Baurecht

Zulässigkeit eines Wohngebäudes im faktischen Dorfgebiet

Aktenzeichen  Au 5 K 16.1704

Datum:
22.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 5549
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauNVO § 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 Nr. 3, § 15 Abs. 1 S. 2
BauGB § 34 Abs. 2

 

Leitsatz

Ein Wohngebäude ist im Dorfgebiet allgemein zulässig. Insbesondere kommt es im Dorfgebiet im Gegensatz zum Mischgebiet nicht auf ein bestimmtes Mischverhältnis der einzelnen erlaubten Nutzungen an (vgl. BayVGH BeckRS 2013, 57748 Rn. 24). Auch die in § 5 Abs. 1 S. 2 BauNVO enthaltene Vorrangklausel für land- und forstwirtschaftliche Betriebe sagt nicht aus, dass im Dorfgebiet vorrangig land- und forstwirtschaftliche Betriebe unterzubringen sind. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist in der Sache unbegründet.
1. Die Klage ist zulässig. Der Kläger ist insbesondere klagebefugt (§ 42 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Der Kläger kann sich als Nachbar im baurechtlichen Sinn auf die Möglichkeit der Verletzung in drittschützenden Normen stützen. Der Nachbarbegriff hat eine rechtliche und eine räumliche Komponente. Nachbarn sind zum einen die Grundstückseigentümer, sowie die Inhaber eigentumsähnlicher Rechtspositionen (Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 42 Rn. 97). Räumlich sind die unmittelbar angrenzenden Nachbarn solche im baurechtlichen Sinn, sowie Betroffene im weiteren Umkreis, die von der jeweiligen nachbarschützenden Norm in den Kreis der Berechtigten gezogen werden (Kopp/Schenke a.a.O. § 42 Rn. 97). Der Kläger ist als Eigentümer des an das Baugrundstück unmittelbar angrenzenden Grundstücks mit der Fl.Nr. * der Gemarkung * Nachbar im baurechtlichen Sinn.
2. Die Klage ist in der Sache nicht begründet.
a) Der Kläger ist durch den der Beigeladenen erteilten Bauvorbescheid nicht in nachbarschützenden Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Einen Rechtsanspruch auf Aufhebung eines Bauvorbescheids hat der anfechtende Nachbar nur, wenn das Bauvorhaben im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfenden, öffentlich-rechtlichen Vorschriften (Art. 71 Abs. 4 i.V.m. Art. 68 Abs. 1 Bayerische Bauordnung – BayBO) widerspricht und die verletzte Norm zumindest auch dem Schutze der Nachbarn dient, ihr also drittschützende Wirkung zukommt (vgl. BVerwG, U.v. 6.10.1989 – 4 C 14/87– BVerwGE 82, 343). Für Rechtsbehelfe des Nachbarn gegen einen auf der Grundlage des Art. 71 BayBO erteilten Vorbescheid gelten dabei dieselben Grundsätze wie für Rechtsbehelfe gegen die Baugenehmigung selbst (Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand Dezember 2017, Art. 71 Rn. 149). Die Baugenehmigung bzw. der Bauvorbescheid muss gegen eine im Baugenehmigungsverfahren zu prüfende Vorschrift verstoßen. Weiterhin muss der Nachbar durch den Verstoß gegen diese Norm in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise in einem schutzwürdigen Recht betroffen sein. Eine objektive Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung reicht dabei nicht aus, denn der Nachbar muss in eigenen subjektiven Rechten verletzt sein.
b) Der erteilte Bauvorbescheid verstößt nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts. Dem Kläger steht kein Abwehranspruch gegen das Bauvorhaben in Form eines Gebietserhaltungsanspruches zu.
