Baurecht

Vorläufiges Außerkraftsetzen einer Veränderungssperre gem. § 14 Abs. 1 BauGB wegen reiner Negativplanung

Aktenzeichen  1 NE 21.2266

Datum:
9.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 34473
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47 Abs. 6
BauGB § 1 Abs. 3, § 14 Abs. 1

 

Leitsatz

Zielt die Planung einer Gemeinde, die sie mit einer Veränderungssperre gem. § 14 Abs. 1 BauGB in Bezug auf den Erhalt bzw. die Förderung eines ansässigen landwirtschaftlichen Betriebs begründet, ersichtlich nicht auf den Erhalt bzw. die Förderung der landwirtschaftlichen Nutzung, sondern geht es der Gemeinde mit der Veränderungssperre um den Schutz der mit weiteren Bauleitplänen zu verwirklichenden zusätzlichen Wohnbebauung, liegt eine reine Negativ- oder Verhinderungsplanung vor, die gegen § 1 Abs. 3 BauGB verstößt. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Veränderungssperre für den Geltungsbereich des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans „L* … …“ der Antragsgegnerin, bekannt gemacht am 3. März 2021, wird vorläufig außer Kraft gesetzt.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die von der Antragsgegnerin am 1. März 2021 beschlossene und am 3. März 2021 bekanntgemachte Veränderungssperre. Mit der Aufstellung des Bebauungsplans “L* … …“ verfolgt die Antragsgegnerin das Ziel, einem ansässigen Landwirt mit mehreren Tierhaltungsbetrieben im Ortsgebiet ausreichende Erweiterungsmöglichkeiten zu sichern und gleichzeitig diese Erweiterungen in Einklang mit dem Schutzanspruch der dort bestehenden Bebauung und v.a. den Bauleitplanungen bzw. den städtebaulichen Zielen der Gemeinde zu bringen. Bei den weiteren Bauleitplanungen, mit denen dem hohen Bedarf zur Schaffung von Wohneigentum nachgekommen werden soll und deren Plangebiete sich jeweils im unmittelbaren Nahbereich zu den Grundstücken des Antragstellers befinden, handelt es sich um die Planungen „Am S* … Weg“, „Am W* …weg“ und „B* …“. Der Antragsteller ist Eigentümer der im Außenbereich nach § 35 BauGB gelegenen Grundstücke FlNr. … … und …, jeweils Gemarkung E* …, die den (alleinigen) Umgriff des zugrundeliegenden Bebauungsplans bilden. Er betreibt darauf einen einheitlichen landwirtschaftlichen Betrieb mit zwei Hofstellen auf den Grundstücken FlNr. … (Schweinemast- und zucht) und FlNr. … (Pferdehaltung). Im Zusammenhang mit der Entwicklung seines Betriebs hat er beim Landratsamt verschiedene baurechtliche Anträge gestellt, insbesondere zur Bestandserweiterung, zu Nutzungsänderungen und zum Neubau eines Zuchtschweinestalls auf dem Grundstück FlNr. … Auch soll die Zahl der Pensionspferde erhöht werden. Die Anträge wurden vom Landratsamt aufgrund des Erlasses der Veränderungssperre noch nicht verbeschieden.
