Baurecht

Weitestgehend erfolgreicher Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Anordnung zur brandschutztechnischen Ertüchtigung von Fenstern innerhalb einer Brandwand sowie gegen die Anordnung zur Erhöhung eines Kamins. Jedoch Ablehnung der Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die korrespondierend angedrohten Zwangsgelder, da die Antragsgegnerin im Bescheid für den Fall des Wegfalls des Sofortvollzuges die Erfüllungsfrist auf 6 Wochen nach Bestandskraft des Bescheides hinausgeschoben hatte, Art. 54 Abs. 4 BayBO setzte erhebliche und konkrete Gefahr für Leben oder Gesundheit voraus. Es gilt der allgemeine sicherheitsrechtliche Grundsatz, dass an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Hinsichtlich der brandschutzrechtlichen Anforderungen gelten indes Besonderheiten bei der Wahrscheinlichkeits- und Gefahrbeurteilung, da zum einen jederzeit mit der Entstehung eines Brandes gerechnet werden muss und der Umstand, dass in vielen Gebäuden über Jahrzehnte kein Brand ausgebrochen ist, lediglich einen „Glücksfall“ darstellt, dessen Ende jederzeit möglich ist;, Das Erfordernis einer Brandwand nach Art. 28 BayBO dient dazu, ausreichend lang die Brandausbreitung auf andere Gebäude zu verhindern. Damit werden, wie Art. 12 BayBO zeigt, mittelbar weitere Schutzziele wie insbesondere die Rettung von Menschen und das Ermöglichen von wirksamen Löschmaßnahmen sowie der Nachbarschutz erfüllt, Eine Missachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG durch die Bauaufsichtsbehörde folgt nicht allein aus einem tatsächlichen Nichteinschreiten gegenüber vergleichbaren brandschutzrechtlichen Mängeln bei anderen Gebäuden. Es ist ein bewusstes Absehen von einem bauaufsichtlichen Tätigwerden gegenüber Vergleichsgebäuden erforderlich., Wegen des Rechtsgrundsatzes „Keine Gleichheit im Unrecht“ besteht grundsätzlich kein Anspruch auf eine gesetzeswidrige Behandlung in Form eines Unterlassens des bauaufsichtlichen Einschreitens. Ein anderes Ergebnis ist ausnahmsweise bei willkürlichem behördlichen Handeln denkbar;, Die Anordnung des Sofortvollzuges erfordert nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse, welches über das Interesse am Erlass des Verwaltungsaktes hinausgeht (hier verneint für eine Anordnung zum Einbau von Brandschutzfenstern in der Klasse F-30 sowie zur Erhöhung eines Kamins), Der Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG fordert, dass der Verwaltungsaktes so gefasst sein muss, dass der Adressat ohne weiteres erkennen kann, was genau von ihm gefordert wird. Für die Vollstreckung muss zudem klar sein, dass der Inhalt der Anordnung zwangsweise durchgesetzt werden kann.

Aktenzeichen  AN 17 S 22.00459

Datum:
19.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 11993
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 3 Abs. 1
VwGO § 80 Abs. 2 Satz 1, Nr. 4, § 80 Abs. 3 Satz 1, § 80 Abs. 5
BayBO Art. 28 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, Abs. 8, Abs. 11, Art. 54 Abs. 2 Satz 2, Art. 54 Abs. 4
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1, Art. 40
Feuerungsverordnung (FeuV ) § 9 Nr. 4 Buchst. b

 

Leitsatz

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ziffern 1 und 2 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 22. November 2021 wird wiederhergestellt. Im Übrigen werden die Anträge abgelehnt.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

II. Die Anträge sind zulässig, soweit sie auf die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ziffern 1 und 2 des Bescheides vom 22. November 2021 gerichtet sind. Soweit sie auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen die in den Ziffern 5 und 6 angedrohten Zwangsgelder gerichtet sind, sind sie mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. Über den Hilfsantrag lediglich auf Aufhebung der Anordnung des Sofortvollzuges war mangels Bedingungseintritt (unzureichende formelle Begründung des Sofortvollzuges) nicht zu entscheiden.
Soweit die Anträge zulässig sind, sind sie auch begründet.
1. Die Anträge sind teilweise zulässig.
a) Die aufschiebende Wirkung der fristgerecht erhobenen Klage des Antragstellers gegen die Ziffern 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheides vom 22. November 2021 ist entfallen, da die Antragsgegnerin in Ziffer 3 dieses Bescheides gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO jeweils deren sofortigen Vollzug angeordnet hat. Im Rahmen eines nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO statthaften Antrags kann das Gericht die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. – wenn lediglich ein formeller Fehler im Sinne des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO bei der Sofortvollzugsanordnung vorliegt – diese aufheben (BayVGH, B.v. 6.10.2000 – 2 CS 98.2373 – juris Rn. 19 m.w.N.). Dem entspricht die Antragstellung durch die Bevollmächtigte.
