
Vorliegend beruhten die zwischenzeitlichen Verzögerungen im Bauablauf allein auf anordnungsbedingten Veränderungen in der Bauausführung. Übe der Auftraggeber rechtmäßig sein vertragliches Leistungsbestimmungsrecht nach § 1 Abs. 3 oder § 1 Abs. 4 VOB/B aus und führten die geänderten oder zusätzlichen Leistungen zu einem zeitlichen Mehraufwand, so könne der Auftragnehmer die hierdurch verursachten Kosten allein als Vergütungsansprüche nach § 2 Abs. 5 beziehungsweise § 2 Abs. 6 VOB/B geltend machen. Der Anspruch aus § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B erfasse auch solche Mehrkosten, die sich aus den Auswirkungen der geänderten oder zusätzlichen Leistung auf die Bauzeit ergäben.
18
Darüber hinaus bestehe nach dem Sach- und Streitstand auch die für den Erlass des Grundurteils erforderliche Wahrscheinlichkeit, dass der Klägerin gegen den Beklagten gemäß § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B ein Anspruch auf Ersatz der Kosten für die zusätzliche Vorhaltung von Baugeräten in irgendeiner Höhe zustehe.
19
Dabei sei die Berechnung der gemäß § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B zu vergütenden Stillstandskosten mangels diesbezüglicher Einigung der Parteien auf der Basis der tatsächlich erforderlichen Mehr- und Minderkosten entsprechend den Grundsätzen des § 650c BGB vorzunehmen. Eine generelle Einigung über den Ausgleich der streitgegenständlichen Stillstandskosten in der geltend gemachten Höhe liege nicht vor. Es fehle auch an einer wirksamen Verständigung der Parteien über Teilaspekte der Forderung wie etwa die zugrunde zu legende Berechnungsmethode.
20
Es sei hinreichend wahrscheinlich, dass es aufgrund der geänderten und zusätzlichen Leistungen im Zuge der Schadstoffsanierung zu einem Gerätestillstand gekommen sei und hieraus der Klägerin Kosten entstanden seien. Denn es sei zwischen den Parteien unstreitig, dass der zusätzliche Sanierungsaufwand Einfluss auf den Beginn der Abbrucharbeiten sowie die Gesamtbauzeit gehabt habe und es hierdurch zu einem Stillstand bei dem Geräteeinsatz gekommen sei. Die Feststellung der genauen Stillstandszeiten könne dem Betragsverfahren überlassen bleiben.
21
Diese Stillstandskosten seien schließlich auch entgegen der von dem Beklagten vertretenen Ansicht noch nicht in den vereinbarten Einheitspreisen mitberücksichtigt worden.
22
2. Gegen die das Grundurteil tragenden Ausführungen des Berufungsgerichts wendet sich die Revision ohne Erfolg.
23
Der Senat hat mit Hinweisbeschluss vom 8. Dezember 2021, auf den Bezug genommen wird, Folgendes zur Begründung ausgeführt:
“Ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegt nicht vor.
1. Das Berufungsgericht hat die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 1 ZPO zugelassen, weil die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordere. Bei den Fragen, ob im Falle einer Änderungsanordnung gemäß § 1 Abs. 3, 4 VOB/B auch Gerätestillstandskosten als Teil des Vergütungsanspruchs gemäß § 2 Abs. 5, 6 VOB/B anzusehen seien und ob in diesem Fall die Abrechnung auf der Grundlage der tatsächlich erforderlichen Mehrkosten oder vorkalkulatorisch vorzunehmen sei, handele es sich um grundsätzliche Rechtsprobleme, zu denen der Bundesgerichtshof bislang noch keine Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt habe.
2. Die Fortbildung des Rechts erfordert keine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Klärung der Frage, ob im Falle einer Änderungsanordnung gemäß § 1 Abs. 3, 4 VOB/B Gerätestillstandskosten von einem Anspruch nach § 2 Abs. 5, 6 VOB/B umfasst sein können.
