Europarecht

Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Lebensmitteleigenschaft (hier: Zeolith), Untersagung des Inverkehrbringens, unsinnige und unbeachtliche Dosierungsempfehlung

Aktenzeichen  20 CS 20.3147

Datum:
25.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 43863
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Art. 2 Abs. 1
VO (EG) Nr. 178/2002 Art. 14
VO (EU) 2017/625 Art. 138 Abs. 1, Abs. 2
LFGB § 39 Abs. 1, Abs. 7 Nr. 1
VwGO § 80 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5

 

Leitsatz

Verfahrensgang

W 8 S 20.1841 2020-12-16 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die nach § 146 Abs. 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die innerhalb der Frist aus § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO grundsätzlich beschränkt ist, rechtfertigen keine Änderung des angegriffenen Beschlusses. Bei Anwendung des im Rahmen des einstweiligen Rechtschutzverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO anzulegenden Entscheidungsmaßstabs (dazu 1.) ist der Antrag schon deshalb abzulehnen, weil die in der Hauptsache erhobene Klage der Antragstellerin (W 8 K 20.1839) bei summarischer Beurteilung keine Aussicht auf Erfolg hat (2.). Unabhängig davon ginge selbst bei Annahme offener Erfolgsaussichten der Klage eine allgemeine Interessenabwägung zu Lasten der Antragstellerin aus (3.).
1. Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die – hier kraft Gesetzes nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 39 Abs. 7 LFGB ausgeschlossene – aufschiebende Wirkung der Klage anordnen. Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) bei seiner Entscheidung eine originäre Interessenabwägung vorzunehmen, ob das Suspensivinteresse des Antragstellers oder das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt. Dabei sind maßgeblich die bereits überschaubaren Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen: Während dem Interesse an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer voraussichtlich unzulässigen oder unbegründeten Klage kein hohes Gewicht zukommt, ist die aufschiebende Wirkung im Regelfall anzuordnen, wenn der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei summarischer Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein wird (vgl. nur BayVGH, B.v. 27.3.2019 – 8 CS 18.2398 – juris Rn. 25 m.w.N.). Sind die Erfolgsaussichten der Klage hingegen als offen anzusehen, ist die Entscheidung des Gerichts auf der Grundlage einer reinen Interessenabwägung zu treffen, wobei die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen an einer (Wieder-) Herstellung des Suspensiveffekts den öffentlichen Interessen an einem Vollzug schon vor Bestandskraft des Verwaltungsakts gegenüber zu stellen sind (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 93 m.w.N.).
2. Nach den vorgenannten Maßstäben hat die Beschwerde schon deshalb keinen Erfolg, weil die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage der Antragstellerin (W 8 K 20.1839) voraussichtlich erfolglos bleiben wird. Die zur Begründung der Beschwerde fristgerecht (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) mit Schriftsatz vom 12. Januar 2021 geltend gemachten Gesichtspunkte sind nicht geeignet, das Ergebnis der summarischen Prüfung des Verwaltungsgerichts durchgreifend in Frage zu stellen.
a) Soweit die Antragstellerin den in der Hauptsache angegriffenen Bescheid vom 24. November 2020 „mangels ausreichender Begründung“ für formell rechtswidrig hält, greift dieser Einwand nicht durch. Die Antragstellerin rügt, sowohl der Bescheid als auch das ihm zugrundeliegende Gutachten des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) ließen die nach Art. 14 Abs. 3 und 4 VO (EG) Nr. 178/2002 im Rahmen der Beurteilung der Sicherheit und der Gesundheitsschädlichkeit eines Lebensmittels zwingend zu berücksichtigenden Umstände außer Acht; die Nennung der Norm und die bloße Behauptung, dass ihre Voraussetzungen erfüllt seien, genügten insoweit nicht. Damit überspannt die Antragstellerin jedoch die formellen Begründungsanforderungen. Die formelle Begründungspflicht erfüllt – unabhängig davon, ob man sie hier aus Art. 39 BayVwVfG oder aus Art. 138 Abs. 3 Buchst. a VO (EU) 2017/625 herleitet – allein den Zweck, dem Adressaten die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe zu vermitteln, die die Verwaltung zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die behördliche Entscheidung soll damit nachvollziehbar und überprüfbar und der Adressat in die Lage versetzt werden, die Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs besser abschätzen zu können (vgl. dazu nur Schuler-Harms in Schoch/Schneider, VwVfG, Stand 07/2020, § 39 Rn. 4 ff). Ob eine behördliche Entscheidung dagegen von einer Rechtsgrundlage getragen wird – also ob deren Voraussetzungen vorliegen und ob ggf. das Ermessen fehlerfrei ausgeübt wurde -, ist keine formelle, sondern eine materielle Frage. Hier ergibt sich aus der Begründung des angegriffenen Bescheids, dass die Behörde das betroffene Produkt ausdrücklich im Hinblick auf die sich aus Art. 14 Abs. 3 und 4 VO (EG) Nr. 178/2002 Kriterien als gesundheitsschädlich und damit als „nicht sicher“ ansieht. Dem Zweck der formellen Begründungspflicht wird insofern vollumfänglich entsprochen; ob die angegriffene Entscheidung tatsächlich unter vollständiger und zutreffender Berücksichtigung der Kriterien aus Art. 14 Abs. 3 und 4 VO (EG) Nr. 178/2002 ergangen ist, betrifft allein ihre materielle Rechtmäßigkeit (dazu unten c).
b) Soweit die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde weiter rügt, das streitgegenständliche Produkt sei bereits kein Lebensmittel i.S.d. Art. 2 Abs. 1 VO (EG) Nr. 178/2002, teilt der Senat diese Auffassung nicht; auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts (vgl. S. 20 ff. BA) wird insofern zunächst umfassend Bezug genommen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Der Beschwerdevortrag der Antragstellerin, mit dem sie erneut geltend macht, es handle sich bei dem streitgegenständlichen Produkt aufgrund der ausdrücklich an eine Dinosaurierspezies (hier: Tyrannosaurus) gerichteten Verzehrempfehlung um einen Scherzartikel und kein Lebensmittel, geht an der Sache vorbei. Zum einen ist schon der behauptete „scherzhafte“ Charakter des Produkts weder ersichtlich noch von der Antragstellerin nachvollziehbar dargelegt worden. Allein der Umstand, dass sich ein ausdrücklich als „Nahrungsergänzungsmittel“ bezeichnetes und in Vertriebseinheiten von je 500g in den Verkehr gebrachtes Produkt in Pulverform der Beschreibung nach ausschließlich an eine ausgestorbene Dinosaurierspezies richtet, ergibt aus Sicht des Senats keine (zumindest auch) scherzhafte Zweckbestimmung. Insbesondere ist weder erkennbar noch auch nur ansatzweise vorgetragen worden, aus welchem anderen Grund und mit welchem anderen – „scherzhaften“ – Verwendungsziel ein Verbraucher das streitgegenständliche Produkt in der angebotenen Menge erwerben sollte, wenn nicht letztlich zum Verzehr durch Menschen. Zum anderen trifft auch die von der Antragstellerin postulierte Annahme, ein Scherzartikel sei kraft Gesetzes kein Lebensmittel, nicht zu. Auch wenn der deutsche Gesetzgeber in § 2 Abs. 6 Nr. 5 LFGB „Spielwaren und Scherzartikel“ als Bedarfsgegenstände definiert, ergibt sich der hier allein maßgebliche Inhalt des Lebensmittelbegriffs abschließend aus Art. 2 Abs. 1 VO (EG) Nr. 178/2002 (vgl. Rathke in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand 11/2019, Art. 2 VO (EG) 178/2002 Rn. 5). Lebensmittel sind danach „alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden“. Selbst wenn also für das streitgegenständliche Produkt (auch) eine „scherzhafte“ Zweckbestimmung erkennbar wäre, änderte diese nichts an der Lebensmitteleigenschaft, soweit und solange nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass das Produkt von Menschen aufgenommen wird (vgl. auch Rathke in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand 11/2019, Art. 2 VO (EG) 178/2002 Rn. 31 f.). Dass dies angesichts der Vertriebsform, der Beschreibung und der optischen Aufmachung des Produkts hier der Fall ist, hat das Verwaltungsgericht umfassend und zutreffend begründet (vgl. S. 21 ff. BA); der Senat macht sich dessen Ausführungen zu Eigen.
