Europarecht

Antrag auf Widerruf eines Planfeststellungsbeschlusses, nachträgliche Anordnung von Inhalts- und Nebenbestimmungen zu einem wasserrechtlichen Planfeststellungsbeschluss

Aktenzeichen  B 7 K 19.1055

Datum:
7.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 50159
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 5
WHG § 105 Abs. 4
WHG § 70 Abs. 1
WHG § 14 Abs. 6

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger zu 1 und 2 tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Kläger haben keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte verpflichtet wird, den Planfeststellungsbeschluss vom 20.10.2003 zur „…“ zu widerrufen (vgl. Nr. 1). Sie können ferner nicht beanspruchen, dass der Beklagte verpflichtet wird, dem Träger des Vorhabens zum Planfeststellungsbeschluss vom 20.10.2003 aufzuerlegen, den landwirtschaftlichen Betrieb … auf Kosten des Vorhabenträgers auf eine neue Hofstelle umzusiedeln (vgl. Nr. 2). Der ablehnende Bescheid des Landratsamts … vom 10.11.2011 erweist sich vielmehr als rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 und Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Der Hauptantrag ist unbegründet. Für den geltend gemachten Anspruch auf Widerruf des streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschlusses liegen bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen der alleine als Rechtsgrundlage in Betracht kommenden Norm des Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BayVwVfG nicht vor. Danach darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht, der das erkennende Gericht folgt, stellt die wortgleiche bundesrechtliche Vorschrift des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG mit der Verhütung oder Beseitigung von schweren Nachteilen für das Gemeinwohl besonders strenge Anforderungen an den Widerrufsgrund, ist jedoch ansonsten voraussetzungslos. Sie fordert insbesondere keine Veränderung der Sach- oder Rechtslage und lässt damit ohne Weiteres die Durchbrechung der Bestandskraft zu. Angesichts dessen liegt es auf der Hand, dass mit schweren Nachteilen für das Gemeinwohl zwar nicht ausschließlich Allgemeininteressen, sondern auch individuelle Träger von Rechtsgütern geschützt sein können, deren verletztes Recht aber einen Rang aufweisen muss, der es zum Gemeinwohlbelang erhebt, und dessen Verletzung zudem so gravierend sein muss, dass sie auch und gerade im Interesse der Allgemeinheit nicht hingenommen werden oder aufrechterhalten bleiben kann.
Ausgehend davon erfüllt die Beeinträchtigung des Eigentums Einzelner durch einen Planfeststellungsbeschluss grundsätzlich nicht die strengen Anforderungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG. Anders als für das Leben und die Gesundheit individueller Rechtsträger, die vom Schutz der Norm erfasst sind, gibt es für verlorenes oder beeinträchtigtes Eigentum die Möglichkeit der Ersatzbeschaffung. Hinzu kommt, dass Planfeststellungsbeschlüsse mit enteignenden Vorwirkungen keineswegs Ausnahmeerscheinungen sind. Vielmehr liegt es in der Natur der Sache, dass planfeststellungsbedürftige Vorhaben oftmals mit der Inanspruchnahme fremden Eigentums einhergehen. Gäbe man den Betroffenen in all diesen Fällen mit der Behauptung der untragbaren Nachteile des bestandskräftig vorentschiedenen Zugriffs auf ihr Eigentum die Möglichkeit einer erneuten Verfahrenseröffnung, verlöre die Bestandskraft solcher Entscheidungen weitgehend ihre Bedeutung. Dies widerspräche der Zielrichtung der einschlägigen Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes, die Planfeststellungsbeschlüssen wegen ihrer gestalterischen Wirkung eine erhöhte Bestandskraft verleihen und daher einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Planfeststellungsverfahrens ausschließen (vgl. § 72 Abs. 1 i.V.m. § 51 VwVfG). Der Widerruf eines Planfeststellungsbeschlusses kommt daher, wenn nachträgliche Schutzauflagen nach § 75 Abs. 2 VwVfG nicht ausreichen, um Gefahren für grundrechtlich geschützte Rechtsgüter abzuwehren, nur als ultima ratio in Betracht und jedenfalls grundsätzlich nicht schon dann, wenn Einzelne in ihren Eigentumsrechten betroffen sind (vgl. BVerwG, B.v. 27.5.2015 – 3 B 5.15 – juris m.w.N.).