Rechtsfortbildungsbedarf gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 1 ZPO besteht, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen. Das ist der Fall, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (BGH, Beschluss vom 23. Januar 2018 – II ZR 73/16 Rn. 15 m.w.N., juris). Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. In Rechtsprechung und Literatur ist hinreichend geklärt, dass eine zusätzliche Vergütung nach § 2 Abs. 5 VOB/B auch aus mittelbaren bauzeitlichen Auswirkungen wie etwa Gerätestillstand von – unmittelbar Änderungen des Bauentwurfs betreffenden – Anordnungen gemäß § 1 Abs. 3 VOB/B resultieren kann (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 9. Januar 2013 – 1 U 1554/09, BauR 2015, 1488, juris Rn. 302; OLG Hamm, Urteil vom14. April 2005 – 21 U 133/04, BauR 2005, 1480 = NZBau 2006, 180, juris Rn. 36; OLG Braunschweig, Urteil vom 2. November 2000 – 8 U 201/99, BauR 2001, 1739, juris Rn. 100; Althaus/Bartsch, Nachträge am Bau, 2020, Teil 3 Rn. 363; Vygen, BauR 2006, 166, 168; Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, VOB Teile A und B, 7. Aufl., § 2 VOB/B Rn. 429; Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB/B, 21. Aufl., § 2 Abs. 5 Rn. 54; Kuffer/Petersen in: Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 14. Aufl., § 2 Rn. 178; Roquette/Viering/Leupertz, Handbuch Bauzeit, 4. Aufl., Rn. 673; Leinemann/
Leinemann
, VOB/B, 7. Aufl., § 2 Rn. 263; Thode, ZfBR 2004, 214, 220).
Insoweit existiert eine ausreichende Orientierungshilfe. Für eine zusätzliche Vergütung nach § 2 Abs. 6 VOB/B i.V.m. § 1 Abs. 4 VOB/B gilt Entsprechendes (vgl.Roquette/Viering/Leupertz, Handbuch Bauzeit, 4. Aufl., Rn. 673; Thode, ZfBR 2004, 214, 220).
3. Im gegenwärtigen Verfahrensstadium bedarf es nicht zur Fortbildung des Rechts einer Klärung der Frage, ob die Vergütung bei Ansprüchen nach § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B anhand der tatsächlich erforderlichen Mehr- und Minderkosten oder im Wege der vorkalkulatorischen Preisfortschreibung zu bemessen ist. Diese Fragestellung ist für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Revision gegen das vom Berufungsgericht erlassene Grundurteil nicht erheblich.
Ein Grundurteil (§ 304 Abs. 1 ZPO) darf ergehen, wenn ein Anspruch nach Grund und Höhe streitig ist, alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt sind, und wenn nach dem Sach- und Streitstand zumindest wahrscheinlich ist, dass der Anspruch in irgendeiner Höhe besteht (BGH, Urteil vom 6. Juni 2019 – VII ZR 103/16 Rn. 16, BauR 2019, 1655 = NZBau 2019, 635).
Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ist es unabhängig von der zugrunde gelegten Berechnungsmethode wahrscheinlich, dass der Klägerin Vergütungsansprüche nach § 2 Abs. 5, 6 VOB/B in irgendeiner Höhe zustehen.
Danach sind die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Berechnung der Vergütung bei den Ansprüchen gemäß § 2 Abs. 5, 6 VOB/B auf der Basis der tatsächlich erforderlichen Mehr- und Minderkosten (Berufungsurteil Seite 13 bis Seite 16 unter II. 3. a) in einem Grundurteil wie hier unzulässig, weil sie ausschließlich die Höhe der Ansprüche betreffen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Ausführungen, die ausschließlich die Höhe des Anspruchs betreffen, im Grundurteil unzulässig und binden für das Betragsverfahren nicht (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 18. August 2016 – III ZR 325/15 Rn. 11, NJW-RR 2016, 1150; Urteil vom 24. September 2009 – IX ZR 87/08 Rn. 21, FamRZ 2009, 2075; Urteil vom 20. Dezember 2005 – XI ZR 66/05, NJW-RR 2007, 138, juris Rn. 18; Urteil vom 29. Oktober 1959 – III ZR 150/58, VersR 1960, 248, 251; Urteil vom 15. Oktober 1953 – III ZR 182/52, BGHZ 10, 361, juris Rn. 7). Das gilt insbesondere für die Aufstellung von Richtlinien für die Bemessung des Betrags im Grundurteil (vgl. Stein/Jonas/Althammer, ZPO, 23. Aufl., § 304 Rn. 63).
4. Nichts anderes gilt im Ergebnis auch für die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) sowie der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO).

Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass der Klägerin gegen den Beklagten dem Grunde nach Vergütungsansprüche für die zusätzliche Vorhaltung von Baugeräten zustehen.
