Europarecht

Änderung einer Auflage zu Abgrabungsgenehmigung

Aktenzeichen  M 9 K 15.831

Datum:
20.4.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 135487
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 6

 

Leitsatz

1. Eckpunktepapier und Leitfaden zur Verfüllung von Gruben, Brüchen und Tagebauen haben zwar nicht dieselbe Verbindlichkeit wie normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften, können aber als Entscheidungshilfe im Rahmen einer Gefahrenprognose dienen. Sie ersetzen nicht die Prüfung und Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls, geben aber Leitlinien für diese Würdigung vor. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Den Sachverständigenaussagen des Wasserwirtschaftsamts kommt als der Fachbehörde für wasserwirtschaftliche Fragen große Bedeutung zu; sie haben in der Regel größeres Gewicht als Expertisen von privaten Fachinstituten, weil die amtlichen Erkenntnisse auf jahrelanger Bearbeitung eines bestimmten Gebiets und nicht nur auf der Auswertung von Aktenvorgängen im Einzelfall beruhen; sie können durch schlichtes Bestreiten oder bloße Behauptungen nicht erschüttert werden. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3. An die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist; eine beachtliche Gefahr für das Grundwasser ist mithin schon bei geringer Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gegeben. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Die Klage ist im Hauptantrag zulässig, aber unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die beantragte Abänderung der Ziffer 3.1 der Abgrabungsgenehmigung vom 19. Mai 2009 für das Grundstück FlNr. … Gemarkung … und auf Abänderung der Ziffer 4.2 der Abgrabungsgenehmigung vom 18. Oktober 2012 für die Restflächen der FlNrn. … (T) Gemarkung … zur Verfüllung von Material Z 2 im Feststoff und Z 1.2 im Eluat, § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO.
Der Verfüllung von Material Z 2 im Feststoff und Z 1.2 im Eluat stehen öffentliche Belange entgegen, weil aufgrund der im zu verfüllenden Material enthaltenen Schadstoffe ein erhebliches Gefährdungspotential für das Grundwasser besteht, Art. 9 Abs. 1 S. 1 BayAbgrG i.V.m. § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 BauGB. Der Leitfaden und das Eckpunktepapier sind zur Beurteilung der Gefahr anwendbar (a). Der Beklagte hat den Leitfaden bei seiner Verbescheidung auch richtig ausgelegt bzw. angewandt (b). Ein atypischer Fall, der vom Leitfaden nicht erfasst wäre, ist nicht gegeben (c).
a) Der Leitfaden und das Eckpunktepapier sind vorliegend zur Beurteilung der Gefahr im Rahmen der Prüfung des Änderungsantrags anwendbar, was sich bereits aus der Einführung A-3 „Geltungsbereich“ des Leitfadens in der Fassung vom 09. Dezember 2015 ergibt:
„Die Eckpunkte und der Leitfaden gelten für die Prüfung und Genehmigung von Verfüllungen von Abbaustellen (Nass- und Trockenverfüllungen) mit Abraum und unverwertbaren Lagerstättenanteilen sowie Fremdmaterial aus Bodenaushub und Bauschutt. Die Genehmigung der Verfüllung von Abbaustellen erfolgt entweder im Rahmen des Wasser-, Bau- bzw. Abgrabungs-, Immissionsschutz- oder Bergrechts. Dies wird hier nicht weiter behandelt. In den entsprechenden Gestattungsverfahren sind insbesondere auch naturschutzrechtliche und -fachliche Gesichtspunkte zu beachten.“
Der Leitfaden ist demnach für Genehmigungen der Verfüllung von Abbaustellen heranzuziehen unabhängig davon, ob eine gebundene Entscheidung oder eine Ermessensentscheidung in Rede steht. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat den Leitfaden in dem von der Klägerin zitierten Beschluss vom 03.07.2007 – 14 CS 07.966 -, juris, in Rn. 43 zwar als ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift tituliert, ihn in den Rn. 39ff. aber eindeutig im Rahmen einer Gefahrenprognose nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB (Gefährdung der Wasserwirtschaft) und damit auf Tatbestandsseite geprüft. Schließlich hat der Beklagte den Leitfaden vorliegend ohnehin im Rahmen der Prüfung einer Abänderung von im behördlichen Ermessen stehenden Auflagen (S/B/S/Stelkens VwVfG § 36 Rn. 130f.) herangezogen, was somit auch aus Sicht des Bevollmächtigten der Klägerin kein dogmatisches Problem mehr darstellen sollte.
