Baurecht

Wohnnutzung im Gewerbegebiet

Aktenzeichen  Au 5 K 16.577

Datum:
18.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 33
BauNVO BauNVO § 8
VwGO VwGO § 43 Abs. 1, Abs. 2, § 67 Abs. 2 S. 1, Abs. 2 S. 2 Nr. 3 bis Nr. 7, Abs. 4 S. 4, § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3, § 167
ZPO ZPO § 708 Nr. 11, § 711

 

Leitsatz

Die Feststellungsklage ist statthaft, um die Regelungswirkung einer erteilten Baugenehmigung hinsichtlich der im Streit stehenden Art der Nutzung im Verhältnis zur Bauaufsicht zu klären. (redaktioneller Leitsatz)
Das Anerkenntnis der künftigen Festsetzungen eines in Aufstellung befindlichen Bebebauungsplans nach § 33 BauGB besitzt auch ohne Eintragung in das Grundbuch dingliche Wirkung im Sinne einer öffentlichen Last und bestimmt – auch für den Rechtsnachfolger – in Verbindung mit der Baugenehmigung den baurechtlichen Status des Grundstücks. (redaktioneller Leitsatz)
Mit der Festsetzung eines Gewerbegebietes im Bebebauungsplan ist eine Betriebsleiterwohnung ausnahmsweise zulässig, aber keine Nutzung zu privaten Wohnzwecken. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage auf Feststellung hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klage ist zulässig, aber in der Sache unbegründet.
1. Die Klage ist zulässig, denn sie ist als Feststellungsklage nach § 43 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft. Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.
Ein dermaßen festzustellendes Rechtsverhältnis im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Baugenehmigungsbehörde stellt die Reichweite der Regelungswirkung der Baugenehmigung vom 15. Mai 1972 bezüglich der Art der Nutzung dar.
Die Klägerin besitzt auch ein Feststellungsinteresse, da sie ein rechtliches und wirtschaftliches Interesse an der Ausübung der genehmigten Nutzung in vollem Umfang hat. Denn ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO ist gegeben, wenn die Rechtslage unklar ist, die zuständige Behörde insoweit anderer Rechtsauffassung als der Kläger ist und der Kläger sein künftiges Verhalten an der Feststellung orientieren will (Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage 2016, § 43 Rn. 24). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben.
Ebenso ist vorliegend keine Subsidiarität der Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 2 VwGO gegeben. Eine Verpflichtungsklage ist nicht zielführend, da die Klägerin nach ihrer Auffassung bereits im Besitz einer Genehmigung ist. Des Weiteren liegt – entgegen der Auffassung des Beklagten – keine materiell bestandskräftige Entscheidung über die gestellte Rechtsfrage vor. Der ablehnende Bescheid im Hinblick auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die benachbarten Gewerbebetriebe behandelt die Frage der Nutzung des Wohngebäudes nur als Vorfrage.
2. Die Klage ist in der Sache unbegründet.
Die Klägerin hat mit ihrem Feststellungsbegehren keinen Erfolg, da die Nutzung des vorhandenen Wohngebäudes nur als Betriebsleiterwohnung bauplanungsrechtlich zulässig ist.
Die Baugenehmigung vom 15. Mai 1972 ist in dem Sinne zu verstehen, dass eine Wohnnutzung nur im Zusammenhang mit dem Gewerbebetrieb als Betriebsleiterwohnung zulässig ist und deshalb ein solches Bauvorhaben genehmigt worden ist.
a) Die Baugenehmigung vom 15. Mai 1972, die auf der Grundlage der Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 33 BBauG erging, kann nur im Zusammenhang der Erklärung vom 25. April 1972 über die Anerkennung der Festsetzungen des Bebauungsplans ausgelegt werden. Das Anerkenntnis legt in Verbindung mit der Baugenehmigung den baurechtlichen Status des Grundstücks in planungsrechtlicher Hinsicht fest (Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand Mai 2016, § 33 Rn. 60). Der Umfang der genehmigten Nutzung wird damit im vorliegenden Fall durch die Baugenehmigung und das Anerkenntnis nach § 33 BBauG bestimmt. Die Baugenehmigung stützt sich auf die Voraussetzungen des § 33 BBauG, da das Vorhaben nur unter diesen Bedingungen im Rahmen der künftigen Festsetzungen des Bebauungsplans bauplanungsrechtlich zulässig und damit genehmigungsfähig ist.
