Baurecht

Zulässige Wohnnutzung im Innenbereich – Erdrückende und Riegelwirkung eines Mehrfamilienhauses gegenüber einem Bungalow – Nachbarrechtsbehelf

Aktenzeichen  M 1 SN 18.5766

Datum:
4.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 7040
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 3 S. 2, Abs. 5 S. 1
BauGB § 34 Abs. 1, Abs. 2, § 212a Abs. 1
BauNVO § 3 Abs. 2 Nr. 1, § 4 Abs. 2 Nr. 1, § 12 Abs. 2, § 15 Abs. 1 S. 1
BayBO Art. 6 Abs. 2 S. 2, Abs. 5 S. 1, Art. 47, Art. 59 S. 1, Art. 81 Abs. 1 Nr. 4
TA Lärm Nr. 3.2.1 Abs. 2 S. 1, S. 2, Nr. 6.7

 

Leitsatz

1 Der Nachbar trägt für einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot die materielle Darlegungs- und Beweislast, auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren.  (Rn. 29 und 36) (redaktioneller Leitsatz)
2 § 12 Abs. 2 BauNVO begründet für den Regelfall auch hinsichtlich der durch die Nutzung von Stellplätzen verursachten Lärmimmissionen eine Vermutung für die Nachbarverträglichkeit. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Stellplatzpflicht nach Art. 47 BayBO und das abgeleitete Ortsrecht nach Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 BayBO dienen nicht dem Schutz des Nachbarn, sondern ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der Entlastung der öffentlichen Verkehrsfläche vom ruhenden Verkehr. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Nachbarklage gegen die der beigeladenen Bauherrin für die Errichtung eines Mehrfamilienhauses auf dem Grundstück FlNr. 345/1 der Gemarkung … von dem Antragsgegner erteilte Baugenehmigung.
Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. 343/13 ( … 37) der Gemarkung … (sämtliche FlNrn. sind solche der Gemarkung …), das mit einem aufgrund Baugenehmigung vom 8. Mai 2017 genehmigten eingeschossigen zu Wohnzwecken genutzten Bungalow mit einer Wandhöhe von 2,80 m und einer Fläche von 139,6 m2 bebaut ist. Das Grundstück des Antragsstellers FlNr. 343/13 wird im Norden und Osten von dem Grundstück FlNr. 343/11 umgeben und im Süden von der Gemeindestraße „… …“ begrenzt.
Östlich des Grundstücks des Antragstellers FlNr. 343/13 befindet sich – getrennt durch das Grundstück FlNr. 343/11 – das ebenfalls an der Gemeindestraße „… …“ gelegene Grundstück FlNr. 343/12 ( … 39), das mit einem von der Bundespolizei genutzten Verwaltungsgebäude bebaut ist. Dieses weist eine Wandhöhe von 11,22 m und eine überbaute Fläche von 545 m2 auf. Südlich an das Grundstück mit dem Verwaltungsgebäude FlNr. 343/12 grenzen die beiden Grundstücke FlNrn. 345 und 347/11, welche den Endpunkt der Gemeindestraße „… …“ bilden, sich eine gemeinsame Hausnummer teilen ( … 34) und gewerblich genutzt werden. Südwestlich gegenüber dem Grundstück des Antragstellers FlNr. 343/13 auf der anderen Seite der Gemeindestraße „… …“ liegt das nahezu dreieckige Grundstück der Beigeladenen FlNr. 345/1 ( … 32), das an seiner südöstlichen abgeflachten Ecke eine Grenze mit dem gewerblich genutzten Grundstück FlNr. 345 teilt und weiter im Süden durch die Gemeindestraße „…weg“ begrenzt wird. In Richtung Süden setzt sich die gewerbliche Nutzung auf dem Grundstück FlNr. 355 fort. Die übrige Bebauung entlang der Gemeindestraßen „…weg“ und „… …“ besteht überwiegend aus Wohnhäusern. Sämtliche der genannten Grundstücke befinden sich im unbeplanten Innenbereich.
Am 19. Juni 2017 beantragte die Beigeladene die Erteilung der Baugenehmigung für die Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit 18 Wohnungen und Radunterstand auf dem Grundstück FlNr. 345/1. Das Bauvorhaben soll auf einer Länge von circa 37 m eine Wandhöhe von 8,42 m, drei Vollgeschosse und eine überbaute Fläche von insgesamt 507 m2 aufweisen. 25 der 36 Stellplätze sollen auf dem Grundstück FlNr. 343/12 entlang der Grenze zu dem neben dem Grundstück des Antragstellers befindlichen Grundstück FlNr. 343/11 errichtet werden.
Mit Schreiben vom … Oktober 2017 teilte der Antragsgegner der Beigeladenen zunächst mit, dass sich das Bauvorhaben nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht in die Umgebung einfüge. Bei der Prüfung des Maßes der baulichen Nutzung seien gleichartige, hier also zu Wohnzwecken genutzte Gebäude, zueinander in Beziehung zu setzen. Die Gebäude auf den Grundstücken FlNrn. 343/12, 345 und 347/11 könnten daher nicht in die Gesamtbetrachtung einbezogen werden. In der Folge revidierte der Antragsgegner diese Rechtsauffassung.
