Baurecht

Vorausleistungen auf künftigen Erschließungsbeitrag

Aktenzeichen  6 ZB 17.840

Datum:
18.8.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 124743
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG Art. 5a
BauGB § 132 Nr. 4, § 133 Abs. 3 S. 1, § 242 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Herstellungsmerkmale sollen es nach dem Gesetzeszweck den Beitragspflichtigen ermöglichen, durch einen Vergleich des satzungsmäßig festgelegten Bauprogramms mit dem tatsächlichen Zustand, in dem sich die gebaute Anlage befindet, ein Bild darüber zu verschaffen, ob die Anlage endgültig hergestellt ist oder nicht. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ob, wann, wie oft und in welcher Höhe eine Gemeinde innerhalb des von Art. 5a BayKAG iVM § 133 Abs. 3 S. 1 BauGB vorgegebenen Rahmens Vorausleistungen auf den künftigen Erschließungsbeitrag verlangt, liegt in ihrem Ermessen, wobei der Begriff „können“ in diesem Zusammenhang ausdrückt, dass den Gemeinden lediglich eine entsprechende Befugnis zur Erhebung von Vorausleistungen eingeräumt wird, sie aber nicht im Einzelfall bei der Heranziehung zu einer Vorausleistung eine Ermessensentscheidung zu treffen hat. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Straße (oder Teileinrichtung) überhaupt und ob sie nach Art und Umfang oder den dafür aufgewandten Kosten erforderlich ist, steht der Gemeinde ein weiter, gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Entscheidungsspielraum zu. (Rn. 11 und 23) (redaktioneller Leitsatz)
4. Für die Rechtmäßigkeit der Erhebung von Vorausleistungen kommt es – anders als für die Erhebung des endgültigen Erschließungsbeitrags – nicht darauf an, dass die Erschließungsanlage nach § 125 BauGB rechtmäßig hergestellt ist. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
5. Eine vorhandene (historische) Straße iSd § 242 Abs. 1 BauGB (nunmehr Art. 5a Abs. 7 S. 1 KAG) liegt vor‚ wenn sie zu irgendeinem Zeitpunkt vor Inkrafttreten des BBauG am 30.6.1961 Erschließungsfunktion besessen hat und für diesen Zweck – nach den damaligen rechtlichen Anforderungen – endgültig hergestellt war. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 2 K 16.296, Au 2 K 17.119 2017-02-23 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 23. Februar 2017 – Au 2 K 16.296 und Au 2 K 17.119 – wird abgelehnt.
II. Die Kläger haben die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 24.543,76 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Kläger‚ die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen‚ hat keinen Erfolg.
Die Kläger wurden von der beklagten Gemeinde mit Bescheiden vom 12. August 2015 und 6. Dezember 2016 für das in ihrem gemeinsamen Eigentum stehende Grundstück FlNr. 409/3 zu Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag für die erstmalige endgültige Herstellung der B. Straße in Höhe von 13.700,00 € und 10.843,76 € herangezogen. Das Verwaltungsgericht hat mit dem angegriffenen Urteil die Klagen gegen beide Bescheide für unbegründet erachtet und abgewiesen.
Die Zulassungsgründe, die von den Klägern innerhalb der Zwei-Monats-Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil geltend worden sind und auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO), liegen nicht vor.
1. An der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Dieser Zulassungsgrund läge vor, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würde (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163/1164; B.v. 23.3.2007 – 1 BvR 2228/02 – BayVBl 2007, 624). Das ist nicht der Fall.
a) Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die den Vorausleistungsbescheiden zugrunde liegende Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten vom 16. Oktober 2012 (EBS 2012) wirksam ist. Die Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 1 EBS 2012, wonach Anbaustraßen endgültig hergestellt sind, wenn sie (unter anderem) „eine Pflasterung, eine Asphalt-, Teer, Beton- oder ähnliche Decke neuzeitlicher Bauweise mit dem technisch notwendigen Unterbau“ aufweisen, ist entgegen der Ansicht der Kläger hinreichend bestimmt.
