Europarecht

Anspruch auf Einbürgerung nach Täuschung über Geburtsort

Aktenzeichen  Au 1 K 15.1757

Datum:
5.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StAG StAG § 10 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Einer Einbürgerung steht unter dem Gesichtspunkt der Rechtmäßigkeit des bisherigen Aufenthalts nicht entgegen, dass die erteilten Aufenthaltstitel unter einem anderen als dem im Einbürgerungsverfahren angegebenen Geburtsort erteilt wurden, solange die Aufenthaltstitel nicht zurückgenommen worden sind. (redaktioneller Leitsatz)
2 Bei nicht zurückgenommenen Aufenthaltstiteln könnte die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts im Einbürgerungsverfahren nur verneint werden, wenn die erteilten Aufenthaltstitel nichtig wären (Anschluss an OVG Schleswig BeckRS 2016, 47722). Die Angabe eines falschen Geburtsorts führt jedoch nicht zur Nichtigkeit des Aufenthaltstitels. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger einzubürgern.
II.
Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.
1. Gegenstand der Klage ist der vom Kläger geltend gemachte Anspruch gegenüber der Beklagten auf Einbürgerung.
Die Klage ist begründet, da dem Kläger der geltend gemachte Anspruch zusteht. Die Ablehnung des Verwaltungsakts durch die Beklagte ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
a) Rechtsgrundlage des klägerischen Einbürgerungsanspruchs ist § 10 Abs. 1 StAG.
Danach ist ein Ausländer, der seit 8 Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, auf Antrag einzubürgern, wenn er die dort unter Nrn. 1 bis 7 genannten Voraussetzungen erfüllt.
b) Die Voraussetzungen der Nrn. 1 bis 7 des § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG sind beim Kläger erfüllt.
Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig, wie sie zuletzt in der mündlichen Verhandlung vom 5. April 2016 erklärt haben. Auch aus den Akten ergibt sich nichts, was insoweit einer Einbürgerung entgegenstehen könnte.
c) Der Kläger hat auch, wie nach § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG erforderlich, seit 8 Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik.
(1) Ihren gewöhnlichen Aufenthalt begründet eine Person dort, wo sie sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass sie dort nicht nur vorübergehend, sondern auf grundsätzlich unbestimmte Dauer verweilt und an dem der Schwerpunkt der Bindungen dieser Person, insbesondere in familiärer oder beruflicher Hinsicht, liegt. Bei dem gewöhnlichen Aufenthalt handelt es sich um ein durch bestimmte Merkmale geprägtes tatsächliches Verhältnis. Es ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach objektiven Kriterien festzustellen. Nicht zwingend erforderlich ist, dass der Aufenthalt auch mit Willen und Zustimmung der Ausländerbehörde auf unbestimmte Zeit angelegt ist (Berlit im Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht, Rn. 88 und 92 f zu § 10 StAG).
Dies ist beim Kläger nach Auffassung der Kammer der Fall. Seit April 2000 hält sich der Kläger in Deutschland auf, seit Oktober 2007 ist er als Flüchtling anerkannt. Der Kläger hat seinen Lebensmittelpunkt seit über 8 Jahren in …, hier wohnt er gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinem 4-jährigen Sohn. Der Kläger geht in … einer Erwerbstätigkeit nach. Er hat sich in den letzten 8 Jahren – soweit erkennbar – nie für einen längeren Zeitraum an einem anderen Ort aufgehalten. Sämtliche Bindungen des Klägers bestehen in …, insbesondere in familiärer oder beruflicher Hinsicht.
Der gewöhnliche Aufenthalt des Klägers ist somit jedenfalls seit dem Jahr 2007 in ….
(2) Der Aufenthalt im Bundesgebiet muss weiter rechtmäßig gewesen sein. Dies ist er nur dann, wenn er von der zuständigen Ausländerbehörde erlaubt worden ist. Der Aufenthaltstitel muss, soweit der Aufenthalt nicht kraft Gesetzes als erlaubt gilt oder eine Ausnahme vom Aufenthaltstitelerfordernis greift, tatsächlich erteilt worden sein (Berlit a. a. O., Rn. 110).
Auch diese Voraussetzung ist beim Kläger erfüllt. Er ist ausweislich der vorgelegten Behördenakten seit 29. Oktober 2007 durchgehend im Besitz eines Aufenthaltstitels, mittlerweile seit dem Jahr 2011 im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Sämtliche Aufenthaltstitel wurden zu keinem Zeitpunkt zurückgenommen oder widerrufen.
Der Aufenthalt des Klägers in der Bundesrepublik war somit seit dem Jahr 2007 von der Ausländerbehörde erlaubt und damit rechtmäßig.
Die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltstitels scheitert nicht daran, dass die erteilten Aufenthaltstitel nicht unter dem nunmehr vom Kläger im Einbürgerungsverfahren angegebenen Geburtsort erteilt wurden. Eine Rücknahme der entsprechenden Bescheide liegt nicht vor. Bei dieser Sachlage könnte die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts nur verneint werden, wenn die dem Kläger erteilten Aufenthaltstitel nichtig wären (OVG Schleswig-Holstein, U. v. 5.2.2015 – 4 LB 15/13).
Hiervon kann nicht ausgegangen werden. Die Aufenthaltstitel leiden nicht unter einem der in Art. 44 BayVwVfG genannten besonders schwerwiegenden Fehler.
c) Ein Ermessen ist der Beklagten im Rahmen des § 10 Abs. 1 StAG nicht eingeräumt.
Sonstige einwanderungs- oder integrationspolitischen Belange können somit, sobald die tatbestandlichen Voraussetzungen des gesetzlich geregelten Anspruchs erfüllt sind, keine Rolle spielen.
3. Die Kostenentscheidung für das gerichtliche Verfahren folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterlegener Teil hat die Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen.
4. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg,
Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder
Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstr. 23, 80539 München, oder
Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München,
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Personen vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 10.000,- EUR festgesetzt.
Gründe:
Die Streitwertfestsetzung folgt den Vorgaben des § 52 Abs. 2 GKG. Die Kammer hat sich an den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (dort unter 42.1) orientiert.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,– EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen worden ist.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg,
Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder
Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg,
schriftlich einzureichen oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Der Mitwirkung eines Bevollmächtigten bedarf es hierzu nicht.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.


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