b) Der Beklagte hat den einschlägigen Leitfaden vorliegend auch richtig angewandt bzw. ausgelegt. Die Ansicht der Klägerin, wonach die Verfüllflächen, deren Einordnung als A-Standort sie nach dem natürlich anstehenden Untergrund nicht bestreitet (Schriftsatz vom 12. April 2016, S. 2 unten, Ziffer II.1.), schon dadurch als B-Standort (mit einer dann bestehenden Aufwertungsmöglichkeit nach C 1) einzugruppieren wären, dass sie eine 2 m mächtige Sorptionsschicht auf die Abbausohle der Grube aufbringt, geht fehl.
Nach der Systematik des Leitfadens richtet sich die wasserwirtschaftliche Gesamtbewertung des Standortes und damit die Einordnung in die Standortkategorie nach den in der Anlage 6 zum Leitfaden abschließend benannten Kriterien (vgl. B-1.2 des Leitfadens, Anlage 6 und „Vorgehensweise“ in Anlage 8a). Die Angaben zur „Sorptionsfähigkeit“ in Zeile 5 der Tabelle Anlage 8a beziehen sich, anders als die Klägerin meint, nur auf das Sorptionsvermögen der nach Abschluss der Ausbeutung verbleibenden Grundwasserdeckschicht zwischen Gruben- bzw. Bruchsohle und höchstem Grundwasserstand. Dies ergibt sich aus Abschnitt B-1.2 des Leitfadens:
„Die Untersuchung oder Beurteilung und Einstufung des Standortes in die Kategorien trocken A, B oder C (C1 und C2) umfasst neben der Prüfung der Grundwasserverhältnisse nach Anlage 6 (insbesondere Teil 2) die Untersuchung und Beurteilung der Empfindlichkeit der verbleibenden Grundwasserüberdeckung, wobei die Schicht zwischen Abbausohle und höchstem bekannten Grundwasserspiegel der dauerhaft gesättigten Bodenzone maßgebend ist, sowie die Hintergrundgehalte von Boden und Grundwasser. Für die Beurteilung der Empfindlichkeit der Grundwasserüberdeckung ist zunächst die hydrogeologische Untersuchung maßgebend. Diese orientiert sich im ersten Schritt an Anlage 7. Diese Ermittlung stellt nur einen ersten Schritt im Rahmen der Bewertung dar, da die Schutzwirkung wesentlich noch von den Sorptions- und Filtereigenschaften der Deckschichten abhängen kann. Bei Verfüllmaterial über Z-0 ist daher zusätzlich das Sorptionsvermögen der verbleibenden Grundwasserdeckschicht oder der natürlichen Filter- und Rückhalteschicht zu ermitteln und dem voraussichtlichen Schadstoffinventar des zur Verfüllung vorgesehenen Materials gegenüber zu stellen.“ (Hervorhebungen nicht im Original)
Die Empfindlichkeit der Deckschicht beurteilt sich demnach nur in einem ersten Schritt nach der Anlage 7, S. 1 und 2. Bei Verfüllung von Material mit Zuordnungswerten über Z-0 ist zusätzlich das Sorptionsvermögen zu ermitteln. Damit stellen die Angaben zur Sorptionsfähigkeit (Zeile 5 der Tabelle in Anlage 8a) einen gegenüber Zeile 3 und 4 zusätzlichen Baustein für die Beurteilung der Empfindlichkeit der natürlich vorhandenen bzw. verbleibenden Deckschicht dar. Mit der Wiedergabe der strukturellen Bodeneigenschaften „stark klüftig, Karst“ in Spalte A der Tabelle / Anlage 8a wird dabei an die Bewertung der Tabelle 2 / Anlage 7 angeknüpft. Wenn die Klägerin demgegenüber meint (S. 9 der Klagebegründung vom 13. Mai 2015 und S. 3 des Schriftsatzes vom 12. April 2016), Zeile 5 „Sorptionsfähigkeit“ beschreibe eine von einer weiteren zusätzlichen technischen Sorptionsschicht zu unterscheidende einzubauende Sorptionsschicht, die sie mit der von ihr geplanten 2 m mächtigen Sorptionsschicht herstelle, so