Am 13. Dezember 2017 erteilte die Gemeinde … ihr Einvernehmen zu dem Bauvorhaben.
Mit angegriffenem Bescheid vom 19. April 2018 erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen im vereinfachten Verfahren gemäß Art. 59 Satz 1 BayBO (i.d.F. gültig bis zum 31.8.2018 – a.F.) die beantragte Baugenehmigung. Zur Begründung führte der Antragsgegner an, dass sich das Bauvorhaben nach der Art der baulichen Nutzung als Wohngebäude in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Gleiches gelte für das Maß der baulichen Nutzung, da es Referenzobjekte hierfür gebe. Als Referenzobjekt könne das (Verwaltungs-)Gebäude auf dem Grundstück FlNr. 343/12 mit einer Wandhöhe von 11,22 m und einer Grundflächenzahl von 0,27 herangezogen werden.
Mit Schriftsatz vom … Mai 2018 erhob der Antragsteller Klage mit dem Antrag, den vorgenannten Bescheid aufzuheben.
Mit Telefax vom … Juli 2018 legte der Antragsteller den in Aufstellung befindlichen Flächennutzungsplan der Gemeinde … vor, der westlich der Grundstücke FlNrn. 343/12, 347/131 und 355 ein Mischgebiet darstellt und östlich davon ein Gewerbegebiet.
Mit Schriftsatz vom 10. August 2018 beantragte die Beigeladene, die Klage abzuweisen. Zur Begründung führte sie unter anderem Folgendes aus: Das Grundstück mit dem Verwaltungsgebäude FlNr. 343/12 werde ebenfalls über die Straße „… …“ erschlossen. Es unterscheide sich aufgrund der umgebenden Grünflächen und des Ziegeldaches optisch nicht wesentlich von einem Wohngebäude. Es liege weder eine erdrückende noch eine einmauernde Wirkung gegenüber dem Grundstück des Antragstellers vor. Dieser habe sein Grundstück FlNr. 343/13 allein mit einem eingeschossigen Bungalow bebaut und sei damit freiwillig unter dem für ihn möglichen Rahmen der zulässigen Bebauung geblieben. Auch absolut gesehen könne das Bauvorhaben mit Blick auf seine Größe keine erdrückende Wirkung entfalten. Außerdem sei der Bungalow auf dem Grundstück des Antragstellers FlNr. 343/13 selbst mit Blick auf die überbaute Fläche als bauplanungsrechtlich unzulässig einzustufen. Des Weiteren sei der Antragsteller kein direkter Nachbar des Bauvorhabens, das im Übrigen zu dem Grundstück des Antragstellers FlNr. 343/13 die Abstandsflächen einhalte.
Mit Telefax vom … November 2018 beantragt der Antragsteller,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung trägt der Antragsteller – unter anderem – Folgendes vor: Das Baugrundstück sei in westlicher, südwestlicher, nördlicher sowie nordöstlicher Richtung von Wohnbebauung umgeben, namentlich von Einfamilienhäusern, Doppelhaushälften und kleinen Mehrfamilienhäusern. Diese Wohnbebauung zeichne sich durch maximal zwei Vollgeschosse aus, die Tiefe der Gebäude messe maximal 18 m, und die überbaute Fläche betrage maximal 283,1 m2. Allein in östlicher und südöstlicher Richtung sei eine gewerbliche Nutzung vorhanden. Hinter den Grundstücken FlNrn. 354/2, 354, 347/131, 343/13 und 343/11 sei eine räumliche Zäsur vorzunehmen. Das Bauvorhaben verstoße gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Das einschlägige Maß der baulichen Nutzung sei überschritten. Darüber hinaus habe es eine erdrückende und einmauernde Wirkung gegenüber dem Grundstück des Antragstellers. Es verstoße gegen objektives Recht, da es hinsichtlich der erforderlichen Stellplätze die Ortssatzung nicht einhalte. Im Einzelnen gelte Folgendes: Es liege kein einheitlich zu beurteilendes Mischgebiet vor, vielmehr grenze eine reine Wohnnutzung im Sinne von § 3 BauNVO an eine gewerbliche Nutzung. Das Baugrundstück liege exakt innerhalb des durch die Wohnnutzung geprägten Gebietes. Das Verwaltungsgebäude auf dem Grundstück FlNr. 343/12 sei insofern kein Referenzobjekt. Kein einziges Gebäude innerhalb der näheren Umgebung weise nur annähernd ein solches Maß der baulichen Nutzung und eine solche überbaute Grundstücksfläche auf. Zudem zähle es zum gewerblich genutzten Teil des Gevierts. Es sei ein Fremdkörper. Der Antragsteller sehe sich mit dem Bauvorhaben einem etwa 42 m langen Gebäudekomplex mit einer Wandhöhe von 8,42 m gegenüber, welcher darüber hinaus in Richtung des Grundstücks des Antragstellers mit Balkonen versehen werden solle. Zwar würden die Abstandsflächen eingehalten. Die Wandhöhe des Bauvorhabens übersteige jedoch die des Bungalows des Antragstellers um das Dreifache. Dieser werde um zwei Vollgeschosse überragt. Eine Berechnung der Schattenlänge habe ergeben, dass bei Errichtung des Bauvorhabens im Zeitraum vom 15. September bis zum 15. März ab 15:00 Uhr keine Sonnenwärme auf der Terrasse des Antragstellers ankommen würde. Auf dem Dach des Bungalows des Antragstellers auf der Westseite befänden sich zudem Solarthermie-Felder, die ebenfalls verschattet würden, was zu finanziellen Einbußen des