Europarecht

Aufforderung zum Erteilen von Auskünften nach dem Finanz- und Personalstatistikgesetz

Aktenzeichen  5 B 17.1997

Datum:
6.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
DÖV – 2020, 492
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FPStatG § 1, § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 10, § 3 Abs. 7, § 9, § 11 Abs. 2 Nr. 1d, Abs. 3
BayMG Art. 2 Abs. 1, Art. 10, Art. 15, Art. 19, Art. 21
VO (EG) Nr. 2223/96 Art. 1
VO (EU) Nr. 549/13 Art. 1
BStatG § 15
GG Art. 73 Nr. 11
BayVwVfG § 37

 

Leitsatz

Die Bayerische Landeszentrale für neue Medien stellt keine Erhebungseinheit im Sinn des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 des Finanz- und Personalstatistikgesetzes dar. (Rn. 14 – 15)
1. Der Bund besitzt die Gesetzgebungskompetenz für die Regelung finanz- und personalwirtschaftlicher Erhebungseinheiten auch im Bereich der Länder. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ebenso wie eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt zählt eine der Staatsaufsicht nicht unterliegende Landesmedienanstalt nicht der finanz- und personalwirtschaftlichen Erhebung statistischer Daten. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 7 K 13.3166 2014-09-10 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 10. September 2014 (M 7 K 13.3166) wird abgeändert. Der Bescheid des Beklagten vom 15. Juli 2013 wird aufgehoben, soweit die Beteiligten nicht bereits erstinstanzlich den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt der Beklagte 4/5, die Klägerin 1/5.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

1. Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg. Soweit der angefochtene Bescheid nach der teilweisen erstinstanzlichen Erledigungserklärung noch streitgegenständlich war, ist er rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zwar scheitert die Heranziehung der Klägerin weder an der Gesetzgebungskompetenz des Bundes (dazu a) noch an der mangelnden Bestimmtheit des streitgegenständlichen Bescheids (dazu b). Die Klägerin zählt aber nicht zum öffentlichen Sektor im Sinn des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 FPStatG, auf den die im Bescheid genannte Rechtsgrundlage des § 3 Abs. 7 FPStatG Bezug nimmt, und ist daher nicht auskunftspflichtig (dazu c). Unionsrechtliche Vorgaben führen zu keinem von der Auslegung des nationalen Rechts abweichenden Ergebnis (dazu d).
a) Das Fehlen einer Gesetzgebungskompetenz steht der Inanspruchnahme der Klägerin für die in § 1 FPStatG aufgeführten Bundesstatistiken nicht entgegen. Nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 11 GG kommt dem Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für die „Statistik für Bundeszwecke“ zu. Nach ständiger Rechtsprechung muss die Statistik der Erfüllung von Bundesaufgaben dienen, darf aber gleichzeitig auch Anforderungen der Länder Rechnung tragen, zumal angesichts der sich vielfältig überschneidenden Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und Planungszuständigkeiten eine eindeutige kompetenzmäßige Zuordnung zum Kompetenzbereich der Länder kaum möglich ist (vgl. BVerfG, U.v. 30.7.1958 – 2 BvF 3, 6/58 – BVerfGE 8, 104/119; U.v. 15.12.1983 – 1 BvR 209/83 – BVerfGE 65, 1/39; U.v. 19.9.2018 – 2 BvF 1, 2/15 – BVerfGE 150, 1 Rn. 143 ff.). Gegen die dem Bescheid zugrunde liegenden Bestimmungen des Finanz- und Personalstatistikgesetzes, insbesondere die Normierung der Erhebungseinheiten in § 2 FPStatG, bestehen unter diesem Gesichtspunkt keine Bedenken. Zweck der statistischen Erhebungen ist die Bereitstellung von Entscheidungshilfen für die einzelnen Bereiche der Politik, vor allem für die Wirtschafts- und Finanzpolitik sowie für die Personalpolitik im öffentlichen Dienst (vgl. BT-Drs. 12/3256 S. 10). Dies dient der Erfüllung einer Aufgabe (auch) des Bundes, für die er unter anderem Daten der Länder sowie der Gemeinden und Gemeindeverbände bezüglich ihrer Finanzwirtschaft und ihres Personals benötigt (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 FPStatG). Ob die Klägerin zur Auskunft herangezogen werden kann, ist keine Frage der Gesetzgebungskompetenz, sondern hängt davon ab, ob sie zum Kreis der Erhebungseinheiten nach § 2 FPStatG gehört.
b) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist nicht von der Nichtigkeit des angefochtenen Bescheids wegen mangelnder Bestimmtheit nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG auszugehen. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist allein die zukunftsgerichtete Bestimmung in Nr. 1 Satz 2 des Bescheidstenors, wonach sich die in Nr. 1 Satz 1 für das Geschäftsjahr 2011 ausgesprochene Verpflichtung auch auf die Auskünfte bezieht, um die die Klägerin künftig gebeten wird, sowie auf die Erhebungsbögen, die ihr in Zukunft noch übersandt werden. Wie bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, ist dieses Auskunftsverlangen hinreichend bestimmt, weil sich sein Regelungsgehalt aus der in Bezug genommenen Nr. 1 Satz 1 des Tenors und den in den Bescheidsgründen als Rechtsgrundlage angeführten Bestimmungen des Personal- und Finanzstatistikgesetzes erschließt. Hieraus lassen sich Gegenstand, Inhalt und Umfang der auf die Folgejahre nach 2011 bezogenen, jährlich wiederkehrenden Auskunftsverpflichtung entnehmen, die mit den künftig zur Verfügung gestellten Erhebungsbögen als Mittel der Auskunftserteilung zu erfüllen ist. Der Umstand, dass nach den Angaben der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung jedenfalls ab 2015 keine Aufforderungen ergangen bzw. keine Erhebungsbögen übersandt worden sind, führt dazu, dass der Bescheid für den betreffenden Zeitraum mangels Konkretisierung (derzeit) nicht vollziehbar ist, ändert aber an der hinreichenden Bestimmtheit des Auskunftsverlangens nichts. Gegen eine etwaige Ausweitung des Berichtskreises in sachlicher oder personeller Hinsicht bei geänderten tatsächlichen oder rechtlichen Rahmenbedingungen könnte sich die Klägerin ebenso wie andere Erhebungseinheiten durch Anfechtung späterer Bescheide zur Wehr setzen.
c) Die Klägerin unterliegt nicht der im Bescheid vom 15. Juli 2013 ausgesprochenen, auf § 1 Nr. 1, § 3 Abs. 7, § 9, § 11 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d und Abs. 3 FPStatG gestützten Pflicht zur Erteilung statistischer Auskünfte, weil sie nach ihrer Ausgestaltung im Bayerischen Mediengesetz (BayMG) keine Erhebungseinheit im Sinn des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 FPStatG darstellt.
aa) Zu den als Bundesstatistiken durchgeführten Statistiken der öffentlichen Finanzwirtschaft und des Personals im öffentlichen Dienst zählt nach § 1 Nr. 1 FPStatG die Statistik der Ausgaben und Einnahmen. Welche Erhebungsmerkmale diese Statistik im Einzelnen umfasst, wird – aufgegliedert nach der jeweiligen in Bezug genommenen Erhebungseinheit – in § 3 FPStatG geregelt. Der streitgegenständliche Bescheid nennt als Rechtsgrundlage (allein) § 3 Abs. 7 FPStatG, wonach die Statistik „bei den Erhebungseinheiten nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 FPStatG“ bestimmte Erhebungsmerkmale in jährlicher Form erfasst. § 3 Abs. 7 FPStatG nimmt somit ausschließlich Bezug auf die – national definierten – Erhebungseinheiten im Sinn des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 FPStatG, die sich mit dem Oberbegriff des „öffentlichen Sektors“ zusammenfassen lassen. Einen Verweis auf unionsrechtliche Vorgaben enthält diese Vorschrift nicht; insoweit ist sie anders formuliert als § 3 Abs. 8 FPStatG, der für bestimmte vierteljährliche Statistikpflichten auf die Erhebungseinheiten nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 FPStatG Bezug nimmt, „die nach den Definitionen im Anhang A der Verordnung (EG) Nr. 2223/96 dem Sektor Staat zugerechnet werden“ (sogenannter „staatlicher Sektor“ oder „Staatssektor“). § 3 Abs. 8 FPStatG wird im angefochtenen Bescheid nicht als Rechtsgrundlage für die Auskunftsverpflichtung genannt.
