Europarecht

Abgewiesene Klage im Streit um Aufbereitung von Trinkwasser

Aktenzeichen  RN 5 K 17.477

Datum:
15.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 12087
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
TrinkwV § 7, § 9 Abs. 5, § 11 Abs. 1 S. 5, § 39 Abs. 5

 

Leitsatz

1. Voraussetzung für die Maßnahmen nach § 9 Abs. 5 TrinkwV (hier: Einbau einer Aufbereitungs- und Desinfektionsanlage) ist nicht die Gefahr einer Schädigung der menschlichen Gesundheit, sondern die Nichteinhaltung der gesetzlichen Grenzwerte. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Anders als § 17 TrinkwV, der allgemein die Gewinnung, Aufbereitung und Verteilung betrifft, ist die Regelung des § 11 TrinkwV für die Anforderungen spezifisch an Aufbereitungsstoffe und Desinfektionsverfahren spezieller und geht § 17 TrinkwV insofern vor. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
3. An eine im Ermessen stehende Ausnahme nach § 9 Abs. 5 S. 2 TrinkwV sind hohe Anforderungen an die Feststellung zu stellen, dass eine Schädigung der menschlichen Gesundheit nicht zu besorgen ist, da es um Indikatorparameter geht; dies gilt umso mehr, wenn – wie im Bayerischen Wald – die Filterungswirkung der Böden schlecht ist. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da der Bescheid rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Beklagte hat zu Recht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen an eine Trinkwasseraufbereitungsanlage i.V.m. den allgemein anerkannten Regeln der Technik angeordnet, dass das Trinkwasser in Zukunft zweistufig, mithilfe einer Filtration und Desinfektion aufbereitet werden muss.
Im Einzelnen:
1. Nach § 37 Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) muss Wasser für den menschlichen Gebrauch so beschaffen sein, dass durch seinen Genuss oder Gebrauch eine Schädigung der menschlichen Gesundheit, insbesondere durch Krankheitserreger, nicht zu besorgen ist. Gemäß § 38 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 IfSG wird durch Rechtsverordnung – hier durch die Trinkwasserverordnung (TrinkwV) – bestimmt, welchen Anforderungen Wasser für den menschlichen Gebrauch genügen muss und welche Anforderungen an eine Wasseraufbereitung zu stellen sind. Danach dürfen nur diejenigen Desinfektionsverfahren zur Anwendung kommen, die hinreichend wirksam sind und keine vermeidbaren oder unvertretbaren Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt haben.
Ausgehend davon regelt § 7 Abs. 1 TrinkwV, dass die in Anlage 3 festgelegten Grenzwerte für Indikatorparameter eingehalten werden müssen. Danach gilt bei Coliformen Bakterien ein Grenzwert von 0 KBE/100 ml. Dieser Grenzwert wurde in der Vergangenheit vor Einbau der Anlage von Purion jedenfalls 2012 und 2014 und damit wiederholt überschritten. Nach § 9 Abs. 5 TrinkwV ordnet das Gesundheitsamt bei Nichteinhaltung oder Nichterfüllung der in § 7 festgelegten Grenzwerte oder Anforderungen Maßnahmen zur Wiederherstellung der Qualität des Trinkwassers an. Voraussetzungen für die Maßnahmen ist nicht die Gefahr einer Schädigung der menschlichen Gesundheit, sondern die Nichteinhaltung der gesetzlichen Grenzwerte (Rathke, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, § 9 Rn. 15). Ziel solcher Maßnahmen muss die dauerhafte Sicherstellung einer einwandfreien Trinkwasserqualität sein. Deshalb hat sich das Gesundheitsamt im vorliegenden Fall dazu entschieden, den Einbau einer Aufbereitungs- und Desinfektionsanlage zu fordern.
