Baurecht

Zum Anspruch auf Unterlassung von Geruchsemissionen der Ziegenhaltung

Aktenzeichen  21 O 296/19

Datum:
10.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 53613
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 1004
BGB § 906

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Beklagten werden verurteilt, es zu unterlassen, die Grundstücke der Klägerin in P., Flurnummer … und … durch Geruchsemissionen, die von der Haltung von Ziegen und Ziegenböcken durch die Beklagten ausgehen, wesentlich zu beeinträchtigen.
II.Den Beklagten wird angedroht, für jeden Fall der Zuwiderhandlung auf Antrag der Klägerin zu einem Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft oder zur Ordnungshaft bis zu 6 Monaten verurteilt zu werden.
III.Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV.Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten zu tragen.
V.Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des 1,1- fachen des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. VI.Der Streitwert wird auf 20.000,00 € festgesetzt.  

Gründe

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet. Die teilweise Klageabweisung rührt daher, dass kein Anspruch auf Einhaltung eines bestimmten Abstands besteht (Antrag Ziffer 1.). Das Hauptanliegen der Klägerin, der Unterlassungsanspruch, ist begründet, so dass die Verurteilung insoweit auf dem hilfsweise gestellten Antrag beruht (Antrag Ziffer 2.).
Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Unterlassung wesentlicher Geruchsbeeinträchtigungen durch die Haltung einer Ziegenherde mit einem Ziegenbock gem. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Klage ist lediglich insoweit unbegründet, als die Klägerin keinen Anspruch darauf hat, dass die Beklagten einen bestimmten Mindestabstand zu ihren Grundstücken einhalten. Aus dem Recht der Beklagten nach § 903 Satz 1 BGB, mit ihrem Eigentum grundsätzlich nach ihrem Belieben zu verfahren, und der Verpflichtung, lediglich das Entstehen unzumutbarer Geruchsbelästigungen auf dem Grundstück der Klägerin – und nicht bestimmte Verhaltensweisen – zu unterlassen, folgt, dass es grundsätzlich Sache der Beklagten ist, wie sie den Unterlassungsanspruch künftig erfüllen (vgl. Palandt, BGB, 79. Aufl., § 1004 Rn. 51). Etwas anderes kann zwar gelten, wenn die künftige Unterlassung nur durch eine bestimmte ernsthaft in Erwägung zu ziehende Maßnahme erreicht werden kann (ebenda). Dass im vorliegenden Einzelfall eine wesentliche Geruchsbeeinträchtigung für die Klägerin durch die Ziegenhaltung der Beklagten nur durch einen Mindestabstand von 20 Metern zur gemeinsamen Grundstücksgrenze erreicht werden kann, überzeugt nicht. Gegen diese Behauptung spricht schon, dass nach den Angaben der Klägerin und des Zeugen S. seit der Zeit kurz vor dem zunächst für den 05.05.2020 anberaumten Augenscheintermin keine wesentliche Beeinträchtigung mehr vorliegt, was nach ihrer Einschätzung an einer vorübergehend wirksamen chemischen Kastration des Ziegenbocks liegen könne. Demnach kommt die Vermeidung einer wesentlichen Geruchsbeeinträchtigung auch bei geringerem Abstand der Muttertiere als 20 m und Behandlung des Ziegenbocks oder dessen isolierte Haltung wie von dem Zeugen E. beschrieben in Betracht. Der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens oder einer ergänzenden Befragung des Sachverständigen bedarf es bei im Übrigen unstreitig bestehender Entscheidungsreife daher nicht.
Dass die Ziegenhaltung das Grundstück der Klägerin zuvor wesentlich beeinträchtigt hat, steht zur Überzeugung des Einzelrichters fest aufgrund der Zeugenaussagen und dem Ergebnis des Gutachtens. Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass es sich bei den Zeugen um Verwandte beziehungsweise eine Freundin der Klägerin handelt, haben die plastischen und nachvollziehbaren Schilderungen der Zeugen ergeben, dass insbesondere im Jahr 2018 zu Beginn der Ziegenhaltung, als der Ziegenbock noch in der Scheune mit den Muttertieren untergebracht war, es bei entsprechender (östlicher) Windrichtung zu so starken Geruchsbeeinträchtigungen auf dem Grundstück der Klägerin gekommen ist, dass die Zeugen sich nicht weiter auf dem Grundstück der Klägerin aufhalten wollten und – wie von dem Zeugen S. berichtet – Kunden, die wegen Interesse an einem Gartenbauprojekt das Grundstück aufgesucht hatten, dieses vorzeitig wieder verlassen hatten. Eine solch starke Geruchsbelästigung ist auch für ein landwirtschaftlich geprägtes Anwesen in einem Dorf, bei dem Tiergerüche regelmäßig vorkommen und zu erwarten sind, nicht mehr so gewöhnlich, dass sie noch als unwesentlich zu bezeichnen wäre. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, dass die drei vernommenen Zeugen allesamt den Umgang mit Tieren und auch mit Ziegen gewohnt sind, so dass die Schilderung übler und als unerträglich empfundener Gerüche nicht mit einer mangelnden Gewöhnung an das Landleben, wie es bei Städtern der Fall sein mag, erklärt werden kann.