b) Die Klage des Antragstellers gegen die in den Ziffern 5 und 6 des streitgegenständlichen Bescheides angedrohten Zwangsgelder bezüglich der Pflichten aus den Ziffern 1 und 2 hat gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, Art. 21a BayVwZVG keine aufschiebende Wirkung, so dass der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft ist. Jedoch mangelt es am allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis, welches auch im Eilverfahren erforderlich ist. Von dessen Vorliegen ist im Normalfall, wenn alle anderen Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt sind, auszugehen. Allerdings fehlt es hier, weil die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Zwangsgeldandrohungen in Ziffer 5 und 6 dem Antragsteller keinen rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil mehr brächte (Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, 41. EL Juli 2021, § 80 Rn. 493). Die Antragsgegnerin hat nämlich in Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheides für den Fall, „dass die für Nr. 1 und 2 dieses Tenors angeordnete sofortige Vollziehung entfallen sollte“ angeordnet, dass „die vorgenannten Verpflichtungen binnen 6 Wochen ab Unanfechtbarkeit dieser Anordnung zu erfüllen [sind]“. Damit hat sie den Fall ihres Unterliegens hinsichtlich der durch die Kammer wiederhergestellten aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ziffern 1 und 2 des Bescheides vom 22. November 2021 antizipiert und für diesen von einer Vollstreckung ab dem 15. März 2022 abgesehen und die Erfüllungsfrist der Zwangsgeldandrohungen auf sechs Wochen nach Bestandskraft des Bescheides verlegt, mithin auf einen Zeitpunkt nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens (sollte sie dort Erfolg haben). Für eine einschränkende Auslegung der Ziffer 4 dahingehend, dass sie etwa nur für Fälle gelten soll, in denen die Anordnung des Sofortvollzuges wegen eines Verstoßes gegen § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO isoliert aufgehoben wird, besteht angesichts des Wortlautes – „(…) sofortige Vollziehung entfallen sollte (…)“ – kein Anlass. Durch Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheides ist der Antragsteller ausreichend geschützt und kann durch seinen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht mehr erreichen, als ihm die Antragsgegnerin sowieso zugebilligt hat (anders wohl BayVGH, B.v. 30.1.2019 – 9 CS 18.2533 – juris Rn. 29 ff., der in einer vergleichbaren Konstellation ohne weitere Begründung den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung als zulässig angesehen hat). Zu einem anderen Ergebnis käme man nur, wenn Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die Antragsgegnerin sich nicht an ihre eigene Anordnung in Ziffer 4 halten und gleichwohl vollstrecken will (Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, 41. EL Juli 2021, § 80 Rn. 493b). Dafür spricht hier jedoch zum Zeitpunkt des Beschlussdatums nach Aktenlage nichts.
2. Die Anträge sind, soweit sie zulässig sind, begründet.
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ziffer 1 des Bescheides der Großen Kreisstadt … vom 22. November 2021 war wiederherzustellen, da es an einem besonderen öffentlichen Vollzugsinteresse im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO fehlt. Ebenso war die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides wiederherzustellen, da die dortige Anordnung dem Bestimmtheitsgebot nicht genügt sowie kein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse erkennen lässt.
a) Die in Ziffern 1 und 3 des Bescheides vom 22. November 2021 für sofort vollziehbar erklärte Anordnung, dass der Antragsteller die fünf in der westlichen Brandwand des Gebäudes … (erstes und zweites OG) befindlichen Fensteröffnungen bis spätestens 15. März 2022 so ausbilden müsse, dass sie über eine Feuerwiderstandsdauer von mindestens 30 Minuten verfügten (F-30) ist zunächst unter Zuhilfenahme der Bescheidsbegründung (Seite 3) dahingehend auszulegen, dass die einzubauenden Fenster nicht zum dauerhaften, jedoch kurzzeitigen Öffnen geeignet sein dürfen „(z.B. zur Reinigung)“ und mit einer Schließeinrichtung, „(z.B. sensorgesteuert)“, versehen sein müssen (vgl. Schönenbroicher in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 37 Rn. 17 ff.; BVerwG, U.v. 3.12.2003 – 6 C 20/02 – NVwZ 2004, 878, 879).
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Verpflichtung aus Ziffer 1 durch Ziffer 3 genügt zwar den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO und es fällt auch die durch das Gericht im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende summarische Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache hinsichtlich der Anordnung in Ziffer 1 des Bescheides voraussichtlich zugunsten der Antragsgegnerin aus, jedoch ist das von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO geforderte besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug nicht gegeben.
aa) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffer 1 durch Ziffer 3 des Bescheides vom 22. November 2021 genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Danach muss die Behörde das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich begründen, also hinreichend einzelfallbezogen und nicht bloß formelhaft darlegen (W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, 26. Aufl. 2020, § 80 Rn. 84 f.). Eine inhaltliche Kontrolle, ob die angegebenen Gründe zutreffend sind, erfolgt hier allerdings noch nicht (BayVGH, B.v. 3.5.2018 – 20 CS 17.1797 – juris Rn. 2).
Diesen Voraussetzungen wird die Begründung im streitgegenständlichen Bescheid unter II. 4. gerecht. Die Antragsgegnerin hat darin ausgeführt, dass Leben, Gesundheit und der Brandschutz in der Altstadt von … überragende Rechtsgüter darstellten, die es unverzüglich zu schützen gelte und ein Zuwarten bis zur Unanfechtbarkeit des Bescheides wegen der Notwendigkeit der Gefahrenabwehr nicht möglich sei. Zwei Brände in der Altstadt erst dieses Jahr zeigten, welche Auswirkungen ein Feuer dort haben könne. Damit ist der notwendige Einzelfallbezug hergestellt, da sich das Gebäude des Antragstellers in eben jener dicht bebauten Altstadt … befindet und die Antragsgegnerin ein erhöhtes Brandrisiko aus konkreten Vorfällen im selben Areal herleitet. Dass die Begründung knapp gehalten ist, schadet nicht (BayVGH a.a.O.).
bb) Die von der Antragsgegnerin in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides angeordnete brandschutztechnische Ertüchtigung der fünf in der westlichen Brandwand des Gebäudes … (erstes und zweites OG) befindlichen Fensteröffnungen wird sich im Hauptsacheverfahren voraussichtlich als rechtmäßig erweisen.