Mit dem am 30. August 2021 eingereichten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz macht der Antragsteller geltend, dass die Veränderungssperre unwirksam sei. Aus den Planunterlagen lasse sich nicht hinreichend konkret ersehen, was Inhalt des zukünftigen Bebauungsplans sein solle. Es sei nicht erkennbar, dass für den Satzungsumgriff Vorgaben zur Nutzungsart beabsichtigt seien. Vielmehr solle die Satzung die Grundlage für eine Beurteilung von privaten und öffentlichen Belangen schaffen. Die Veränderungssperre diene damit der Absicherung einer Planungsabsicht, die ihrerseits nur darauf abziele, die derzeit bekannten Bauleitplanungen und ggf. weitere wohnbauliche Entwicklungsmaßnahmen der Antragsgegnerin zu ermöglichen oder zu Lasten des Antragstellers zu erleichtern. Dieses Vorgehen verstoße gegen § 1 Abs. 3 BauGB. Seine bestehenden und neuen landwirtschaftlichen Betätigungen sollten im gesicherten Planungsumgriff reglementiert und begrenzt werden, um in den benachbarten Verfahrensbereichen Wohnbauplanung zu sichern. Es handle sich um eine Negativplanung. Die Veränderungssperre könne aufgrund der nur vagen Darstellung des Inhalts den Sicherungszweck für hinreichend bestimmte oder bestimmbare Planungsabsichten oder -inhalte nicht erfüllen. Auch im Hinblick auf die weiteren Entwicklungsgrundsätze erschließe sich nicht, inwieweit diese in einem Bebauungsplan „L* … …“ zulässig festgesetzt werden könnten. Ausgeschlossen dürfte auch sein, dass sie abwägungsfehlerfrei bezogen auf seine eigentumsrechtlichen Belange beschlossen werden könnte. Die Bauleitplanung habe – auch in der Kombination mit den Nachbarverfahren – eine existenzgefährdende Wirkung auf seine landwirtschaftlichen Betätigungen, da er keine anderen Grundstücke für Erweiterungsmöglichkeiten besitze.
Die Antragsgegnerin tritt dem Antrag entgegen. Die Planung für die Aufstellung des Bebauungsplans sei hinreichend konkret. Planungsziel sei die Ermöglichung von Erweiterungen des landwirtschaftlichen Betriebs des Antragstellers im Einklang mit dem Schutzanspruch der bestehenden (schutzbedürftigen) Bebauung. Es sei beabsichtigt, die konkrete Lage von Ställen und Dungstätten auf den jeweiligen Grundstücken, die Tieranzahl und die Tierart sowie mögliche emissionsmindernde (bauliche) Maßnahmen – soweit zulässig und möglich – festzusetzen. Der Antragsteller müsse bereits jetzt durch die Lage im Windstrombereich des Ortsteils auf die dort liegende Wohnnutzung in besonderer Weise Rücksicht nehmen. Die städtebauliche Ordnung solle unter Wahrung des Immissionsschutzes die weitere Entwicklung von sowohl landwirtschaftlichen Betrieben als auch Wohnbebauung verträglich nebeneinander ermöglichen. Unerheblich sei, dass die Art der baulichen Nutzung nicht angegeben worden sei, da mit den angegebenen Planungszielen hinreichend konkretisiert worden sei, welche baulichen Anlagen und Nutzungen zur Erreichung der Planungsziele regelungsbedürftig seien und somit bis zur Absicherung der Bauleitplanung nicht zugelassen werden könnten. Aus dem Aufstellungsbeschluss ergebe sich, dass geruchsemissionsträchtige Anlagen grundsätzlich problematisch seien, während andere (landwirtschaftlich) genutzte Anlagen ohne Emissionspotential im Rahmen einer Ausnahme nach § 14 Abs. 2 BauGB zugelassen werden könnten, wie beispielsweise Betriebsleiter- und Altenteilerhäuser sowie Maschinenhallen. Es handle sich daher nicht um eine Verhinderungsplanung. Welche Maßnahmen erforderlich seien, um das angestrebte „verträgliche Miteinander“ erreichen zu können, sei durch gutachterliche Ermittlung festzulegen. Auch bleibe es dem Planungsprozess vorbehalten, mit welchem Gewicht bzw. mit welcher unterschiedlichen Gewichtung beispielsweise die vorhandene Wohnbebauung einerseits und die zukünftig entstehende Wohnbebauung andererseits bzw. die weiteren Planungsabsichten der Gemeinde in die Abwägung mit den Erweiterungsinteressen der existierenden Landwirtschaft einzustellen seien. Ohnehin ließe sich nicht erkennen, dass die begehrte Außervollzugsetzung zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten sei. Soweit auf die Anhängigkeit mehrerer Bauanträge beim Landratsamt Bezug genommen worden sei, sei auf § 75 VwGO zu verweisen.