2. Bzgl. der Desinfektion einerseits hat das Gesundheitsamt zurecht angeordnet, dass eine Desinfektionsanlage eingebaut werden muss, wobei Aufbereitungsstoffe und Aufbereitungsverfahren verwendet werden, die gemäß § 11 der Trinkwasserverordnung 2001 vom Umweltbundesamt veröffentlicht worden sind. Die Einrichtung eines Desinfektionsverfahrens, wie es in § 11 TrinkwV beschrieben wird, ist eine geeignete, erforderliche und angemessene, auf § 9 Abs. 5 TrinkwV zu stützende Maßnahme. Schließlich regelt § 11 Abs. 1 S. 5 TrinkwV, dass zur Desinfektion von Trinkwasser nur Verfahren zur Anwendung kommen dürfen, die einschließlich der Einsatzbedingungen, die ihre hinreichende Wirksamkeit sicherstellen, in die Liste [des Umweltbundesamtes] aufgenommen wurden. In deren Teil II, lfd. Nr. 5 findet sich die Anforderung an das Desinfektionsverfahren UV-Bestrahlung:
Es sind nur UV-Desinfektionsgeräte zulässig, für die nach DVGW-Arbeitsblatt W 294-2 (A) im Rahmen einer biodosimetrischen Prüfung eine Desinfektionswirksamkeit von mindestens 400 Joule/m2 (bezogen auf 254 nm) erfolgreich nachgewiesen wurde. Die für das jeweilige Gerät im Prüfbericht sowie im Zertifikat eines akkreditierten Branchenzertifizierers angegebenen Betriebskennwerte (max. Durchfluss und zugehörige Mindestbestrahlungsstärke) sind im Betrieb einzuhalten.
Jedenfalls das dort genannte Zertifikat eines akkreditierten Branchenzertifizierers liegt bzgl. der eingebauten Anlage unstreitig nicht vor. Allein dadurch handelt es sich also bei dem aktuell vorhandenen Desinfektionsverfahren um keines, das die Anforderungen der Trinkwasserverordnung erfüllt.
Ob auch ohne ein Zertifikat von der Anlage die allgemein anerkannten Regeln der Technik erfüllt würden, ist damit nicht relevant. Anders als § 17 TrinkwV (dort insb. im Umkehrschluss zu Abs. 5), der allgemein die Gewinnung, Aufbereitung und Verteilung betrifft, ist die Regelung des § 11 TrinkwV für die Anforderungen spezifisch an Aufbereitungsstoffe und Desinfektionsverfahren speziell, geht § 17 TrinkwV insofern vor und stellt nicht schlicht auf die allgemein anerkannten Regeln der Technik ab (vgl. BayVGH, Urteil vom 17. Mai 2018 – 20 B 16.1351 -, Rn. 39, juris), sondern stellt an bestimmte Verfahren ganz spezifische Anforderungen, hier eben das Vorliegen eines entsprechenden Zertifikats.
Zudem kann dem auch nicht entgegengehalten werden, dass nach Einbau keine Überschreitung des Werts für coliforme Bakterien mehr stattgefunden hat. Da es sich um Indikatorparameter handelt, ist die Einhaltung des Grenzwerts nicht alleiniges Ziel der Maßnahme. Eine Überschreitung ohne Desinfektion zeigt an, dass die Gefahr besteht, dass neben coliformen Bakterien eine Vielzahl weiterer Erreger im Wasser vorhanden sein können, die auf dem gleichen Weg wie die coliformen Bakterien ins Wasser gekommen sein können. Da die coliformen Bakterien gegen UV-Strahlung aber empfindlicher sind als andere Erreger, kann sich so auch im vorliegenden Fall die Einhaltung der Grenzwerte ergeben, ohne dass man dann jedoch auf die Erreichung der angestrebten Sicherheit bzgl. anderer Erreger schließen könnte, welche jedoch gerade das Ziel der Regelung und Einzelfallmaßnahme waren. Dafür, dass eine im Ermessen stehende Ausnahme nach § 9 Abs. 5 S. 2 TrinkwV dennoch zwingend zu erteilen gewesen wäre, gibt es keine Anhaltspunkte. Da es vorliegend um Indikatorparameter geht, sind hohe Anforderungen an die Feststellung zu stellen, dass eine Schädigung der menschlichen Gesundheit nicht zu besorgen sei. Zudem ist im vorliegenden Verfahren vorgetragen, die Filterungswirkung der Böden sei schlecht, was eine Ausnahme noch schwieriger erscheinen lässt und damit jedenfalls kein Ermessensfehler vorliegt, wenn diese nicht gewährt wird (Vgl. zu diesem Themenkomplex BayVGH, Urteil vom 17. Mai 2018 – 20 B 16.1351 -, Rn. 51, juris).