Es dürften nach summarischer Prüfung jedenfalls die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage des Art. 54 Abs. 4 BayBO erfüllt sein, auch hat die Antragsgegnerin bei summarischer Prüfung das ihr zukommende Ermessen im Sinne des Art. 40 BayVwVfG hinsichtlich des Grundverwaltungsaktes ordnungsgemäß ausgeübt. Auf die Frage eines möglichen Bestandsschutzes des Gebäudes des Antragstellers hinsichtlich der fünf in der westlichen, zum Hotelgrundstück „…“ zeigenden Außenwand befindlichen Fensteröffnungen kommt es daher nicht maßgeblich an, wobei ein solcher, wenn überhaupt, nur hinsichtlich der zwei Fensteröffnungen in der Westseite des ersten Obergeschosses auf Basis der Baugenehmigung vom 24. Juli 2017 bestehen könnte, die allerdings nur eine Nutzungsänderung von einer Wohnung in Büros abdeckt. Insofern liegt nahe, dass darüber hinaus auch der Tatbestand des Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO erfüllt sein dürfte.
(1) Nach Art. 54 Abs. 4 BayBO können auch bei bestandsgeschützten baulichen Anlagen Anforderungen gestellt werden, wenn das zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit notwendig ist. Erheblich ist eine Gefahr, wenn sie objektiv schwerwiegend und nachhaltig ist. Sie muss weiter konkret sein, d.h. es muss bei ex-ante-Betrachtung bei ungehindertem Geschehensablauf mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schadenseintritt drohen. Bei der Gefahrbeurteilung gilt der allgemeine sicherheitsrechtliche Grundsatz, dass an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Da es sich bei den Rechtsgütern Leben und Gesundheit um überragend wichtige handelt, zu deren Schutz der Staat gemäß Art. 2 Abs. 2 GG auch verfassungsrechtlich verpflichtet ist, genügt schon die entfernte Möglichkeit des Schadenseintritts (Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, 144. EL September 2021, Art. 54 Rn. 169; s.a. BayVGH, B.v. 16.12.2020 – 9 CS 20.2415 – juris Rn. 22: „keine allzu hohen Anforderungen“; BayVGH, B.v. 3.4.2020 – 15 ZB 19.1024 – juris Rn. 14: „nicht ganz unwahrscheinlich“). Eine erhebliche Gefahr kann auch gegeben sein, wenn sie erst nachträglich auftritt oder erst nachträglich erkannt wird bzw. ihre Schwere etwa unter Berücksichtigung der fortschreitenden technischen Entwicklung oder neuer Erkenntnisse der Brandabwehr anders beurteilt wird (BayVGH, B.v. 3.4.2020 – 15 ZB 19.1024 – juris Rn. 12). Im Allgemeinen entsteht eine konkrete Gefahr im Sinne des Art. 54 Abs. 4 BayBO allerdings nicht bereits dadurch, dass sich gesetzliche Vorschriften im Laufe der Zeit ändern und eine bestehende Anlage dann nicht mehr vollumfassend mit den neu gesetzten Vorgaben übereinstimmt (BayVGH, B.v. 3.4.2020 – 15 ZB 19.1024 – juris Rn. 16). Hinsichtlich der brandschutzrechtlichen Anforderungen gelten Besonderheiten bei der Wahrscheinlichkeits- und Gefahrbeurteilung, da zum einen jederzeit mit der Entstehung eines Brandes gerechnet werden muss und der Umstand, dass in vielen Gebäuden über Jahrzehnte kein Brand ausgebrochen ist, lediglich einen „Glücksfall“ darstellt, dessen Ende jederzeit möglich ist (BayVGH a.a.O.; OVG NW, U.v. 21.9.2012 – 2 A 182/11 – NVwZ-RR 2013, 213, 214). Zum anderen geht ein Gebäudebrand regelmäßig mit erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit von Personen einher (BayVGH a.a.O.).
Diesen Maßstab zugrunde gelegt, dürfte hier die tatbestandliche Voraussetzung des Art. 54 Abs. 4 BayBO – das Vorliegen einer erheblichen Gefahr für Leben und Gesundheit – erfüllt sein. Die westliche, zum Hotel „…“ zeigende Außenwand des Gebäudes des Antragstellers ist als Gebäudeabschlusswand gemäß Art. 28 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BayBO grundsätzlich als Brandwand auszugestalten, da ihr Abstand zur westlichen Grundstücksgrenze weniger als 2,50 m beträgt. Im Falle des Gebäudes des Antragstellers wäre, da dieses der Gebäudeklasse 4 im Sinne des Art. 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4, Satz 2 BayBO unterfallen dürfte (zur Definition Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, 144. EL September 2021, Art. 2 Rn. 343 ff.), anstatt einer Brandwand nach Art. 28 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BayBO ebenfalls eine Wand, die auch unter zusätzlicher mechanischer Beanspruchung hochfeuerhemmend ist, zulässig. Wie auch eine Brandwand müsste diese gemäß Art. 28 Abs. 8 Satz 1, Abs. 11 BayBO öffnungslos ausgestaltet sein, was unbestritten nicht der Fall ist, da sich im ersten und zweiten Obergeschoss der westlichen Außenwand fünf Fensteröffnungen befinden. Die Vorschrift des Art. 28 BayBO zum Erfordernis einer Brandwand hier als Gebäudeabschlusswand dient ausweislich dessen Abs. 1 dazu, ausreichend lang die Brandausbreitung auf andere Gebäude zu verhindern. Gerade in dem eng bebauten Bereich der Altstadt von …, in dem sich das Gebäude des Antragstellers befindet und der sich durch historische Bausubstanz und nur geringe oder überhaupt keine Abstände zu den jeweiligen Nachbargebäuden auszeichnet, gewinnt der Schutzzweck der Verhinderung eines Brandüberschlages besondere Relevanz (vgl. Kühnel/Gollwitzer in Busse/Kraus, BayBO, 144. EL September 2021, Art. 28 Rn. 11). Damit werden, wie Art. 12 BayBO zeigt, in der Folge weitere Schutzziele wie insbesondere die Rettung von Menschen und das Ermöglichen von wirksamen Löschmaßnahmen sowie der Nachbarschutz erfüllt (Paliga/Otto/Schulz in Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht BY, Art. 28 BayBO Einführungstext), mithin, wenn auch mittelbar, die Rechtsgüter Leben und Gesundheit im Sinne des Art. 54 Abs. 4 BayBO geschützt. Da bei derart gewichtigen Rechtsgütern im Rahmen der Gefahrprognose „keine allzu hohen Anforderungen“ zu stellen sind (BayVGH, B.v. 16.12.2020 – 9 CS 20.2415 – juris Rn. 22) und mit der Entstehung eines Brandes jederzeit, auch nach Jahrzehnten ohne einen entsprechenden Vorfall gerechnet werden muss (OVG NW, U.v. 21.9.2012 – 2 A 182/11 – NVwZ-RR 2013, 213, 214), ist der Tatbestand des Art. 54 Abs. 4 BayBO noch eröffnet.