Mit dieser Vorschrift ist die Beklagte dem Auftrag des Art. 5a BauGB i.V. mit § 132 Nr. 4 BauGB nachgekommen, die Merkmale der endgültigen Herstellung einer Erschließungsanlage durch Satzung zu regeln. Herstellungsmerkmale sollen es nach dem Gesetzeszweck den Beitragspflichtigen ermöglichen, durch einen Vergleich des satzungsmäßig festgelegten Bauprogramms mit dem tatsächlichen Zustand, in dem sich die gebaute Anlage befindet, ein Bild darüber zu verschaffen, ob die Anlage endgültig hergestellt ist oder nicht. Mit dem damit angesprochenen Bestimmtheitserfordernis ist § 8 Abs. 1 Nr. 1 EBS 2012 vereinbar. Der Zusatz „neuzeitliche Bauweise“ bezeichnet nicht etwa eine zusätzliche Anforderung an sämtliche aufgeführten Belagsarten, was in der Tat Bedenken begegnen würde. Er bezieht sich allein auf eine „ähnliche Decke“ und ist dahin zu verstehen, dass die Decke neben Asphalt, Teer, Beton oder Pflaster auch aus einem ähnlichen Material neuzeitlicher Bauweise bestehen darf. Mit diesem Inhalt ist die Merkmalsregelung hinreichend bestimmt und unbedenklich (vgl. BVerwG, U.v. 15.5.2013 – 9 C 3.12 – NVwZ 2013, 1293 Rn. 16 f.).
Ebenfalls keinen Bedenken begegnet der – alle Belagsarten erfassende – Zusatz „mit dem technisch notwendigen Unterbau“. Er darf allerdings bei gesetzeskonformer Auslegung nicht so verstanden werden, dass es um die Beachtung technischer Regelwerke gehen würde. Soweit ihm überhaupt eigenständige Bedeutung zukommen sollte (verneinend BayVGH, B.v. 23.2.2015 – 6 ZB 13.978 – juris Rn. 18 m.w.N.), kann allenfalls entscheidend sein, dass irgendein künstlich hergestellter Unterbau unterhalb der Oberflächenbefestigung vorhanden ist (vgl. BayVGH, B.v. 13.6.2016 – 6 ZB 14.2404 – juris Rn. 7 m.w.N.). Von diesem Verständnis ist auch das Verwaltungsgericht ausgegangen und hat im Rahmen der Anwendung keine weitergehenden Anforderungen etwa im Sinn eines bestimmten technischen Mindeststandards gestellt.
b) Der Heranziehungsbescheid über die erste Vorausleistung ist entgegen der Ansicht der Kläger nicht deshalb rechtswidrig, weil ihm die Ausübung von Ermessen nicht zu entnehmen ist.
Ob, wann, wie oft und in welcher Höhe eine Gemeinde innerhalb des von Art. 5a KAG in Verbindung mit § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB vorgegebenen Rahmens Vorausleistungen auf den künftigen Erschließungsbeitrag verlangt, liegt in ihrem Ermessen. Das Gesetz schreibt allerdings nicht vor, dass die Gemeinde im Einzelfall bei der Heranziehung zu einer Vorausleistung eine Ermessensentscheidung zu treffen hat. Vielmehr drückt der Begriff „können“ in diesem Zusammenhang aus, dass den Gemeinden eine entsprechende Befugnis zur Erhebung von Vorausleistungen eingeräumt wird (VGH Kassel, B.v. 12.9.2014 – 5 B 1124/14 – juris Rn. 3). Insofern ist auf Seiten der Gemeinde – ähnlich wie bei einer Abschnittsbildung nach § 130 Abs. 2 Satz 1, 2 BauGB (dazu BayVGH, U.v. 13.4.2017 – 6 B 14.2720 – juris Rn. 27) – ein sog. innerdienstlicher Ermessensakt zur Erhebung von Vorausleistungen erforderlich, aber auch ausreichend. Dieser muss eindeutig zumindest in irgendwelchen Vermerken, Niederschriften, Abrechnungsunterlagen usw. zum Ausdruck kommen und insofern nachweisbar sein (vgl. BVerwG, U.v. 9.12.2015 – 9 C 27.14 – BVerwGE 153, 306 Rn. 26 m.w.N.). Das ist bei der in Streit stehenden Vorausleistungserhebung nach den insoweit unbestrittenen Ausführungen des Verwaltungsgerichts in hinreichender Weise geschehen. Durch die entsprechenden Heranziehungsbescheide wird die innerdienstliche Ermessensentscheidung (nur) nach außen kundbar gemacht; Ausführungen zu den Ermessenserwägungen müssen sie nicht enthalten. Der von den Klägern angeführten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, B .v. 12.12.1995 – 8 B 171.95 –) lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen.
