Europarecht

Anspruch auf Löschung personenbezogener Daten aus dem Kirminalaktennachweis

Aktenzeichen  AN 15 K 18.01108

Datum:
11.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 52033
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
PAG Art. 40,  Art. 45 Abs. 2, Art. 54 Abs. 2 S. 2, Art. 61 Abs. 2, Art. 62 Abs. 4, Abs. 2
PAG Art. 37 Abs. 3, Art. 38 Abs. 2 S. 3
StGB § 183a, § 184 Abs. 1 u. 2, § 184a, § 184b
VwGO § 113 Abs. 5, § 154 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.     
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Löschung der personenbezogenen Daten aus dem Kriminalaktennachweis hinsichtlich des Besitzes/Verschaffung von Kinderpornographie vom 11. Mai 2006 mit erkennungsdienstlicher Behandlung vom 13. Februar 2007 einschließlich DNA-Identifizierungsmuster, § 113 Abs. 5 VwGO. Der Bescheid des Beklagten vom 14. Mai 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die einzig in Frage kommende Anspruchsgrundlage für die Löschung von personenbezogenen Daten aus dem Kriminalaktennachweis ergibt sich, da im Rahmen der vorliegenden Verpflichtungsklage auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen ist, aus Art. 62 Abs. 4 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Art. 54 Abs. 2 Sätze 3 – 5, Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 40 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei (Polizeiaufgabengesetz – PAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. September 1990, zuletzt geändert durch § 1 des Gesetzes vom 18. Mai 2018 (GVBI. Seite 301, 434).
Hiernach kann die Löschung der personenbezogenen Daten verlangt werden, wenn bei der zu bestimmten Fristen oder Terminen vorzunehmenden Überprüfung festgestellt wird, dass ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur Erfüllung der ihr obliegenden Aufgaben nicht mehr erforderlich ist, Art. 62 Abs. 4 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 PAG.
Die nach Art. 53 Abs. 5 PAG festzulegenden Prüfungstermine oder Aufbewahrungsfristen betragen nach Art. 54 Abs. 2 S. 3 PAG in der Regel bei Erwachsenen zehn Jahre, bei Jugendlichen fünf Jahre und bei Kindern zwei Jahre (vgl. auch Nr. 38.5 der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern über den Vollzug des Polizeiaufgabengesetzes (Vollzugsbekanntmachung PAG vom 28. August 1978, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 2. Dezember 2002 (MABI. S. 629) zu Art. 38 Speicherung, Veränderung und Nutzung von Daten). Auch wenn der BayVerfGH (BayVerfGH NVwZ 1996, S. 166) sie als „Regelhöchstfristen“ qualifiziert hat, können sie nicht nur nach Art. 54 Abs. 2 S. 4 PAG von vorneherein reduziert, sondern insbesondere nach Art. 54 Abs. 3 PAG auch erhöht werden (BeckOK, Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Möstl/Schwabenbauer, 8. Edition, Stand: 01.04.2018, Art. 38 a.F., Rn. 37 – 40). Bei Beschuldigten oder Tatverdächtigen einer Sexualstraftat, insbesondere des Kindesmissbrauchs (13. Abschnitt des Strafgesetzbuches, ausgenommen §§ 183a, 184 Abs. 1, 184 Abs. 2, 184a, 184b StGB) oder Gewaltdelikten mit sexuellem Hintergrund (insbesondere Straftaten gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit – 16. und 17. Abschnitt des Strafgesetzbuches), sind entsprechend der Vollzugsbekanntmachung zum PAG Nr. 38.6 die in Art. 36 Abs. 1 PAG a.F. genannten Prognosekriterien in der Regel erfüllt. Die Aussonderungsprüffrist für diese Fälle beträgt in der Regel 20 Jahre.
In nicht zu beanstandender Weise wurden durch den Beklagten im Fall des Klägers abweichend von der gesetzlichen Regelfrist die internen Richtlinien für die Führung polizeilicher personenbezogener Sammlungen (sog. PpS-Richtlinien) angewendet. Nach diesen internen Richtlinien beträgt die Aussonderungsprüffrist bei Beschuldigten oder Tatverdächtigen einer Sexualstraftat, insbesondere des Kindsmissbrauchs (13. Abschnitt des Strafgesetzbuches, ausgenommen §§ 183a, 184 Abs. 1, Abs. 2 StGB, 184a StGB) oder Gewaltdelikten mit sexuellem Hintergrund (insbesondere Straftaten gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit – 16. und 17. Abschnitt des Strafgesetzbuches) in der Regel 20 Jahre (vgl. BeckOK, PolR Bayern/Aulehner Art. 38 Rn. 37 – 40). In diesen PpS-Richtlinien wurde der hier einschlägige Straftatbestand des § 184b StGB nicht als Ausnahme genannt, so dass im konkreten Fall die Verlängerung der Aussonderungsprüffrist auf 20 Jahre nach der fehlerfreien Entscheidung des Beklagten Anwendung findet.
Die Vollzugsbekanntmachung zum PAG Nr. 38.6 – auf die sich der Kläger bezieht – wurde zu Recht außer Acht gelassen, da diese den neuen Sexualstraftatbeständen durch die gesetzliche Änderung zum 1. April 2004 gerade nicht angepasst wurde. Der Geltungszeitraum der Vollzugsbekanntmachung zum PAG betrifft den Zeitraum ab dem 27. Januar 2003. Zu dem damaligen Zeitpunkt betraf der § 184b StGB in seiner vom 1. Januar 2000 bis 31. März 2004 geltenden Fassung die jugendgefährdende Prostitution. Erst mit dem neuen Sexualstrafrecht mit Wirkung ab dem 1. April 2004 betrifft der Straftatbestand des § 184b StGB die Verbreitung, den Erwerb und den Besitz kinderpornographischer Schriften. Die internen Richtlinien für die Führung polizeilicher personenbezogener Sammlungen mit den verlängerten Fristen zur Prüfung der Aussonderung personenbezogener Daten von in der Regel 20 Jahre erfasste dem Grunde nach Sexualstraftatbestände, insbesondere des Kindsmissbrauchs mit Ausnahme von § 183 StGB (Erregung öffentlichen Ärgernisses), § 184 Abs. 1, Abs. 2 StGB (Verbreitung pornographischer Schriften) und § 184a StGB (Verbreitung gewalt- oder tierpornographischer Schriften). Der Straftatbestand des § 184b StGB in der seit dem 1. April 2004 geltenden Fassung (Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften) wurde in den PpS-Richtlinien zum Schutz vor Kindsmissbrauch gerade nicht ausgenommen.
Wie der Beklagtenvertreter in dem Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach ausgeführt hat, wird derzeit durch das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration die Vollzugsbekanntmachung zum PAG geändert bzw. an die aktuellen Straftatbestände, insbesondere im Bereich des Kindsmissbrauchs, angepasst.
Anhaltspunkte dafür, dass der mit der weiteren Speicherung der personenbezogenen Daten verbundene Eingriff in das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG unverhältnismäßig oder unzumutbar ist, wurden weder konkret vorgetragen noch sind solche ersichtlich. Denn das legitime öffentliche Interesse an der Verlängerung der Aussonderungsprüffrist von 20 Jahren bei Beschuldigten oder Tatverdächtigen einer Sexualstraftat, insbesondere des Kindsmissbrauchs, überwiegt bei weitem gegenüber dem grundrechtlich geschützten Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.


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