Baurecht

Zurückstellung des Bauantrags auf Erteilung einer Genehmigung für die Nutzungsänderung einer Gaststätte zu einer Spielothek

Aktenzeichen  AN 3 S 16.02386

Datum:
10.4.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 118470
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 14 Abs. 1, § 15 Abs. 1 S. 1
BayBO Art. 55 Abs. 1

 

Leitsatz

Stellt die geplante Nutzungsänderung einer Gaststätte in eine Spielhalle ein genehmigungspflichtiges Vorhaben dar und liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer Veränderungssperre vor, lässt insbesondere die zu sichernde Planung ein Mindestmaß des Inhalts der beabsichtigten Planung erkennen, kann gemäß § 15 Abs. 1 BauGB die Genehmigungsbehörde auf Antrag der Gemeinde die Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben im Einzelfall für einen Zeitraum bis zu zwölf Monaten auszusetzen. (Rn. 19 – 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 4.511,10 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Am 13. Mai 2016 beantragte der Antragsteller beim Landratsamt … die Erteilung einer Genehmigung für die Nutzungsänderung einer Gaststätte zu einer Spielothek auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung …
Nachdem die von der Beigeladenen mit Schreiben vom 22. Juni 2016 zur Vervollständigung der Bauantragsunterlagen angeforderte grafische Darstellung des Gesamtstellplatznachweises mit Fax des Grundstückseigentümers vom 27. Juni 2016 an die Beigeladene übersandt wurde, versagte diese mit Beschluss vom 17. August 2016 das gemeindliche Einvernehmen und beschloss zugleich, beim Landratsamt … die Zurückstellung des Baugesuches gemäß § 15 BauGB zu beantragen.
Dieser Zurückstellungsantrag der Beigeladenen ging zusammen mit dem Bauantrag und den Bauvorlagen am 24. August 2016 beim Landratsamt … ein. Zur Begründung des Zurückstellungsantrags führte die Beigeladene im Wesentlichen aus, der Bau-, Umwelt- und Verkehrsausschuss habe in der Sitzung vom 13. Juli 2016 die Aufstellung eines Bebauungsplans Nr. … „Ensemble östliche Altstadt“ beschlossen. Dieser Aufstellungsbeschluss sei am 29. Juli 2016 im städtischen Mitteilungsblatt veröffentlicht worden. Eine Veränderungssperre sei bislang noch nicht beschlossen worden.
Der Niederschrift der Sitzung des Bau-, Umwelt- und Verkehrsausschusses der Beigeladenen vom 13. Juli 2016 ist u.a. zu entnehmen, dass es sich um einen Bebauungsplan nach § 9 Abs. 2b BauGB handelt, der u.a. die Vermeidung von städtebaulichen Fehlentwicklungen, die nachhaltige Sicherung der Sanierungsmaßnahmen sowie den Erhalt historisch gewachsener Bau- und funktionaler Strukturen zum Ziel hat.
Mit Bescheid des Landratsamtes … vom 11. November 2016 wurde in Ziffer 1) die Entscheidung über die Zulässigkeit der Nutzungsänderung einer Gaststätte zu einer Spielothek auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung … bis zum 31. Oktober 2017 zurückgestellt und in Ziffer 2) die sofortige Vollziehung von Nr. 1 angeordnet.
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Durchführung der Planung der Beigeladenen wesentlich erschwert werden würde, wenn über die Zulässigkeit des Vorhabens bereits jetzt entschieden würde. Die Genehmigung der Nutzungsänderung von einer Gaststätte zu einer Spielothek könnte den zukünftig beabsichtigten planerischen Anforderungen für den Planbereich zuwiderlaufen. Dem Antrag der Beigeladenen auf Zurückstellung sei demnach stattzugeben.
Die sofortige Vollziehung werde im öffentlichen Interesse angeordnet. So würde ohne Anordnung des Sofortvollzugs eine Klage gegen den Zurückstellungsbescheid aufschiebende Wirkung entfalten und die Genehmigungsbehörde in der Konsequenz zu einer Entscheidung verpflichtet sein. Eine vorzeitige Entscheidung könne die Durchführung der Bauleitplanung wesentlich erschweren und den zukünftig beabsichtigten planerischen Anforderungen für den Planungsbereich und letztendlich auch dem Regelungstatbestand des § 15 Abs. 1 BauGB zuwiderlaufen.