bb) Die Klägerin ist keine Erhebungseinheit im Sinn des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 FPStatG. Nach dieser als Auffangnorm konzipierten Vorschrift erstrecken sich die Statistiken auf die Finanzwirtschaft und das Personal der staatlichen und kommunalen Fonds, Einrichtungen und Unternehmen, die in öffentlicher oder privater Rechtsform geführt werden, soweit nicht die Nummern 1 bis 3, 7 und 8 Anwendung finden; erfasst werden auch solche Erhebungseinheiten, die in öffentlicher Rechtsform geführt werden und rechtlich unselbständig sind, wenn für sie Sonderrechnungen geführt werden. Die Klägerin gehört unabhängig von der formellen Frage ihrer Organisationsform und ihrer Einordnung im Rahmen der Staatsverwaltung (dazu BayVGH, B.v. 9.1.2007 – 7 CS 06.2495 – VGH n.F. 60, 40/43 f. = juris Rn. 35; vgl. zu diesen Kriterien auch BayVerfGH, E.v. 2.5.2016 – Vf. 93-VI-14 – BayVBl 2017, 300 = juris Rn. 32 ff.; Di Fabio, BayVBl 1999, 449/450 f.) nicht zu dem von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 FPStatG erfassten Adressatenkreis; insbesondere stellt sie keine staatliche Einrichtung im Sinn dieser Vorschrift dar.
(1) Grundintention des Finanz- und Personalstatistikgesetzes war und ist es, die öffentliche Finanzwirtschaft und das Personal im öffentlichen Dienst statistisch zu erfassen (vgl. nur den Einleitungssatz des § 1 FPStatG sowie § 1 Nr. 4 FPStatG). Nach der Begründung des Entwurfs zum Finanz- und Personalstatistikgesetz vom 21. Dezember 1992 sollte eine umfassende und lückenlose Darstellung der öffentlichen Finanzen gewährleistet werden, die zunehmend durch Ausgliederungen von Aufgaben vor allem aus den kommunalen Haushalten beeinträchtigt werde (BT-Drs. 12/3256 S. 1, 10). Daher sollten auch die aus den öffentlichen (kommunalen) Haushalten ausgegliederten, mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben betrauten Einheiten bzw. Unternehmen in die Finanzstatistik einbezogen werden (vgl. BT-Drs. 12/3256 S. 12), nicht aber Einrichtungen wie die Klägerin, die nie Teil des öffentlichen Sektors waren. So hieß es zum damaligen § 2 Abs. 1 Nr. 8 FPStatG – der Vorläufervorschrift für Anstalten und Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Dienstherrnfähigkeit -, man habe von einer vollständigen Einbeziehung des mittelbaren Dienstes abgesehen, weil sonst eine Vielzahl heterogener juristischer Personen wie die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften oder die öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten auskunftspflichtig geworden wären (BT-Drs. 12/3256 S. 13). Öffentlichrechtliche Rundfunkanstalten sollten somit ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 Nr. 8 FPStatG ausgeklammert und auch bzw. erst recht nicht unter den Auffangtatbestand des damaligen § 2 Abs. 1 Nr. 10 FPStatG für sonstige staatliche und kommunale Einrichtungen subsumiert werden. Dieser historische Regelungswille blieb auch nach Wegfall des Kriteriums der Dienstherrneigenschaft erhalten, da auch die nachfolgenden Gesetzesänderungen keine entgegengesetzte gesetzgeberische Intention erkennen lassen (vgl. etwa die Bezugnahme auf die Ausgliederungen von Einrichtungen aus den Kernhaushalten in BT-Drs. 15/5215 S. 1, 9; vgl. auch BT-Drs. 17/12640 S. 11).