c) Ebenfalls keinen Zweifeln begegnet die Annahme des Verwaltungsgericht, die endgültigen Beitragspflichten seien noch nicht entstanden, weil der nach § 8 Abs. 4 EBS 2012 zu den Herstellungsmerkmalen zählende Eigentumserwerb an den für die Erschließungsanlage erforderlichen Grundstücken noch nicht abgeschlossen ist. Der – nicht weiter erläuterte – Einwand der Kläger, „der Überbau (sei) nicht plangemäß“ erfolgt und deshalb nicht erforderlich, steht dem nicht entgegen. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Straße (oder Teileinrichtung) überhaupt und ob sie nach Art und Umfang oder den dafür aufgewandten Kosten erforderlich ist, steht der Gemeinde ein weiter, gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Entscheidungsspielraum zu (vgl. BayVGH, B.v. 27.2.2012 – 6 ZB 09.1573 – juris Rn. 9; B.v. 29.6.2016 – 6 ZB 15.2786 – juris Rn. 13 m.w.N.). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagte diesen Spielraum überschritten haben könnte. Selbst wenn sie von den Festsetzungen des einschlägigen Bebauungsplans abgewichen sein und diese Abweichung nach Maßgabe von § 125 BauGB beachtlich sein sollte, würde das nicht zur Rechtswidrigkeit der in Streit stehenden Vorausleistungsbescheide führen. Denn für die Rechtmäßigkeit der Erhebung von Vorausleistungen kommt es – anders als für die Erhebung des endgültigen Erschließungsbeitrags – nicht darauf an, dass die Erschließungsanlage nach § 125 BauGB rechtmäßig hergestellt ist (vgl. BayVGH, U.v. 7.5.2015 – 6 B 13.2519 – juris Rn. 29; BVerwG, U.v. 21.10.1994 – 8 C 2.93 – DVBl 1995, 63; U.v. 12.5.2016 – 9 C 11.15 – BVerwGE 155, 171 Rn. 28 m.w.N.).
d) Das Verwaltungsgericht hat mit überzeugenden Erwägungen angenommen, dass es sich bei der B. Straße nicht um eine bereits bei Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes am 30. Juni 1961 vorhandene Erschließungsanlage handelt, die dem Anwendungsbereich des Erschließungsbeitragsrechts (Art. 5a KAG i.V.m. §§ 127 ff. BauGB) entzogen wäre und dem Straßenausbaubeitragsrecht (Art. 5 Abs. 1 Sätze 1 und 3 KAG) unterfallen würde.
Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine vorhandene (historische) Straße im Sinn des § 242 Abs. 1 BauGB (nunmehr Art. 5a Abs. 7 Satz 1 KAG) vor‚ wenn sie zu irgendeinem Zeitpunkt vor Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes am 30. Juni 1961 Erschließungsfunktion besessen hat und für diesen Zweck – nach den damaligen rechtlichen Anforderungen – endgültig hergestellt war (vgl. BayVGH‚ B.v. 21.11.2013 – 6 ZB 11.2973 – juris Rn. 7; B.v. 19.1.2015 – 6 ZB 13.1548 – juris Rn. 6; B.v. 3.7.2017 – 6 ZB 16.2272 – juris Rn. 15 m.w.N.).
In Anwendung dieses rechtlichen Maßstabs hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass es an beiden Voraussetzungen fehlt. Zum einen habe die etwa 270 m lange B. Straße damals noch keine Erschließungsfunktion gehabt. Zum anderen habe sie nicht den damals dafür erforderlichen Ausbaustandard erfüllt, weil kein frostsicherer Unterbau vorhanden gewesen sei. Beiden, jeweils für sich tragenden Erwägungen hält der Zulassungsantrag lediglich die eigene gegenteilige Wertung der Kläger entgegen, ohne damit beachtliche Zweifel an der gerichtlichen Begründung zu wecken.