Antragstellers führen würde. Rücksichtslos sei auch, dass der Antragsteller noch dazu den 25 Stellplätzen auf dem benachbarten Grundstück mit dem Verwaltungsgebäude FlNr. 343/12 ausgesetzt werde. Entgegen § 3 Abs. 1 der Ortssatzung der Gemeinde … würden diese schließlich nicht auf dem Baugrundstück errichtet. Eine Ausnahme nach § 3 Abs. 2 der Ortssatzung sei nicht ersichtlich. Außerdem verstoße das Bauvorhaben gegen § 6 Abs. 4 der Ortssatzung, da die wenigen Stellplätze auf dem Baugrundstück im Vorgarten (5 m-Bereich zwischen Straße und Gebäude) zugelassen würden. Auch sei die Nachbarbeteiligung unterblieben. Dem Schriftsatz beigefügt war – unter anderem – eine Anlage mit dem Titel „Schattenlänge und Schattenrichtung berechnen“. Später führte der Antragsteller aus, dass das Gebot der Rücksichtnahme im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB in Verbindung mit § 4 BauNVO in Verbindung mit § 15 Abs. 1 BauNVO verletzt sei. Die Eigenart der näheren Umgebung ähnele einem allgemeinem Wohngebiet. Es sei fraglich, ob hier die Anforderungen an die Nr. 4 Sätze 3 und 4 der DIN 5034-1 eingehalten würden. Dass gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht drohten, genüge nicht, um die Zumutbarkeit der Verschattung zu bejahen. Abgesehen davon bedeute die nahezu vollständige Verschattung eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit des Antragstellers. Die Schutzwürdigkeit des Antragstellers werde nicht dadurch abgeschwächt, dass er nur einen eingeschossigen Bungalow gebaut und damit den für ihn möglichen Rahmen der zulässigen Bebauung in die Höhe freiwillig unterschritten habe. Darüber hinaus werde auch der Gebietserhaltungsanspruch verletzt.
Mit Telefax vom 10. Dezember 2018 beantragt die Beigeladene, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führt sie aus, dass das Maß der baulichen Nutzung nicht drittschützend sei. Eine erdrückende oder abriegelnde Wirkung des Bauvorhabens sei wegen des Abstandes zwischen dem Bauvorhaben und dem Gebäude des Antragstellers nicht ersichtlich. Außerdem falle das Baugrundstück von der Straße leicht ab (laut Eingabeplan um 0,66 m). Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots hinsichtlich Belichtung, Besonnung und Belüftung scheide in aller Regel aus, wenn die gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen eingehalten würden. Die bloße Angabe der Schattenlänge enthalte hierzu im Übrigen keine verwertbaren Aussagen. Maßgeblich sei insofern Nr. 4 Sätze 3 und 4 der DIN 5034-1. Auch die behauptete Einbuße der Nutzbarkeit der Photovoltaikanlage reiche für eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots nicht aus. Die Anordnung der Stellplätze auf dem Grundstück mit dem Verwaltungsgebäude FlNr. 343/12 sei gegenüber dem Antragsteller ebenfalls nicht rücksichtslos, da das Grundstück FlNr. 343/11 dazwischen liege und die Entfernung zwischen den Stellplätzen und dem Gebäude auf dem Grundstück des Antragstellers circa 20 m betrage.
Mit Schreiben vom 12. Dezember 2018 beantragt der Antragsgegner, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führt er unter anderem Folgendes aus: Das Bauvorhaben habe keine einmauernde Wirkung, weil es die Abstandsflächen einhalte. Der Abstand zwischen Bauvorhaben und dem Gebäude des Antragstellers betrage rund 17 m. Der Antragsteller sei kein direkter Flurnachbar des Bauvorhabens, da eine öffentliche Straße dazwischen liege. Eine Verschlechterung des Lichteinfalls durch eine Veränderung der umliegenden baulichen Situation sei bis zu einem gewissen Grad von den Grundstückseigentümern hinzunehmen, solange eine Mindestdauer an Besonnung möglich sei, wovon hier auszugehen sei.
Mit Telefax vom 6. Februar 2019 legte die Beigeladene eine lärmschutzfachliche Untersuchung vom 30. Januar 2019 zu den 25 Stellplätzen auf dem Grundstück mit dem Verwaltungsgebäude FlNr. 343/12 und zu den damit einhergehenden Fahrbewegungen vor. Danach werden – unter Zugrundelegung eines Mischgebiets – die Immissionsrichtwerte der TA Lärm an den Immissionsorten auf dem Grundstück des Antragstellers FlNr. 343/13 sämtlich eingehalten.
Daraufhin führte der Antragsteller aus, die lärmschutzfachliche Untersuchung vom 30. Januar 2019 könne nicht den Nachweis dafür erbringen, dass das Gebot der Rücksichtnahme nicht verletzt sei, da sie unzutreffend von einem Mischgebiet ausgehe. Der Immissionsrichtwert eines reinen Wohngebiets, jedenfalls eines allgemeinen Wohngebiets, in Höhe von 40 dB(A) nachts werde überschritten. Außerdem seien entgegen Nr. 3.2.1 der TA Lärm die Vorbelastungen durch das unmittelbar angrenzende großflächige Gewerbe nicht berücksichtigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten sowie die Gerichtsakte im Hauptsacheverfahren (M 1 K 18.2351) verwiesen.