Die Maßnahme kann ihre Grundlage auch in § 9 Abs. 5 TrinkwV statt wie von der Beklagtenseite herangezogen in § 39 Abs. 2 IfSG finden. Dass § 9 Abs. 5 TrinkwV für Konstellationen wie der vorliegenden spezieller und daher statt § 39 Abs. 2 IfSG heranzuziehen ist, hat der BayVGH herausgearbeitet in seinem Urteil vom 17.05.2018, 20 B 16.1351, Rn. 28, 30. Weder wird der erlassene Verwaltungsakt dadurch in seinem Wesen verändert, da nach wie vor die gleiche Maßnahme aus den gleichen Gründen die gleiche Zielrichtung verfolgt, noch wird die Rechtsverteidigung der Betroffenen dadurch erschwert, da die materiellen Anforderungen gleich geblieben sind, insb. bzgl. der Anforderungen der §§ 7 und 11 TrinkwV mit den Normen auf die diese verweisen (Vgl. zu diesen Voraussetzungen BeckOK VwVfG/Schemmer, 43. Ed. 1.4.2019, VwVfG § 45 Rn. 36).
3. Hinsichtlich der Filtrierung ergeben sich ebenfalls aus § 11 Abs. 1 S. 5 TrinkwV und der Liste des Umweltbundesamtes zu stellende Anforderungen. In dieser heißt es in der Legende Nr. 5) zu den Desinfektionsverfahren in Teil II: „Bei Einsatz der Verfahren für die Desinfektion von Oberflächenwasser oder von durch Oberflächenwasser beeinflusstem Wasser ist auf eine weitestgehende Partikelabtrennung vor der Desinfektion zu achten. Dabei sind Trübungswerte im Ablauf der partikelabtrennenden Stufe im Bereich von 0,1 – 0,2 NTU anzustreben, wenn möglich zu unterschreiten. Auf die Mitteilung des Umweltbundesamtes: “Anforderungen an die Aufbereitung von Oberflächenwässern zu Trinkwasser im Hinblick auf die Eliminierung von Parasiten” (veröffentlicht im Bundesgesundheitsblatt 12/97) wird ausdrücklich hingewiesen.
Auch die DIN 2001-1:2007-05 und das DVGW-Arbeitsblatt W 290 enthält Vorgaben, dass einer Desinfektion eine Filtration vorzuschalten ist, da in trüberem Wasser Erreger leichter vor dem Desinfektionsverfahren (hier: UV-Strahlung) verborgen sind. Selbst wenn ohne eine Filtration Werte im Bereich von 0,1 – 0,2 NTU erreicht würden, genügt dies auch nach dem BayVGH nicht. (Urteil vom 17. Mai 2018 – 20 B 16.1351 -, Rn. 41f., juris) Der Eintrag von Erregern müsse vielmehr so gering wie möglich sein angesichts des höchsten Schutzguts der menschlichen Gesundheit. Zudem habe die Filtration einen eigenen Effekt auf die Reduzierung von Parasitendauerformen, den eine UV-Behandlung nicht allein ersetzen kann. Nach der genannten DIN-Norm könne allenfalls dann auf die Filtration verzichtet werden, wenn ständig, auch bei außergewöhnlichen Wetterereignissen die Anforderungen der TrinkwV gewahrt sind und keine parasitären Protozoen im Rohwasser enthalten sind. Auch dann wäre aber eine Zustimmung des Gesundheitsamts von Nöten. Wie auch im genannten Urteil des BayVGH (dort Rn. 46) weisen die Böden des Bayerischen Waldes eine unzureichende Filterwirkung auf, sodass nicht feststeht, dass auch bei außergewöhnlichen Wetterereignissen die genannten Vorgaben gewahrt bleiben. Allein der sich in Anlage K8 befindliche Trübungswert von 0,18 NTU kann damit noch nicht dazu führen, dass zwingend von einer Filtration abzusehen ist, da dieser einzelne Wert lediglich eine Momentaufnahme darstellt. Von einer Filtration nicht abzusehen und diese anzuordnen war daher eine verhältnismäßige behördliche Maßnahme.
4. Da die Klage somit erfolglos war, war sie mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen gewesen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708ff. ZPO.


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