Baurecht

Voraussetzungen des Drittschutzes für benachbarte Grundeigentümer im Baugenehmigungsverfahren

Aktenzeichen  15 CS 16.1349

Datum:
28.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
DIN 18920
BayBO BayBO Art. 68 Abs. 4

 

Leitsatz

Regelungen wie DIN-Normen, Verwaltungsvorschriften oder Rechtsverordnungen können selbst keinen Nachbarschutz vermitteln; vielmehr ist eine drittschützende Rechtsnorm notwendig die dann durch untergesetzliche Normen ausgestaltet werden kann.   (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

5 S 16.803 2016-06-13 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I.
Die Beschwerde wird verworfen.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Gegenstand der Beschwerde ist eine Eilentscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 13. Juni 2016, mit der der Antrag des Miteigentümers eines Nachbargrundstücks vom 30. Mai 2016, die aufschiebende Wirkung einer Klage vom 23. Februar 2016 gegen die Genehmigung vom 29. Januar 2016 für die Bebauung eines südlich benachbarten Grundstücks anzuordnen, abgelehnt wurde.
Die statthafte (§ 146 Abs. 1 VwGO) sowie form- und fristgerecht (§ 147 Abs. 1, § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) eingelegte Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den Erfordernissen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO, da sie sich nicht mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzt.
Auf den Seiten 11 und 12 (Rn. 35 bis 39) begründet die erstinstanzliche Entscheidung inhaltlich zutreffend, weshalb der Antragsteller sich mangels eines durch die jeweiligen Vorschriften vermittelten Drittschutzes weder auf einen Verstoß gegen die Verordnung zum Schutz des Baumbestands im Stadtgebiet von Augsburg noch auf eine etwaige Unrichtigkeit der Bauvorlagen berufen könne. Da die Baugenehmigung gemäß Art. 68 Abs. 4 BayBO auch unbeschadet der privaten Rechte Dritter ergehe, sei der Antragsteller wegen des Schutzes der auf seinem Grundstück stehenden Baumgruppe auf den Zivilrechtsweg zu verweisen. Für eine Beeinträchtigung der Bäume durch die Baugenehmigung ergäben sich aus den genehmigten Bauplänen im Übrigen keine Anhaltspunkte. Vielmehr würden in der Baugenehmigung durch Auflagen konkrete Maßnahmen und Vorgaben nach DIN 18920 (vom Juli 2014) zum Schutz des Baumbestandes vorgeschrieben.
Die Beschwerde rügt, dass „der Baukörper jedoch lediglich einen Abstand von 5 m Entfernung zum Stammmittelpunkt aufweist“, was den Anforderungen der DIN 18920 widerspreche, wonach der gemäß der DIN18920 zu schützende Wurzelbereich im vorliegenden Fall in einem Abstand von ca. 10 m Entfernung vom genannten Punkt ende. Das genehmigte Bauwerk könne also nur unter Verstoß gegen die als Auflage in der Baugenehmigung enthaltene DIN 18920, die dem Schutz der Bäume auf seinem Grundstück diene, errichtet werden. Das führe zu einer Verletzung seiner subjektiven Rechte. Wegen des Widerspruchs zwischen dem von der DIN 18920 geforderten Mindestabstand der Baugrube und der Lage des geplanten Baukörpers sei die Baugenehmigung auch offensichtlich unrichtig, da widersprüchlich und aufzuheben.
Dieses Vorbringen verfehlt die Anforderungen, die das Gesetz an den Inhalt einer Beschwerdebegründung stellt. Es erschöpft sich in einer Wiederholung der erstinstanzlich mit Schriftsätzen vom 30. Mai und 10. Juni 2016 vorgebrachten Gesichtspunkte. Mit den die Entscheidung des Verwaltungsgerichts tragenden Gründen des fehlenden Drittschutzes der einschlägigen Vorschriften befasst sich die Beschwerde nicht.
Stattdessen wird ohne nähere Erläuterung pauschal behauptet, dass die DIN 18920 „dem Schutz der Bäume auf dem Grundstück des Antragstellers diene“. Damit zeigt die Beschwerde jedoch auch keinen möglichen Verstoß eigener subjektiv- öffentlicher Rechte des Antragstellers auf.
Die DIN 18920 vom Juli 2014 dient nach ihrer Nr. 1 (Anwendungsbereich) zwar allgemein u. a. dem Schutz von zu erhaltenden Bäumen. Allein aus den darin enthaltenen Handlungsanweisungen bzw. -empfehlungen kann ein Drittschutz für benachbarte Grundeigentümer im Baugenehmigungsverfahren aber weder allgemein noch im Einzelfall hergeleitet werden.
Nachbarschutz vermitteln regelmäßig nur drittschützende Rechtsnormen, nicht aber die (nur) zur näheren inhaltlichen Bestimmung von gesetzlichen Anforderungsprofilen bestimmten DIN-Normen, Verwaltungsvorschriften (Beispiel: TA Lärm) oder Rechtsverordnungen (Beispiel: 18. BImSchV). Mit anderen Worten: erst wenn das materiell anwendbare Baurecht eine drittschützende Vorschrift bereit hält, wie beispielsweise das Rücksichtnahmegebot, kann im Einzelfall zur genaueren Bestimmung des Maßes dessen, was dem Nachbarn zugemutet werden kann, auf einschlägige untergesetzliche Normen zurückgegriffen werden.
Im vorliegenden Fall jedoch gibt es keine die Nachbarn schützenden Vorschriften des Bau- oder Naturschutzrechts, wie das Verwaltungsgericht bereits ausgeführt hat. Die Baugenehmigung ergeht nach Art. 68 Abs. 4 BayBO unbeschadet privater Rechte Dritter. Die angebliche Undurchführbarkeit der in der Baugenehmigung enthaltenen Auflagen berührt allenfalls die öffentlichrechtliche Situation der Bauherrin, nicht jedoch subjektivöffentliche Rechte des Antragstellers.
Kosten: § 154 Abs. 2, Abs. 3 Halbs. 1, § 162 Abs. 3, § 154 Abs. 3 Halbs. 1 VwGO. Streitwert: § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2,
§ 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nr. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ-Beilage 2013, 57 ff.) – wie Verwaltungsgericht.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 VwGO).


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