II.
1. Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Nachbarklage gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO in Verbindung mit § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist zulässig, jedoch unbegründet.
a) Nach § 212a Abs. 1 BauGB haben Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Legt ein Dritter gegen die einem anderen erteilte und diesen begünstigende Baugenehmigung einen der genannten Rechtsbehelfe ein, so kann das Verwaltungsgericht auf Antrag gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die bundesgesetzlich gemäß § 212a Abs. 1 BauGB ausgeschlossene aufschiebende Wirkung des jeweiligen Rechtsbehelfs ganz oder teilweise anordnen.
Hierbei trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechenden Interessen oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streitenden Interessen höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung hat das Verwaltungsgericht insbesondere zunächst die Erfolgsaussichten der Hauptsache als Indiz heranzuziehen, wie sie sich aufgrund der summarischen Prüfung im Zeitpunkt der Entscheidung darstellen. Wird die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben, so überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse am Sofortvollzug das private Interesse des Antragstellers, da kein schutzwürdiges Interesse daran besteht, von dem Vollzug eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes verschont zu bleiben (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl., 2019, § 80, Rn. 76).
b) Gemessen an diesen Maßstäben fällt die gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO in Verbindung mit § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessensabwägung zu Lasten des Antragstellers aus, da dessen Klage voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Die mit Bescheid des Antragsgegners vom 19. April 2018 erteilte Baugenehmigung ist – nach summarischer Prüfung – rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in nachbarschützenden Rechten.
aa) Das Bauvorhaben, das im unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB liegt, fügt sich nach summarischer Prüfung der Art nach in die nähere Umgebung ein.
Maßstab für die städtebauliche Zulässigkeit eines Bauvorhabens gemäß § 34 BauGB ist die Eigenart der näheren Umgebung. Die nähere Umgebung muss insoweit berücksichtigt werden, als sich die Ausführung des Bauvorhabens auf sie auswirken kann und soweit die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (vgl. BVerwG, U.v. 26.5.1978 – 4 C 9.77 – juris Rn. 33). Dabei kann dahinstehen, ob man das Grundstück mit dem Verwaltungsgebäude FlNr. 343/12 und die sich nordöstlich und südöstlich anschließende Gewerbebebauung in die nähere Umgebung des streitigen Bauvorhabens einbezieht. Auch muss nicht entschieden werden, ob die nähere Umgebung nach § 34 Abs. 1 BauGB als Gemengelage zu beurteilen ist oder ob sie als faktisches reines oder allgemeines Wohngebiet zu qualifizieren ist, dessen Beurteilung sich nach § 34 Abs. 2 BauGB in Verbindung mit § 3 BauNVO oder § 4 BauNVO richtet. Denn in jedem Fall, sei es nach § 34 Abs. 1 BauGB oder nach § 34 Abs. 2 BauGB in Verbindung mit § 3 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO oder § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO, stellt sich die mit dem Bauvorhaben geplante Wohnnutzung in der jedenfalls auch von Wohnnutzung geprägten näheren Umgebung als eine der Art nach zulässige Nutzung dar (vgl. in einer derartigen Situation ebenfalls offenlassend: VG München, B.v. 9.5.2011 – M 1 SN 11.1340 – juris Rn. 16). Insofern ist bereits nicht erkennbar, dass und inwiefern der von dem Antragsteller geltend gemachte Gebietserhaltungsanspruch verletzt sein soll. Auf den mittlerweile am 30. August 2018 genehmigten Flächennutzungsplan der Gemeinde … kommt es nicht an, da es sich hierbei gemäß § 5 BauGB lediglich um eine Planung zu der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung handelt.
bb) Ob das Bauvorhaben das Maß der baulichen Nutzung überschreitet, kann im vorliegenden Fall ebenfalls offenbleiben, da die Anforderungen an das Maß der baulichen Nutzung der städtebaulichen Ordnung dienen und keine nachbarschützende Funktion haben (vgl. z.B. zu dem Maß der baulichen Nutzung in Bebauungsplänen: BVerwG, B.v. 23.6.1995 – 4 B 52.95 – juris Rn. 4; vgl. z.B. zu dem Maß der baulichen Nutzung im Anwendungsbereich des § 34 BauGB: BayVGH, B.v. 1.3.2016 – 15 CS 16.244 – juris Rn. 33; B.v. 1.12.2011 – 14 CS 11.2577 – juris Rn. 24), so dass sich der Antragsteller auf eine etwaige Verletzung nicht berufen kann.