Auf dieses rechtliche Zusammenwirken von Baugenehmigung und Anerkenntnis wird in den Gründen des Baugenehmigungsbescheids vom 15. Mai 1972 Bezug genommen. Das Bauvorhaben sei nach § 33 BBauG zuzulassen, da sich die Baugrundstücke im Baugebiet „…“ des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans befänden und der Bauherr die künftigen Festsetzungen des Bebauungsplans für sich und seine Rechtsnachfolger schriftlich anerkannt habe. Dadurch wird die rechtliche Verknüpfung des genehmigten Vorhabens mit den Festsetzungen des Bebauungsplans – insbesondere der Festsetzung der Gebietsart als Gewerbegebiet – durch den Wortlaut der Baugenehmigung deutlich, obwohl – wie von der Klägerin richtigerweise vorgebracht – keine begriffliche Bezeichnung des Wohnvorhabens als Betriebsleiterwohnung in der Baugenehmigung vorgenommen wird.
b) Zudem ergibt sich die Rechtslage bezüglich der zulässigen bzw. genehmigten Art der Nutzung des streitgegenständlichen Bauvorhabens aus den Rechtswirkungen, die das Anerkenntnis nach § 33 BBauG entfaltet. Die Erklärung nach § 33 BBauG bzw. § 33 BauGB besitzt eine dingliche Wirkung im Sinne einer öffentlichen Last (BVerwG, U. v. 18.4.1996 – 4 C 22/94 – BVerwGE 101, 58). Diese öffentliche Last liegt ohne Eintragung in das Grundbuch auf dem Grundstück.
Im Verhältnis zwischen dem Bauherrn und der Baugenehmigungsbehörde bewirkt dieses Anerkenntnis, dass die Festsetzungen des künftigen Bebauungsplans vorab verbindlich werden. Das Inkrafttreten des Bebauungsplanentwurfs wird dabei in dem Verhältnis zwischen dem Bauherrn und der Behörde im Ergebnis vorverlegt (BVerwG, U. v. 18.4.1996 a. a. O. Rn. 16; Dürr in Brügelmann, Baugesetzbuch, Stand Feb. 2016, § 33 Rn. 17). Diese vorab verbindliche Wirkung gilt hinsichtlich der den Bauherrn künftig beschränkenden und der ihn begünstigenden Festsetzungen (Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand Mai 2016, § 33 Rn. 60). Inhalt des Anerkenntnisses ist es somit, dass der Bauherr sich einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung unterwirft, die künftigen Festsetzungen des Bebauungsplans gegen sich und seinen Rechtsnachfolger gelten zu lassen. Der Bauherr und sein Rechtsnachfolger haben demgemäß alles zu unterlassen, was mit den künftigen Festsetzungen des Bebauungsplans nicht vereinbar ist (Dürr in Brügelmann, a. a. O. § 33 Rn. 18).
Anhand der vorgenannten rechtlichen Maßstäbe wird ersichtlich, dass die Nutzung des bestehenden Wohngebäudes nur als Betriebsleiterwohnung bauplanungsrechtlich zulässig ist und ebenso als ein solches Bauvorhaben mit Bescheid vom 15. Mai 1972 genehmigt wurde. Denn der Bebauungsplan „…“ sieht für den gegenständlichen Bereich des Baugrundstücks ein Gewerbegebiet nach § 8 BauNVO 1968 vor. In einem solchen Gewerbegebiet sind Betriebsleiterwohnungen nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO 1968 ausnahmsweise zulässig. Eine Nutzung zu privaten Wohnzwecken ist dagegen weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht nach § 162 Abs. 3 VwGO erstattungsfähig, da die Beigeladenen keinen Antrag gestellt und sich somit nicht am Prozesskostenrisiko beteiligt haben.
4. Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg, Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg, schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München:Ludwigstr. 23, 80539 München, oder
Postfachanschrift in München:Postfach 34 01 48, 80098 München,
Hausanschrift in Ansbach:Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Personen vertreten lassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 20.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i. V. m. Nr. 9.1.1.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,- EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen worden ist.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg, Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg, schriftlich einzureichen oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Der Mitwirkung eines Bevollmächtigten bedarf es hierzu nicht.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.


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