irrt sie: Zum einen würde wohl kein Unternehmer eine Sorptionsschicht künstlich einbringen, wie sie von Spalte A der Tabelle / Anlage 8a nach Meinung der Klägerin beschrieben wird (geringe Sorptionsfähigkeit, stark klüftig) – zum anderen ist die oben dargestellte Erläuterung in Abschnitt B-1.2 eindeutig. Auch die in Anlage 8a festgelegte „Vorgehensweise“ bestätigt dies: Erst nach Festlegung der Standortkategorie (erfolgt nach Zeile 1-5 der Tabelle) kann eine „Aufwertung durch technische Maßnahmen um maximal eine Standortkategorie“ erfolgen. Gerade in Spalte A ist unter „zusätzlicher sorptionsfähiger Schicht von 1 m“ gemäß der Definition der „Sorptionsschicht“ in Abschnitt A-5 des Leitfadens nur der Einbau einer technischen Sorptionsschicht nach Anlage 8b als technische Maßnahme in diesem Sinne zu verstehen, wie sich aus der in Anlage 8a dargestellten „Vorgehensweise“, drittes Aufzählungszeichen, zweiter Halbsatz und dem Vergleich mit den weiteren Spalten ergibt („natürlich vorhanden oder technisch hergestellt“). Diese Aufwertung vergrößert dabei „nur“ den Spielraum für das zu verfüllende Material und eröffnet neue Verfüllmöglichkeiten innerhalb der jeweiligen Standortkategorie, was sich so bereits aus der Spaltenaufteilung der Tabelle (Anlage 8a) ergibt.
Eine derartige Aufwertung (mittels Einbaus der 2 m mächtigen Sorptionsschicht durch die Klägerin) hat aber nicht zur Folge, dass der (natürliche) A-Standort zu einem (natürlichen) B-Standort aufsteigt. Dies hätte vorausgesetzt, dass der Einbau einer technischen Sorptionsschicht als Kriterium in Anlage 6 genannt wird, die die für die Einordnung in die Standortkategorien bestimmenden Kriterien behandelt. Daran kann auch die von der Klägerin zitierte Passage im Abschnitt B-2/T-B des Leitfadens nichts ändern, wie sich bereits aus der Einleitung dieser Erläuterungen ergibt:
„Standorte der Kategorie B sind Standorte außerhalb der Gebiete nach Kategorie A, die nach der wasserwirtschaftlichen/hydrogeologischen Gesamtbeurteilung mittel empfindlich gegenüber Grundwasserverunreinigungen eingestuft werden müssen.“ (Hervorhebung nicht im Original)
Die wasserwirtschaftliche bzw. hydrogeologische Gesamtbeurteilung richtet sich nur nach den Kriterien der Anlage 6 zum Leitfaden. Der Einzug einer technischen Sorptionsschicht kann dabei beispielsweise die Situierung in einem Trinkwasserschutzgebiet, einem in Anlage 6 genannten und im Abschnitt B-2/T-A des Leitfadens den A-Standorten zugewiesenen Lagekriterium, nicht „aufwiegen“ (vgl. auch den Vorbehalt „sofern wasserwirtschaftliche Gründe gemäß Anlage 6 nicht entgegenstehen“ in Zeile 6 / Spalte A). Konsequenz der klägerischen Ansicht wäre, dass jeder nach seinen natürlichen Gegebenheiten und seiner Lage in wasserwirtschaftlich besonders sensiblem Gebiet noch so empfindliche (A-) Standort durch Aufbringen einer technischen Sorptionsschicht als B-Standort einzuordnen wäre, was dann die Aufwertungsmöglichkeit nach C 1 eröffnen würde. Letzteres entspricht einer doppelten Aufwertung – da stets vom „natürlich vorhandenen Niveau“ (verbleibende Deckschicht, Standort, Boden und Gesteinsstruktur etc.) des Standorts auszugehen ist -, was Abschnitt B 1.3 des Leitfadens und Anlage 8a, „Vorgehensweise“, drittes Aufzählungszeichen, klar verbieten: Eine „Häufelung“ soll gerade verhindert werden.