Auf das Schuldverhältnis ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung anzuwenden, die für ab dem 1. Januar 2002 und bis zum 31. Dezember 2017 geschlossene Verträge gilt, Art. 229 § 5 Satz 1, § 39 EGBGB. Ferner ist die VOB/B in der Fassung von 2012 (im Folgenden nur: VOB/B) anzuwenden.
1. In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Klägerin gegen den Beklagten aufgrund der von ihr ausgeführten Schadstoffsanierung bei den PVC-Böden im Zellentrakt dem Grunde nach ein Vergütungsanspruch nach § 2 Abs. 5 VOB/B für die Vorhaltung von Baugeräten zusteht.
a) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, § 6 Abs. 6 VOB/B stelle eine abschließende Sonderregelung für alle Fälle der Behinderung und Unterbrechung mit der Folge dar, dass Ansprüche nach § 2 Abs. 5 VOB/B betreffend Stillstandskosten während der Unterbrechung oder Verschiebung der Bauzeit von vornherein ausgeschlossen seien. Eine solche abschließende Sonderregelung stellt § 6 Abs. 6 VOB/B nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht dar (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 1970 – VII ZR 184/69, BauR 1971, 202, juris Rn. 43 m.w.N.; Urteil vom 27. Juni 1985 – VII ZR 23/84, BGHZ 95, 128, juris Rn. 25, jeweils zu § 6 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B a.F., der Vorläuferbestimmung von § 6 Abs. 6 VOB/B).
b) Der weitere Einwand der Revision, den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen lasse sich nicht entnehmen, dass seitens des Beklagten eine Änderung des Bauentwurfs vorgenommen worden oder eine andere Anordnung erfolgt sei, greift ebenfalls nicht durch.
aa) Das Berufungsgericht hat als unstreitig festgestellt, dass der Beklagte eine Anordnung getroffen hat, wonach die asbestbelasteten PVC-Böden im Zellentrakt in einem konventionellen Verfahren, das aufwändiger war als das ursprünglich vertraglich vorgesehene, zu sanieren waren.
bb) Das Berufungsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise des Weiteren angenommen, dass es sich bei der genannten Anordnung des Beklagten um eine Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B i.V.m. § 1 Abs. 3 VOB/B handelt.
Als Anordnung im Sinne von § 2 Abs. 5 VOB/B i.V.m. § 1 Abs. 3 VOB/B kommt eine Erklärung in Frage, die die vertragliche Leistungspflicht ändert (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 1992 – VII ZR 129/91, BauR 1992, 759, juris Rn. 8). Ob eine Leistungsänderung in diesem Sinne vorliegt, ist durch Auslegung des Bauvertrags zu ermitteln (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 1993 – VII ZR 118/92,BauR 1993, 595, juris Rn. 24 ff.). Diese Auslegung obliegt dem Tatrichter und ist in der Revisionsinstanz nur eingeschränkt überprüfbar (vgl. BGH, Urteil vom22. Dezember 2011 – VII ZR 67/11 Rn. 12 m.w.N., BGHZ 192, 172).
Die vom Berufungsgericht insoweit vorgenommene Auslegung – Änderung der vertraglichen Leistungspflicht seitens des Beklagten – ist angesichts des dem Vertrag zugrunde gelegten Schadstoffgutachtens und angesichts des ursprünglich vertraglich vorgesehenen Verfahrens zur Entfernung der asbestbelasteten PVC-Böden revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
c) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht des Weiteren angenommen, dass aus der Anordnung bezüglich der Schadstoffsanierung der PVC-Böden ein bauzeitbezogener Aufwand aufgrund der zusätzlichen Vorhaltung von für die Abbrucharbeiten im Bauabschnitt 2 benötigter Baugeräte resultiert und dass hieraus dem Grunde nach eine zusätzliche Vergütung nach § 2 Abs. 5 VOB/B folgt (vgl. vorstehend B. II. 2.).
d) Der von der Revision erhobene Einwand, die Kosten der Vorhaltung der für die Leistungserbringung erforderlichen Geräte seien nach den vertraglichen Bestimmungen mit den vertraglichen Einheitspreisen abgegolten, greift nicht durch. In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Berufungsgericht im Wege der tatrichterlichen Auslegung angenommen, dass nach dem Sinn und Zweck der einschlägigen Bestimmung (vgl. Nr. 3.2 der Technischen Vorbemerkungen 2) mit den Einheitspreisen nur der Aufwand für das Vorhalten von für die Leistungserbringung im ursprünglich vereinbarten Umfang erforderlichen Baugeräten abgegolten ist.
