Europarecht

Abwasserabgabe für die Einleitung von verschmutztem Niederschlagswasser

Aktenzeichen  RN 8 K 15.1957

Datum:
18.4.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 127795
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AbwAG § 2, § 7
BayAbwAG Art. 6

 

Leitsatz

1. Die Abgabefreiheit nach Art. 6 Abs. 1 BayAbwAG erfordert zwingend das Vorliegen eines wasserrechtlichen Erlaubnisbescheids (Anschluss an BayVGH BeckRS 2013, 51462). (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Werden einem Kanalsystem auch Mischwasserkanäle zugeleitet, ist eine Einzelbetrachtung mit Blick auf die Abgabepflicht nicht möglich.  (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Soweit die Klägerseite ihre ursprünglich unbeschränkt erhobene Klage mit Schriftsatz vom 4.1.2016 betragsmäßig beschränkt hat, liegt darin eine (verdeckte) teilweise Klagerücknahme. Das Verfahren ist insoweit (formlos) einzustellen, die teilweise Klagerücknahme ist im Rahmen der Kostenentscheidung mit zu berücksichtigen.
2. Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die erstrebte Teilaufhebung des Bescheids des Landratsamts P … vom 14.10.2015. Zu Recht sind hinsichtlich der Einleitungsstelle RÜ2/E7 auch Einwohner des Markts A … berücksichtigt worden. Der Bescheid vom 14.10.2015 ist insoweit rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AbwAG ist auch Niederschlagswasser „Abwasser“. Nach § 2 Abs. 2 AbwAG ist Einleiten im Sinne dieses Gesetzes das unmittelbare Verbringen des Abwassers in ein Gewässer. Die Einleitung von Niederschlagswasser über eine öffentliche Kanalisation ist gemäß §§ 1 und 7 AbwAG grundsätzlich abgabepflichtig, weil es in der Praxis kaum denkbar ist, dass das Niederschlagswasser, das über Kanalisationen eingeleitet wird, völlig unverschmutzt ist (vgl. Zöllner in Sieder/Zeitler, Bayerisches Wassergesetz, Art. 6 BayAbwAG Rn. 2). Der Gesetzgeber erkennt andererseits mit § 7 Abs. 2 AbwAG an, dass es infolge Fernhaltens einer Belastung des Niederschlagswassers bzw. seiner Behandlung auch solche Niederschlagswässer gibt, die bei Einleitung in ein Gewässer eine zu vernachlässigende Belastung aufweisen (Köhler/Meyer, Abwasserabgabengesetz, 2. Aufl. 2006, § 7 Rn. 17). Die Länder können deshalb bestimmen, unter welchen Voraussetzungen die Einleitung von Niederschlagswasser ganz oder zum Teil abgabefrei bleibt (§ 7 Abs. 2 AbwAG). Die Regelung über die teilweise oder die vollständige Abgabefreiheit sollte den Ländern überlassen bleiben, weil die Kriterien für Ermäßigung oder Freistellung von den Regelungen der Länder über die technischen Anforderungen an Bau und Betrieb der Abwasseranlagen abhängen (vgl. BR-Drs. 112/86 S. 14). Der Landesgesetzgeber kann dabei sowohl formelle als auch materielle Voraussetzungen für Abgabenminderungen beim Niederschlagswasser festlegen (vgl. bereits BVerwG, U.v. 25.9.1992 – 8 C 28/90 – NVwZ 1993, 998 zu § 7 Abs. 2 AbwAG a.F.). Mit Art. 6 BayAbwAG hat der Landesgesetzgeber von der Ermächtigung des § 7 Abs. 2 AbwAG Gebrauch gemacht. So bleibt nach Art. 6 Abs. 1 BayAbwAG das Einleiten von Niederschlagswasser abgabefrei, wenn es aus einer Kanalisation stammt, in der kein durch häuslichen, gewerblichen, landwirtschaftlichen oder sonstigen Gebrauch in seinen Eigenschaften verändertes behandlungsbedürftiges Wasser abgeleitet wird und die Anforderungen des die Einleitung zulassenden Bescheids erfüllt sind. Bereits aus dem Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 BayAbwAG ergibt sich, dass Abgabefreiheit nach dieser Bestimmung unter anderem das Vorliegen eines wasserrechtlichen Erlaubnisbescheids zwingend erfordert (vgl. BayVGH, U.v. 13.5.2013 – 8 ZB 11.2773). Das Einleiten von Niederschlagswasser aus einer Kanalisation im Mischsystem – wie hier – bleibt unter den näheren Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 2 BayAbwAG abgabefrei. Nach § 9 Abs. 1 AbwAG ist abgabepflichtig, wer Abwasser einleitet (Einleiter).
Die Klägerin betreibt eine kommunale Entwässerungseinrichtung. Im Jahr 2010 gehörte hierzu auch das Bauwerk RÜ2/E7, welches u. a. auch der Entlastung des vom Markt A … herführenden und über den Stauraumkanal SK1 der Kläranlage A … zulaufenden Kanals diente. Unstreitig wurde 2010 durch die Klägerin aus dem Entlastungsbauwerk RÜ2/E7 stammendes Mischwasser in den A …(Gewässer dritter Ordnung) eingeleitet, ohne dass insoweit die Voraussetzungen für eine Abgabefreiheit nach Art. 6 Abs. 2 BayAbwAG vorgelegen hätten (vgl. hierzu wasserrechtliche Erlaubnis vom 23.10.2007).
Die Klägerin wird im Hinblick auf die Einleitungsstelle RÜ2/E7 A … zu Recht zu einer aus 3.794 Einwohnern berechneten Abwasserabgabe herangezogen. Darin sind zutreffend auch 2.648 Einwohner des Markts A … enthalten, weil aus dem Gemeindegebiet A … mittels einer Rohrleitung Mischwasser über das Entlastungsbauwerk RÜ2/E7 und den Stauraumkanal SK1 der Kläranlage der Klägerin zugeführt wurde. Nach dem bestandskräftigen Bescheid vom 23.10.2007 sind dem Stauraumkanal SK 1, der wiederum zur Kläranlage A … führt, die Regenüberlaufbecken 1 bis 4 in A … vorgeschaltet; dazwischen liegt das hier streitgegenständliche Bauwerk RÜ2/E7. Diesem Kanalsystem werden auch Mischwasserkanäle aus dem Gemeindebereich der Klägerin zugeleitet. Eine Einzelbetrachtung ist daher nicht möglich. Zu Recht weist der Beklagte deshalb darauf hin, dass dieser Teil des Mischwassersystems des Markts A … zusammen mit dem System der Klägerin eine hydraulische Einheit bildet, weil bei Niederschlagsereignissen über die aus A … herführende Rohrleitung gegebenenfalls auch Niederschlagswasser mit dem aus dem Gemeindegebiet der Klägerin stammenden System vermischt und über das Entlastungsbauwerk RÜ2/E7 (bzw. die Kläranlage) der Klägerin in den A … eingeleitet wird. Zutreffend ist schließlich auch, dass die gegenüber dem Markt A … ergangenen Bescheide lediglich eine Abgabenfreiheit feststellen, soweit es sich um das eigene System des Markts A … handelt, nicht aber hinsichtlich des hier streitgegenständlichen Teils, der der Entwässerungseinrichtung der Klägerin zuzurechnen ist.
Kosten: § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 2 VwGO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

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