cc) Ein Nachbar kann sich allerdings unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Einzelfalls auf das drittschützende Rücksichtnahmegebot, sei es nach § 34 Abs. 1 BauGB oder nach § 34 Abs. 2 BauGB in Verbindung mit § 15 BauNVO, berufen. Dieses ist verletzt, wenn durch das geplante Bauvorhaben die Nutzung des Nachbargrundstücks unzumutbar beeinträchtigt wird (vgl. Söfker in EZBK, BauGB, 131 EL Oktober 2018, § 34 Rn. 48 m.w.N.). Von einer derartigen Unzumutbarkeit ist auszugehen, wenn das Bauvorhaben im Einzelfall eine erdrückende Wirkung oder eine Riegelwirkung entfaltet. Dabei ist der Umstand, dass ein Bauvorhaben die Abstandsflächen einhält, als ein Indiz dafür zu werten, dass das Rücksichtnahmegebot nicht verletzt ist (vgl. BayVGH, B.v. 26.11.2018 – 9 ZB 18.912 – juris Rn. 10; B.v. 30.9.2015 – 9 CS 15.1115 – juris Rn. 13). Eine solche erdrückende Wirkung oder Riegelwirkung wird beispielsweise bei sehr großen Baukörpern in geringem Abstand zu sehr viel niedrigeren Wohngebäuden angenommen (vgl. BVerwG, U.v. 31.3.1981 – 4 C 1.78 – juris Rn. 33 f.: Hochhaus mit zwölf Geschossen im Abstand von 15 m zu einem Wohngebäude mit zweieinhalb Geschossen; U.v. 23.5.1986 – 4 C 34.85 – juris Rn. 15: Mehrere Siloanlagen mit einer Höhe 11,50 m im Abstand von 6 m zu einem zweigeschossigen Wohngebäude).
(1) Bei summarischer Prüfung verletzt das Bauvorhaben nicht das Rücksichtnahmegebot unter dem Gesichtspunkt der behaupteten erdrückenden Wirkung oder einer Riegelwirkung. Die Abstandsflächenregelung des Art. 6 BayBO a.F. gehörte nach Art. 59 Satz 1 BayBO a.F. nicht zu dem für den Erlass der Baugenehmigung einschlägigen Prüfprogramm. Aus den genehmigten Plänen ergibt sich indes, dass das Bauvorhaben mit einer Wandhöhe von 8,42 m in Bezug auf das Grundstück des Antragstellers unter Berücksichtigung seines Abstandes zu der Grundstücksgrenze und unter Berücksichtigung der circa 7 m breiten Straße gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO die nach Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO erforderliche Tiefe der Abstandsfläche von 1 H einhält. Der Abstand zwischen dem Bauvorhaben und dem Anwesen des Antragstellers auf der anderen Seite der circa 7 m breiten Straße beträgt im Übrigen insgesamt circa 17 m. Nach Westen, Norden und Osten ist der Antragsteller bislang auch keiner Grenzbebauung ausgesetzt. Die Wandhöhe des Bauvorhabens von 8,42 m (auf einer Länge von circa 37 m) ist zweifelsohne höher als die Wandhöhe des Bungalows des Antragstellers von 2,80 m. Damit wird der Bungalow des Antragstellers im Ergebnis um zwei Vollgeschosse überragt. Eine derartige Differenz ist jedoch im unbeplanten Innenbereich nicht ungewöhnlich. Angesichts der geschilderten Größenverhältnisse und Entfernungen und unter Berücksichtigung der dazwischen liegenden Straße erscheint die Grenze einer erdrückenden Wirkung oder einer Riegelwirkung nicht erreicht.
(2) Auch unter dem Gesichtspunkt der Verschattung ist das Bauvorhaben bei summarischer Prüfung nicht rücksichtslos. Verringerungen des Lichteinfalls infolge eines Bauvorhabens sind in aller Regel hinzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 15.1.2018 – 15 ZB 16.2508 – juris Rn. 19). Besondere Umstände, die dafür sprechen, dass diesbezüglich trotz der Einhaltung der Abstandsflächen ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot vorliegen könnte, sind nicht vorgetragen. Dies ist insbesondere nicht durch die beigefügte Anlage „Schattenlänge und Schattenrichtung“ geschehen. Diese Anlage, die Angaben zu dem Autor, zu Zeit und Ort der Erstellung, sowie zu der Fachkunde des Autors vermissen lässt, ist nicht tragfähig. Dabei hat der Autor anscheinend unter der Rubrik „Ortskoordinaten“ schlicht den Breitengrad der Gemeinde … „…“ eingegeben, die Höhe bei „10,6“ veranschlagt und die Uhrzeit „14.00 Uhr“ eingefügt. Dies berücksichtigt indes erkennbar weder die konkrete bauliche Situation noch die Erdrotation und den Sonnenstand. Eine rücksichtslose Verschattung des Anwesens des Antragstellers ist auch nicht anderweitig ersichtlich. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass der Nachbar für einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot die materielle Darlegungs- und Beweislast trägt (vgl. BVerwG, B.v. 28.7.1993 – 4 B 120.93 – juris Rn. 5), welche auch im einstweiligen Rechtsschutz im Baurecht Anwendung findet (vgl. BayVGH, B.v. 28.12.2016 – 15 CS 16.1774 – juris Rn. 29).