Der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts war ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 03.07.2014 vorausgegangenen. Darin wird u.a. betont, dass ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG nur in Betracht kommt, wenn solche gewichtigen Gemeinwohlgründe vorliegen, die es – vergleichbar dem Aufopferungsgedanken im Enteignungsrecht – rechtfertigen, dem Widerrufsbetroffenen eine bereits erteilte Begünstigung nachträglich wieder zu nehmen. Hingewiesen wurde auf Gründe eines übergesetzlichen Notstandes, wie z.B. in Katastrophenfällen.
Soweit es um gewichtige Grundrechtsbeeinträchtigungen Einzelner geht, ist ein Widerruf nach der genannten Norm möglich, wenn das Leben oder die Gesundheit Einzelner ernsthaft gefährdet oder beeinträchtigt würden. Denn das menschliche Leben stellt innerhalb der grundgesetzlichen Ordnung einen Höchstwert dar und auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit hat unter den grundrechtlich verbürgten Rechten ein besonderes Gewicht. Deren Schutz ist nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG eine vorrangige Gemeinschaftsaufgabe.
Soweit es aber um eine Beeinträchtigung des Eigentums Einzelner infolge eines bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses geht, liegen jedoch jedenfalls grundsätzlich keine schweren Nachteile für das Gemeinwohl vor. Denn eine solche Beeinträchtigung ist mit den oben dargestellten Gemeinwohlbeeinträchtigungen nicht vergleichbar. Für Eingriffe in das Eigentum steht den Betroffenen eine Entschädigung zu, mit der ggf. neues Eigentum erworben werden kann. Durch diese Möglichkeit der Ersatzbeschaffung unterscheidet sich der Eingriff in das Eigentum maßgeblich von einem Eingriff in das Leben oder die Gesundheit. Diese „erhöhte Bestandsgarantie“ für einen Planfeststellungsbeschluss gebietet es, bei unveränderter Sach- und Rechtslage nur in extremen Ausnahmefällen den Widerruf eines Planfeststellungsbeschlusses nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG zuzulassen. Die Rechtskraft muss grundsätzlich erst dann weichen, wenn ein Festhalten an ihr zu einem schlechthin unerträglichen Ergebnis führen würde (VGH BW, U.v. 3.7.2014 – 5 S 2429/12 – juris).
Auch nach dem Schrifttum ist § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG eng auszulegen, denn der Widerrufsgrund normiert eine Art „Notstandsrecht“ und es wird verwiesen auf die Gründe eines übergesetzlichen Notstands (vgl. BeckOK VwVfG/Abel VwVfG § 49 Rn. 64 ff.; NK-VwVfG/ Suerbaum VwVfG § 49 Rn. 109 ff.).
Das Bundesverwaltungsgericht hatte bereits in einer früheren Entscheidung betont, dass bei der Inanspruchnahme von Flächen durch einen Planfeststellungsbeschluss das Bayerische Gesetz über die entschädigungspflichtige Enteignung – insbesondere auch mit seinen Vorschriften zur Entschädigung in Land (Art. 14 BayEG) und zur Erstreckung der Enteignung auf Restflächen und auf dinglich belastete Flächen (Art. 6 BayEG) – ein rechtliches Instrumentarium enthält, das geeignet ist, die jeweilige Betroffenheit in sachgerechter Weise auszugleichen. Ausdrücklich wurde darauf hingewiesen, dass mit dem gesetzlichen Instrumentarium sichergestellt ist, dass der im Zuge einer Planfeststellung ausgelöste Konflikt zumindest im nachfolgenden Enteignungsentschädigungsverfahren bewältigt wird, selbst wenn die Bedrohung eines landwirtschaftlichen Betriebes in Rede steht (vgl. BVerwG, U.v. 5.11.1997 – 11 A 54/96 – juris).