Die Vorschrift des Art. 54 Abs. 4 BayBO berechtigt die Bauaufsichtsbehörde, hier die Antragsgegnerin als Große Kreisstadt (Art. 53 Abs. 1 BayBO, Art. 9 Abs. 2 Satz 1 BayGO, § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrKrV), auch bei bestandsgeschützten Anlagen „Anforderungen“ zu stellen. Der Begriff der Anforderungen ist weit auszulegen, was verfassungsrechtlich unbedenklich ist, da jede Anforderung dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Gebot pflichtgemäßer Ermessensausübung unterliegt (Molodovsky/Famers/Waldmann, BayBO, 144. AL, Art. 54 Rn. 136; s.a. Manssen in Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht BY, 21. Ed. 1.2.2022, Art. 54 BayBO Rn. 59: gesamtes Reservoir an bauordnungsrechtlichen Maßnahmen). Anforderungen im Sinne des Art. 54 Abs. 4 BayBO können etwa sein Beseitigungs- und Räumungsanordnungen, Nutzungsverbote, Sicherungsmaßnahmen zur Abwendung einer Einsturzgefahr, aber auch die Anordnung der Schließung von Öffnungen in der Brandwand (Molodovsky/Famers/Waldmann a.a.O. Rn. 137 f.). Wenn schon die Anordnung der Schließung von Öffnungen in der Brandwand grundsätzlich vom Begriff der Anforderung im Sinne Art. 54 Abs. 4 BayBO gedeckt ist, ist es erst recht die von der Antragsgegnerin gewählte mildere Maßnahme, nämlich zu fordern, dass die bestehenden Fensteröffnungen so auszubilden sind, dass sie über eine Feuerwiderstandsdauer von mindestens 30 Minuten verfügen (F-30).
Unschädlich ist schließlich, dass die Antragsgegnerin in der Bescheidsbegründung die Anordnung der Ziffer 1 auf „Art. 54 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 BayBO (…)“ gestützt hat. Wenn nämlich die Voraussetzungen des Art. 54 Abs. 4 BayBO vorliegen, kann dahinstehen, ob die Anlage bestandsgeschützt ist, da die Norm im Wege eines Erst-recht-Schlusses auch auf nicht bestandsgeschützte Anlagen, für die an sich Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO die richtige Eingriffsgrundlage wäre, angewendet werden kann (BayVGH, B.v. 25.3.2019 – 15 C 18.2324 – juris Rn. 28).
(2) Diese für sofort vollziehbar erklärte Anordnung auf Basis des Art. 54 Abs. 4 BayBO ist voraussichtlich auch ermessenfehlerfrei, insbesondere mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG, ergangen, § 114 Satz 1 VwGO.
Eine Anordnung nach Art. 54 Abs. 4 BayBO steht im pflichtgemäßen Ermessen der Bauaufsichtsbehörde nach Art. 40 BayVwVfG – „können Anforderungen gestellt werden“. Zur Abwehr erheblicher Gefahren für Leben und Gesundheit soll die Behörde aber in aller Regel tätig werden, sog. Entschließungsermessen, das ggf. reduziert ist (Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, 144. EL September 2021, Art. 54 Rn. 180). In diesem Fall kann auch eine längerfristige Duldung des zu behebenden Zustandes nicht zu einer Verwirkung der Anordnungsbefugnis bzw. einem Ermessenfehler führen, da dies zum Regelungszweck des Art. 54 Abs. 4 BayBO in Widerspruch stünde. Gerade bei Art. 54 Abs. 4 BayBO spielen Vertrauensschutzgesichtspunkte grundsätzlich keine ausschlaggebende Rolle, weil dieser für bestandsgeschützte Gebäude nachträgliche Anordnungen zulässt (BayVGH, B.v. 3.4.2020 – 15 ZB 19.1024 – juris Rn. 28; s.a. Dirnberger in Busse/Kraus a.a.O. Rn. 185: keine Verwirkung durch Zeitablauf und kein Verzicht der Behörde auf Art. 54 Abs. 4 BayBO möglich). Entschließt sich die Behörde zum Einschreiten, erfolgt auf der nächsten Stufe die Entscheidung über die Art und Weise des Einschreitens, das sog. Auswahlermessen. Die konkrete Anordnung muss sich am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und des geringstmöglichen Eingriffs auf Maßnahmen beschränken, die zur Abwehr der erheblichen Gefahr für Leben und Gesundheit geeignet, erforderlich und angemessen sind.