(3) Bei summarischer Prüfung verletzt das Bauvorhaben das Rücksichtnahmegebot auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer etwaigen Beeinträchtigung der Funktionalität der Solarthermiefelder auf dem westlichen Dach des Bungalows des Antragstellers. Ein Nachbar hat grundsätzlich keinen Anspruch darauf, vor jeglicher Wertminderung bewahrt zu bleiben (vgl. speziell zu der Verschattung von Photovoltaikanlagen: BayVGH, B.v. 18.6.2018 – 1 ZB 18.696 – juris 9). Abgesehen davon hat der Antragsteller eine derartige Beeinträchtigung wegen Verschattung bereits weder hinreichend dargetan und glaubhaft gemacht (s.o.) noch hat er zu den finanziellen Einnahmen und zu dem Umfang der behaupteten Einbußen Angaben gemacht.
(4) Bei summarischer Prüfung verletzt das Bauvorhaben auch nicht das Rücksichtnahmegebot durch die Situierung der 25 Stellplätze auf dem Grundstück mit dem Verwaltungsgebäude FlNr. 343/12.
Stellplätze und Garagen sind nach § 12 Abs. 2 BauNVO grundsätzlich in allen Baugebieten zulässig. Die Vorschrift begründet für den Regelfall auch hinsichtlich der durch die Nutzung verursachten Lärmimmissionen eine Vermutung der Nachbarverträglichkeit (vgl. BayVGH, B.v. 29.1.2016 – 15 ZB 13.1759 – Rn. 23). Die Nachbarschaft muss die von der im Zusammenhang mit einer zulässigen Wohnbebauung stehenden Nutzung von Stellplätzen und Garagen ausgehenden Immissionen im Regelfall hinnehmen (vgl. BVerwG, B.v. 20.3.2003 – 4 B 59.02 – juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 9.9.2009 – 2 CS 09.1977 – juris Rn. 2; NdsOVG, B.v. 22.10.2010 – 1 ME 145.10 – juris Rn. 30). Die Nachbarschaft hat Geräusche wie Türenschlagen, Starten des Motors und Bremsvorgänge sowie Fahrten auf dem Weg zum Stellplatz als sozialadäquat zu dulden. Garagen und Stellplätze können allerdings in ruhigen rückwärtigen Gartenbereichen hinter Wohnhäusern Bedenken begegnen. Eine generelle, für alle Standorte von Stellplätzen im rückwärtigen (Wohn-)Bereich geltende Beurteilung ist hierbei indes nicht möglich; sie hängt immer von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab (vgl. BVerwG, B.v. 20.3.2003 – 4 B 59.02, juris Rn. 6). Maßgeblich sind hier insbesondere die Zahl der Stellplätze, deren Lage sowie deren zugrunde liegender Zweck. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Umfang von Fahrzeugbewegungen in Bezug auf zu Wohnnutzung genehmigte Stellplätze sowohl zur Tages- als auch zur Nachtzeit im Vergleich Stellplätzen, die zu anderen Nutzungen genehmigt wurden und die beispielsweise Liefer- und Kundenverkehr verursachen, beschränkt ist (vgl. VG München, B.v. 9.5.2011 – M 1 SN 11.1340 – juris Rn. 20 a.E.).
Gemessen an diesen Maßstäben gilt hinsichtlich der Situierung der Stellplätze auf dem Grundstück mit dem Verwaltungsgebäude FlNr. 343/12 Folgendes: Für die Nachbarschaftsverträglichkeit spricht die Regelvermutung des § 12 Abs. 2 BauNVO. Die Annahme einer Ausnahme hiervon liegt im vorliegenden Fall nicht nahe. Zwar handelt es sich um eine nicht unbeträchtliche Zahl von Stellplätzen. Die Stellplätze sollen jedoch nicht unmittelbar an der Grenze zu dem Grundstück des Antragstellers FlNr. 343/13 errichtet werden. Zwischen den Stellplätzen und dem Grundstück FlNr. 343/13 und damit auch dem dortigen Anwesen des Antragstellers befindet sich das Grundstück FlNr. 343/11. Die Stellplätze sind auch nicht entlang der – von der Straße aus betrachtet – rückwärtigen Seite des Grundstücks des Antragstellers angeordnet. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass mit dem Bauvorhaben Wohnnutzung genehmigt wird, so dass die Fahrzeugbewegungen sowohl zur Tages- als auch zur Nachtzeit in dem beschriebenen Sinne vergleichsweise beschränkt sind. Wären die Stellplätze nicht ein unselbständiger Teil des Gesamtbauvorhabens, sondern ein isoliertes Bauvorhaben, wäre dieses gemäß Art. 57 Abs. 1 Nr. 15 Buchst. b) BayBO in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Nr. 1 GaStellV in Abweichung zu der grundsätzlich geltenden Baugenehmigungspflicht verfahrensfrei, wobei freilich die Anforderungen des Art. 55 Abs. 2 BayBO gelten würden. Hinter der Verfahrensfreistellung steht die gesetzgeberische Annahme, dass es sich in diesen Fällen um ein lediglich untergeordnetes und unbedeutendes Bauvorhaben handelt (vgl. Lechner/Busse in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 131. EL Oktober 2018, Art. 57 Rn. 12). Hierin ist ein weiteres Indiz für die Zumutbarkeit der Stellplätze zu sehen.