Mit Schreiben vom 21. Oktober 2021 führte der Antragsteller ergänzend aus, dass das auf Veranlassung des Landratsamts und in Abstimmung mit der Unteren Immissionsschutzbehörde erstellte Gutachten des Büros M-BBM belege, dass er auch in Bezug auf die faktisch vorhandene sowie die beabsichtigte erweiterte Tierhaltung Rücksicht auf die bestehenden Siedlungsbereiche des Ortsteils nehmen könne. Im Übrigen könne die beabsichtigte Planung auf seinen Grundstücken nicht verwirklicht werden, da ihr auf unabsehbare Zeit aufgrund der bestehenden Hofstellen und der Stallanlagen rechtliche oder tatsächliche Hindernisse entgegenstünden. Selbst die Festlegung von Erweiterungsbereichen, die aufgrund des Tierwohls erforderlich seien, müsste sich am baulichen Bestand orientieren. Auch dies belege das Vorliegen einer unzulässigen Verhinderungsplanung. Es sei evident, dass die Antragstellerin mit dem Antragsteller versuche, ein „Windhundrennen“ zu veranstalten und seine baurechtlichen Anträge so lange zu blockieren, bis ihnen die parallel betriebenen Bauleitplanungsverfahren endgültig immissionsschutzrechtlich entgegenstünden. Selbst eine vorsorgliche Vollzugsfolgenabwägung müsse zu seinen Gunsten ausfallen, da die Antragsgegnerin bei einer Außervollzugsetzung weiterhin Einfluss auf die Entwicklung der Hofstellen nehmen könnte, während er bei andauernder Wirksamkeit der Veränderungssperre keine Möglichkeit besäße, die eilige Überprüfung der Wirksamkeit der Veränderungssperre zu erwirken. Der Weg über § 75 VwGO sei gegenüber § 47 Abs. 6 VwGO der minder effektive Weg des Rechtsschutzes, faktisch käme die Verwehrung der Verwirklichung der Auslaufbereiche für seinen Tierbestand einem Betätigungsverbot nahe.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Antragsgegnerin vorgelegten Normaufstellungsakten sowie auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren und im Verfahren 1 N 21.821 verwiesen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO hat Erfolg.
1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist der Antragsteller gemäß § 47 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Danach kann einen Normenkontroll(eil) antrag jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die angegriffene Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder verletzt zu werden. Das ist hier der Fall, da die Veränderungssperre bewirkt, dass in ihrem Geltungsbereich – und damit auf den Grundstücken des Antragstellers – grundsätzlich Vorhaben im Sinn des § 29 BauGB nicht durchgeführt werden dürfen. Damit schränkt sie die aus dem Eigentumsrecht folgenden Nutzungsmöglichkeiten ein und berührt die aus Art. 14 Abs. 1 GG folgende Rechtsposition.
Dem Antragsteller fehlt auch nicht das erforderliche Rechtschutzbedürfnis. Dieses würde dann fehlen, wenn sich die Inanspruchnahme des Gerichts als für den Rechtschutzsuchenden nutzlos oder als rechtsmissbräuchlich erweist. Dies ist nicht der Fall, weil einem Vorhaben des Antragstellers bei einem Erfolg seines Eilantrags nicht schon die Veränderungssperre entgegengehalten werden kann. Dass der Antragsteller auch Rechtschutz etwa durch Erhebung einer Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO verfolgen kann und dabei auch die planungsrechtlichen Grundlagen Gegenstand gerichtlicher Prüfung werden können, lässt den maßgeblichen Vorteil dieses Verfahrens für den Antragsteller nicht entfallen.