Gemessen daran sind die im streitgegenständlichen Bescheid angestellten Ermessenserwägungen der Antragsgegnerin nach summarischer Prüfung nicht zu beanstanden, die vornehmlich auf die Gewährleistung des Brandschutzes als Schutz von Gebäuden und der Abwehr von Gefahren für Leben und Gesundheit abstellen sowie dessen Dringlichkeit anhand zweier in diesem Jahr [2021] stattgefundener Brände in der … Altstadt, die durch geschlossene Bauweise mit engen Reihen geprägt sei, darlegen und den Brandschutz im Ergebnis gegenüber den privaten Interessen des Antragstellers, seine Fensteröffnungen unverändert zu belassen, den Vorrang einräumt. Zwar ist dem Vorbringen der Antragsgegnerin, dass die fünf Fensteröffnungen in der westlichen Außenwand des antragstellerischen Gebäudes erst im Rahmen einer Gerichtsverhandlung am 15. Oktober 2020 (AN 17 K 20.00104 mit Ortsaugenschein) festgestellt worden seien, entgegenzuhalten, dass ihr diese anhand der Planunterlagen zu den denkmalschutzrechtlichen Erlaubnisbescheiden vom 13. Juni 1996 und vom 3. Juni 2015 sowie der Baugenehmigung vom 24. Juli 2017 zumindest faktisch hätten bekannt gewesen sein müssen. Deren Regelungsgegenstand beinhaltet wohl nicht explizit eine Genehmigung der besagten Fenster, jedoch waren sie zumindest nachrichtlich eingezeichnet. Gleichwohl führt dieser Umstand im Rahmen des Art. 54 Abs. 4 BayBO nicht zu einem Ermessenfehler, da selbst eine längerfristige (passive) Duldung – wenn man eine solche überhaupt annehmen wollte – nicht zu einer Verwirkung der Anordnungsbefugnis führt. Die Abwehr erheblicher Gefahren für Leib und Leben durch die Anordnung der brandschutztechnischen Ertüchtigung der Fensteröffnungen bleibt im Lichte des Regelungszwecks des Art. 54 Abs. 4 BayBO trotzdem ermessensgerecht. Soweit der Antragsteller weiter moniert, dass nur hinsichtlich seines Gebäudes, aber nicht hinsichtlich anderer Gebäude im Altstadtbereich von …, die ebenfalls Fensteröffnungen ohne entsprechende Brandschutzanforderungen aufwiesen, bauaufsichtlich vorgegangen werde und darin ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG liege, was ebenfalls einen Ermessenfehler begründen würde, dringt er damit nicht durch. Zwar gebietet es Art. 3 Abs. 1 GG der Exekutive, wesentlich Gleiches nicht ohne Rechtfertigung ungleich zu behandeln. Jedoch steht nach summarischer Prüfung schon nicht fest, dass die Antragsgegnerin bei vergleichbaren Gebäuden in der Altstadt … bewusst von der (nachträglichen) Anforderung der brandschutztechnischen Ertüchtigung von notwendigen Brandwänden abgesehen hat – was diese im Übrigen auch bestreitet. Es mag sein, dass, wie die Antragstellerbevollmächtigte auf Seite 6 des Antragsschriftsatzes ausführt, an zahlreichen weiteren Gebäuden Brandschutzfenster fehlen. Indes kann daraus ohne weitere Anhaltspunkte nicht der Schluss einer gezielten Ungleichbehandlung des Antragstellers mit anderen Grundstückseigentümern durch die Antragsgegnerin gezogen werden, da deren Bauaufsicht bzw. Baukontrolle realistischerweise nicht von vornherein über die brandschutzrechtliche Lage sämtlicher Gebäude in ihrem Tätigkeitsbereich oder auch nur im Altstadtbereich im Bilde ist, sondern meist aufgrund einer konkreten Veranlassung tätig wird und entsprechende Kenntnisse erlangt, etwa im Rahmen von Baugenehmigungsverfahren, stichprobenartigen Baukontrollen, Hinweisen aus der Bevölkerung, Ortsterminen im Rahmen gerichtlicher Verfahren, etc. Selbst wenn man aber annähme, dass die Antragsgegnerin es rechtswidrig unterlassen hätte, in vergleichbaren brandschutzrechtlichen Fällen bauaufsichtlich tätig zu werden, ist im Lichte des Grundsatzes „Keine Gleichheit im Unrecht“ höchst fraglich, ob dies über die Ermessensprüfung zum Ergebnis führen soll, dass auch gegenüber dem Antragsteller von der nachträglichen Anordnung des Einbaus von Brandschutzfenstern abzusehen ist oder nicht vielmehr die Gleichheit dadurch herzustellen wäre, dass die Antragsgegnerin auch hinsichtlich anderer ihr bekannter Altstadt-Gebäude mit brandschutzrechtlichen Mängeln einschritte. Andernfalls vermittelte der Gleichheitssatz letztlich einen Anspruch des Antragstellers auf eine gesetzeswidrige Behandlung (Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 40 Rn. 119; Kischel in Epping/Hillgruber, GG, 50. Ed. 15.2.2022, Art. 3 Rn. 115). Dieses Ergebnis ließe sich allenfalls dann rechtfertigen, wenn die Bauaufsichtsbehörde willkürlich handeln würde, es mit anderen Worten „nach der Art des Einschreitens an jedem System fehlt [und] für diese gewählte Art des (…) Vorgehens keinerlei einleuchtende Gründe sprechen“ (BVerwG, B.v. 24.7.2014 – 4 B 34/14 – juris Rn. 4). Ein willkürliches Vorgehen der Antragsgegnerin ist jedoch nicht ersichtlich und so wohl auch nicht vorgetragen.