Nach diesen Maßstäben liegen in der vorliegenden Sache keine schweren Nachteile für das Gemeinwohl vor, die den Anwendungsbereich des Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BayVwVfG überhaupt erst eröffnen würden. Abzustellen ist in der hiesigen Konstellation einer Verpflichtungsklage auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung. Die Klägerseite hat für die in Anspruch genommenen Flächen in weitem Umfang Entschädigung in Land erhalten (vgl. VG Bayreuth, U.v. 4.4.2019 – B 7 K 16.466). Noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist das beim zuständigen Landgericht anhängige Entschädigungsfestsetzungsverfahren (vgl. S. 3 des Protokolls), doch ist dieses geeignet, die Betroffenheit der Klägerseite in sachgerechter Weise auszugleichen. Es ist nicht ansatzweise erkennbar, dass die hier gegebene Situation mit einem Katastrophenfall oder den ihm gleichzusetzenden Gefährdungen von Leben oder Gesundheit vergleichbar wäre.
Soweit die Klägerseite geltend gemacht hat, mit dem streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschluss seien nicht nur Eigentums- und/oder Pachtflächen entzogen worden, sondern es liege vor allem mit Blick auf die betroffene potentielle Hoferweiterungsfläche Fl.-Nr. aaa der Gemarkung B. zugleich ein (unzulässiger) Eingriff in den von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Gewerbebetrieb vor, da eine Erweiterung bzw. Entwicklung des landwirtschaftlichen Betriebes in diese Richtung nicht mehr möglich sei, kann dem nicht gefolgt werden. Der Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs ist von der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG nur insoweit umfasst, als es um den konkreten Bestand an Rechten und Gütern geht. Bloße Chancen und tatsächliche Gegebenheiten sind zwar für das Unternehmen von erheblicher Bedeutung; sie werden nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eigentumsrechtlich jedoch nicht dem geschützten Bestand des einzelnen Unternehmens zugeordnet (vgl. BVerfG, B.v. 31.10.1984 – 1 BvR 35/82 u.a.; U.v. 10.6.2009 – 1 BvR 706/08 u.a.; B.v. 30.6.2020 – 1 BvR 1679/17 u.a. – juris). Vorliegend haben sich die Absichten der Klägerseite, den landwirtschaftlichen Betrieb zu erweitern und zu diesem Zweck insbesondere auf dem genannten hofnahen Flurstück Nr. aaa der Gemarkung B. einen Stallneubau mit Raum für eine größere Anzahl an Milchkühen zu errichten, in keiner Weise hinreichend verfestigt, insbesondere lag keine entsprechende Baugenehmigung oder ein Vorbescheid vor. Die Klägerseite hat sich zwar behördlicherseits beraten lassen und es wurde vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten … (AELF …*) ein unverbindliches „Hofkonzept“ von Januar 2012 zusammengestellt, doch fehlte es stets daran, dass die Klägerseite Anstalten unternommen hat, dieses Konzept in absehbarer Zeit zu verwirklichen (vgl. VG Bayreuth, U.v. 20.10.2015 – B 1 K 15.475 und nachfolgend BayVGH, B.v. 16.10.2017 – 8 ZB 16.154 – juris). Soweit geltend gemacht wurde, dass ein entsprechender Vorbescheidsantrag bereits in einem frühen Stadium keine Aussicht auf Erfolg (mehr) gehabt hätte, nachdem sich die behördlichen Planungen z.B. dadurch konkretisiert hätten, dass zugehörige Planunterlagen öffentlich ausgelegt worden waren, wirkt sich dies nicht zu Lasten der hiesigen Beklagtenseite aus. Denn einen rechtlichen Schutz genießen die früheren bloßen Chancen, Möglichkeiten und gedanklichen Vorstellungen der Klägerseite zu einer etwaigen Betriebserweiterung gerade nicht. Dies gilt selbst dann, wenn sich im Zeitablauf ergeben haben sollte, dass eine Betriebserweiterung sinnvoll erschiene, um den landwirtschaftlichen Betrieb im Wesentlichen unverändert, jedoch in einem größeren Maßstab, auf längere Sicht fortführen zu können, von den Möglichkeiten einer sonstigen Weiterentwicklung im Sinne einer Aufgabe alter Betriebszweige und Verstärkung bisheriger oder Etablierung neuer Betriebsfelder einmal abgesehen – vgl. hierzu die zwischenzeitliche Aufgabe der Schweinehaltung durch den Kläger zu 2 (S. 3 des Protokolls).