Die von der Klägerin geplante 2 m Schicht ist auch keine „natürliche“ bzw. „natürlich vorhandene“ Schicht. Wie der Beklagte zu Recht feststellt, ist von einer technischen Sorptionsschicht nicht nur dann zu sprechen, wenn das Bodenmaterial einer technischen Behandlung unterzogen wird. Auch liegt keine „natürlich vorhandene“ Schicht im Sinne der Spalten B, C1 und C2 / jeweils Zeile 6 „Aufwertung“ vor, da die Klägerin diese Schicht ja einbringen möchte.
Da der Standort somit, wie aus den Gutachten des Wasserwirtschaftsamtes vom 30. Oktober 2008 und vom 4. Juni 2012 und aus dem Ablehnungsbescheid, S. 3, hervorgeht und was auch die Klägerin nicht bestreitet, als (natürlicher) A-Standort anzusehen ist, ist eine Aufwertung nach dem Leitfaden von vorn herein nur mehr dahingehend möglich, dass Material der Zuordnungswerte bis Z-1.1 verfüllt werden darf. Der zwischenzeitlich mit UMS vom 20. Dezember 2005 fortgeschriebene und insbesondere um die Anlage 8 ergänzte Leitfaden in der Fassung vom 9. Dezember 2005 war der Beauflagung in den bestandskräftigen Abgrabungsgenehmigungen aus 2009 und 2012 auch ohne Weiteres zugrunde zu legen. Ein (Abänderungs-) Anspruch auf Verfüllung mit Materialien der Klassen Z-1.2 oder höher ergibt sich danach nicht. Nach BayVGH, B. v. 03.07.2007 – 14 CS 07.966 – juris, Rn. 43, haben das Eckpunktepapier und der Leitfaden zwar nicht dieselbe Verbindlichkeit wie beispielsweise normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften, sie können aber doch als Entscheidungshilfe im Rahmen einer Gefahrenprognose dienen. Sie ersetzen zwar nicht die Prüfung und Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls, geben aber Leitlinien für diese Würdigung vor. Die Rechtfertigung für diese Sichtweise liegt darin begründet, dass diese Regelwerke, mit denen unter anderem „der gebotene Vorrang des Grundwasserschutzes sichergestellt“ werden soll (Leitfaden, Abschnitt A-2 „Zweck“), von einer größeren Zahl von Sachverständigen ausgearbeitet worden sind, und zwar mit dem Anspruch auf Genauigkeit bis ins Detail.
Entgegen der klägerischen Ansicht ordnete auch die wasserwirtschaftliche Stellungnahme vom 2. Juli 2003 den Standort nicht etwa als „wasserwirtschaftlich unbedenklich“ ein. Wie der Beklagte zu Recht vorträgt, findet sich die Passage „wird eine nachhaltige Auswirkung des Vorhabens auf die Umwelt, insbesondere auf das Grundwasser, ausgeschlossen“ nur in der Sachverhaltszusammenfassung. Im eigentlichen Gutachtenteil, S. 3, hat das Wasserwirtschaftsamt damals vielmehr festgestellt, dass eine Einstufung des Standorts als wenig empfindlich nicht in Betracht komme, weil zwischen der Kiesabbausohle und dem Grundwasserleiter gut durchlässige Kiese anstehen.
c) Ein atypischer Einzelfall, der vom Leitfaden nicht erfasst wäre, ist nicht gegeben. Weder das Zusammenspiel einer 2 m-mächtigen Sorptionsschicht mit in Kassettenbauweise geschichteten Materialien noch die Kassettenbauweise isoliert sorgen – vor allem nicht wegen einer „Deponieähnlichkeit“ dieser Verfüllmethode – für eine Atypik, die im Einzelfall eine Nichtanwendung des Leitfadens rechtfertigen könnte.