Der Gebietserhaltungsanspruch gibt den Eigentümern von Grundstücken in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Baugebiet das Recht, sich gegen hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht zulässige Vorhaben zu Wehr zu setzen. Der Anspruch beruht auf der Erwägung, dass die Grundstückseigentümer durch die Lage ihrer Anwesen in demselben Baugebiet zu einer Gemeinschaft verbunden sind, bei der jeder in derselben Weise berechtigt und verpflichtet wird, dass also ein wechselseitiges Austauschverhältnis besteht (st.Rspr. u.a. BVerwG, B.v. 18.12.2007 – B 55.07 – BayVBl 2008, 765; BVerwG, U.v. 23.8.1996 – 4 C 13.94 – BVerwGE 101, 364). Der Gebietserhaltungsanspruch gibt aber nicht nur den Eigentümern von Grundstücken, die in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Baugebiet liegen, sondern auch den Eigentümern von Grundstücken, die in einem faktischen Baugebiet (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. §§ 2 ff. BauNVO) liegen, ein Abwehrrecht. § 34 Abs. 2 BauGB besitzt hierbei grundsätzlich nachbarschützende Qualität. Der Nachbar hat auf die Bewahrung der Gebietsart einen Schutzanspruch, der über das Rücksichtnahmegebot hinausgeht. Der Abwehranspruch des Nachbarn wird grundsätzlich bereits durch die Zulassung eines mit einer Gebietsart unvereinbaren Vorhabens ausgelöst, weil hierdurch das nachbarliche Austauschverhältnis gestört und eine Verfremdung des Gebietes eingeleitet wird. Diesen Anspruch auf die Bewahrung einer Gebietsart hat der Nachbar unabhängig davon, ob das baugebietswidrige Vorhaben im jeweiligen Einzelfall zu einer tatsächlich spürbaren und nachweisbaren Beeinträchtigung des Nachbarn führt (vgl. BVerwG, U.v. 16.9.1993 – 4 C 28.91 – BRS 55 Nr. 110; B.v. 11.4.1996 – 4 B 51.96 – BRS 58 Nr. 82; OVG NRW, U.v. 24.1.2008 – 7 A 270/07 – juris).
Nach § 34 Abs. 1 und 2 BauGB richtet sich die planungsrechtliche Zulässigkeit baulicher Vorhaben im unbeplanten Innenbereich nach dem sich aus der vorhandenen Bebauung ergebenden Maßstab. Das bedeutet, dass alles an baulichen Nutzungen in den Blick zu nehmen ist, was in der näheren Umgebung tatsächlich vorhanden ist und zwar unabhängig davon, ob sie städtebaulich wünschenswert oder auch nur vertretbar sind. Maßgeblich ist grundsätzlich die im Zeitpunkt der Behördenentscheidung tatsächlich vorhandene Bebauung bzw. tatsächlich ausgeübte Nutzung. Bei der Bestimmung des Gebietscharakters sind zunächst die unmittelbaren Nachbargrundstücke von Bedeutung. Berücksichtigt werden muss weiterhin die nähere Umgebung insoweit, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und soweit die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 14. Aufl. 2017, § 34 Rn. 21; BVerwG, B.v. 20.8.1998 – 4 B 79/98 – BauR 1999, 32). Neben der unmittelbaren Nachbarschaft des Baugrundstücks ist somit auch die Bebauung der näheren Umgebung von Bedeutung, sofern sich diese noch prägend auf das Baugrundstück auswirken kann. Die Grenzen des faktischen Baugebiets sind damit nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation zu bestimmen, in der sich das Grundstück befindet.
Die nähere Umgebung des Baugrundstücks entspricht nach den Erkenntnissen aus dem gerichtlichen Augenschein und übereinstimmender Meinung der Beteiligten einem (faktischen) Dorfgebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 5 BauNVO. Das Gebiet ist im Wesentlichen von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben und Wohngebäuden entlang der *- und der *straße geprägt.