2. Der Antrag ist auch begründet.
Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen zwingend geboten ist. Prüfungsmaßstab bei Veränderungssperren sind die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollantrags in der Hauptsache und damit die allgemeinen Voraussetzungen für den Erlass einer Veränderungssperre nach § 14 BauGB. Erweist sich, dass der Normenkontrollantrag zulässig und voraussichtlich begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug der Veränderungssperre bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 – BauR 2015, 968 zur Frage der Wirksamkeit eines Bebauungsplans).
Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage wird sich die angegriffene Veränderungssperre voraussichtlich als unwirksam erweisen. Angesichts dessen sprechen gewichtige Gründe für die Außervollzugsetzung der Veränderungssperre.
Nach § 14 Abs. 1 BauGB kann die Gemeinde, wenn – wie hier – ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst ist, zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich eine Veränderungssperre beschließen. Eine Veränderungssperre ist unzulässig, wenn sich der Inhalt der beabsichtigten Planung noch in keiner Weise absehen lässt, wenn die Gemeinde lediglich beschließt zu planen oder wenn die Gemeinde nur das städtebaulich Unerwünschte feststellt (vgl. BayVGH, U.v. 25.3.2010 – 2 N 06.3192 – juris Rn. 22 m.w.N.). Die Anforderungen, die im Zeitpunkt des Erlasses einer Veränderungssperre an die Konkretisierung der planerischen Vorstellungen der Gemeinde zu stellen sind, sind zwar mit Rücksicht auf die gemeindliche Planungshoheit denkbar gering. Der von der Veränderungssperre flankierte Aufstellungsbeschluss muss lediglich ein Mindestmaß dessen erkennen lassen, was Gegenstand und Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans bzw. der zu erwartenden Bebauungsplanänderung ist und welchen Inhalt die neue Planung haben soll. Die Gemeinde muss aber bereits positive planerische Vorstellungen über den Inhalt des Bebauungsplans so weit entwickelt haben, dass diese geeignet sind, die Entscheidung der Genehmigungsbehörde über die Vereinbarkeit eines Vorhabens mit der beabsichtigten Planung zu steuern (vgl. st. Rspr BVerwG, B.v. 22.1.2013 – 4 BN 7.13 – juris Rn. 3; B.v. 1.10.2009 – 4 BN 34.09 – NVwZ 2010, 42; U.v. 19.2.2004 – 4 CN 16.03 – BVerwGE 120,138). Dagegen ist es nicht erforderlich, dass die Planung bereits einen Stand erreicht hat, der nahezu den Abschluss des Verfahrens ermöglicht. Ein detailliertes und abgewogenes Planungskonzept ist nicht erforderlich. Auch das Abwägungsmaterial muss noch nicht vollständig vorliegen. Den Mindestanforderungen ist genügt, wenn die Gemeinde im Zeitpunkt des Erlasses der Veränderungssperre bereits einen bestimmten Baugebietstyp ins Auge gefasst hat, da die Art der baulichen Nutzung zu den für die Bauleitplanung wichtigen Festsetzungselementen gehört (vgl. BVerwG, B.v. 15.8.2000 – 4 BN 35.00 – juris Rn. 3).
Es kann vorliegend dahinstehen, ob die vorliegende Planung das erforderliche Mindestmaß an inhaltlichen Aussagen des künftigen Bebauungsplans erkennen lässt. Die Antragsgegnerin umschreibt den Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans in der Niederschrift über die Sitzung des Gemeinderats am 1. März 2021 lediglich mit den Worten, dass mögliche Erweiterungen des Betriebs des Antragstellers in Einklang mit dem Bedarf an weiterem Wohnraum gebracht werden sollen und hierzu beabsichtigt sei, die konkrete Lage von Ställen und Dungstätten auf den jeweiligen Grundstücken, die Tieranzahl und die Tierart sowie mögliche emissionsmindernde (bauliche) Maßnahmen – soweit zulässig und möglich – festzusetzen. In welche Richtung die Planung geht, bleibt allerdings dem Ergebnis der Prüfung der potentiellen Emissionen der in den Blick genommenen Standorte auf den Betrieben des Antragstellers vorbehalten und damit offen. Ob eine solche Planung im Hinblick auf § 14 BauGB hinreichend konkret ist und der Gemeinde mit der Veränderungssperre nicht erst die Zeit für die Entwicklung eines bestimmten Plankonzepts gegeben werden soll (vgl. BVerwG, U.v. 19.2.2004 – 4 CN 16.03 – BVerwGE 120, 138), braucht vorliegend nicht entschieden werden.