c) Soweit mit der Beschwerde schließlich in Abrede gestellt wird, dass das streitgegenständliche Produkt unter Berücksichtigung der Kriterien aus Art. 14 Abs. 3 und 4 VO (EG) Nr. 178/2002 als „gesundheitsschädlich“ i.S.d. Art. 14 Abs. 2 Buchst. a VO (EG) Nr. 178/2002 zu beurteilen sei, verfängt auch dieser Ansatz im Ergebnis nicht. Dabei hält der Senat die vom Verwaltungsgericht und von den Beteiligten im Beschwerdeverfahren umfassend erörterte Frage, für welchen Adressatenkreis, ab welcher Dosierung und welcher Einnahmedauer eine Gesundheitsgefahr aufgrund des freigesetzten Aluminiums besteht, insoweit für nachrangig, als die auf dem Produkt angegebene empfohlene Verzehrmenge (2g täglich) ausdrücklich nur an eine Dinosaurierspezies gerichtet („dem Tyrannosaurus geben“) und aufgrund dessen von vornherein als unbeachtlich anzusehen ist.
Nach den dem angegriffenen Bescheid zugrundeliegenden und von der Antragstellerin insoweit auch nicht in Zweifel gezogenen Feststellungen des LGL weist das in Vertriebseinheiten von je 500g angebotene streitgegenständliche Produkt einen Aluminiumgehalt von 52,8g/kg auf, wovon – beim Verzehr des Produkts – im Mittel 6,673g/kg freigesetzt werden. Damit geht der Aluminiumgehalt weit über den in Lebensmitteln sonst vorkommenden Wert von durchschnittlich weniger als 5mg/kg (vgl. Bundesinstitut für Risikobewertung, FAQ vom 20.7.2020, abrufbar unter https://mobil.bfr.bund.de/cm/343/fragen-und-antworten-zu-aluminium-in-lebensmitteln-und-verbrauchernahen-produkten.pdf) hinaus. Dass Aluminium jedenfalls bei längerfristigem Verzehr und in höheren Dosierungen gesundheitsschädliche Wirkungen für den Menschen hat, wird im angegriffenen Bescheid nachvollziehbar dargelegt und von der – selbst ausdrücklich den „Die Dosis macht das Gift“-Satz des Paracelsus zitierende – Antragstellerin nicht substantiiert bestritten. Für die Frage, welche Dosierung und welche Einnahmedauer des streitgegenständlichen Produkts der Gefährdungsbeurteilung nach Art. 14 Abs. 3 und 4 VO (EG) Nr. 178/2002 zugrunde zu legen ist, haben sich der Antragsgegner und das Verwaltungsgericht im Ergebnis an der auf dem Produkt angebrachten Verzehrempfehlung von 2g täglich orientiert und diese – (wohl) in der Annahme eines solchen Verbraucherverständnisses – auf Menschen (ohne Altersbeschränkung) bezogen, obwohl sie ausdrücklich nur an einen Tyrannosaurus gerichtet ist. Damit haben sie eine aussagekräftige und auf Menschen bezogene Verzehrempfehlung unterstellt, die der Verpackungshinweis „1x täglich 1 Messlöffel (=2g) in Wasser einrühren und dem Tyrannosaurus geben“ aber offenkundig nicht darstellt und nach dem Vorbringen der Antragstellerin – die eine Bestimmung des Produkts zum Verzehr durch Menschen ja gerade bestreitet – auch nicht sein soll. Nach Auffassung des Senats ist die auf dem Produkt angebrachte Verzehrempfehlung für die Risikobeurteilung nach Art. 14 Abs. 3 und 4 VO (EG) Nr. 178/2002 daher von vornherein unbeachtlich und das Produkt so zu behandeln, als fehlte jeglicher Dosierungshinweis. Da das optische Erscheinungsbild des Produkts, das durch die Bezeichnung als „Nahrungsergänzungsmittel“, die Zweckbestimmung „Zur Entgiftung“ und das Fehlen jeglicher Vorsichts- oder Warnhinweise geprägt ist, die vollständige Unbedenklichkeit eines Verzehrs durch Menschen suggeriert und zudem die nicht unbeträchtliche Größe der Vertriebseinheit von 500g sowie die Vertriebsform als loses, nicht portioniertes Pulver auch keine besondere Vorsicht und Zurückhaltung bei der Dosierung nahelegt, ist die Frage nach der Sicherheit des Lebensmittels auf Grundlage der Annahme zu beantworten, dass mit einer Einnahme des Produkts in unbeschränkter Menge über einen nicht begrenzten Zeitraum zu rechnen ist (Art. 14 Abs. 3 VO (EG) Nr. 178/2002). Der ausdrückliche Hinweis „Zur Entgiftung“ erhöht im Übrigen zusätzlich die Wahrscheinlichkeit einer langfristigen Einnahme in hohen Dosen, da aus Verbrauchersicht der Eindruck erweckt wird, das Produkt sei der Gesundheit in besonderem Maße zuträglich, indem es dem Körper „Gifte“ entziehe – und damit gerade keine potentiell schädlichen Stoffe zuführe, sondern diese vielmehr eliminiere. Die durch die Beschreibung nahegelegte und aus Verbrauchersicht möglicherweise erhoffte „entgiftende“ Wirkung ist in besonderer Weise geeignet, zu einem dauerhaften Verzehr auch in hoher Dosierung anzuregen.