Unter diesen Umständen bedurfte es der hilfsweise beantragten Beweiserhebung nicht.
Soweit aus der Sicht der Klägerseite geklärt werden soll, dass die fachliche Bewertung des AELF … vom 30.05.2012 in Bezug auf die Sicherung der Existenzfähigkeit des landwirtschaftlichen Betriebs bis heute unverändert und erst recht fortgelte, kann zugunsten der Kläger unterstellt werden, dass die Bewertung des AELF … aus dem Jahr 2012 zu der für sinnvoll und notwendig gehaltenen betrieblichen Weiterentwicklung auf eine Zielgröße von ca. 100 bzw. 150 Kühen fortgilt. Soweit der Beweisantrag die fachliche Bewertung des AELF … vom 30.05.2012 verknüpft mit dem Terminus der „Sicherung der Existenzfähigkeit“ ist festzustellen, dass die Behörde diese Formulierung nicht verwendet hat, sondern von „sinnvoll und notwendig“ spricht und für die langfristige Perspektive die Worte „Sicherung“ und ermöglichen „sollen“ verwendet. Ob und inwieweit längerfristig eine anderweitige Schwerpunktsetzung des landwirtschaftlichen Betriebs … bzw. Umorientierung weg vom dem Standbein der Milchviehhaltung denkbar und umsetzbar wäre, ist nicht Gegenstand des Schreibens des AELF vom 30.05.2012. Jedenfalls zeigt sich aus der bereits thematisierten Aufgabe der Schweinehaltung recht deutlich, dass Anpassungen an veränderte Bedingungen, u.a. an die Marktlage und etwaige Subventionen, unabhängig davon erfolgen, ob dem klägerischen Betrieb die Möglichkeit zur Verfügung steht und er diese auch ergreift, die Milchviehhaltung zu erweitern. Das Hofkonzept aus 2012 geht ersichtlich davon aus, dass wesentliches Standbein des landwirtschaftlichen Betriebs die Haltung von Kühen ist.
Aus denselben Gründen kann unterstellt werden, dass die einzelnen Bausteine des Hofkonzeptes von Januar 2012 mit dem entsprechenden Flächenbedarf fortbestehen. In gleicher Weise kann davon ausgegangen werden, dass der landwirtschaftliche Betrieb in Bezug auf die Umsetzung des Hofkonzepts aus 2012 ausreichend leistungsfähig ist bzw. wäre.
Es liegt ferner auf der Hand und bedarf daher keiner Beweiserhebung, dass für die Umsetzung dieses konkreten Hofkonzepts zwingend das Grundstück Fl.-Nr. aaa der Gemarkung B. benötigt würde und dass bei aktueller Sach- und Rechtslage das Konzept nicht mehr so umgesetzt werden kann, wie es das AELF … unverbindlich aufgezeichnet hat. Denn das in Bezug genommene Hofkonzept basiert wesentlich darauf, dass auch solche Teile des Grundstücks Fl.-Nr. aaa der Gemarkung B. mit Teilen der ausgelagerten landwirtschaftlichen Betriebsstelle bebaut werden, die für Baumaßnahmen der öffentlichen Hand in Anspruch genommen wurden (vgl. Anlage K 3 und K 5 zum Schriftsatz der Klägerseite vom 19.02.2020). Es sei aber an dieser Stelle noch einmal darauf hingewiesen, dass das Hofkonzept aus 2012 zu keinem Zeitpunkt eine hinreichende Konkretisierung bzw. Verfestigung dadurch erfahren hat, dass die Klägerseite substantielle Schritte in Richtung einer Realisierung eingeleitet hätte, oder sei es auch bereits im Vorfeld der Erstellung dieses Konzepts zu einem Zeitpunkt, in dem ein etwaiger Vorbescheidsantrag beispielsweise durchaus noch erfolgversprechend erschienen wäre.