Die frühere wesentliche Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks ergibt sich auch aus dem Gutachten des Sachverständigen D. Das Gutachten setzt sich zwar nicht mit der Situation des Jahres 2018 auseinander, als nach den Zeugenaussagen der Bock noch mit den Ziegen im Stall der Beklagten gehalten worden war, jedoch kann aus den Auswertungen des Sachverständigen zu der derzeitigen Situation geschlossen werden, dass es vor der Verlegung des Bocks in ein eigenes Gehege außerhalb des Ziegenstalls zu wesentlich höheren Geruchsbelästigungen kommen konnte. Der Sachverständige beschreibt in seinem Gutachten allein die aus der Ziegenhaltung der Beklagten auf das klägerische Grundstück ausgehenden Geruchsbelastungen ohne Einflüsse anderer Grundstücke (Gutachten S. 4, 34 Hinweis 1). Es ist also ausgeschlossen, dass die Beklagten für Geruchsbelästigungen durch Dritte (wie etwa die beim Ortstermin vor dem Scheunengebäude wahrgenommenen Kuh- bzw. Silagegerüche) zur Verantwortung gezogen werden. Der Sachverständige hat die Geruchsbelastung rechnerisch ermittelt und dabei die örtlichen Wind- und Geländeverhältnisse berücksichtigt (Gutachten S. 9 ff., 13 ff.). Im Ergebnis zeigen sich zwischen den Angaben der Beteiligten gegenüber dem Sachverständigen nur geringfügige Unterschiede (vgl. Tabelle 7.1 auf S. 34 und Abb. 7.1 und 7.2 auf S. 35 f.). Es wird deutlich, dass zwar aktuell beim Wohngebäude der Klägerin bezogen auf das ganze Jahr keine starke Beeinträchtigung anzunehmen ist, aber im Schwimmteichbereich es sehr häufig riechen wird, wenn auch nicht ekelerregend und daher unerträglich (Gutachten S. 38 f.). Eine eindeutige Überschreitung der GIRL ist im Hinblick auf die kurze Aufenthaltsdauer im Außenbereich zwar nicht gegeben (ebenda), allerdings kommt es für die Frage der Wesentlichkeit der Beeinträchtigung von Immissionen auf die Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls, ausgerichtet am Empfinden eines „verständigen Durchschnittsmenschen“ an (BGH, Urteil vom 21.10.2005 – V ZR 169/04 -, Leitsatz 2., juris).
Bei der Gesamtabwägung berücksichtigt der Einzelrichter neben den Berechnungen zu der derzeitigen Situation, den örtlichen Charakter der Bebauung als Dorf mit vereinzelten tierischen Geruchsemissionen (beim Ortstermin insbesondere von der Rinderhaltung bei Haus Nr. -), dem Eindruck des Augenscheins und den Zeugenaussagen über die Verhältnisse in den Jahren 2018 und 2019. Demnach ist die Situation zwar derzeit nicht wesentlich beeinträchtigend, war es aber eindeutig im Jahr 2018, als nach glaubhafter Aussage des Zeugen S. mehrfach Kunden das Anwesen wegen des Gestanks verließen und auch der Zeuge E. sich bei entsprechender Windrichtung nicht mehr gerne auf dem Grundstück der Klägerin, seiner Tochter, aufhielt. Schließlich haben die Beklagten selbst auf die Situation und die Beanstandungen der Klägerin und ihrer Angehörigen mit der Verlagerung des Bocks in ein eigenes Gehege reagiert, was eine Erheblichkeit der Geruchsbelästigung nahelegt.
Aus den Verletzungshandlungen zumindest im Jahr 2018 folgt die Wiederholungsgefahr, so dass die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 auch für die Zukunft gegeben sind. Es kann aufgrund der aktuellen Situation nicht ausgeschlossen werden, dass der Ziegenbock wieder einen starken Gestank entwickeln wird.
Die Klägerin ist schließlich nicht unter dem Gesichtspunkt der Ortsüblichkeit zur Duldung entsprechender Geruchsemissionen verpflichtet, § 1004 Abs. 2 i.V. m. § 906 BGB Abs. 1, 2 BGB. Unstreitig verfügen die Beklagten noch nicht über eine bestandskräftige Baugenehmigung für ihre Ziegenhaltung, was eine Ortsüblichkeit von vornherein ausschließt (BGH, a.a.O., Rn. 14 unter Hinweis auf BGHZ 140, 1, 9).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 Satz 1, 2 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 3 ZPO und entspricht der Angabe in der Klageschrift.


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