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 12. Dezember 2016 ließ der Kläger Klage erheben und zugleich gemäß § 80 Abs. 5 VwGO beantragen,
die aufschiebende Wirkung dieser Klage wiederherzustellen.
Der Antragsgegner beantragt
Antragsablehnung.
Zur Begründung werden im Wesentlichen die Gründe des angefochtenen Zurückstellungsbescheids wiederholt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten Bezug genommen.
II.
Gegenstand vorliegenden Eilverfahrens ist der Zurückstellungsbescheid des Landratsamtes … vom 11. November 2016 insoweit, als seine sofortige Vollziehbarkeit angeordnet worden ist.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Für die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit eines Verwaltungsaktes gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist ein besonderes öffentliches oder überwiegendes Interesse eines Beteiligten erforderlich, das zum einen entsprechend der Formvorschrift des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO schriftlich zu begründen ist und zum anderen über jenes Interesse hinausgehen muss, das den Verwaltungsakt als solchen rechtfertigt.
Vorliegend begegnet die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit in Ziffer 2) des streitgegenständlichen Bescheids keinen formalen Bedenken. Der Antragsgegner hat die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit hinreichend damit begründet, dass ein besonderes öffentliches Interesse am Sofortvollzug bestehe, weil ansonsten die Genehmigungsbehörde trotz Zurückstellungsverfügung wegen der dann gegebenen aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage weiterhin zur Entscheidung über den Bauantrag verpflichtet bliebe mit der Folge, dass die Durchführung der von der Beigeladenen beabsichtigten Bauleitplanung zumindest damit wesentlich erschwert werden würde.
Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich dabei um eine den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügende einzelfallbezogene Begründung, da sie die Gründe erkennen lässt, die für die behördliche Entscheidung maßgeblich waren und auch erkennen lässt, dass vorliegend, abweichend von der Regel des § 80 Abs. 1 VwGO, es der Antragsgegner als geboten angesehen hat, die sofortige Vollziehung anzuordnen. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf den Zweck der Zurückstellung nach § 15 BauGB, nämlich die Bauleitplanung für einen bestimmten Zeitraum zu sichern; allzu hohe Anforderungen an die Begründung des öffentlichen Vollzugsinteresses sind daher nicht zu stellen (vgl. z.B. BayVGH v. 9.11.2004 – 14 CS 04.2835 – juris).
Das Gericht hat bei seiner Entscheidung alle betroffenen öffentlichen und privaten Interessen gegeneinander abzuwägen. Zu berücksichtigen sind insbesondere die bei Erlass bzw. Nichterlass der begehrten gerichtlichen Anordnung sich für den Antragsteller, den Antragsgegner, die Allgemeinheit und Dritte möglicherweise ergebenden Nachteile und die Erfolgsaussichten in einem Hauptsacheverfahren. Je größere letztere sind, umso eher muss dem Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO entsprochen werden; sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens dagegen gering, ist der Erlass der gerichtlichen Anordnung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO nur in Ausnahmefällen möglich.
Bei der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen – aber auch ausreichenden – summarischen Prüfung ergibt sich, dass die Klage, AN 3 K 16.02387, aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird.
Gemäß § 15 Abs. 1 BauGB hat die Genehmigungsbehörde auf Antrag der Gemeinde die Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben im Einzelfall für einen Zeitraum bis zu zwölf Monaten auszusetzen, wenn eine Veränderungssperre nach § 14 BauGB nicht beschlossen wurde, obwohl die Voraussetzungen gegeben sind, oder eine beschlossene Veränderungssperre noch nicht in Kraft getreten ist, wenn ansonsten zu befürchten ist, dass die Durchführung der Planung durch das Vorhaben unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde.
Vorliegend sind die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen für die Zurückstellung des Bauantrags des Antragstellers aller Voraussicht nach gegeben.