Für die Einhaltung des Gebotes der Rücksichtnahme in Bezug auf das Grundstück des Antragstellers FlNr. 343/13 sprechen zunächst prima facie auch die Ergebnisse der vorgelegten lärmschutzfachlichen Untersuchung vom 30. Januar 2019. Dabei ist bei summarischer Prüfung nicht zu beanstanden, dass die Gutachter von den für ein Mischgebiet geltenden Immissionsrichtwerten in Höhe von 60 dB(A) tagsüber und 45 dB(A) nachts ausgegangen sind. Die Annahme dieses Schutzniveaus steht im Einklang mit Nr. 6.7 Sätzen 1 und 2 der TA Lärm (Gemengelagen), wonach bei Gemengelagen die Immissionsrichtwerte eines Mischgebiets nicht überschritten werden sollen. Nr. 6.7 Sätze 1 und 2 der TA Lärm knüpft nicht allein an den städtebaulich im Rahmen von § 34 Abs. 1 BauGB gebräuchlichen Begriff der Gemengelage an, sondern findet sowohl auf den Fall Anwendung, dass eine Gemengelage im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB vorliegt, weil verschiedene Nutzungen aufeinanderstoßen, als auch auf den Fall, dass verschiedene Baugebiete im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB aneinandergrenzen. Die lärmschutzfachliche Untersuchung belegt, dass der Immissionsrichtwert für ein Mischgebiet zur Tageszeit um mindestens 14,2 dB(A) unterschritten wird, zur lautesten Nachtzeit um durchweg mehr als 3 dB(A). In der lärmschutzfachlichen Untersuchung wird auch im Sinne von Nr. 7.4 der TA Lärm ausgeschlossen, dass die durch den Betrieb der 25 Stellplätze induzierten Fahrbewegungen im öffentlichen Straßenraum den Beurteilungspegel der Verkehrsgeräusche um mehr als 3 dB(A) erhöhen und gleichzeitig zu einer erstmaligen und weitergehenden Überschreitung der Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV beitragen würden.
Allerdings ist diese prima facie Indizwirkung, wie der Antragsteller zutreffend geltend macht, im Hinblick auf die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6.7 der TA Lärm aufgrund der Nr. 3.2.1 Abs. 2 Sätze 1 und 2 der TA Lärm herabgemindert (Nr. 3.2.1 der TA Lärm hat auf Nr. 7.4 der TA Lärm keinen Einfluss, vgl. Nr. 3.2.1 Abs. 1 der TA Lärm). Nr. 3.2.1 Abs. 2 Satz 1 der TA Lärm bestimmt, dass die Genehmigung für die zu beurteilende Anlage auch bei einer Überschreitung der Immissionsrichtwerte aufgrund der Vorbelastung aus Gründen des Lärmschutzes nicht versagt werden darf, wenn der von der Anlage verursachte Immissionsbeitrag im Hinblick auf den Gesetzeszweck als nicht relevant anzusehen ist. Nach Nr. 3.2.1 Abs. 2 Satz 2 der TA Lärm ist dies in der Regel der Fall, wenn die von der zu beurteilenden Anlage ausgehende Zusatzbelastung die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 der TA Lärm am maßgeblichen Immissionsort um mindestens 6 dB(A) unterschreitet. Zu einer etwaigen Vorbelastung verhält sich die vorgelegte lärmschutzfachliche Untersuchung nicht. Gleichzeitig beträgt die in der lärmschutzfachlichen Untersuchung festgestellte Unterschreitung zur lautesten Nachtzeit zwar 3 dB(A), erreicht jedoch nicht 6 dB(A). Unter dem Aspekt der Vorbelastung ist die lärmschutzfachliche Untersuchung daher nicht aussagekräftig.
Die lärmschutzfachliche Untersuchung spricht damit allerdings auch nicht gegen die Einhaltung des Gebotes der Rücksichtnahme in Bezug auf das Grundstück des Antragstellers FlNr. 343/13. Bei dem streitigen Wohnbauvorhaben handelt es sich nicht um eine Anlage im Sinne des Immissionsschutzrechts. Die TA Lärm findet daher nach ihrer Nr. 1 nicht unmittelbar Anwendung. Die Einhaltung oder Nichteinhaltung ihrer Vorgaben hat im Rahmen des Rücksichtsnahmegebots lediglich den Charakter eines Anhaltspunktes. Die von der Beigeladenen überobligatorisch (vgl. § 3 BauVorlV) vorgelegte lärmschutzfachliche Untersuchung muss Aussagen zu etwaigen Vorbelastungen nicht enthalten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass den Behörden, geht es um nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz nicht genehmigungsbedürftige Anlagen im Baugenehmigungsverfahren im Hinblick auf die Art und den Umfang der Ermittlungen ein weiter Spielraum eingeräumt wird (vgl. zu Nr. 1 Abs. 3 Buchst. b) Buchst. aa) der TA Lärm: Feldhaus/Tegeder, TA Lärm, 2014, B, Nr. 1, Rn. 35). Die Annahme einer maßgeblichen Überschreitung der Immissionsrichtwerte der TA Lärm unter Berücksichtigung etwaiger Vorbelastungen liegt im vorliegenden Fall nicht ohne Weiteres nahe. Der Antragsteller hat diesbezüglich keine näheren Angaben gemacht. Insbesondere ist weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich, dass die angrenzende gewerbliche Nutzung zu der lautesten Nachtzeit überhaupt aktiv ist. Die Entfernungen zwischen dem Anwesen des Antragstellers und der gewerblichen Nutzung ist auch nicht unbeträchtlich. Im Übrigen liegt im Fall von Stellplätzen eine unzumutbare Beeinträchtigung und damit ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme nicht bereits dann vor, wenn die Immissionsrichtwerte der TA Lärm überschritten sind (vgl. OVG S-A, B.v. 5.9.2016 – 2 M 49/16 – juris Rn. 31; vgl. speziell zu dem Spitzenpegelkriterium nach Nr. 6.1 Satz 2 der TA Lärm bei Stellplätzen: BayVGH, B.v. 9.12.2016 – 15 CS 16.1417 – juris Rn. 17), was im vorliegenden Fall, wie ausgeführt, bislang auch nicht festgestellt wurde. Insofern bleibt es bei den zuvor zu der Situierung der Stellplätze genannten Gesichtspunkten (s.o.). Der Antragsteller hat die Vermutung der Nachbarverträglichkeit nicht entkräftet. Es gilt auch hier, dass der Nachbar für einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot die materielle Darlegungs- und Beweislast trägt (vgl. BVerwG, B.v. 28.7.1993 – 4 B 120.93 – juris Rn. 5), welche auch im einstweiligen Rechtsschutz im Baurecht Anwendung findet (vgl. BayVGH, B.v. 28.12.2016 – 15 CS 16.1774 – juris Rn. 29).