Auch die Ermessenserwägungen hinsichtlich der konkret gewählten Anordnung in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides gegenüber dem Antragsteller, dass dieser die fünf in der westlichen Brandwand seines Gebäudes (erstes und zweites OG) befindlichen Fensteröffnungen mit einer Feuerwiderstandsdauer von mindestens 30 Minuten (F-30) ausbilden lassen müsse, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Insbesondere hat sich die Antragsgegnerin innerhalb der Grenzen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bewegt, da die Anordnung in Ziffer 1 ein geeignetes Mittel ist, den von Art. 28 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2, Abs. 8 Satz 1, Abs. 1 BayBO intendierten Schutz vor einem Brandüberschlag auf das Nachbargebäude zu fördern. Die Anordnung ist auch erforderlich, weil kein gleich wirksames, milderes Mittel ersichtlich ist. Es bliebe alternativ nur der öffnungslose Verschluss der Brandwand oder gar eine Nutzungsuntersagung der betreffenden Räume, was den Antragsteller jedoch ungleich stärker belasten würde. Schließlich ist die Anordnung angemessen bzw. verhältnismäßig im engeren Sinne, da die Antragsgegnerin zwar im Ergebnis dem gesteigerten Interesse der Allgemeinheit an der Herstellung ordnungsgemäßer brandschutzrechtlicher Zustände im Ergebnis den Vorrang gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers, die Fenster unberührt zu lassen, eingeräumt hat. Jedoch wurden den sonstigen Interessen des Antragstellers insofern Genüge getan, als nicht das Verschließen der bestehenden Fensteröffnungen, sondern lediglich deren brandschutztechnische Ausbildung im Standard F-30 angeordnet und somit die bisherige Belichtungssituation der hinter den Fensteröffnungen befindlichen Räume im Wesentlichen beibehalten wurde. Zudem ist eine kurzzeitige Öffenbarkeit der Fenster gestattet, wenn diese mit einer entsprechenden Schließeinrichtung für den Brandfall ausgestattet sind.
Die Störerauswahl mit dem Antragsteller als Zustandsstörer entsprechend Art. 9 Abs. 2 LStVG ist unter Ermessengesichtspunkten nicht zu beanstanden, da dieser Alleineigentümer des Grundstücks FlNr. … ist.
cc) Jedoch mangelt es hier ausnahmsweise an der materiellen Eilbedürftigkeit, die die Anordnung des Sofortvollzuges im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO rechtfertigen könnte. Der Wortlaut des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO lässt klar erkennen, dass zwischen einem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung und einem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zu unterscheiden ist. Die Begründetheit eines Antrages auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann sich demnach unter zwei Gesichtspunkten ergeben: Zum einen, wenn die materiellen Voraussetzungen der Anordnung des Sofortvollzuges nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO nicht gegeben sind – bei lediglicher formeller Rechtswidrigkeit der Sofortvollzugsanordnung würde diese nur aufgehoben (s.o.) – und/oder zum anderen, wenn nach summarischer Prüfung mit einem Erfolg des Antragstellers in der Hauptsache zu rechnen ist. Würde man hingegen lediglich die formelle Rechtmäßigkeit des Sofortvollzuges nach § 80 Abs. 3 VwGO sowie summarisch die Erfolgsaussichten der Hauptsache prüfen, setzte man unzulässiger Weise das Erlassinteresse mit dem besonderen Interesse am Sofortvollzug gleich. Zu Ende gedacht hieße das, dass jeder rechtmäßige Verwaltungsakt mit einer formell ordnungsgemäßen Begründung für sofort vollziehbar erklärt werden dürfte, selbst wenn in der Sache keine Eilbedürftigkeit vorliegt und der Antragsteller dies hinnehmen müsse (Gersdorf in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, 60. Ed., § 80 Rn. 177 ff.; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 94; Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80 Rn. 155; BayVGH, B.v. 30.1.2019 – 9 CS 18.2533 – juris Rn. 22 f.; s.a. BVerwG, B.v. 13.9.2011 – 1 VR 1/11 – NVwZ 2011, 1342 Rn. 9, das das „besondere Vollzugsinteresse“ separat von der Interessensabwägung anhand der Erfolgsaussichten der Hauptsache aufführt).
Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ist also für die Anordnung des Sofortvollzuges ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse erforderlich. Die Vollziehung des Verwaltungsaktes muss wegen öffentlicher oder überwiegender privater Interessen besonders dringlich sein und keinen Aufschub bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsachverfahrens dulden. Der Maßstab ist umso strenger, je tiefer und irreversibler der Eingriff in die Bausubstanz für den Antragsteller durch den angeordneten Sofortvollzug wäre, auch weil dies die Vorwegnahme der Hauptsache bedeuten würde. Darin liegt ein Unterschied zu einer bloßen Nutzungsuntersagung, deren Eingriffswirkung für die Zukunft ohne weiteres durch die Wiederaufnahme der Nutzung beendet werden kann (zum Maßstab BayVGH, B.v. 30.1.2019 – 9 CS 18.2533 – juris Rn. 23 f.).