Soweit aus der Sicht der Kläger durch Beweiserhebung geklärt werden soll, dass der Planfeststellungsbeschluss vom 20.10.2003 dem landwirtschaftlichen Betrieb … die Möglichkeit genommen habe, die für die Sicherung der langfristigen Existenzfähigkeit des Betriebs notwendigen Investitionsmaßnahmen umzusetzen, erweist sich der Beweisantrag als unsubstantiiert. Bereits bei der Behandlung des vorherigen Beweisantrags wurde unterstellt, dass das Hofkonzept von Januar 2012 nicht mehr wie dargestellt verwirklicht werden kann. Soweit der Beweisantrag nun von einer „langfristigen“ Existenzfähigkeit spricht, ist dies unsubstantiiert. Es bleibt im Beweisantrag offen, welche zeitliche Reichweite der Beweisantrag im Auge hat. Es erscheint auch sonst offen und nicht (sicher) vorhersehbar, ob und inwieweit sich die Verhältnisse und Rahmenbedingungen, u.a. auch die bereits angeführten Fördermöglichkeiten sowie Um- und Fortentwicklungsmöglichkeiten jenseits einer Erhöhung der Anzahl der Kühe in der Zukunft gestalten werden. Als unsubstantiiert erweist sich der Beweisantrag damit auch, soweit er auf „notwendige Investitionsmaßnahmen“ rekurriert. Die Frage, was zu welchem Zeitpunkt unter welchen Rahmenbedingungen konkret „notwendig“ ist, kann aktuell nicht pauschal vorab geklärt werden. Auf die Veränderlichkeit von Rahmenbedingungen, vor allem in der weiteren Zukunft, kann nur erneut hingewiesen werden.
Soweit postuliert wird, das Hofgrundstück Fl.-Nr. bbb der Gemarkung B. sei in Bezug auf die Umsetzung von für notwendig befundenen Investitionsmaßnahmen aufgrund seiner Größe und der anschließenden Wohnbebauung nicht geeignet, erweist sich auch dieser Teil des Beweisantrags als unsubstantiiert. Wie ausgeführt, fehlt es bereits den wesentlichen Elementen des ersten Teils des entsprechenden Beweisantrags („langfristige Existenzfähigkeit“ und „notwendige Investitionsmaßnahmen“) an einer hinreichenden Substantiierung. Damit geht einher, dass auch dieser zweite Teil des Beweisantrags unsubstantiiert ist. Es ist offen, welche konkreten Bauvorhaben zu welchem Zeitpunkt in der Zukunft unter welchen Rahmenbedingungen, auch rechtlicher Art, naheliegend erscheinen werden und/oder von der Klägerseite beabsichtigt sein werden, die dann aber auf dem Hofgrundstück nicht adäquat situiert bzw. ausgeführt werden können. Unsubstantiiert ist der Beweisantrag in diesem Kontext auch, soweit er formuliert, dass das Hofgrundstück nicht „geeignet“ sei. Es bleibt offen, ob mit der aufgeworfenen Frage der Eignung alleine die Thematik der rechtlichen und/oder tatsächlichen Unmöglichkeit angesprochen wird, oder ob der Beweisantrag auch solche Konstellationen im Blick hat, in denen eine Realisierung möglich ist, aber mit z.B. höheren Kosten und ggf. Risiken verbunden wäre, so dass sich aus Rentabilitätsaspekten oder sonstigen Gründen die Frage der „Eignung“ stellen mag.