Das im streitgegenständlichen Produkt enthaltene und beim Verzehr freigesetzte Aluminium kann jedenfalls bei langfristiger und hochdosierter Einnahme gesundheitsschädlich sein (vgl. nur Scientific Opinion of the Panel on Food Additives, Flavourings, Processing Aids and Food Contact Materials on a request from European Commission on Safety of aluminium from dietary intake, The EFSA Journal (2008) 754, S. 28 ff., abrufbar unter: https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/pdf/10.2903/j.efsa.2008.754). Auch die Antragstellerin stellt lediglich die vom Antragsgegner zugrunde gelegten Grenzwerte und die Annahme eines Verzehrs durch Kleinkinder in Frage, nicht aber die – in dieser Allgemeinheit auch unstrittige – Annahme der potentiellen Gesundheitsschädlichkeit von Aluminium jedenfalls bei langfristiger und hochdosierter Einnahme. Insofern kommt es auf die von Beteiligten im Beschwerdeverfahren erörterten Fragen, auf welche Altersgruppe bei der Risikobeurteilung abzustellen und welche Grenzwerte anzulegen sind, hier schon nicht an.
Der Antragsgegner hat damit jedenfalls im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass das streitgegenständliche Produkt ein gesundheitsschädliches und damit nicht sicheres Lebensmittel darstellt, das insofern einem Verkehrsverbot unterliegt (Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Buchst. a der VO (EG) Nr. 178/2002). Ein justiziabler Ermessensfehler des Antragsgegners im Hinblick auf die getroffenen Anordnungen ist nicht erkennbar; auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts (vgl. S. 35 f. BA) wird insofern verwiesen. Der mit der Beschwerde wiederholte Vortrag der Antragstellerin, wonach eine Um-Etikettierung des Produkts gegenüber dem ausgesprochenen Vertriebsverbot als milderes Mittel anzusehen wäre, greift nicht durch. Insbesondere kommt ein Ausschluss der Gesundheitsschädlichkeit durch Informationen i.S.d Art. 14 Abs. 3 Buchst. b der VO (EG) Nr. 178/2002 hier schon deshalb nicht als milderes Mittel in Betracht, weil die Antragstellerin das Vorliegen eines Lebensmittels gerade bestreitet und deshalb meint, an die für Lebensmittel geltenden Hinweis- und Deklarationspflichten nicht gebunden zu sein. Insbesondere widerspräche ein Hinweis zur Gesundheitsschädlichkeit für Kleinkinder – wie die Antragstellerin selbst unter Bezugnahme auf eine Kommentierung (Rathke in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand 03/2020, Art. 14 VO (EG) 178/2002 Rn. 41) vorschlägt – ihrer mit der Produktbeschreibung und -aufmachung im Übrigen deutlich zum Ausdruck gebrachten Intention, ein gerade nicht zum Verzehr durch Menschen bestimmtes Produkt in den Verkehr zu bringen. Eine dergestalt in sich widersprüchliche Produktbeschreibung wäre zur Gefahrenabwehr von vornherein ungeeignet. Ob und – wenn ja – mit welchen Angaben das Inverkehrbringen eines mit dem streitgegenständlichen inhaltlich identischen Produkt als Lebensmittel zulässig wäre, ist hier nicht Verfahrensgegenstand und bedarf daher keiner Entscheidung. Das Risiko einer fehlerhaften oder in sich unschlüssigen Deklaration trägt jedoch der Unternehmer; es lässt sich nicht unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit auf die zuständigen Behörden abwälzen.
3. Unabhängig vom Vorstehenden ginge selbst bei Annahme offener Erfolgsaussichten der Klage eine allgemeine Interessenabwägung zu Lasten der Antragstellerin aus. Auch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin an einem weiteren Vertrieb ihres Produkts bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens aus Art. 12 Abs. 1 GG setzt sich das öffentliche Vollzugsinteresse durch. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die durch ein gesundheitsschädliches und damit nicht sicheres Lebensmittel (Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Buchst. a VO (EG) Nr. 178/2002) begründeten Gefahren für Leben und Gesundheit nach der Wertung des Gesetzgebers schon im Regelfall die wirtschaftlichen Interessen des betroffenen Unternehmers überwiegen (vgl. § 39 Abs. 7 Nr. 1 LFGB). Vorliegend tritt hinzu, dass die Gesundheitsgefahren durch langfristige und hochdosierte Einnahme des Produkts aufgrund der irreführenden Deklaration des Produkts, der Größe der Vertriebseinheiten und der Zweckbestimmung „zur Entgiftung“ als erheblich einzuschätzen sind.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte war der Streitwert der Hauptsache nach § 52 Abs. 2 GKG für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren.
Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.


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