Europarecht

Ansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Pkws –  Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 VO (EG) 715/2007

Aktenzeichen  43 O 296/20

Datum:
3.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 52536
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB §§ 249 f., § 826 Abs. 1
ZPO § 4, § 91 Abs. 1, § 709 S. 1, S. 2
Fahrzeugemissionen-VO Art. 5 Abs. 1

 

Leitsatz

Im Falle des Einbaus einer Umschaltlogik – wie sie im Motor des Typs EA 189 regelmäßig verbaut ist – wird die Sittenwidrigkeit des Handels bejaht (vgl. etwa BGH BeckRS 2020, 10555), was anders ist bei einer unzulässigen Abschalteinrichtungen, die eine Differenzierung zwischen Prüfstandsbetrieb und Straßenbetrieb gerade nicht vornimmt (vgl. BGH Urt. v. 19.1.2021 – VI ZR 433/19). (Rn. 38 und 39) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 17.133,30 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
A.
Dem Kläger stehen gegen die Beklagte keine Schadensersatzansprüche wegen sittenwidriger Schädigung im Zusammenhang mit der behaupteten Manipulation der Motorsteuerungssoftware zu (§ 826 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 249 ff. BGB).
Die Voraussetzungen dieser Norm – wonach derjenige, der einem anderen in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zufügt, zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist – liegen nicht vor.
I.
Der Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 VO (EG) 715/2007 kann im Einzelfall durchaus deliktische Schadensersatzansprüche begründen.
Voraussetzungen hierfür sind
a) der Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 VO (EG) 715/2007 durch die Beklagte, als deliktisches Verhalten (bewusstes Inverkehrbringen eines Fahrzeugs dessen technische Gegebenheiten objektiv einer Zulassung des Fahrzeugs entgegenstehen und bei dem trotz Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts der EGTypengenehmigung das Erschleichen einer objektiv rechtswidrigen Genehmigung durch den Fahrzeughersteller vorliegt, als deren Folge mit Betriebsuntersagung oder dem Widerruf der erschlichenen Typengenehmigung zu rechnen ist),
b) eine darauf beruhende Schädigung des Klägers, die regelmäßig darauf beruht, dass er einen wirtschaftlich nachteiligen – weil für ihn ungewünschten – Vertrag geschlossen hat,
c) die Sittenwidrigkeit des Handels der Beklagten, einschließlich einem Bewusstsein der Rechtswidrigkeit und d) ein Schädigungsvorsatz auf Seiten der Beklagten.
II.
Diese Voraussetzungen hat der Kläger hier in Bezug auf das Vorliegen einer Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 VO (EG) 715/2007 bzw. in Bezug auf die Sittenwidrigkeit des Handelns der Beklagten nicht hinreichend dargetan:
Im Falle des Einbaus einer Umschaltlogik – wie sie im Motor des Typs EA 189 regelmäßig verbaut ist – werden solche Ansprüche inzwischen auch von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung bejaht (vgl. etwa BGH, Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19 = zitiert nach juris).
Anders ist dies indes bei unzulässigen Abschalteinrichtungen einzuschätzen, die eine Differenzierung zwischen Prüfstandsbetrieb und Straßenbetrieb gerade nicht vornehmen. Insoweit hat der BGH (Urteil vom 19.01.2021 – VI ZR 433/19 = zitiert nach juris) folgendes ausgeführt:
„Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts unterscheidet die im streitgegenständlichen Fahrzeug eingesetzte temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung nicht danach, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im normalen Fahrbetrieb befindet. Sie weist keine Funktion auf, die bei erkanntem Prüfstandsbetrieb eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert und den Stickoxidausstoß gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert, sondern arbeitet in beiden Fahrsituationen im Grundsatz in gleicher Weise. Unter den für den Prüfzyklus maßgebenden Bedingungen (Umgebungstemperatur, Luftfeuchtigkeit, Geschwindigkeit, Widerstand, etc., vgl. Art. 5 Abs. 3 a) der Verordnung 715/2007/EG i.V.m. Art. 3 Nr. 1 und 6, Anhang III der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 der Kommission vom 18. Juli 2008 zur Durchführung und Änderung der Verordnung 715/2007/EG (ABl. L 199 vom 28. Juli 2008, S. 1 ff.) in Verbindung mit Abs. 5.3.1 und Anhang 4 Abs. 5.3.1, Abs. 6.1.1 der UN/ECE-Regelung Nr. 83 (ABl. L 375 vom 27. Dezember 2006, S. 246 ff.)) entspricht die Rate der Abgasrückführung im normalen Fahrbetrieb derjenigen auf dem Prüfstand.
