Baurecht

Zur Erschließung eines Grundstück hinsichtlich der Versorgung mit Wasser und der Abwasserbeseitigung

Aktenzeichen  M 1 K 18.3848

Datum:
12.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 32816
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34 Abs. 1
BGB § 917 Abs. 1 S. 1, § 918 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1. Die Erschließung im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB muss mindestens den Anschluss des Baugrundstücks an das öffentliche Straßennetz, die Versorgung mit Elektrizität und Wasser sowie die Abwasserbeseitigung umfassen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Grundstück ist hinsichtlich der Versorgung mit Wasser und der Abwasserbeseitigung in der Regel dann erschlossen, wenn es an einer öffentlichen Verkehrsfläche liegt, in der ein zur Einrichtung gehörender Kanal verläuft. Bei einem Hinterliegergrundstück muss die Möglichkeit bestehen, nach Durchquerung eines Zwischengrundstücks einen Anschluss herzustellen, und dieser muss rechtlich und tatsächlich auf Dauer gesichert sein.  (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung gem. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Eine Baugenehmigung ist zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Das Vorhaben des Klägers widerspricht öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind. Gem. Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BayBO prüft die Bauaufsichtsbehörde im vorliegend einschlägigen vereinfachten Verfahren unter anderem die Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 ff. BauGB.
Das Vorhaben ist bauplanungsrechtlich unzulässig, da die Erschließung nicht gesichert ist.
Das Vorhaben liegt unstreitig im Innenbereich im Geltungsbereich eines einfachen Bebauungsplans, der ausschließlich Regelungen zu den Baulinien enthält, so dass sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit diesbezüglich nach § 30 Abs. 3 BauGB und ergänzend nach § 34 Abs. 1 BauGB richtet. Gem. § 34 Abs. 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist.
Die Erschließung im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB muss mindestens den Anschluss des Baugrundstücks an das öffentliche Straßennetz, die Versorgung mit Elektrizität und Wasser sowie die Abwasserbeseitigung umfassen. Das Baugesetzbuch enthält keine Regelungen darüber, wann die Erschließung gesichert ist; insoweit sind landesrechtliche Bestimmungen und örtliche Gegebenheiten maßgebend und ferner das, was an ortsüblicher Erschließung erwartet werden kann (vgl. BayVGH, U.v. 18.12.2001 – 15 N 97.2906 – juris Rn. 26). Die Erschließung muss gesichert sein, das heißt, ihre dauerhafte Benutzbarkeit muss spätestens ab dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme der geplanten baulichen Anlage sichergestellt sein (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 30 BauGB, Rn. 38 ff.; VG Ansbach, U.v. 23.3.2007 – AN 3 K 06.01837 – juris Rn. 44).
Ein Grundstück ist hinsichtlich der Versorgung mit Wasser und der Abwasserbeseitigung in der Regel dann erschlossen, wenn es an einer öffentlichen Verkehrsfläche liegt, in der ein zur Einrichtung gehörender Kanal verläuft. Bei einem Hinterliegergrundstück muss die Möglichkeit bestehen, nach Durchquerung eines Zwischengrundstücks einen Anschluss herzustellen, und dieser muss rechtlich und tatsächlich auf Dauer gesichert sein (vgl. BayVGH, U.v. 24.7.1997 – 23 B 95.3277 – juris Rn. 33). Dies setzt voraus, dass zulasten des Vorderliegergrundstücks und zugunsten des Hinterliegergrundstücks entsprechende Grunddienstbarkeiten bestellt sind (vgl. BayVGH, B.v. 12.5.1999 – 23 ZS 99.1327 – juris Rn. 2).