Die Klägerseite hat weiter unter Beweis gestellt, dass der landwirtschaftliche Betrieb in unmittelbarer Umgebung der Hofstelle nicht über anderweitige Eigentumsflächen verfüge, auf denen eine Umsetzung des dargelegten Hofkonzepts möglich wäre. Es kann als wahr unterstellt werden, dass der landwirtschaftliche Betrieb in unmittelbarer Umgebung über keine Eigentumsflächen verfügt, auf denen das Konzept von Januar 2012 so wie dort skizziert umgesetzt werden könnte. Das Gericht versteht die Formulierung „unmittelbarer Umgebung“ dabei so, dass nur solche Flächen gemeint sind, die an die Hofstelle unmittelbar angrenzen und/oder nicht weiter entfernt gelegen sind als das Grundstück Fl.-Nr. aaa der Gemarkung B. Weiter haben die Kläger unter Beweisangebot ausführen lassen, dass die Enteignungsmaßnahme den Betriebsinhaber „letztendlich“ zwinge, den Betrieb insgesamt umzusiedeln mit nochmals weit höheren Investitionskosten, weil dann die baulichen Anlagen auf der aktuellen Hofstelle nicht mehr sinnvoll für den landwirtschaftlichen Betrieb genutzt werden könnten. Offen sei, ob ein geeignetes Grundstück zu finden sei. Im Übrigen seien Investitionskosten für die Komplettumsiedlung vom landwirtschaftlichen Betrieb nicht zu erwirtschaften. In dieser Form ist der Beweisantrag unsubstantiiert, er geht von der unzutreffenden Prämisse aus, dass quasi ein Zwang zur Umsiedlung gegeben sei. Wie bereits ausgeführt wurde, besteht über die zeitliche Schiene und die zukünftigen Umstände und Rahmenbedingungen keine hinreichende Gewissheit, die eine sachgerechte Beweiserhebung möglich machen würde. Dass im Fall der Komplettumsiedlung höhere Investitionskosten anfallen als bei einer nur teilweisen Verlagerung, kann freilich als wahr unterstellt werden. Unsubstantiiert ist aber wiederum die These, dass die baulichen Anlagen nicht mehr sinnvoll für den landwirtschaftlichen Betrieb genutzt werden könnten. Es hängt von den Einzelheiten eines ggf. in der Zukunft verwirklichten Konzeptes der Umsiedlung ab, inwieweit einzelne bauliche Anlagen auf der aktuellen Hofstelle gleichwohl noch für betriebliche Zwecke verwendet werden können. Damit geht einher, dass der Beweisantrag keine hinreichende Substanz bietet für die Annahme und Beweiserhebung, dass eine Komplettumsiedelung in dem Sinne nötig sein werde, dass keinerlei Elemente der bisherigen Hofstelle mehr würden Verwendung finden können. Als wahr kann unterstellt werden, dass derzeit völlig offen ist, ob sich ein geeignetes Grundstück für eine Komplettumsiedlung überhaupt finden lässt. Unsubstantiiert ist aber wiederum der weitere Teil des Beweisantrags, dass die anfallenden Investitionskosten vom landwirtschaftlichen Betrieb nicht erwirtschaftet werden könnten. Es hängt vielmehr von aktuell nicht prognostizierbaren Umständen ab, u.a. auch von der Marktlage, welche Investitionen in welche betrieblichen Felder rentabel erscheinen und vom landwirtschaftlichen Betrieb der Klägerseite erwirtschaftet werden können.
Insgesamt vermochte das Gericht nicht festzustellen, dass beeinträchtigte Rechte der Klägerseite durch den streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschluss einen derart hohen Rang aufweisen würden, der sie zum Gemeinwohlbelang erheben und deren Verletzung in der konkreten Situation sich als so gravierend darstellen würde, dass sie auch und gerade im Interesse der Allgemeinheit nicht hingenommen oder aufrechterhalten bleiben könnte (vgl. zum Maßstab BVerwG, U.v. 28.4.2016 – 4 A 2.15 – juris). Ein derartiges Ausmaß erreicht die Belastung der Kläger durch den streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschluss nicht. Dies gilt auch in einer Zusammenschau mit dem Parallelverfahren Az. B 7 K 19.1056 und den Belastungen der Klägerseite durch den dort maßgeblichen Planfeststellungsbeschluss. Vorrang genießt in der vorliegenden Sache der Aspekt der Rechtssicherheit, womit sich im Ergebnis die erhöhte Bestandsgarantie des bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses durchsetzt.