1. Die streitgegenständlich geplante Nutzungsänderung von Gaststätte in Spielhalle stellt ein genehmigungspflichtiges Vorhaben nach Art. 55 Abs. 1 BayBO dar, nach dem für die neue Nutzung sowohl bauordnungsrechtlich als auch bauplanungsrechtlich andere öffentlich-rechtliche Anforderungen als für die bisherige Nutzung in Betracht kommen.
2. Die Voraussetzungen für den Erlass einer Veränderungssperre liegen – so das Ergebnis der durchgeführten summarischen Prüfung – vor (§ 15 i.V.m. § 14 BauGB).
a) Am 13. Juli 2016 hat die Beigeladene die Aufstellung des Bebauungsplanes „Ensemble östliche Altstadt“ als Bebauungsplan nach § 9 Abs. 2b BauGB beschlossen.
An der formellen Wirksamkeit dieses Beschlusses bestehen keine Zweifel.
b) Auch die weiteren Anforderungen des § 14 Abs. 1 BauGB liegen aller Voraussicht nach vor.
Sinn und Zweck der Zurückstellung nach § 15 BauGB ist die Sicherung der Bauleitplanung für einen bestimmten Zeitraum, in dem in jenem Zeitraum das Baugenehmigungsverfahren ausgesetzt ist, d.h. für diesen Zeitraum von einer Entscheidung über den Bauantrag abzusehen ist.
Damit ist es – wie bei Erlass einer Veränderungssperre – erforderlich, dass die zu sichernde Planung ein Mindestmaß des Inhalts der beabsichtigten Planung erkennen lässt (BVerwG v. 16.12.2013 – 4 BN 18.13 – juris).
Dieses nötige Mindestmaß der Erkennbarkeit des zukünftigen Bebauungsplaninhalts erfordert nicht, dass dem Aufstellungsbeschluss bereits eine endgültige Planungskonzeption zugrunde liegt, vielmehr genügt es, dass die Gemeinde bei Erlass des Aufstellungsbeschlusses zumindest Vorstellungen über die Art der baulichen Nutzung im Geltungsbereich des künftigen Bebauungsplans entwickelt hat, z.B. durch die Absicht der Festsetzung eines bestimmten Baugebietstyps oder bestimmter sonstiger Nutzungen nach § 9 Abs. 1 BauGB (vgl. z.B. BayVGH v. 19.5.2009 – 14 N 08.1090 m.w.N. – juris).
Das Bundesverwaltungsgericht hat im Beschluss vom 1. Oktober 2009 – 4 BN 34.09 – zur hinreichenden Konkretisierung des Planungszieles Folgendes ausgeführt:
„Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darf eine Veränderungssperre erst erlassen werden, wenn die Planung, die sie sichern soll, ein Mindestmaß dessen erkennen lässt, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans sein soll (U.v. 19.2.2004 – BVerwG 4 CN 16.03 – BVerwGE 120, 138 bis 146 f.). Dabei hat der Senat hervorgehoben, dass ein Mindestmaß an konkreter planerischer Vorstellung auch zur Konzeption des § 14 BauGB gehört. Nach seinem Abs. 2 Satz 1 kann eine Ausnahme von der Veränderungssperre zugelassen werden, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Ob der praktisch wichtig-ste öffentliche Belang, nämlich die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der beabsichtigten Planung, beeinträchtigt ist, kann aber nur beurteilt werden, wenn die planerischen Vorstellungen der Gemeinde nicht noch völlig offen sind. Daraus folgt, dass das Mindestmaß an Vorstellungen, die vorliegen müssen, um eine Veränderungssperre zu rechtfertigen, zugleich geeignet sein muss, die Entscheidung der Genehmigungsbehörde zu steuern, wenn sie über die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der beabsichtigten Planung zu befinden hat. Diese Vorstellungen können sich jedoch nicht nur aus Niederschriften über die Gemeinderatssitzung, sondern auch aus allen anderen erkennbaren Unterlagen und Umständen ergeben. Hierzu kann beispielsweise auch die anderen Akten zu entnehmende oder bekannte Vorgeschichte gehören.“
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof führt im Beschluss vom 20. November 2013, 9 N 13.1681 – juris, hierzu u.a. Folgendes aus:
„Sofern ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst ist, kann die Gemeinde gemäß § 14 Abs. 1 BauGB eine Veränderungssperre zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich beschließen. Voraussetzung für den Erlass einer Veränderungssperre ist somit zunächst nur ein Planaufstellungsbeschluss der Gemeinde. Dies wird allerdings ausgeglichen durch das Erfordernis einer zu sichernden Planung. Die Anforderungen, die im Zeitpunkt des Erlasses einer Veränderungssperre an die Konkretisierung der planerischen Vorstellungen der Gemeinde zu stellen sind, sind jedoch mit Rücksicht auf die gemeindliche Planungshoheit denkbar gering. Der von der Veränderungssperre flankierte Aufstellungsbeschluss muss lediglich ein Mindestmaß dessen erkennen lassen, was Gegenstand und Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplanes bzw. der zu erwartenden Bebauungsplanänderung ist und welchen Inhalt die neue Planung haben soll. Die Gemeinde muss bereits positive planerische Vorstellungen über den Inhalt des Bebauungsplans soweit entwickelt haben, dass diese geeignet sind, die Entscheidung der Genehmigungsbehörde über die Vereinbarkeit eines Vorhabens mit der beabsichtigten Planung zu steuern.“
Diese insoweit an die planerische Vorstellung der Gemeinde zu stellenden Mindestanforderungen sind nach Auffassung des Gerichts vorliegend erfüllt.
Ziel der Bauleitplanung, wie es sich aus dem Aufstellungsbeschluss und der diesem zugrunde liegenden Sitzungsvorlage des Bauausschusses der Beigeladenen darstellt, ist u.a. die Wahrung der historischen Altstadt und die Sicherung der städtebaulichen Funktion des Plangebietes, wie diese sich aus den vorhandenen Nutzungen ergibt („Vermeidung städtebaulicher Fehlentwicklungen“, „Erhalt historisch gewachsener Bau- und funktionaler Strukturen“ etc.) (u.a.) durch den Ausschluss von Vergnügungsstätten.
Damit ist die zu sichernde Planung aller Voraussicht nach hinreichend konkretisiert im oben ausgeführten Sinne der obergerichtlichen Rechtsprechung.
Dies gilt umso mehr, als bei einem Bebauungsplan nach § 9 Abs. 2b BauGB, dessen Inhalt alleine der „ganz oder teilweise“ Ausschluss einer bestimmten Nutzung im Plangebiet sein soll, ohne dass weitere Festsetzungen zu erfolgen hätten, an das Mindestmaß der zu sichernden Planung andere Maßstäbe anzulegen sind als bei sonstigen Bebauungsplänen, denn die inhaltlichen Anforderungen, die diese Vorschrift an Bebauungspläne stellt, treten doch erkennbar hinter die für sonstige Bebauungspläne zurück (vgl. VG Gelsenkirchen v. 2.8.2007 – 6 L 272.07 – juris zu insoweit vergleichbaren Vorschrift des § 9 Abs. 2a BauGB; VG Ansbach v. 1.7.2015 – AN 9 K 14.01140, AN 9 K 14.00355 – juris).
c) Es mangelt auch nicht an dem erforderlichen Vorliegen einer positiven Planungskonzeption.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, z.B. vom 25. November 2003 – 4 BN 60.03 – juris, verstoßen Bebauungsplanfestsetzungen nicht schon dann gegen § 1 Abs. 3 BauGB, wenn ihr Hauptzweck in der Verhinderung bestimmter städtebaulich relevanter Nutzungen besteht, vielmehr sind derartige Regelungen als „Negativplanung“ erst dann unzulässig, wenn sie nicht dem planerischen Willen der Gemeinde entsprechen, sondern nur zur Verhinderung einer anderen Nutzung vorgeschrieben sind.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof führt in seiner Entscheidung vom 7. Juni 2010, 15 ZB 09.1235 – juris, dazu Folgendes aus:
„Eine Planung, die durch den Wunsch ausgelöst wurde, ein Vorhaben zu verhindern, kann für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB sein. Auf den Anlass und den Zeitpunkt der Entwicklung eines Bauleitplanes kommt es in aller Regel nicht an. Entscheidend ist vielmehr, dass die beabsichtigte Bauleitplanung zur städtebaulichen Entwicklung und Ordnung in Beziehung steht und nach der planerischen Konzeption der Gemeinde erforderlich ist.“
Auch gezielte Veränderungssperren, mit denen die Gemeinde erst auf einen konkreten Bauantrag hin mit der Einleitung der Bauleitplanung reagiert und dabei auch das Vorhaben verhindern will, sind zulässig. Die Gemeinde hat ihre Bauleitpläne immer dann aufzustellen, wenn es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich im Sinn des § 1 Abs. 3 BauGB ist, dabei kommt es in erster Linie auf die Sicht der Gemeinde selbst an, sie darf die städtebauliche Entwicklung in ihrem Gemeindegebiet bestimmen und sich dabei grundsätzlich von „gemeindepolitischen“ Motiven, die sich jederzeit ändern können, leiten lassen (BVerwG v. 19.2.2004 – 4 CN 16.03 – juris).