Das streitgegenständliche Grundstück liegt vorliegend aufgrund der vollzogenen Grundstücksteilungen nicht mehr an einer öffentlichen Verkehrsfläche. Die bestehenden Leitungen laufen über die FlNrn. 1047/5, 1046/12 und 1053/5. Zwar hat der Kläger Miteigentum an den Grundstücken FlNrn. 1047/5 und 1053/5. Das Grundstück FlNr. 1046/12 steht jedoch weder im Alleigentum noch im Miteigentum des Klägers, so dass es für die Gewährleistung der dauerhaften Benutzung dieser Leitung einer dinglichen Sicherung bedürfte. Es besteht jedoch keine im Grundbuch eingetragene dingliche Sicherung der Ver- und Entsorgungsleitungen über die FlNr. 1046/12 oder die angrenzenden Nachbargrundstücke. Auch ein evt. entstehendes Notleitungsrecht genügt nicht für das Vorliegen einer gesicherten Erschließung. In Bayern fehlt es für ein Notleitungsrecht an besonderen landesrechtlichen Vorschriften, so dass für die Geltendmachung eines Notleitungsrechts § 918 Abs. 2 Satz 1 BGB bzw. § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB analog zur Anwendung kommen (vgl. Brückner, in Münchener Kommentar zum BGB, § 917 Rn. 57; BGH, U.v. 22.6.1990 – V ZR 59.89 – NJW 1991, S. 176). Gem. § 918 Abs. 2 Satz 1 BGB hat infolge der Veräußerung eines Grundstücksteils der Eigentümer desjenigen Grundstücksteils, über welchen die Verbindung bisher stattgefunden hat, den Notweg zu dulden. Die Regelung wird ebenso wie die Neubegründung eines Notwegerechts nach § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB entsprechend auf Notleitungsrechte angewandt. Ein Notleitungsrecht sichert jedoch gerade nicht eine allgemeine Benutzbarkeit der bestehenden Leitungen für jedermann, was für eine gesicherte Erschließung erforderlich wäre, da notwegberechtigt nur der Eigentümer des abgeschnittenen Grundstücks ist (vgl. zum Notwegerecht BayVGH, B.v. 2.12.2005 – 6 CS 05.1522 – juris Rn. 16). Eine Notleitung stellt gerade nur eine vorübergehende Lösung dar, die nur im Notfall greifen, jedoch nicht als dauerhafte Erschließung dienen kann (vgl. hierzu auch BayVGH, B.v. 24.10.1996 – 2 B 94.3416 – BeckRS 1997, 22030). Das kraft Gesetzes entstehende Notleitungsrecht will sicherstellen, dass ein Grundstück, bei dem bisher über das nunmehr veräußerte Grundstück eine Verbindung mit dem öffentlichen Weg tatsächlich und rechtlich möglich war, nicht verbindungslos wird und eine ordnungsgemäße Benutzung nicht mehr möglich wäre. Dies kann nur für bereits bestehende Missstände in Folge einer Grundstücksteilung gelten, nicht jedoch hinsichtlich der Bewertung neuer baulicher Anlagen. Würde man den Eigentümern der Nachbargrundstücke die Duldung des Notleitungsrechts für den beantragten Anbau aufzwingen, so würde dies eine Beeinträchtigung des Eigentums darstellen, die nicht mehr nach § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB zu rechtfertigen wäre. Daran ändert nach Auffassung der Kammer auch die Tatsache nichts, dass die bereits bestehenden Leitungen durch den Anbau möglicherweise nicht verstärkt genutzt würden. Der Anbau ist als neue bauliche Anlage gesondert von dem bereits bestehenden Gebäude zu betrachten und die Zulässigkeit ist anhand der aktuellen gesetzlichen Vorschriften zu bewerten.
Nur ergänzend weist die erkennende Kammer darauf hin, dass die Erteilung einer Ausnahme oder einer Befreiung vom Vorliegen einer gesicherten Erschließung nicht möglich ist (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 34 BauGB, Rn. 65), da diese für die Bebauung schlechterdings unverzichtbar ist und schon aus diesem Grund nicht zu den Festsetzungen i.S. des § 31 BauGB gehört, von denen Ausnahmen oder Befreiungen erteilt werden können (vgl. BVerwG, U.v. 21.2.1986 – 4 C 10.83 juris Rn. 18).
Ein Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung besteht demnach nicht.
II.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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