Dies zugrunde gelegt fehlt es hier am besonderen öffentlichen Interesse am Sofortvollzug. Zwar decken sich im Rahmen des Art. 54 Abs. 4 BayBO in der Regel das Erlassinteresse und das Interesse am sofortigen Vollzug (Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, 144. EL September 2021, Art. 54 Rn. 186), nicht aber hier. Durch die mit Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides geforderte und für sofort vollziehbar erklärte Vornahme baulicher Maßnahmen – Ausbau der bisherigen fünf Fenster und Einbau neuer Brandschutzfenster im Standard F-30 in die Westwand -droht zum einen eine Vorwegnahme der Hauptsache. Die Baumaßnahmen sind mit nicht unerheblichen Kosten für den Antragsteller verbunden und, einmal vollzogen, schwer rückgängig zu machen, weshalb schon im Ausgangspunkt ein strenger Maßstab anzulegen ist. Darüber hinaus ist in die Prüfung des besonderen öffentlichen Interesses am Sofortvollzug einzustellen, dass die hinsichtlich der fünf Fensteröffnungen in der Westwand nicht eingehaltenen Vorschriften der Art. 28 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, Abs. 8 Satz 1, Abs. 11 BayBO primär den Schutzzweck haben, den Brandüberschlag auf andere Gebäude zu verhindern bzw. soweit wie hier nicht, die inneren Brandwände betroffen sind, die Nutzer des entsprechenden Gebäudes vor einer überraschenden Brandausbreitung aus einem anderen Gebäudeteil zu schützen oder ihnen einen ausreichend lang standsicheren und rauchfreien Gebäudeteil zu gewährleisten (Kühnel/Gollwitzer in Busse/Kraus, BayBO, 144. EL September 2021, Art. 28 Rn. 11 ff.). Der Schutz von Leben und Gesundheit der im Nachbargebäude – im Hotel „…“ – befindlichen Personen ist von Art. 28 BayBO lediglich mittelbar erfasst, wie sich aus Art. 12 BayBO entnehmen lässt. Denn deren Leben und Gesundheit sind zuvorderst durch die vom Hotel im Rahmen der Baugenehmigung vom 19. Dezember 2019 einzuhaltenden Brandschutzvorschriften, insbesondere die Rettungswege, geschützt. Teil dieser Baugenehmigung war der Brandschutznachweis des Büros … vom 16. Dezember 2019, weiter war als Bedingung für den Baubeginn aufgenommen, dass dieser Brandschutznachweis einem zugelassenen Sachverständigenbüro zu prüfen sei. Dies ist durch den Prüfbericht des Dipl.-Ing. … … (Prüfingenieur für vorbeugenden baulichen Brandschutz) vom 2. März 2020 geschehen. Im Rahmen des Eilverfahrens kann auch mangels gegenläufiger Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, dass das Hotel „…“ entsprechend der Maßgaben der Baugenehmigung und des Brandschutznachweises errichtet wurde und dies vorübergehend, d.h. bis zur Klärung der Hauptsache einen ausreichenden Schutz der dort aufhältigen Personen bietet. Auch wurde seitens der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung im Verfahren AN 17 K 20.00104 zu Protokoll erklärt, dass die Anforderungen des Prüfberichts des Dipl.-Ing. … vom 2. März 2020 in die Baugenehmigung mit aufgenommen würden. Dieser hatte in seinem Prüfbericht auf Seite 6 hinsichtlich der im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss geplanten Fenster in der östlichen, zum Antragsteller hin gerichteten Außenwand gefordert, dass diese abweichend von den Planzeichnungen nicht nur im Standard G-30, sondern F-30 eingebaut werden müssten Dazu tritt, dass die „…“ bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch nicht den Betrieb aufgenommen hat und somit die Zahl der dort befindlichen und durch einen Brand potentiell gefährdeten Personen, etwa Handwerker, überschaubar sein dürfte. Dieses Ergebnis fügt sich auch in die vorhandene Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zu Art. 54 Abs. 4 BayBO ein, die den Sofortvollzug bauaufsichtlicher Anordnungen bei Mängeln im Brandschutz vor allem dann billigt, wenn die diese die Rettungswege im Gebäude betreffen. Diese sollen gefahrfrei und sicher für Fliehende und Rettungshelfer benutzbar sein (Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, 144. EL September 2021, Art. 54 Rn. 171 ff.; BayVGH, B.v. 11.10.2017 – 15 CS 17.1055 – juris Rn. 23 f. m.w.N. aus der Rspr.). Hier liegt die unmittelbare Gefahr für Leben und Gesundheit im Brandfalle auf der Hand. Das Erfordernis der grundsätzlich öffnungslosen Brandwand als Gebäudeabschlusswand hingegen soll den Brandüberschlag auf das Nachgebäude verhindern, dessen Nutzer hierdurch mittelbar geschützt werden. Deren unmittelbarer Schutz hingegen wird durch die in ihrem Gebäude befindlichen Brandschutzvorkehrungen, im Besonderen die Rettungswege, gewährleistet.
b) Aller Voraussicht nach rechtswidrig ist hingegen die in Ziffern 2 und 3 des Bescheides vom 22. November 2021 angeordnete und für sofort vollziehbar erklärte Erhöhung oder Errichtung eines Kamins, der die Fenster der Dachaufbauten des Nachbargebäudes … um mindestens 1 m überragt. Insofern ist hinsichtlich Ziffer 2 die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen (§ 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO).
aa) Die Anordnung in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides ist bereits unbestimmt im Sinne des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Danach muss der Entscheidungsinhalt des Verwaltungsaktes so gefasst sein, dass der Adressat ohne weiteres erkennen kann, was genau von ihm gefordert wird. Für die Vollstreckung muss zudem klar sein, dass der Inhalt der Anordnung zwangsweise durchgesetzt werden kann (Tiedemann in Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, 54. Ed. § 37 Rn. 19). Hier wird es jedoch dem Antragsteller selbst überlassen zu ermitteln, welche Höhe die Oberkante der Fenster des Hotels „…“ im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b FeuV haben, um diese sodann mit der Kaminmündung um 1 m zu überragen. Es wäre an der Antragsgegnerin gewesen, die über die Planzeichnungen zur Baugenehmigung für das Hotel „…“ verfügt, anhand des aktuellen Genehmigungsstandes des Hotelgebäudes aufzuzeigen, welche Fenster konkret von der Kaminöffnung um 1 m überragt werden müssen und auf welcher Höhe sich deren Oberkanten befinden, mithin festzulegen, wie hoch der Kamin genau sein muss. Unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit nicht ausreichend ist es hingegen, wie die Antragsgegnerin in den Bescheidsgründen auf Seite 4 im Ungefähren zu verbleiben: „Nach Mitteilung des Bezirksschornsteinfegers dürften mit einer Erhöhung von ca. 2,50 m die Gesetzesvorgaben erfüllt sein“. Erhöht der Antragsteller den Kamin nach der von ihm getroffenen Einschätzung, droht ihm, dass die Antragsgegnerin dies als nicht genügend ansieht und er zur Nachbesserung aufgefordert wird. Dieses Risiko dem Antragsteller aufzubürden, ist unangemessen und deshalb rechtwidrig und durch eigene Ermittlungen der Antragsgegnerin und entsprechende Formulierung der Anordnung auszuschließen.