Das mit dem streitgegenständlichen Bauvorbescheid genehmigte Vorhaben ist daher als Wohngebäude nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO im (faktischen) Dorfgebiet allgemein zulässig. Insbesondere kommt es im Dorfgebiet im Gegensatz zum Mischgebiet nach § 6 BauNVO auch nicht auf ein bestimmtes Mischverhältnis der einzelnen erlaubten Nutzungen an (st.Rspr. des BayVGH, u.a. B.v. 16.10.2013 – 15 CS 13.1646 – juris Rn. 24). Auch die in § 5 Abs. 1 Satz 2 BauNVO enthaltene Vorrangklausel für land- und forstwirtschaftliche Betriebe sagt nicht aus, dass im Dorfgebiet vorrangig land- und forstwirtschaftliche Betriebe unterzubringen sind (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Oktober 2017, BauNVO § 5 Rn. 15). Vielmehr regelt sie, dass auf die vorhandenen Wirtschaftsstellen der Land- und Forstwirtschaft erhöhte Rücksicht zu nehmen ist. Wegen der allgemeinen Zulässigkeit von Wohngebäuden im Dorfgebiet nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO entspricht ein Nebeneinander von Wohnnutzung und landbzw. forstwirtschaftlichen Anlagen dem Gebietscharakter des Dorfgebiets, so dass sich ein landbzw. forstwirtschaftlicher Betrieb unter Berufung auf den Gebietscharakter nicht gegen das Heranrücken von Wohngebäuden wehren kann (Söfker a.a.O. § 5 Rn. 16).
c) Das genehmigte Bauvorhaben verstößt auch nicht gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme.
Dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme kommt im Einzelfall nachbarschützende Wirkung insoweit zu, als in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Insoweit müssen die Umstände des Einzelfalles eindeutig ergeben, auf wen Rücksicht zu nehmen ist und inwieweit eine besondere rechtliche Schutzwürdigkeit des Betroffenen anzuerkennen ist (BVerwG, U.v. 5.8.1983 – 4 C 96/79 – BVerwGE 67, 334).
Ist ein Bauvorhaben nach § 34 Abs. 1 bzw. 2 BauGB zu beurteilen, so ist das Gebot der Rücksichtnahme in dem in dieser Bestimmung genannten Begriff des „Einfügens“ bzw. in einer unmittelbaren Anwendung des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO enthalten. Das Gebot der Rücksichtnahme kann hierbei zu einer Unzulässigkeit des Bauvorhabens im Einzelfall führen, wenn von dem konkreten Vorhaben Beeinträchtigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart der Umgebung unzulässig sind. Dabei müssen die Interessen im Einzelfall abgewogen werden. Der Umfang der dem Nachbarn des Bauvorhabens aufgrund der Eigenart der näheren Umgebung zuzumutenden Beeinträchtigungen und Störungen bestimmt sich unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit der Umgebung und ihrer bebauungsrechtlichen Prägung sowie den tatsächlichen oder planerischen Vorbelastungen (vgl. BVerwG, U.v. 14.1.1993 – 4 C 19/90 – DVBl 1993, 652).
Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme kommt zum einen bei stark emittierenden und deshalb in der Nachbarschaft unzumutbaren Vorhaben und zum anderen bei einer heranrückenden schutzbedürftigen Bebauung, die den Nachbarn selbst hinsichtlich seiner emittierenden Nutzung einschränken könnte, in Betracht.
Das streitgegenständliche Bauvorhaben stellt sich vorliegend nicht als ein das Rücksichtnahmegebot verletzendes Vorhaben dar. Die mit dem Bauvorbescheid genehmigte Wohnbebauung auf dem Grundstück der Beigeladenen verschlechtert die immissionsschutzrechtliche Lage und damit das Maß der gegenseitig zu übenden Rücksicht nicht zu Lasten des Klägers. Es handelt sich um keine heranrückende Wohnbebauung im Sinne des Gebots der Rücksichtnahme. Generell hat der Eigentümer eines bestehenden Betriebes nach dem Gebot der Rücksichtnahme keinen Abwehranspruch gegen eine hinzukommende Wohnbebauung, wenn in der Umgebung bereits Wohngebäude vorhanden sind, auf die der Betrieb in gleicher Weise Rücksicht nehmen muss (vgl. BayVGH, B.v. 5.4.2016 – 15 ZB 14.2792 – juris; VGH BW, Beschluss v. 31.5.1989 – 8 S 1071/89 – UPR 1990, 104 Rn. 5; BVerwG, B.v. 5.3.1984 – 4 B 171/83 – DÖV 1984, 856). Bei einer Errichtung einer Wohneinheit in einem Abstand, in dem bereits Wohnbebauung vorhanden ist, verschlechtert sich die immissionsschutzrechtliche Lage eines Betriebes nicht, da es bei der Frage, welche Immissionen zulässig sind, nicht auf die Zahl von Wohneinheiten ankommen kann (Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Stand Dezember 2017, Art. 66 Rn. 510).