2. Der Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet. Die Kläger haben keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte verpflichtet wird, dem Träger des Vorhabens zum Planfeststellungsbeschluss vom 20.10.2003 aufzuerlegen, den landwirtschaftlichen Betrieb … auf Kosten des Vorhabenträgers auf eine neue Hofstelle umzusiedeln.
Einschlägige Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerseite ist § 105 Abs. 4 i.V.m. § 70 Abs. 1 und § 14 Abs. 6 WHG. Danach kann der Betroffene für den Fall, dass er nach § 14 Abs. 3 oder 4 WHG nachteilige Wirkungen bis zum Ablauf der Frist zur Geltendmachung von Einwendungen nicht voraussehen konnte, verlangen, dass dem Träger des Vorhabens zu dem entsprechenden Planfeststellungsbeschluss nachträglich Inhalts- und Nebenbestimmungen auferlegt werden. Soweit die Klägerseite den geltend gemachten Anspruch auf Art. 75 Abs. 2 Sätze 2 und 4 BayVwVfG stützen möchte, übersieht sie, dass diese Norm durch die speziellere wasserrechtliche Norm verdrängt wird. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 70 Abs. 1 Halbsatz 2 WHG, der nur „im Übrigen“ auf §§ 72 bis 78 VwVfG verweist und damit gerade insoweit nicht, als speziellere fachgesetzliche Regelungen existieren (vgl. SZDK/Schenk WHG § 70 Rn. 15). Unabhängig von diesem Befund ist in der vorliegenden Sache nicht erkennbar, dass sich bei Anwendung des Art. 75 Abs. 2 Sätze 2 und 4 BayVwVfG ein für die Klägerseite günstigeres Ergebnis ergeben könnte.
In § 105 Abs. 4 i.V.m. § 70 Abs. 1 und § 14 Abs. 6 WHG ist die Konstellation geregelt, dass der Betroffene im Planfeststellungsverfahren keine Einwendungen erhoben hat, weil er die vom Gewässerausbau ausgehenden nachteiligen Wirkungen zum damaligen Zeitpunkt nicht voraussehen konnte. Der Begriff der „nachteiligen Wirkung“ unterscheidet sich dabei nicht von dem bei § 14 Abs. 3 und 4 WHG zugrunde gelegten Begriffsverständnis. Die Voraussehbarkeit bestimmt sich danach, ob der Betroffenen während des Planfeststellungsverfahrens genügend Anhaltspunkte für den möglichen Eintritt nachteiliger Folgen hatte. Es sind insoweit die persönlichen Verhältnisse des Betroffenen maßgeblich, wobei grundsätzlich wegen der oftmals komplexen Auswirkungen nicht allzu hohe Anforderungen gestellt werden dürfen. Im Übrigen ist jedoch bei der Anwendung des § 14 Abs. 6 WHG als Ausnahmevorschrift eine restriktive Auslegung geboten (vgl. Landmann/Rohmer UmweltR/Pape WHG § 14 Rn. 99 ff.; Czychowski/Reinhardt WHG § 14 Rn. 107).
Im Rahmen des § 14 Abs. 6 WHG darf nur berücksichtigt werden, was auch bei Kenntnis aller Umstände im wasserrechtlichen Verfahren hätte berücksichtigt werden dürfen; der Betroffene soll demgegenüber durch § 14 Abs. 6 WHG nicht bessergestellt werden. Nachteilige Wirkungen im Sinne von § 14 Abs. 6 WHG müssen dabei im Entscheidungszeitpunkt zu erwarten, d.h. hinreichend wahrscheinlich sein. Dies sind sie dann, wenn sie nach allgemeiner Lebenserfahrung und anerkannten fachlichen Regeln wahrscheinlich und ihrer Natur nach annähernd voraussehbar sind. Dabei ist nicht etwa der vollständige Nachweis von Art und Umfang einer nachteiligen Einwirkung erforderlich; es genügt, wenn nach dem Maßstab der anerkannten Regeln von Wissenschaft und Technik überwiegende Gründe dafür sprechen, dass dem Beteiligten Nachteile zugefügt werden. Erforderlich ist, dass die mit dem planfestgestellten Vorhaben verbundenen nachteiligen Wirkungen im Entscheidungszeitpunkt zu erwarten, mithin hinreichend waren und adäquat kausal auf den Gewässerausbau zurückgehen. Die Norm ist auch dann nicht anwendbar, wenn sich das planfestgestellte Vorhaben nachteilig auf Nutzungen auswirkt, die der Betroffene erst nach der Planfeststellung in Angriff genommen hat (vgl. VG Augsburg, U.v. 5.11.2012 – Au 7 K 11.951 – juris; Guckelberger in Ziekow, Handbuch des Fachplanungsrechts, 2. Aufl. 2014, § 17 Rn. 99; BeckOK UmweltR/Guckelberger WHG § 14 Rn. 34; Czychowski/Reinhardt WHG § 14 Rn. 112).