Die Feststellung, die B. Straße habe vor dem maßgeblichen Stichtag keine Erschließungsfunktion besessen, sondern sei als Gemeindeverbindungs Straße durch den Außenbereich verlaufen, hat das Verwaltungsgericht auf zwei Luftbilder aus den Jahren 1985 und 1997 sowie auf einen Lageplan mit Beiblatt gestützt, der die Bebauungshistorie an der Straße anhand der Jahreszahlen der Baumaßnahmen darstellt. Diese Unterlagen stellen keine bloßen Momentaufnahmen dar, sondern lassen in ihrer Gesamtschau – ohne weiteres – Rückschlüsse auf die bauliche Entwicklung entlang der B. Straße über Jahrzehnte hinweg zu und tragen – offenkundig – die von den Klägern bezweifelte Feststellung zur fehlenden Erschließungsfunktion vor dem 30. Juni 1961. Dafür spricht im Übrigen auch der Bebauungsplan „B. Straße“ aus dem Jahr 2004, in dessen Begründung ausgeführt wird, das „das Bauland … momentan als Grünland, teilweise bereits als Hofstelle … landwirtschaftlich genutzt“ wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach ständiger Rechtsprechung in unbeplanten Gebieten – wie hier vor 2004 – eine Straße die Funktion einer Erschließungsanlage nicht schon dadurch erhält, dass vereinzelt Grundstücke an ihr bebaut sind. Sie ändert ihre rechtliche Qualität vielmehr erst dann, wenn an ihr eine gehäufte Bebauung einsetzt, das heißt – zumindest für eine Straßenseite – bauplanungsrechtlich Innenbereichslage im Sinn von § 34 Abs. 1 BBauG/ BauGB zu bejahen ist. Das verlangt, dass die maßgeblichen Grundstücke in einem Bebauungszusammenhang liegen, der einem Ortsteil angehört (BayVGH, B. v. 21.11.2013 – 6 ZB 11.2973 – juris Rn. 7 m.w.N.; B.v. 9.8.2016 – 6 CS 16.1032 – juris Rn. 9). Anhaltspunkte dafür, dass das entlang der B. Straße vor 1961 der Fall gewesen sein könnte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Wann die B. Straße nach dem genannten Stichtag Erschließungsfunktion erlang hat, ist insoweit unbeachtlich.
Auch wenn es darauf nicht mehr entscheidungserheblich ankommt, würde die B. Straße, wie das Verwaltungsgericht ebenfalls überzeugend ausgeführt hat, auch deshalb keine vorhandene Erschließungs Straße darstellen, weil sie für den (unterstellten) Zweck der Erschließung nicht nach den damaligen Anforderungen endgültig hergestellt war. Seit 1936 war nach ständiger Rechtsprechung für die Fahrbahn ein kunstgerechter Unterbau erforderlich, der auch in ländlichen Gemeinden frostsicher ausgebaut sein musste (BayVGH, B.v. 24.6.2003 – 6 ZB 00.2159 – juris Rn. 9). Daran fehlte es nach den erstinstanzlichen Feststellungen. Der Einwand der Kläger, die Straße habe nach der gutachtlichen Stellungnahme vom 4. November 2013 über einen frostsicheren Gesamtaufbau verfügt, kann keine beachtlichen Zweifel begründen. Denn dort wird zwar ausgeführt, dass an der Untersuchungsstelle RKS 3 ein frostsicherer Gesamtaufbau habe nachgewiesen werden können; zugleich wird aber angefügt, dass dies an der weiterem im der B. Straße gelegenen Untersuchungsstelle RKS 1 nicht der Fall gewesen sei (S. 17).
e) Dem Verwaltungsgericht ist weiter in der Annahme beizupflichten, dass die B. Straße unter Geltung des Erschließungsbeitragsrechts erst durch die streitige Straßenbaumaßnahme endgültig hergestellt wird, weil es zuvor sowohl an einer nach der Erschließungsbeitragssatzung erforderlichen funktionsfähigen Straßenbeleuchtung als auch einer Straßenentwässerung gefehlt hat.
Eine funktionsfähige, der Ausdehnung der Erschließungsanlage und den örtlichen Verhältnissen angepasste Beleuchtung (zum Maßstab BayVGH, B.v. 29.6.2016 – 6 ZB 15.2786 – juris Rn. 7) war nicht vorhanden. Nach den unbestrittenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts verfügte die B. Straße nur über zwei Straßenleuchten, eine auf Höhe des Grundstücks FlNr. 409/5, die zweite bei dem Grundstück FlNr. 409/1. Es steht außer Frage, dass diese beiden Leuchten nicht ausreichten, um die ca. 270 m lange und leicht gekrümmte B. Straße in ihrer gesamten Länge ausreichend für eine durchgehende Erschließungsfunktion zu beleuchten.
Der weiteren Annahme des Verwaltungsgerichts, die Straßenentwässerung sei ebenfalls – für Erschließungszwecke – nicht funktionsfähig gewesen, weil keine ausreichende Zahl von Straßeneinläufen vorhanden gewesen sei, hält der Zulassungsantrag nur die gegenteilige Behauptung entgegen. Das begründet schon deshalb keine ernstlichen Zweifel, weil das Verwaltungsgericht als Bestätigung seiner Ansicht auf den eigenen Vortrag der Klägerseite verweist, wonach es bei stärkeren Regenereignissen immer wieder zu Problemen gekommen sei.
f) Der Einwand der Kläger, das vom Verwaltungsgericht als wirksam angesehene Bauprogramm der Beklagten für die flächenmäßige Teileinrichtungen der B. Straße sei in seiner kommunalrechtlichen Wirksamkeit zweifelhaft und weiche vom Bebauungsplan ab, geht fehl.