bb) Schließlich mangelt es auch an der materiellen Eilbedürftigkeit, die die Anordnung des Sofortvollzuges im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO rechtfertigen könnte.
Die sofortige Vollziehung der Anordnung in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides, den Kamin entsprechend zu erhöhen, liegt nicht im besonderen öffentlichen Interesse, da es an der erforderlichen Eilbedürftigkeit mangelt. Das Hotel ist derzeit noch nicht in Betrieb, weshalb dem Aspekt des Gesundheitsschutzes der Hotelgäste durch in die Hotelzimmer hereinziehende Abgase derzeit keine besondere Dringlichkeit innewohnt. Überdies mangelt es auch deshalb am besonderen Vollzugsinteresse unter dem Aspekt des Gesundheitsschutzes der Hotelgäste, da eine etwaige Gefährdung nur bei geöffneten Hotelfenstern droht. Eine solche ist aber bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht zwingend nötig, da ausweislich der Geräuschimmissionsprognose nach TA Lärm der … Ingenieurgesellschaft … vom 14. November 2019 (Seite 15), die Bestandteil der Baugenehmigung für die Sanierung des Hotels „…“ vom 19. Dezember 2019 war, eine Kältemaschine für die Raumkühlung vorhanden ist, also wohl von einer Klimatisierung der Räume auszugehen ist. Soweit die Antragsgegnerin die Eilbedürftigkeit in ihrem Erwiderungsschriftsatz im Eilverfahren vom 25. Februar 2022 zusätzlich und erstmalig damit zu begründen versucht, dass auch Abgase zu den Nutzern der Hotelterrasse im ersten Dachgeschoss gelangen könnten, kann dahinstehen, ob dieser Vortrag noch im Sinne des § 114 Satz 2 VwGO nachgeschoben werden darf. Jedenfalls aber dürfte eine etwaige Rauchgasbelastung auf einer frischluftumwehten Terrasse von vornherein weniger gesundheitsgefährdend sein als in einem bis auf die Fenster geschlossenen Innenraum. Zudem können die Nutzer der Hotelterrasse schlicht dadurch Abhilfe schaffen, dass sie diese verlassen. Der Aufenthalt dort mag zwar angenehm, aber eben nicht zwingend notwendig sein.
cc) Soweit die Antragsgegnerin zuerst in ihrem Erwiderungsschriftsatz vom 25. Februar 2022 hinsichtlich der Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides zur Erhöhung des Kamins vorgebracht hat, dass diese Anordnung sich -anders als in den Bescheidsgründen – auch auf Art. 54 Abs. 4 BayBO stützen könnte, vermag ihr dies nicht zum Erfolg zu verhelfen. Zum einen wäre die Anordnung in Ziffer 2 auch dann unbestimmt im Sinne des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG (s.o. unter 2. b) aa)). Zum anderen setzte Art. 54 Abs. 4 BayBO, wie oben unter 2. a) bb) (1) im Einzelnen erläutert, eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit voraus. Jedoch liegt nach summarischer Prüfung angesichts der Tatsache, dass eine gesundheitliche Betroffenheit der potentiellen Hotelgäste durch aus dem Kamin austretende Abgase bei geschlossenen Hotelfenstern ausgeschlossen ist und im Übrigen seitens der Antragsgegnerin zu einer konkreten Gefahr, etwa durch eine drohende Rauchgasvergiftung, nichts Substantiiertes vorgetragen wurde, schon keine konkrete Gefahr im Sinne des Art. 54 Abs. 4 BayBO vor. Und schließlich mangelte es auch dann am besonderen öffentlichen Vollzugsinteresse im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 161 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Kosten des Verfahrens sind vollumfänglich der Antragsgegnerin aufzuerlegen, da der Antragsteller mit seinem wesentlichen Begehren der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Anordnungen aus Ziffer 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheides erfolgreich ist. Er unterliegt lediglich hinsichtlich seiner Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen die Zwangsgeldandrohungen aus den Ziffern 5 und 6 mangels Rechtsschutzbedürfnis, da die Antragsgegnerin durch Ziffer 4 gleichsam prophylaktisch die Vollstreckung für den Fall zurückgestellt hat, dass die Anordnung des Sofortvollzuges im Eilverfahren keinen Bestand hat (vgl. BayVGH, B.v. 25.10.2017 – 21 CS 17.1077 – juris Rn. 16).
4. Der Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nummern 1.5, 1.6 und 1.7.2 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Hinsichtlich der Anordnungen aus Ziffern 1 und 2 sowie der zusammen mit ihnen angedrohten Zwangsgelder in den Ziffern 5 und 6 ist für die Hauptsache je ein Streitwert von 5.000,00 Euro angemessen; da die angedrohten Zwangsgelder niedriger liegen, bleiben sie außer Betracht. Damit ergibt sich ein Gesamtstreitwert von 10.000,00 Euro, der für das Eilverfahren zu halbieren ist, womit 5.000,00 festzusetzen sind.


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