Nach diesen Maßstäben ist der Hilfsantrag nicht begründet. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der anspruchsbegründenden Norm liegen nicht vor. Die Klägerseite hat sich maßgeblich darauf berufen, dass der Flächenentzug nunmehr – da sich die Anforderungen an die Größe von Milchviehbetrieben zwischenzeitlich erheblich verändert hätten – in existenzbedrohender Weise auf den landwirtschaftlichen Betrieb … auswirke, was jedoch in dem Zeitraum, in dem Einwendungen zu erheben gewesen wären, noch nicht habe vorausgesehen werden können. Es geht folglich um die Wirkungen bzw. längerfristigen Folgen von einer an und für sich bekannten Rechtsbeeinträchtigung, denn der Klägerseite bzw. ihrer Rechtsvorgängerin war aufgrund der Auslegung der Planunterlagen bewusst, welche Eigentums- bzw. Pachtflächen konkret durch das streitgegenständliche Vorhaben in Anspruch genommen werden würden. Wäre jedoch bereits im Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses vom 20.10.2003 bekannt gewesen, dass zukünftig eine größer dimensionierte Milchviehhaltung von der Fachwelt für notwendig erachtet wird, um bei sonst im Wesentlichen unveränderter Betriebsstruktur auf längere Sicht existenzfähig zu sein, so wäre es rechtlich gleichwohl nicht geboten gewesen, bereits damals eine entsprechende Auflage zugunsten der Klägerseite in den Planfeststellungsbeschluss aufzunehmen. Auch in dieser Hinsicht hätte sich vielmehr zu Lasten der Klägerseite ausgewirkt, dass diese hinreichend konkretisierte Erweiterungsabsichten nicht plausibel hätte aufzeigen können, indem beispielsweise einigermaßen konkretisierte Planungen dargeboten worden wären, so etwa durch einen entsprechenden Vorbescheidsantrag. Auf die oben gemachten Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Es kann auch kein Automatismus dahingehend unterstellt werden, dass gleichsam jeder landwirtschaftliche Betrieb eine allgemein für sinnvoll oder notwendig erachtete Vergrößerung des Milchviehbestandes tatsächlich durchführt. Auf die sich laufend verändernden Rahmenbedingungen, insbesondere mit Blick auf die Marktlage, einschließlich der sich ggf. bietenden Möglichkeiten, andere Betriebsfelder zu stärken oder neu zu etablieren und die individuellen Besonderheiten jedes einzelnen Betriebs, auch in Ansehung der Frage, inwieweit eine Fortführung durch die darauffolgende Generation beabsichtigt ist oder z.B. vorhandene Eigentumsflächen schlicht verpachtet werden sollen, wird hier nur exemplarisch hingewiesen. Die vorliegende Konstellation kann in rechtlicher Hinsicht nicht anders behandelt werden als die einen Anspruch nach § 14 Abs. 6 WHG ausschließende Situation, in der der Betroffene Nutzungen erst nach dem Erlass des Planfeststellungsbeschlusses in Angriff genommen hat, denn entsprechende umfangreiche Erweiterungsabsichten in Bezug auf den Milchviehbestand waren weder vorgetragen noch der Behörde sonst bekannt gewesen. Wegen der geltend gemachten – zu verneinenden – Beeinträchtigung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch den streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschluss wird abschließend auf die vorherigen Ausführungen Bezug genommen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.


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