Welche flächenmäßigen Teileinrichtungen in welchem Umfang die Gesamtfläche der jeweiligen Straße in Anspruch nehmen sollen, kann in der Erschließungsbeitragssatzung festgelegt werden, muss es aber nicht und wird es in der Regel – so auch im vorliegenden Fall – nicht, weil die Flächenaufteilung von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Es genügt, dass die Gemeinde das in einem formlosen, auf die konkrete Einzelanlage bezogenen Bauprogramm bestimmt. Eine ausdrückliche Entscheidung empfiehlt sich, ist aber nicht zwingend notwendig. Das Bauprogramm kann sich auch (mittelbar) aus Beschlüssen des Gemeinderats oder seiner Ausschüsse sowie den solchen Beschlüssen zugrundeliegenden Unterlagen und selbst aus der Auftragsvergabe ergeben (vgl. BayVGH, U.v. 24.2.2017 – 6 BV 15.1000 – BayVBl 2017, 522 Rn. 31, 35 m.w.N.). Gemessen an diesem Maßstab gehen die Einwände der Kläger ins Leere. Der Gemeinderat der Beklagten hat das Bauprogramm nicht etwa in dem einschlägigen Bebauungsplan festgelegt; denn dieser setzt nur die Straßenflächen insgesamt fest, ist aber, wie die Kläger selbst ausführen, hinsichtlich der Unterteilung zu konkreten Zwecken (Fahrbahn, Gehweg, Seitenstreifen usw.) unbestimmt. Das flächenmäßige Bauprogramm hat er aber mit dem vom Verwaltungsgericht festgestellten Inhalt jedenfalls konkludent spätestens mit der Auftragsvergabe gebilligt. Ob es den Festsetzungen des Bebauungsplans entspricht, ist unerheblich. Denn die Erhebung einer Vorausleistung hängt, wie oben bereits ausgeführt (1. c), nicht davon ab, ob die – bauprogrammgemäße – Herstellung der Erschließungsanlage nach Maßgabe des § 125 BauGB rechtmäßig ist.
g) Soweit die Kläger sich gegen die Höhe der Vorausleistungen wenden und meinen, der Gehweg und das Trennsystem seien nicht erforderlich gewesen und die „eklatante Kostensteigerung“ bei der Auftragsvergabe sei vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt worden, werden keine beachtlichen Zweifel aufgeworfen, die der Klärung in einem Berufungsverfahren bedürften.
Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Straße (oder Teileinrichtung) überhaupt und ob sie nach Art und Umfang oder den dafür aufgewandten Kosten erforderlich ist, steht der Gemeinde, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ein weiter Entscheidungsspielraum zu (vgl. BayVGH, B.v. 29.6.2016 – 6 ZB 15.2786 – juris Rn. 14; B.v. 27.2.2012 – 6 ZB 09.1573 – juris Rn. 9). Durch das Merkmal der Erforderlichkeit wird lediglich eine äußerste Grenze markiert, die erst überschritten ist, wenn die von der Gemeinde im Einzelfall gewählte Lösung sachlich schlechthin unvertretbar ist (BVerwG, U. v. 3.3.1995 – 8 C 25.93 – NVwZ 1995, 1208/1209; BayVGH, B.v. 6.12.2012 – 6 ZB 12.187 – juris Rn. 9; U.v. 11.12.2015 – 6 N 14.1743 – juris Rn. 34). Für ein Überschreiten dieser Grenze ist kein greifbarer Anhaltspunkt vorgetragen oder ersichtlich.
2. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der (Rechtssatz-)Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) liegt nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat bei Auslegung und Anwendung des in § 8 Abs. 1 Nr. 1 EBS 2012 geregelten Herstellungsmerkmals („eine Pflasterung, eine Asphalt-, Teer, Beton- oder ähnliche Decke neuzeitlicher Bauweise mit dem technisch notwendigen Unterbau“) keinen Rechtssatz aufgestellt, der von einem Rechtssatz in den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 15.2.2013 – 9 C 3.12 – NVwZ 2013, 1293 ff.) oder des Senats (BayVGH, B.v. 13.6.2016 – 6 ZB 14.2404 – juris) abweicht, sondern hat im Gegenteil diese Rechtsprechung ausdrücklich und – wie oben (1. a) ausgeführt – zutreffend berücksichtigt.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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