(2) Die auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bezogene Ausklammerung gilt auch für die den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in ihrer organisationsrechtlichen Grundkonzeption nahestehende Klägerin. Diese nimmt nach ihrer Ausformung in Art. 10 ff. BayMG eine Zwitterstellung zwischen dem öffentlichen und dem gesellschaftlichen Sektor ein, die es rechtfertigt, sie für die hier in Rede stehenden statistischen Anforderungen dem gesellschaftlichen Bereich zuzuordnen. Maßgeblich hierfür ist der Grundsatz der Staatsfreiheit bzw. Staatsferne des Rundfunks (vgl. nur BVerfG, U.v. 28.2.1961 – 2 BvG 1, 2/60 – BVerfGE 12, 205/262 ff.; U.v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11 – BVerfGE 136, 9/32 ff. = juris Rn. 43 ff.), der auch in Art. 111a BV zum Ausdruck kommt und bei der Klägerin als öffentlich-rechtlicher Trägerin des Rundfunks (Art. 2 Abs. 1 BayMG) und als Landesmedienanstalt (Art. 10 Abs. 1 Satz 3 BayMG) seine spezifische Ausprägung gefunden hat. Gegen eine Zuordnung zum öffentlichen Sektor spricht insbesondere, dass die nach Art. 10 Abs. 1 Satz 2 BayMG mit dem Recht der Selbstverwaltung ausgestattete Klägerin keiner inhaltlichen staatlichen Kontrolle oder Weisungsbefugnis unterliegt. Ihr Präsident wird nicht durch die Exekutive bestimmt, sondern nach Art. 15 Abs. 1 Satz 2 BayMG auf die Dauer von fünf Jahren durch den – gemäß Art. 13 BayMG pluralistisch zusammengesetzten – Medienrat gewählt. Weder die – ohnehin nach Art. 19 BayMG erheblich eingeschränkte – Rechtsaufsicht des Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst (dazu BayVGH, B.v. 9.1.2007 – 7 CS 06.2495 – VGH n.F. 60, 40/43 f. = juris Rn. 35) noch die Prüfung der Haushaltsführung durch den Obersten Rechnungshof gemäß Art. 21 Abs. 2 BayMG stellen eine politische Kontrolle der Tätigkeit der Klägerin dar, die nach Art. 11 BayMG ein eigenes, dem Staat entzogenes Aufgabenspektrum erfüllt. Schließlich trägt das eigenständige Finanzierungssystem der Klägerin dem Grundsatz der Staatsfreiheit Rechnung. Gemäß Art. 21 Abs. 1 Nr. 2 BayMG finanziert die Klägerin ihre Aufgaben im Wesentlichen aus ihrem Anteil am Rundfunkbeitragsaufkommen gemäß §§ 10 und 11 des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags, der nach §§ 2 ff. eine politikferne Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs durch die unabhängige Kommission KEF vorsieht. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist eine finanzstatistische Erfassung der Klägerin nicht angezeigt.
d) Der Rückgriff auf die Begriffsbestimmungen des Unionsrechts führt zu keinem anderen Ergebnis, unabhängig davon, ob diese aufgrund einer ausdrücklichen Bezugnahme in den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen oder unmittelbar im Wege des Anwendungsvorrangs Geltung beanspruchen.