dd) Das Bauvorhaben verletzt auch nicht den insbesondere aus § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO hergeleiteten Gebietsprägungserhaltungsanspruch. Ein solcher – so man ihn denn anerkennt (vgl. zweifelnd: BayVGH, B.v. 3.2.2014 – 9 CS 13.1916 – juris Rn. 13; VG München, B.v. 26.10.2017 – M 9 S 17.3585 – juris Rn. 25 ff.; U.v. 17.5.2016 – M 1 K 16.629 – juris Rn. 29 f.) – setzt hinsichtlich des Umfangs des Bauvorhabens ein Umschlagen von Quantität in Qualität voraus. Aufgrund der Dimensionierung des Bauvorhabens müsste eine neue Art der baulichen Nutzung in die nähere Umgebung hineingetragen werden, wobei Dimensionierung nicht gleichgesetzt werden kann mit dem Maß der baulichen Nutzung. Denn über den „Umweg“ des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO kann nicht ein – mangels nachbarschützender Funktion – nicht bestehendes Recht des Nachbarn geschaffen werden, ein Nichteinfügen nach dem Maß der baulichen Nutzung zu rügen. Unter diesen Vorzeichen ist in Anbetracht der bereits geschilderten tatsächlichen Umstände sowie der angestellten rechtlichen Erwägungen (s.o.) nicht erkennbar, dass das Wohnzwecken dienende Bauvorhaben, sowohl im Hinblick auf den Baukörper auf dem Baugrundstück Fl. 345/1 als auch im Hinblick auf die Stellplätze auf dem Grundstück mit dem Verwaltungsgebäude FlNr. 343/12, im vorliegenden Fall eine neue Art der baulichen Nutzung in die nähere Umgebung hineintragen würde.
ee) Schließlich ist der Antragsteller auch nicht dadurch in seinen drittschützenden Rechten verletzt, dass die Stellplätze, wie er vorträgt, entgegen § 3 Abs. 1 und § 6 Abs. 4 der Ortssatzung der Gemeinde … errichtet werden sollen. Denn die Stellplatzpflicht nach Art. 47 BayBO und das abgeleitete Ortsrecht nach Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 BayBO dienen nicht dem Schutz des Nachbarn, sondern ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der Entlastung der öffentlichen Verkehrsfläche vom ruhenden Verkehr (vgl. BayVGH, B.v. 15.2.2017 – 9 ZB 14.2230 – juris Rn. 4), mit der Folge, dass der Antragsteller sich hierauf nicht berufen kann.
ff) Auch mit der Rüge der fehlenden Nachbarbeteiligung nach Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann der Antragsteller nicht durchdringen, da diese ein Mittel für die Behörde ist, sich möglichst umfassend über den entscheidungserheblichen Sachverhalt zu unterrichten, der Schutzzweck aber nicht in der Wahrung der Beteiligungsrechte selbst liegt und daher nicht drittschützend ist (vgl. BayVGH, B.v. 28.1.2016 – 9 ZB 12.839 – juris Rn. 7).
gg) Der Anregung des Antragstellers, im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes einen Augenschein durchzuführen, musste das Verwaltungsgericht nicht nachgehen. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach §§ 80, 80a VwGO ist nur eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage erforderlich und geboten. Wegen der Dringlichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes ist das Verwaltungsgericht auf die Prüfung präsenter Beweismittel beschränkt. Eine Beweiserhebung findet im Eilverfahren nur in ganz seltenen Ausnahmefällen statt (vgl. BayVGH, B.v. 19.10.2004 – 20 CS 04.2727 – juris Rn. 12).
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO sowie § 162 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 154 Abs. 3 VwGO analog. Der Antragsteller hat als unterliegender Teil nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Es entspricht der Billigkeit im Sinne von § 162 Abs. 3 VwGO, dem Antragsteller auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese sich durch den Sachantrag, den Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen, einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG in Verbindung mit § 53 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nrn. 9.7.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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