2. In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Berufungsgericht des Weiteren angenommen, dass der Klägerin gegen den Beklagten dem Grunde nach auch ein Vergütungsanspruch gemäß § 2 Abs. 6 VOB/B für die zusätzliche Vorhaltung eines für die Abbrucharbeiten im Bauabschnitt 1 benötigten Baggers infolge der Sanierung der asbesthaltigen Rohrisolierung im Dach des Wirtschaftsgebäudes zusteht.
a) Der Einwand der Revision, die Feststellungen des Berufungsgerichts belegten nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 2 Abs. 6 VOB/B, greift nicht durch.
aa) Das Berufungsgericht hat als unstreitig festgestellt, dass der Beklagte eine Anordnung getroffen hat, wonach die im Verlauf der Asbestsanierung des Wirtschaftsgebäudes aufgefundene, bis dahin unbekannte asbesthaltige Rohrisolierung zusätzlich zu sanieren war.
bb) In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Berufungsgericht die genannte Anordnung des Beklagten als Verlangen nach einer im Vertrag nicht vorgesehenen Leistung im Sinne von § 2 Abs. 6 Nr. 1 Satz 1 VOB/B in Verbindung mit § 1 Abs. 4 VOB/B eingestuft. Revisionsrechtlich beachtliche Fehler bei der dieser Annahme zu Grunde liegenden, im Wege der Auslegung vorzunehmenden Bestimmung des Umfangs der ursprünglich vertraglich geschuldeten Leistung mit dem Ergebnis, dass die angeordnete Sanierung der aufgefundenen asbesthaltigen Rohrisolierung hiervon nicht umfasst war, zeigt die Revision nicht auf. Solche Fehler sind auch sonst nicht ersichtlich.
cc) Die Rüge der Revision, die Feststellungen des Berufungsgerichts belegten weder, dass die Klägerin den Anspruch nach § 2 Abs. 6 VOB/B vor Ausführung der Leistung dem Beklagten gemäß § 2 Abs. 6 Nr. 1 Satz 1 VOB/B angekündigt habe, noch, dass die Ankündigung ausnahmsweise entbehrlich gewesen wäre, greift nicht durch. Denn auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts war eine solche Ankündigung entbehrlich.
Nach der Rechtsprechung des Senats dient die nach § 2 Abs. 6 Nr. 1 Satz 2 VOB/B erforderliche Ankündigung des Auftragnehmers, für eine im Vertrag nicht vorgesehene Leistung eine zusätzliche Vergütung zu beanspruchen, dem Schutz des Auftraggebers. Er soll über drohende Kostenerhöhungen rechtzeitig informiert werden, um danach disponieren zu können. Ein Verlust des Vergütungsanspruchs für eine zusätzliche Leistung tritt daher nicht ein, soweit die Ankündigung im konkreten Fall für den Schutz des Auftraggebers entbehrlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 2001 – VII ZR 111/00, BauR 2002, 312= NZBau 2002, 152, juris Rn. 10). Entbehrlich ist die Ankündigung unter anderem dann, wenn der Auftraggeber bei Forderung der Leistung von ihrer Entgeltlichkeit ausging oder ausgehen musste (BGH, Urteil vom 23. Mai 1996 – VII ZR 245/94, BGHZ 133, 44, juris Rn. 12).
Gemessen hieran war die Ankündigung des Anspruchs vor Beginn der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erforderlichen Sanierungsarbeiten an der asbesthaltigen Rohrisolierung im Dach des Wirtschaftsgebäudes entbehrlich. Denn der Beklagte musste, wenn er nicht von der Entgeltlichkeit dieser Leistung ausgegangen ist, jedenfalls von deren Entgeltlichkeit ausgehen.
b) Soweit die Revision in Bezug auf den Anspruch aus § 2 Abs. 6 VOB/B inhaltsgleiche Rügen wie hinsichtlich des Anspruchs aus § 2 Abs. 5 VOB/B erhebt, kann auf die dortigen Ausführungen, die hier entsprechend gelten, verwiesen werden.”
24
3. An diesen Ausführungen hält der Senat fest. Die im Anschluss an den Hinweisbeschluss des Senats erfolgte Stellungnahme der Revision im Schriftsatz vom 1. Februar 2022 gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.
25
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Pamp     
      
Kartzke     
      
Jurgeleit
      
Sacher     
      
Brenneisen     
      


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