aa) Der Bundesgesetzgeber hat seinen ursprünglichen Willen, spezifische Einheiten wie die Klägerin von der Auskunftspflicht nach dem Finanz- und Personalstatistikgesetz auszunehmen, nicht durch die Verweisung auf unionsrechtliche Vorgaben revidiert. Ob, inwieweit und für welche Zwecke sich der Gesetzgeber die unionsrechtliche Nomenklatur zu Eigen machen wollte, ist der Gesetzeshistorie nicht eindeutig zu entnehmen. Nach einer bloßen Erwähnung in den Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drs. 14/1636 S. 199) erfolgte eine ausdrückliche Bezugnahme im Gesetzeswortlaut erstmals mit dem Neuerlass des Finanz- und Personalstatistikgesetzes durch Bekanntmachung vom 22. Februar 2006 (BGBl. I S. 438). Zum damaligen Zeitpunkt fand die Verordnung (EG) Nr. 2223/96 vom 25. Juni 1996, durch die das Europäische System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen auf nationaler und regionaler Ebene in der damaligen Europäischen Gemeinschaft (ESVG 1995) eingeführt wurde, an verschiedenen Stellen Eingang in den Gesetzestext (vgl. neben dem inzwischen wieder aufgehobenen § 2 Abs. 4 FPStatG insbesondere § 3 Abs. 8 und § 5 Nr. 2 FPStatG). In der Begründung zum Gesetzentwurf ist allerdings nicht von einer unionsrechtlichen Definition des Sektors Staat, sondern von einer Begriffsbestimmung der Finanzaktiva die Rede (vgl. BT-Drs. 15/5215 S. 9). Eine klare Definition des Sektors Staat enthält die Regelung nicht. Die in der Gesetzesbegründung zum damaligen § 2 Abs. 1 Nr. 10 FPStatG aufgeführten Fälle und Kriterien sind wiederum auf kommunale Eigenbetriebe und ähnliche Erhebungseinheiten, nicht aber auf Einrichtungen wie die Klägerin zugeschnitten (vgl. BT-Drs. 15/5215 S. 10).
bb) Die Ablösung des ESVG 1995 durch das Europäische System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen auf nationaler und regionaler Ebene in der Europäischen Union (ESVG 2010) hat der Bundesgesetzgeber nicht nachvollzogen bzw. zumindest nicht redaktionell durch ausdrückliche Anpassung seiner Verweisungsnormen kenntlich gemacht. Die Verordnung (EU) Nr. 549/2013, mit der das ESVG 2010 eingeführt wurde (vgl. Art. 1 Abs. 1), trat nach ihrem Art. 13 zum 16. Juli 2013 in Kraft. Der Wortlaut des Finanz- und Personalstatistikgesetzes verweist aber – ungeachtet zwischenzeitlicher Gesetzesänderungen – nach wie vor auf die VO (EG) Nr. 2223/96 (vgl. etwa die Eingangssätze des § 3 Abs. 8, § 5 Nr. 1 und § 5 Nr. 2 FPStatG). Unionsrechtlich ist dies schon deshalb unbedenklich, weil nach Art. 1 Abs. 4 VO (EU) Nr. 549/2013 gerade keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten besteht, für ihre eigenen Zwecke die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen nach dem ESVG 2010 zu erstellen. Die innerstaatliche, zwischen den Verfahrensbeteiligten breit diskutierte Frage, ob das Finanz- und Personalstatistikgesetz statische oder dynamische Verweisungen auf die unionsrechtlichen Vorgaben enthält, bedarf im hiesigen Verfahren keiner Klärung. Der streitgegenständliche Bescheid wurde am 15. Juli 2013, also noch vor Inkrafttreten des ESVG 2010, erlassen. Wie oben dargelegt, ist er allein auf die national definierte Rechtsgrundlage des § 3 Abs. 7 FPStatG und nicht auf die unionsrechtlich überformte Befugnisnorm des § 3 Abs. 8 FPStatG gestützt. Ein nachträglicher Austausch der beiden Rechtsgrundlagen kommt schon angesichts der Unterschiede zwischen den darin vorgesehenen jährlichen und vierteljährlichen Statistikpflichten nicht in Betracht.
