Europarecht

Asylantrag wegen Schutzgewährung durch Litauen als unzulässig abgelehnt

Aktenzeichen  Au 4 K 17.35680

Datum:
3.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 8889
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 84 Abs. 4, § 113 Abs. 1 S. 1
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2
EMRK Art. 3
GRCh Art. 4
RL 2013/32/EU Art. 33 Abs. 2 lit. a
Dublin III-VO Art. 3 Abs. 2 UAbs.

 

Leitsatz

1. Fälle, in denen ein Schutzsuchender die Bedingungen in einem EU-Mitgliedstaat für sich als unzumutbar einstuft und sich daher zur Stellung eines weiteren Asylantrags in einen weiteren EU-Mitgliedstaat begibt, sollen nach dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, die auf Art. 33 Abs. 2 lit. a) der RL 2013/32/EU beruht, ausgeschlossen werden. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. In der verwaltungsgerichtlichen Rspr. werden in Bezug auf Litauen die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 UAbs. Dublin III-VO und damit eine Verletzung des Art. 4 GRCh durchweg verneint, was auch gilt, wenn internationaler Schutz gewährt wurde (vgl. VG Bayreuth BeckRS 2017, 142253). (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Aufenthalt von nur ca. 6 Wochen in Litauen sowie der Besitz des Flüchtlingsstatus dort lediglich über einen Zeitraum von ca. einem Monat sind zu kurz, um belastbare Anhaltspunkte dafür aufzuzeigen, dass in Litauen die Lebensbedingungen für anerkannte Flüchtlinge derart schlecht sind, dass eine Verletzung von Art. 4 GRCh oder Art. 3 EMRK drohen könnte. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid vom 12. Dezember 2017 ist jedenfalls nicht zu Lasten des Klägers rechtswidrig und verletzt diesen daher nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Gericht folgt hinsichtlich der Entscheidungsgründe der Begründung des in dieser Sache ergangenen Gerichtsbescheids vom 21. März 2018 und sieht von einer näheren Darstellung ab (§ 84 Abs. 4 VwGO).
Ergänzend ist, insbesondere mit Blick auf das Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung, auszuführen: Die Vorschrift des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, wonach ein Asylantrag unzulässig ist, wenn – wie im Fall des Klägers – ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) bereits internationalen Schutz gewährt hat, beruht auf (höherrangigem) Unionsrecht, namentlich auf Art. 33 Abs. 2 Buchst. a) der Richtlinie 2013/32/EU (so genannte Asylverfahrensrichtlinie). Diese Richtlinie ist Teil des Gemeinsamen Europäische Asylsystems, welches unter anderem einen (EUweit) einheitlichen Asylbzw. Schutzstatus umfasst (vgl. Art. 78 Abs. 2 Buchst. a) und b) AEUV), dem das gegenseitige Vertrauen der EU-Mitgliedstaaten zu Grunde liegt und dessen Ziel es unter anderem ist, die in erheblichem Umfang stattfindende Sekundärmigration von Schutzberechtigten und das sogenannte „asylum shopping“ zu verhindern (vgl. BVerwG, B.v. 27.6.2017 – 1 C 26/16 – juris Rn 33). Gerade Fälle wie der vorliegende, dass ein Schutzsuchender die Bedingungen in einem EU-Mitgliedstaat für sich als unzumutbar einstuft und sich daher zur Stellung eines weiteren Asylantrags in einen weiteren EU-Mitgliedstaat begibt, sollen nach dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck der genannten Regelungen ausgeschlossen werden.
Im Fall des Klägers kommt aus dem Blickwinkel des Unionsrechts hinzu, dass seine Schutzgewährung in Litauen auf seiner Umverteilung aus Griechenland beruht (vgl. Bundesamtsakte, Bl. 92). Diese fußte auf dem Beschluss des Rates 2015/15 vom 14. September 2015 zur Einführung von vorläufigen Maßnahmen im Bereich des internationalen Schutzes zugunsten von Italien und Griechenland. Die Rechtmäßigkeit dieses Rechtsaktes wurde vom Europäischen Gerichtshof bestätigt (EuGH, U.v. 6.9.2017 – C-643/15, C-647/15 – juris).
Dass die genannten unionsrechtlichen und innerstaatlichen Umsetzungsnormen im Fall des Klägers nicht zur Anwendung kommen könnten, weil dies Unionsgrundrechte, namentlich Art. 4 EU-GR-Charta (Verbot der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung), verletzen würde, ist, auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers in der mündlichen Verhandlung, nicht anzunehmen. Wie bereits im Gerichtsbescheid vom 21. März 2018 ausgeführt, werden in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung in Bezug auf Litauen die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 UAbs. Dublin III-VO und damit eine Verletzung des Art. 4 EU-GR-Charta durchweg verneint. Gleiches gilt, wenn internationaler Schutz gewährt wurde (vgl. VG Bayreuth, U.v. 9.11.2017 – B 3 K 17.31964 – juris Rn. 29 ff. zu Art. 3 EMRK). Das Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vermag dies nicht in Zweifel zu ziehen. Nach seinen Angaben hat sich der Kläger nur circa sechs Wochen in Litauen aufgehalten. Zudem ist zu berücksichtigen, dass dem Kläger nach Angaben der Behörden Litauens eine Aufenthaltsgenehmigung bis 11. August 2022 erteilt worden ist (Bundesamtsakte, Bl. 130). Ausgehend von der eigenen Angabe des Klägers, ihm sei ein fünfjähriger Aufenthaltstitel erteilt worden (Bundesamtsakte, Bl. 102), sowie seiner weiteren Angabe, am 17. September 2017 in Deutschland eingereist zu sein (Bundesamtsakte, Bl. 67), hat der Kläger den Flüchtlingsstatus in Litauen lediglich über einen Zeitraum von etwa einem Monat besessen. Diese Zeiträume sind zu kurz, um belastbare Anhaltspunkte dafür aufzuzeigen, dass in Litauen die Lebensbedingungen für anerkannte Flüchtlinge derart schlecht, sind, dass eine Verletzung von Art. 4 EU-GR-Charta oder Art. 3 EMRK drohen könnte. Zudem hat der Kläger eingeräumt, sämtliche Papiere aus Litauen in Deutschland vernichtet zu haben (Bundesamtsakt, Bl. 93). Eine nähere Überprüfung, wie mit dem Asylantrag und dem Schutzstatus des Klägers in Litauen umgegangen wurde, hat der Kläger damit selbst verhindert. Schließlich muss das Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich der geltend gemachten Verweigerung notwendiger medizinischer Behandlungen als gesteigert und daher nicht nachvollziehbar gewertet werden. Der Kläger ist beim Bundesamt gefragt worden, welche Umstände einer Abschiebung in einen sicheren Drittstaat entgegenstünden (Bundesamtsakte, Bl. 98). In einer solchen Dramatik, dass ihm und seiner Familie praktisch alle medizinisch notwendigen Behandlungen bzw. Untersuchungen versagt worden seien, hat er sich dort nicht geäußert.
Aus diesen Gründen sind für den Kläger auch keine Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 (i.V.m. Art. 3 EMRK) sowie Abs. 7 AufenthG gegeben. Die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung angegebenen Probleme mit dem Fuß und die darauf beruhende Physiotherapie ist nicht als lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung, die sich durch eine Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, i.S.d. § 60 Abs. 7 AufenthG zu werten. Belastbare Unterlagen hat der Kläger hierzu auch nicht vorgelegt.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylG abzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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