Die vorliegend genehmigte Wohnnutzung stellt bereits begrifflich keine heranrückende Wohnbebauung dar. Bei dem bereits bisher auf dem Baugrundstück vorhandenen Bestandsgebäude handelt es sich bereits um ein der Wohnnutzung dienendes Gebäude. In der Umgebung befinden sich weitere Wohngebäude, die direkt an das klägerische Grundstück Fl.Nr. * angrenzen. Bei den Gebäuden auf den Fl.Nrn. * und * handelt es sich ebenfalls um Häuser, die der Wohnnutzung dienen. Sie unterliegen keinen weiteren Einschränkungen. Insbesondere handelt es sich nicht um Betriebsleiterbzw. Austragshäuser. Die einschlägigen Baugenehmigungen enthalten keine derartigen Einschränkungen der Nutzung. Soweit der Kläger vorträgt, dass es sich bei dem Wohnhaus auf der Fl.Nr. * um ein Betriebsleiterbzw. Austragshaus handle, weil sein Vater derzeit dort wohne und der Kläger beabsichtige, dort einzuziehen, ist festzustellen, dass sich das Gebäude auf einem eigenen Flurstück befindet und keine dingliche Sicherung in Bezug auf den landwirtschaftlichen Betrieb vorliegt. Es handelt sich damit um ein eigenständiges Wohngebäude, das ebenfalls als Immissionsort zu berücksichtigen ist. Das geplante Bauvorhaben rückt an den landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers nicht näher heran als die vorhandene Wohnnutzung. Der emittierende Betrieb muss daher auch bei Verwirklichung des streitgegenständlichen Vorhabens gleichermaßen wie zuvor Rücksicht nehmen. Die Einschätzung des Klägers, dass das Bauvorhaben näher an die Außenflächen und insbesondere den Misthaufen auf der östlichen Seite des Stallgebäudes heranrücke, teilt die Kammer nicht. Insbesondere weist auch das Gebäude auf dem Grundstück mit der Fl.Nr. * diese Entfernung zur Tierhaltung im östlichen Teil des landwirtschaftlichen Gebäudes und dem Misthaufen auf. Die Art der Nutzung der Außenlagerflächen, auf die der Bevollmächtigte im Schriftsatz vom 26. Januar 2018 Bezug nimmt, ist nicht näher konkretisiert. Die von der An- und Abfahrt mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen ausgehenden Lärmimmissionen betreffen die Gebäude auf den Fl.Nrn. * und * aufgrund der Zufahrt von Westen kommend stärker als das streitgegenständliche Vorhaben. Eine Auswirkung auf den Umfang der Rücksichtnahme, die der Kläger auf die umliegende Wohnbebauung üben muss, hat das geplante Vorhaben nach Auffassung der Kammer daher nicht.
Da kein Fall der heranrückenden Wohnbebauung vorliegt, besteht für den Kläger kein Abwehranspruch gegen die geplante Wohnnutzung auf dem Grundstück Fl.Nr. * der Beigeladenen. Bauplanungsrechtlich ist keine Änderung der im Rahmen des Rücksichtnahmegebotes zu berücksichtigenden Situation hinsichtlich der Wohnnutzung gegeben.