Unter Zugrundelegung dieser sich aus der zitierten Rechtsprechung zur Veränderungssperre ergebenden Sichtweise ist vorliegend aller Voraussicht nach nicht von einer unzulässigen Verhinderungsplanung auszugehen.
Dem Aufstellungsbeschluss ist deutlich eine städtebauliche Konzeption zu entnehmen in Form von Planungszielen (z.B. Wahrung der sich aus der vorhandenen Nutzung ergebenden städtebaulichen Funktion des Gebietes), die Gegenstand einer Festsetzung nach § 9 Abs. 2b BauGB sein können.
d) Es ist auch nichts dafür erkennbar, dass der zukünftige Bebauungsplan von vorneherein an rechtlichen Mängeln leiden würde, die schlechterdings nicht behebbar wären (vgl. z.B. BVerwG v. 21.12.1993 – 4 NW 40.93 – juris; BayVGH v. 24.5.2000 – 26 N 99.969 – juris).
So kommt es zum Zeitpunkt des Aufstellungsbeschlusses auch nicht darauf an, ob der – noch nicht beschlossene – Bebauungsplan von einer ordnungsgemäßen und gerechten Abwägung getragen wird (BVerwG v. 19.12.2014 – 4 BN 6.142 – juris).
Unzulässig ist ein Bebauungsplan u.a. dann, wenn er aus rechtlichen Gründen vollzugsunfähig ist oder aus tatsächlichen Gründen auf unabsehbare Zeit keine Aussicht auf Verwirklichung bietet (vgl. VGH Baden-Württemberg v. 15.7.2002 – 5 S. 1601.01 – juris mit Verweis auf BVerwG v. 11.5.1999 – 4 BN 15.99 -, NVwZ 1999, 1338); dafür ist vorliegend nichts erkennbar.
Gemessen an all dem ist nach summarischer Prüfung festzustellen, dass eine – anstelle der Zurückstellung erlassene – Veränderungssperre nicht wegen unbehebbarer Mängel des zukünftigen Bebauungsplans unwirksam wäre.
3. Dass die Durchführung der Planungen der Beigeladenen durch das vom Antragsteller beabsichtigte Bauvorhaben einer Spielhalle unmöglich gemacht oder jedenfalls wesentlich erschwert werden würde, liegt auf der Hand und bedarf deshalb keiner weiteren Begründung.
Liegen somit aller Voraussicht nach die Voraussetzungen einer Zurückstellung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauGB vor, so hat der Antragsgegner die Entscheidung über die Zulässigkeit des Bauvorhabens zurückzustellen; ein Ermessen kommt der Baugenehmigungsbehörde insoweit nicht zu.
Nach alldem war der Antrag abzulehnen.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.
Streitwertfestsetzung: § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. 1.5 Streitwertkatalog 2013.
Bei der Streitwertfestsetzung geht das Gericht von einem Zehntel aus einem Streitwert von 90.222,00 EUR (Ziffer 9.1.2.2 Streitwertkatalog 2013) aus, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Streitgegenstand vorliegenden Eilverfahrens lediglich die „Überwindung“ der auf der Zurückstellung basierenden, zeitlich befristeten Untätigkeit des Antragsgegners ist; im Hinblick auf die Vorläufigkeit des Eilverfahrens wird dieser Streitwert halbiert (1.5 Streitwertkatalog 2013).


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