Europarecht

Abschiebungsanordnung nach Litauen

Aktenzeichen  AN 14 K 15.50615

Datum:
27.1.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 41579
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VO (EU) 604/ 2013
AsylG AsylG §§ 34a, 27a
EMRK EMRK Art. 3
GG GG Art. 26

 

Leitsatz

Das litauische Asylsystem sowie die Aufnahmebedingungen weisen keine systemischen Mängel auf, die eine unmenschlichen oder erniedrigende Behandlung von Asylbewerbern befürchten lassen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden
nicht erhoben.

Gründe

Über die Klage konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten jeweils mit Schriftsatz der Beklagten vom 21. Januar 2016 bzw. des Klägers vom 26. Januar 2016 ihr Einverständnis hierzu gemäß § 101 Abs. 2 VwGO erteilt haben.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 25. November 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
Die im Bescheid vom 25. November 2015 enthaltene und sofort vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG nach Litauen ist auch unter Berücksichtigung des Sachvortrags des Klägers nicht zu beanstanden.
Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt die Abschiebung an, wenn feststeht, dass sie auch durchgeführt werden kann. Hierbei bedarf es nach § 34a Abs. 1 Satz 3 AsylG einer vorherigen Androhung und Fristsetzung nicht. Dem liegt zugrunde, dass das Bundesamt den Asylantrag des Klägers nach § 27a AsylG zu Recht als unzulässig abgelehnt hat. Die litauischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 27. August 2015 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages des Klägers gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO. Die Frist von 3 Monaten nach dem Art. 21 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO ist gewahrt.
Damit treffen den Staat Litauen die Pflichten aus Art. 18 Dublin III-VO, insbesondere ist Litauen gemäß Art. 29 Abs. 1 und Abs. 2 Dublin III-VO verpflichtet, den Kläger innerhalb einer Frist von sechs Monaten, nachdem es die Wiederaufnahme akzeptiert hat, bzw. innerhalb von sechs Monaten nach der Entscheidung über einen Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wieder aufzunehmen. Diese Frist ist vorliegend noch nicht abgelaufen. Die Überstellung kann insoweit noch erfolgen.
Besondere Umstände, die zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO durch die Bundesrepublik Deutschland führen würden, sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht konkret vorgetragen.
Hierbei ist aufgrund des vom Bundesverfassungsgericht zur Drittstaatenregelung des § 26a AsylG entwickelten Konzepts der normativen Vergewisserung davon auszugehen, dass dort die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention als auch der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist, da es sich bei Litauen um einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union und damit um einen sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 GG bzw. § 26a AsylG handelt.
Die Dublin III-VO ist die grundlegende Vorschrift auf dem Weg zu einem gemeinsamen Europäischen Asylsystem (vgl. Erwägungsgründe Nr. 2, 4 ff der Dublin III-VO), mit dem eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zu-ständigen Mitgliedsstaats bezweckt wird, um letztendlich einen effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zur gewährleisten (vgl. hierzu BVerwG, B. v. 19.03.2014, Az.: 10 B 6/14 m. w. N., juris). Dieses gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens dahingehend, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und in der EMRK finden (so grundsätzlich EUGH, große Kammer, U. v. 21.12.2011, Rechtssache: RS: C-411/10 und C-493/10, juris).Davon kann nur dann abgesehen werden, wenn dieser zuständige Mitgliedsstaat sog. „systemische Mängel“ des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber aufweist, so dass die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gefahr für Asylbewerber bestünde, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Grundrechtscharta bzw. Art. 3 EMRK ausgesetzt zu werden. Dies wiederum hat zur Folge, dass der Asylbewerber der Überstellung in den zuständigen Mitgliedsstaat nur mit dem Einwand sogenannter systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (so grundsätzlich EUGH, große Kammer, U. v. 10.12.2013, RS: 10-394/12, juris). Diese Rechtsprechung mündete in Art. 3 Abs. 2 der Dublin III-VO, der bestimmt, dass im Falle systemischer Schwachstellen in einem Mitgliedsstaat für den Fall, dass keine anderen zuständigen Staaten gefunden werden können, der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedsstaat der zuständige Mitgliedsstaat wird.
Solche systemische Mängel im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO liegen entgegen der Auffassung des Klägers erst dann vor, wenn die bereits angesprochenen Grundrechtsverletzungen oder Verstöße gegen Art. 3 EMRK nicht nur in Einzelfällen vorliegen, sondern strukturell bedingt sind. Deshalb setzen systemische Mängel im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO voraus, dass die Asylverfahren bzw. die Aufnahmebedingungen im eigentlich zuständigen Mitgliedsstaat so defizitär sind, dass einem Asylbewerber im konkreten Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.
Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich die konkrete Gefahr einer gegen die Grundrechte verstoßenden Behandlung im zuständigen Staat aus der grundsätzlichen Behandlung der Asylbewerber heraus ergeben muss, die eben systemisch angelegt sein muss, dass also eine Verletzung von Grundrechten in einem Einzelfall nicht zur Aktivierung des Selbsteintritts ausreicht (BVerwG, B. v. 6.6.2014, Az.: 10 B 25/14, juris). Diese Defizite müssen des Weiteren in der Art und Weise offensichtlich sein, dass sie im überstellenden Mitgliedsstaat allgemein bekannt sein müssen (EUGH, U. v. 21.12.2011, a. a. O.) und im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedsstaats angelegt sein oder die Vollzugspraxis dort strukturell prägen, so dass sie des Weiteren aufgrund ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit aus Sicht der zuständigen Behörden und Gerichte verlässlich zu prognostizieren sind (BVerwG v. 6.6.2014, a. a. O., m. w. N.).
Im vorliegenden Fall ist nicht von solchen systemischen Schwachstellen auszugehen.
Hierzu wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf die zu-treffende Begründung des streitgegenständlichen Bescheids des Bundesamtes vom 25. November 2015 Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen.
Insbesondere sind für das Gericht keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich und wurden auch nicht vorgetragen, dass der Kläger Gefahr liefe, nach der Rücküberstellung nach Litauen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. im Sinne von Artikel 3 EMRK zu unterfallen.
Ergänzend ist noch auszuführen, dass auch nach der Rechtsprechung der deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Litauen tatsächlich nicht vorliegen (VG Düsseldorf, Beschluss vom 17. Juni 2015, – 13 L 1896/15.A – juris; VG Regensburg, Beschluss vom 13. Januar 2015 – RO 9 S 14.50347 -, juris, mit weiteren Hinweisen des Österreichischen Asylgerichtshofs). Das Gericht schließt sich dieser Rechtsauffassung an.
Auch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse, die ebenfalls vom Bundesamt zu prüfen gewesen wären, liegen nicht vor. Der Kläger ist hinsichtlich der weiteren Behandlung seiner Verletzung an der linken Schulter auf die umfassenden medizinischen Versorgungsmöglichkeiten in Litauen zu verweisen.
Der Kläger ist zudem, wie das Bundesamt richtigerweise in seinem Bescheid vom 25. November 2015 ausgeführt hat, volljährig, unverheiratet und kinderlos. Familienangehörige im Sinne des Art. 2 Buchst. g Dublin III-VO sind nicht erkennbar. Es wurde nicht vorgetragen, dass er von verwandten Personen, wie zum Beispiel seiner Mutter, die nach eigenen Angaben des Klägers in Deutschland lebe, aufgrund eines Krieges, einer bürgerkriegsähnlichen Situation oder der anschließenden Flucht getrennt worden sei, so dass bereits keine Familieneinheit im Heimatland bestanden hat, welche es wieder herzustellen gelte.
Der Antrag ist daher abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylG.


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