Nach Darlegung der Vertreter des Wasserwirtschaftsamts in der mündlichen Verhandlung vom 20. April 2016 berge der Einbau von Kassetten ein Leckagepotential, welches sich daraus ergebe, dass das schematische Idealbild einer Ziegelmauer bei der Umkapselung des Materials oftmals nicht erreicht werden könne. Die Ummantelung könne in der baupraktischen Ausführung Lücken haben und das beabsichtigte Ummantelungsmaterial sei nicht ausreichend homogen, was einen Durchfluss möglich mache. Die Kassettenbauweise sei keine technische Sorptionsschicht. Aufgrund des Aufbaus würden fugenähnliche Bereiche entstehen, die eine größere Durchlässigkeit aufwiesen.
Das Gericht sieht keine Veranlassung, diese Ausführungen anzuzweifeln und der Kassettenbauweise die von der Klägerseite eingeforderte Wirksamkeit dennoch zuzusprechen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs kommt den Sachverständigenaussagen des Wasserwirtschaftsamts als der Fachbehörde für wasserwirtschaftliche Fragen große Bedeutung zu; sie haben in der Regel größeres Gewicht als Expertisen von privaten Fachinstituten, weil die amtlichen Erkenntnisse auf jahrelanger Bearbeitung eines bestimmten Gebiets und nicht nur auf der Auswertung von Aktenvorgängen im Einzelfall beruhen, und können durch schlichtes Bestreiten oder bloße Behauptungen nicht erschüttert werden (vgl. BayVGH, B. v. 03.07.2007 – 14 CS 07.966 -, juris, Rn. 38 m.w.N.). Das Gericht macht sich auch unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung die nachvollziehbare und in sich stimmige Aussage der Fachbehörde zu eigen.
Damit steht fest, dass auch keine Aufwertung des von der Klägerseite angenommenen B-Standorts durch eine „weitere 9-11 m schwerdurchlässige Sorptionsschicht“ (Klagebegründung vom 13. Mai 2015, S. 10), also durch die Kassettenschicht, angenommen werden kann. In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass das Kassettenverfahren in der Genehmigung vom 16. Juli 2003, Ziff. 3.5 – mit Bezug auf die Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts vom 2. Juli 2003, Ziff. 4.10 -, zwar noch beauflagt wurde, dass das Wasserwirtschaftsamt aber wohl auch damals nicht in erster Linie die Kassettenbauweise als maßgeblich für die Herbeiführung der Genehmigungsfähigkeit ansah, sondern die Herstellung der 2 m-Sorptionsschicht, siehe Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts vom 2. Juli 2003, S. 3, zweiter Absatz a.E.
Auch die von der Klägerin vorgebrachte „Deponieähnlichkeit“ der Verfüllmethode führt nicht zu einer Atypik des Standorts. Das Wasserwirtschaftsamt ließ sich dazu in der mündlichen Verhandlung dahingehend ein, dass eine Sorptionsschicht von vorn herein nicht zur Abdichtung diene. Sie solle vielmehr einen langsamen Durchfluss des Sickerwassers ermöglichen und so Schadstoffe herausfiltern. Die von der Klägerin beabsichtigte Bauweise sei nicht mit der Wiederherstellung natürlicher Bodenverhältnisse vereinbar. Die im Leitfaden vorgesehene Verfüllweise und die dort gemachten Vorgaben würden aber gerade auch dem Bodenschutz dienen und sich ausschließlich auf eine Verwertung von Material beziehen. Die Bauweise, die die Klägerin vorschlägt, stelle letztlich eine Deponierung von Abfall dar.