(2) Bei dieser Sachlage wäre der Vorwurf der Sittenwidrigkeit gegenüber der Beklagten nur gerechtfertigt, wenn zu dem – hier unterstellten – Verstoß gegen die Verordnung 715/2007/EG weitere Umstände hinzuträten, die das Verhalten der für sie handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen. Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, setzt die Annahme von Sittenwidrigkeit jedenfalls voraus, dass diese Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Fehlt es hieran, ist bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt. Dabei trägt die Darlegungs- und Beweislast für diese Voraussetzung nach allgemeinen Grundsätzen der Kläger als Anspruchsteller (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 35).“ (Fettdruck durch das Gericht)
III.
So liegt der Fall auch hier:
1. Die Klägerseite behauptet das Vorhandensein von gleich vier Abschalteinrichtungen, die aber weder einzeln, noch in ihrer Gesamtheit dazu führen, dass der Prüfstand erkannt wird und daran anknüpfend der Stickoxidausstoß reguliert wird.
Vielmehr ist es auch hier so, dass unter den für den Prüfzyklus maßgebenden Bedingungen (Umgebungstemperatur, Luftfeuchtigkeit, Geschwindigkeit, Widerstand, etc., vgl. Art. 5 Abs. 3 a) der Verordnung 715/2007/EG i.V.m. Art. 3 Nr. 1 und 6, Anhang III der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 der Kommission vom 18. Juli 2008 zur Durchführung und Änderung der Verordnung 715/2007/EG (ABl. L 199 vom 28. Juli 2008, S. 1 ff.) in Verbindung mit Abs. 5.3.1 und Anhang 4 Abs. 5.3.1, Abs. 6.1.1 der UN/ECE-Regelung Nr. 83 (ABl. L 375 vom 27. Dezember 2006, S. 246 ff.)) die Rate der Abgasrückführung und die Abgasnachbehandlung im SCR-Katalysator im normalen Fahrbetrieb derjenigen auf dem Prüfstand entspricht.
2. Ihrer Darlegungslast dahingehend, dass die handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der – unterstellt vorhandenen und unterstellt rechtswidrigen – Steuerung / Parametrierung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen, ist die Klägerseite nicht nachgekommen.
Die Klägerseite zieht sich hierbei darauf zurück, dass das von Beklagtenseite angeführte Normverständnis dahingehend, dass der „normale Fahrzeugbetrieb“ im Sinne von Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 dem Betrieb während des Testzyklus entspreche, nicht haltbar sei.
Dies genügt jedoch nicht, da jedenfalls zum Zeitpunkt der Entwicklung des streitgegenständlichen Motors mit Emissionskontrollsystem die von der Beklagten herangezogene Gesetzesauslegung ersichtlich nicht nur vertretbar war, sondern sie damals und auch heute noch in Fachkreisen wie vom Leiter des Grundsatzreferats des KBA oder auch auf Seiten der Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof (vgl. insoweit etwa die Anlage B 4 und die Darlegungen der Beklagten auf S. 15 der Klageerwiderung) vertreten wurde und wird.
Ein etwaiger Gesetzesverstoß bei Einbau der – unterstellt – unzulässigen Abschalteinrichtungen wäre danach allenfalls fahrlässig und kann den Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht begründen.
IV. Die Nebenansprüche folgen dem Schicksal der Hauptforderung.
B.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
C.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 709 S. 1, 2 ZPO.
D.
Der Streitwert ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
– Antrag zu 1:
– Antrag zu 2:
16.389,75
743,55

€ 0,00 € (§ 4 ZPO)
– Antrag
– Antrag zu
zu
4:
3:
0,00 € (BGH, XI ZR 109/17)
GESAMT:
17.133,30 €


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