Die Veränderungssperre ist jedenfalls deshalb unwirksam, weil die zu sichernde Planung als sog. (reine) Verhinderungs- bzw. Negativplanung von vornherein gegen § 1 Abs. 3 BauGB verstößt. Zwar liegt eine solche unzulässige Planung nicht schon dann vor, wenn ein bestimmtes Bauvorhaben verhindert werden soll. Nicht selten wird eine konkrete Planung erst dadurch ausgelöst, dass Bauanträge für Grundflächen gestellt werden, die die Gemeinde nicht in der beantragten Weise nutzen lassen möchte. Der Gemeinde ist es nicht verwehrt, auf derartige Bauanträge mit der Aufstellung eines Bebauungsplans zu reagieren, der ihnen die materielle Rechtsgrundlage entzieht. Nicht verzichtet werden kann jedoch darauf, dass eine bestimmte Planung selbst – nicht nur die Veränderungssperre als Sicherung dieser Planung – für die „städtebauliche Entwicklung und Ordnung“ erforderlich ist im Sinn von § 1 Abs. 3 BauGB. Ist die planerische Ausweisung in Wirklichkeit nicht gewollt, sondern wird die Regelung nur und ausschließlich vorgeschoben, um eine andere Nutzung zu verhindern, liegt eine sog. Negativplanung vor (vgl. BVerwG, B.v. 8.9.2016 – 4 BN 22.16 – juris Rn. 5; B.v. 15.2.2012 – 4 BN 9.12 – BauR 2012, 1067; B.v. 18.12.1990 – 4 NB 8.90 – BayVBl 1991, 280). Die Antragsgegnerin, die mit dem Bebauungsplan die landwirtschaftlichen Flächen erhalten und nach § 35 BauGB privilegierte baulichen Anlagen durch Festsetzungen steuern möchte, hat vorliegend zwar erkannt, dass der Antragsteller aufgrund der Lage seiner Grundstücke bereits Rücksicht auf die östlich liegenden Wohngrundstücke nehmen muss. Sie hat jedoch außer Acht gelassen, dass die mit der Planung in den Blick genommene und in unmittelbarer Nähe zu den Grundstücken des Antragstellers geplante zusätzliche und teilweise näher an seinen Grundstücken liegende Wohnbebauung zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Veränderungssperre noch nicht errichtet worden ist. Damit sind die berechtigten Belange des Antragstellers als Landwirt in diesen Bauleitplanverfahren zu prüfen. Auch wenn die Antragsgegnerin im Rahmen dieser Bauleitplanverfahren eine Immissionsprognose zur Ermittlung der Geruchsbelastung für drei Bauleitplanungen in E* … (Stand 22. Februar 2021) in Auftrag gegeben hat und sich der möglichen Emissionskonflikte bewusst war, zielt ihre Planung ersichtlich nicht auf den Erhalt bzw. die Förderung der landwirtschaftlichen Nutzung. Vielmehr geht es der Antragsgegnerin um den Schutz der mit den weiteren Bauleitplänen zu verwirklichenden zusätzlichen Wohnbebauung. Ein Indiz dafür ist auch, dass die Antragsgegnerin ausschließlich die Flächen des Antragstellers in den Planumgriff einbezogen hat, obwohl bereits die bestehende Wohnbebauung von weiteren landwirtschaftlichen Flächen umgrenzt wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 8 GKG.
In entsprechender Anwendung von § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO hat die Antragsgegnerin die Nummer I der Entscheidungsformel in derselben Weise zu veröffentlichen wie die streitgegenständliche Satzung.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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