Im Übrigen hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt, in welchem Umfang sein Betrieb emittiert und demzufolge durch das Vorhaben in Zukunft eingeschränkt sein könnte. Der An- und Abfahrtsverkehr mit landwirtschaftlichen Geräten wurde vom Kläger nicht substantiiert vorgetragen. Die Zumutbarkeit von Immissionen richtet sich zudem gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ausdrücklich „nach der Eigenart des Baugebiets“, so dass zudem die eingeschränkte Schutzwürdigkeit eines Wohnhauses in einem Dorfgebiet zu beachten ist (BayVGH, B.v. 31.01.2013 – 9 CS 12.1507 – juris Rn. 18). Im Übrigen ist der Kläger grundsätzlich verpflichtet, im vorliegenden faktischen Dorfgebiet die einschlägigen Richtwerte der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA-Lärm) einzuhalten. Eine Verletzung des Gebotes der Rücksichtnahme kann sich im vorliegenden Fall daher nur dann ergeben, wenn davon auszugehen wäre, dass der Kläger mit seinem Betrieb die Richtwerte der TA-Lärm für Dorfgebiete derzeit einhalten kann, aber aufgrund des streitgegenständlichen Vorhabens als neu hinzukommendem Immissionsort die Richtwerte in Zukunft nicht mehr einhalten könnte. Dazu hat der Kläger bereits keine ausreichenden Angaben gemacht.
Hinsichtlich der maßgeblichen Sach- und Rechtslage ist im Übrigen auf den Zeitpunkt der Entscheidung der Baugenehmigungsbehörde – hier der Vorbescheid vom 25. Oktober 2016 – abzustellen (vgl. Lechner in Simon/Busse, BayBO, Stand: November 2017, Art. 68 Rn. 141). Lediglich für Umstände, die für den Bauherren günstig sind, wird hiervon abgewichen und auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abgestellt. Bei der in Streit stehenden Nachbarklage verbleibt es hingegen beim Beurteilungszeitpunkt der Genehmigungsbzw. Vorbescheids-erteilung. Eine Beurteilung der vom Kläger nach Bescheidserlass aufgenommenen Schweinehaltung kann daher nur unter dem Gesichtspunkt des Erweiterungsinteresses geprüft werden.
Der Kläger kann sich aber auch nicht darauf berufen, dass durch das geplante Bauvorhaben das Erweiterungsinteresse seines landwirtschaftlichen Betriebes verletzt sei. Bauvorhaben müssen auf das Interesse eines Landwirts, seinen Betrieb zu erweitern, jedenfalls dann keine Rücksicht nehmen, wenn das Erweiterungsinteresse vage und unrealistisch ist (BVerwG, B.v. 5.9.2000 – 4 B 56/00 – DVBl 2000, 1881). Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots kann nur auf konkret geplante oder bei realistischer Betrachtung naheliegende Betriebsentwicklungen geltend gemacht werden (BayVGH, B.v. 31.01.2013 – 9 CS 12.1507 – juris Rn. 15). In Bezug auf die Einschränkung der Entwicklungsmöglichkeiten seines Betriebes hat der Kläger ebenfalls keine substantiierten Ausführungen gemacht. Hinsichtlich der vom Kläger vorgetragenen Aufnahme einer Haltung von vier bzw. zukünftig acht Schweinen hätte der Kläger eine Betriebsbeschreibung mit detaillierten Betriebsabläufen vorlegen müssen, damit eine Beurteilung erfolgen kann. Im Übrigen ist festzuhalten, dass der klägerische Betrieb bereits durch die Lage im faktischen Dorfgebiet Einschränkungen hinsichtlich der Erweiterungsmöglichkeiten unterliegt. Dies gilt auch im Hinblick auf die konkrete Grundstückssituation. Das klägerische Grundstück mit der Fl.Nr. * wurde durch Herausmessung der Grundstücke mit den Fl.Nrn. * und * erheblich verkleinert. Bereits dadurch sind die realistischen Entwicklungsmöglichkeiten des Betriebes eingeschränkt.
Nach alledem ist die Klage als unbegründet abzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen. Da die Beigeladene keinen eigenen Antrag gestellt hat und sich somit keinem prozessualen Risiko aus § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat, entspricht es billigem Ermessen, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO).
4. Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).


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