Dies zugrunde legend ist eine Atypik abzulehnen. Konsequenz der klägerischen Ansicht wäre, dass jeder Unternehmer, der eine Verfüllung nach der ihm erteilten Genehmigung entsprechend dem Leitfaden – und damit unter Verwertung und nicht unter Deponierung des Materials – durchzuführen hätte, seine – z.B. in empfindlichen A-Standorten gelegenen – Gruben in Deponieverfüllweise auffüllen und damit die Unanwendbarkeit des ihn einschränkenden Leitfadens erreichen könnte. Es handelt sich aber schlicht um verschiedene Verfahrens- bzw. Vorgehensweisen und um unterschiedliche Genehmigungsvoraussetzungen. Ein atypischer Sachverhalt kann nicht durch die Anwendung anderer Verfüllmethoden begründet werden; er muss sich nach Ansicht des Gerichts vielmehr beispielsweise aus boden- bzw. standortbezogenen Kriterien ergeben.
Damit kommt es auf die Frage, ob der im Verfüllgebiet beobachtete Anstieg der Sulfat- und Chloridwerte in „direkten“ Zusammenhang mit den bereits nach Kassettenbauweise verfüllten Abschnitten zu bringen ist, nicht mehr tragend an. Nach UMS vom 16. Januar 2012, S. 2, ist diese Problematik ohnehin nur für eine Aufwertung des Standorts von Kategorie B nach Kategorie C1 (zur Verfüllung von Z-1.2-Materialien) relevant, wofür ein (natürlicher) B-Standort notwendig wäre. Es sei dennoch darauf hingewiesen, dass die Vertreter des Wasserwirtschaftsamts in der mündlichen Verhandlung der Aussage der Klägerin, wonach sich die Messwerte im Abstrom aus im Umfeld bestehenden Ablagerungen ergäben und ein Austrag aus dem seit 2003 aufgefüllten Bereich nicht zu verzeichnen sei, entschieden entgegengetreten sind.
In diesem Zusammenhang ist weiter auch zu berücksichtigen, dass an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist, woraus sich ergibt, dass eine beachtliche Gefahr für das Grundwasser schon bei geringer Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gegeben ist (BayVGH, B. v. 03.07.2007 – 14 CS 07.966 – juris, Rn. 42). Der klägerseitig zitierte Jahresbericht der campus Ingenieurgesellschaft mbH vom 19. April 2013, S. 5, stellt im relevanten Kontext nur fest, dass sich ein direkter Zusammenhang zum bereits verfüllten Z-2-Bereich nicht ableiten lässt. Eine (Mit-) Ursächlichkeit ist damit nicht ausgeschlossen. Es besteht vielmehr auch unter Berücksichtigung dieses Berichts die Möglichkeit eines entsprechenden Schadenseintritts nach den gegebenen Umständen und im Rahmen einer sachlich vertretbaren, auf konkreten Feststellungen beruhenden Prognose (vgl. zu diesem Kriterium BVerwG, U. v. 12.09.1980 – IV C 89.77 – juris, Rn. 14).
2. Die Klage ist auch im Hilfsantrag zulässig, aber unbegründet.
Der Bevollmächtigte der Klägerin beruft sich darauf, dass die Behörde die Möglichkeit habe, die Genehmigung unter Auflagen zu erteilen, wobei insbesondere in Betracht komme, dass Verfüllmaterial bis zu einem bestimmten Z-Wert nur bei bestimmten Parametern zugelassen werde und dass die Behörde ein diesbezüglich bestehendes Ermessen bisher nicht ausgeübt habe.
Dem ist zum einen entgegenzuhalten, dass das Landratsamt ausschließlich über den gestellten Antrag vom 15. September 2014 zu entscheiden hatte. Dieser war (nur) darauf gerichtet, „für die Verfüllung wieder Bodenaushub und Bauschutt mit Zuordnungswerten bis Z.2 (Feststoff) und Z 1.2 (Eluat) zuzulassen“. Eine Ausklammerung einzelner Parameter wurde nicht beantragt. Dementsprechend war das Landratsamt im Rahmen eines ihm eröffneten Ermessens nicht gehalten, den Antrag auf eine eventuelle Genehmigungsfähigkeit „maßzuschneidern“. Es handelte, indem es dies unterließ, im Hinblick auf seinen Ablehnungsbescheid nicht ermessensfehlerhaft. Weiter steht vorliegend § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 BauGB auch der im Hilfsantrag vorgebrachten „abgestuften“ Verfüllung entgegen; somit ist kein Ermessen eröffnet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708ff. ZPO.


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