cc) Selbst wenn man die unionsrechtliche Nomenklatur in der Gestalt des derzeit geltenden ESVG 2010 gleichsam „aus sich heraus“, also kraft des allgemeinen Vorrangs des Unionsrechts, für die Abgrenzung zwischen dem staatlichen und dem nichtstaatlichen Sektor nutzbar machen könnte, änderte dies an der Zuordnung der Klägerin zum gesellschaftlichen Bereich nichts. Wie oben dargelegt, kann der grundsätzliche Anwendungsvorrang des Unionsrechts gegenüber dem mitgliedstaatlichen Recht (grundlegend EuGH, Rs. 6/64, Costa/ENEL, Slg. 1964, 1251/1269 Rn. 8 ff.; vgl. für die Rechtshandlung der Verordnung auch Art. 288 Abs. 2 AEUV), schon wegen Art. 1 Abs. 4 VO (EU) Nr. 549/2013 nur für die Erfüllung der europarechtlichen Berichtspflichten gegenüber Eurostat, nicht aber für die eigenen Zwecke des Bundes gelten. Im Übrigen würde die Anwendung des Anhangs A der VO (EG) Nr. 2223/96 und des – insoweit mit präziseren Abgrenzungskriterien versehenen – Anhangs A der VO (EU) Nr. 49/2013 letztlich zu gleichen Ergebnissen führen, wovon auch die Beteiligten insoweit übereinstimmend ausgehen. Denn nach der Begriffsbestimmungen des ESGV 1995 (Anhang A Kap. 2 Nr. 2.68 ff., 2.72) bzw. den nahezu wortgleichen Definitionen des ESVG 2010 (Anhang A Kap.2 Nr. 2.111, 2.115) und den zugehörigen Erläuterungen (vgl. Anhang A Kap. 20 Nr. 20.05, 20.13) kommt es für die Zuordnung zum Sektor Staat maßgeblich auf die Erfüllung des Kriteriums der staatlichen Kontrolle an (dazu jüngst EuGH, U.v. 3.10.2019 – Rs. C-632/18). Eine solche ist nach einer wertenden Gesamtbetrachtung der unionsrechtlichen Kriterien (vgl. ESVG 2010 Anhang A Kap. 20 Nr. 20.15 Satz 3 und Satz 7) ebenso wie nach den nationalen Auslegungskriterien zu verneinen. Kann nämlich eine Organisation ohne Erwerbszweck, die hauptsächlich durch den Staat finanziert wird, ihre Politik oder ihr Programm in einem signifikanten Umfang selbst bestimmen, wird sie nicht als vom Staat kontrolliert betrachtet (ESVG 2010 Anhang A Kap. 20 Nr. 20.15 Satz 5).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 1, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Als unterliegender Beteiligter trägt der Beklagte gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Berufungsverfahrens. Hinsichtlich der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens musste die vom Verwaltungsgericht getroffene einheitliche Kostenentscheidung für den bereits in der Hauptsache erledigten Teil und für den noch streitgegenständlichen Teil der Klage nachträglich quantifiziert und mit Kostenquoten versehen werden. Bezüglich des für erledigt erklärten Teils, der zwei Geschäftsjahre als Erhebungszeiträume betrifft, verbleibt es bei der Kostentragungspflicht der Klägerin; diesen Teil setzt der Senat nach billigem Ermessen gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO im Einverständnis mit den Beteiligten mit 1/5 des Gesamtwerts an. Die übrigen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Beklagte nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen.
3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
4. Die Revision ist nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, weil die Frage der Heranziehung von Einheiten wie der Klägerin zu statistischen Auskunftspflichten in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bisher nicht abschließend geklärt ist.


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