Baurecht

Vorbescheid, Reihenhäuser, Außenbereich.

Aktenzeichen  9 ZB 18.1612

Datum:
15.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41455
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 71
BauGB § 35
BauGB § 34 Abs. 1

 

Leitsatz

Verfahrensgang

AN 3 K 17.1500 2018-06-12 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldnerinnen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 30.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerinnen begehren die Erteilung eines baurechtlichen Vorbescheids, durch den die Bebaubarkeit ihrer Grundstücke mit vier Reihenhäusern geklärt werden soll. Für die betreffenden Grundstücke existiert kein Bebauungsplan. Der Flächennutzungsplan weist im entsprechenden Bereich eine Grünfläche aus und im aktuellen Entwurf des Regionalplans sind die Flächen als Trenngrün vorgesehen.
Das Verwaltungsgericht hat die Entscheidungen der Beigeladenen, dem Vorhaben ihr gemeindliches Einvernehmen zu verweigern und des Beklagten, den Antrag auf Erteilung eines Vorbescheids abzulehnen, bestätigt und die entsprechenden Klagen abgewiesen. Es handele sich um ein nicht privilegiertes Vorhaben im Außenbereich, das wegen der Beeinträchtigung öffentlicher Belange bauplanungsrechtlichen Vorschriften widerspreche. Das Vorhaben sei selbst dann bauplanungsrechtlich unzulässig, wenn man unterstelle, dass es im Innenbereich liege.
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgen die Klägerinnen ihr Rechtsschutzziel weiter und machen ernstliche Zweifel hinsichtlich der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung geltend. Der Beklagte und die Beigeladene verteidigen das erstinstanzliche Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie des vorgelegten Behördenakts verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. In rechtlich nicht zu beanstandender Weise ist das Verwaltungsgericht vor dem Hintergrund des von ihm durchgeführten Augenscheins davon ausgegangen, die Grundstücke der Klägerinnen lägen nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB, sondern im baulichen Außenbereich (§ 35 BauGB) in einer Splittersiedlung, zu deren Verfestigung das klägerische Vorhaben beitrüge. Die für die Vorhabengrundstücke maßgebliche Umgebungsbebauung erreiche nicht das Gewicht eines Ortsteils und besitze keine organische Siedlungsstruktur. Das Vorhaben der Klägerinnen sei deshalb planungsrechtlich unzulässig und nicht genehmigungsfähig. Der Senat nimmt zunächst gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug auf diese zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils und sieht von einer weiteren Begründung ab. Lediglich ergänzend bleibt im Hinblick auf das Zulassungsvorbringen folgendes zu bemerken:
Die Klägerinnen sind der Auffassung, ihre Grundstücke lägen nicht im Außenbereich (§ 35 BauGB), sondern innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Das Verwaltungsgericht habe sich bei der insoweit anzustellenden Gesamtbetrachtung von unzutreffenden Erwägungen leiten lassen. Unter teilweiser Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens machen sie insbesondere geltend, der maßgebliche Bebauungszusammenhang umfasse entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht lediglich vier, sondern tatsächlich neun bzw. zehn bebaute (vor allem auch südlich der S. straße gelegene) Grundstücke und besitze deshalb ohne jeden Zweifel ein „gewisses Gewicht“ im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung, welches für die Annahme eines Ortsteils nach § 34 Abs. 1 BauGB ausreiche. Auch eine organische Siedlungsstruktur könne dem gesamten Gebiet nördlich der Bahntrasse nicht ernstlich abgesprochen werden.
Dieses Vorbringen verhilft ihrem Zulassungsbegehren nicht zum Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat eingehend begründet, dass es in dieser Hinsicht – entgegen der Auffassung der Klägerinnen – nicht auf das gesamte bebaute Gebiet nördlich der Bahntrasse ankommt. Denn vor allem die dort südlich der S. straße gelegenen Grundstücke zählten aufgrund der trennenden Wirkung dieser Straße nicht mehr zum maßgeblichen Bebauungsumgriff und die beschriebene Unterbrechung des Bebauungszusammenhangs durch die S. straße werde auch nicht durch die Bahntrasse überwunden. Ungeachtet dessen fehle es dem gesamten Gebiet nördlich der Bahntrasse – selbst wenn man es zum maßgeblichen Umfeld des streitgegenständlichen Vorhabens hinzurechnen und diesem so möglicherweise ein „gewisses Gewicht“ einräumen würde – jedenfalls an einer organischen Siedlungsstruktur (UA S. 12 ff.). Diese Einschätzung ist aus zulassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden und nicht zuletzt anhand der annähernd fünfzig anlässlich des gerichtlichen Augenscheins gefertigten Fotos (Bl. 81 VA) nachvollziehbar. Die Bilder bestätigen den Eindruck des Verwaltungsgerichts, dass es sich bei den vorhandenen Gebäuden auf ausgedehnten Grünflächen um eine weitgehend regellose Bebauung im Außenbereich handelt.
Die angefochtene Entscheidung stellt sich aber noch aus einem anderen Grund als richtig dar: Das erstinstanzliche Gericht hat – selbstständig tragend – festgestellt, das klägerische Vorhaben füge sich selbst bei unterstellter Annahme eines Innenbereichs nach § 34 Abs. 1 BauGB schon aufgrund seiner Größe nicht in die vorhandene Bebauungsstruktur ein. Hierzu verhält sich das Zulassungsvorbringen nicht. Ist aber eine angegriffene Entscheidung – wie hier – auf mehrere selbstständig tragende Begründungen gestützt, setzt die Zulassung der Berufung voraus, dass für jeden dieser Gründe die Zulassungsvoraussetzungen entsprechend den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt werden (vgl. W.-R. Schenke in: Kopp, VwGO, 27. Auflage 2021, § 124 a Rn. 7). Das ist hier nicht der Fall. Soweit die Klägerinnen in diesem Zusammenhang vortragen, „sie seien jederzeit bereit, sich bei der Bebauung ihrer Grundstücke an der Bestandsbebauung in der Umgebung zu orientieren“ und damit ihr Vorhaben den Gegebenheiten anzupassen, unterliegt eine eventuell abgewandelte Planung nicht der rechtlichen Beurteilung im vorliegenden Verfahren.
Auch der weitere Einwand der Klägerinnen, in dem betreffenden Gebiet seien „in jüngerer Zeit“ tatsächlich mehrere Baugenehmigungen erteilt worden, verfängt nicht. Soweit er ausreichend substantiiert ist, wurde er aufgrund der Vorlage eines Schreibens der Beigeladenen eindeutig widerlegt: Richtig ist sonach vielmehr, dass auf eine entsprechende Anfrage eines Bauwerbers zu einer Bebauung mit einem Mehrfamilienhaus das gemeindliche Einvernehmen mit der Begründung verweigert wurde, das betreffende Grundstück liege im Außenbereich, der Flächennutzungsplan stehe dem Vorhaben entgegen und die Splittersiedlung solle nicht weiter verfestigt werden.
Und schließlich können die Klägerinnen auch aus einem von ihnen vorgelegten Schreiben der Beigeladenen vom 13. März 1979 nichts zu ihren Gunsten herleiten. Dieses enthält schon deshalb keine Zusicherung der Bebaubarkeit ihrer Grundstücke, weil es nicht von der zuständigen Behörde erstellt wurde.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 VwGO. Die Beigeladene hat sich im Zulassungsverfahren geäußert und einen Antrag gestellt. Es entspricht deshalb der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten erstattet erhält (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG und entspricht der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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