Europarecht

Aufschiebende Wirkung, Verwaltungsgerichte, Antragsgegner, Begründungserfordernis, Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, Anfechtungsklage, Verbrauchererwartung, Summarische Prüfung, Futtermittelrecht, Futtermitteln, Futtermittelhersteller, Prozeßbevollmächtigter, Durchschnittsverbraucher, Verbraucherbefragung, Verbrauchersicht, Streitwertfestsetzung, Antragstellers, Sofortvollzugsanordnung, Prozeßkostenhilfeverfahren, Anordnung des Sofortvollzugs

Aktenzeichen  M 26b S 20.486

Datum:
27.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 40195
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
LFGB § 19, § 39
Verordnung (EG) Nr. 767/2009 Art. 11 Abs. 1

 

Leitsatz

Verfahrensgang

20 CS 20.2074 2020-01-27 Bes VGHMUENCHEN VGH München

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 5.2.2020 gegen den Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 20.1.2020 wird wiederhergestellt.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Verpflichtung zur Anpassung verwendeter Kennzeichnungs- und Werbetexte für Futtermittel.
Die Antragstellerin ist Gründerin und Geschäftsführerin der … GmbH, die seit 2005 Tiernahrungsprodukte, und zwar v.a. Heimtierfutter für Katzen und Hunde in Dosen, produziert und vertreibt. Ihre Produkte ließ sie zunächst bei dem Metzgermeisterbetrieb … GmbH produzieren. Seit Anfang des Jahres 2020 produziert sie in einer eigenen Produktionsstätte in … bei München.
Nachdem der Antragsgegner die Antragstellerin auf seiner Meinung nach futtermittelrechtlich unzulässige Aussagen im Rahmen der Bewerbung und Kennzeichnung ihrer Produkte (auf Etiketten von Dosenfutter und in der Internetwerbung) hingewiesen hatte, verpflichtete er sie nach Anhörung mit streitgegenständlichen Bescheid vom 20. Januar 2020, bis zum 31. März 2020 sämtliche für den Verkehr bestimmte Futtermittel ihres Unternehmens sowie ihren Internetauftritt auf ordnungsgemäße Kennzeichnungs- und Werbetexte hin zu überprüfen und so anzupassen, dass diese den gesetzlichen Vorgaben der Art. 11 ff. der Verordnung (EG) Nummer 767/2009 (u.a). wie folgt entsprechen:
1.1. Eine Bewerbung mit „Hergestellt in einer bayerischen Metzgerei“, „Hergestellt von Metzgermeister in eigener Produktion“ bzw. mit vergleichbaren Aussagen, die auf eine Herstellung durch Metzgermeister Bezug nehmen, ist nur zulässig, sofern Nachweise
vorgelegt werden können, dass die Herstellung des Produkts in einem handwerklichen Metzgereibetrieb erfolgt (Nr. 1). Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet (Nr. 2). Die Erfüllungsfrist wurde bei Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs bis zum Ablauf von 2 Monaten nach Eintritt der Bestandskraft verlängert (Nr. 3). Für Verstöße wurde jeweils Zwangsgeld angedroht (Nr. 4).
Zur Begründung wurde ausgeführt, die beanstandeten Aussagen seien irreführend und unzulässig, weil sie nicht den Tatsachen entsprächen. Denn damit werde ein besonderes Qualitätsmerkmal zum Ausdruck gebracht, und zwar, dass die Herstellung in einem handwerklichen Metzgereibetrieb durch die handwerkliche Tätigkeit eines Metzgermeisters erfolge. Der Begriff „Produktion“ ändere hieran nichts, da der durchschnittliche Verbraucher aufgrund des Zusammenhangs mit der Formulierung „Metzgermeister“ davon ausgehe, dass die Herstellung in einer herkömmlichen Produktionsstätte eines Metzgers und damit in einer Metzgerei erfolge. Tatsächlich aber würden die Produkte in einem Futtermittelbetrieb in einem Herstellungsprozess industriellen Umfangs hergestellt. Die überwiegende Anzahl der notwendigen Arbeitsschritte werde wie bei vergleichbaren Futtermittelherstellern maschinell durchgeführt. Die berufliche Qualifikation einzelner Mitarbeiter als Metzger oder Metzgermeister sei kein besonderes Qualitätsmerkmal, das eine besondere Auslobung rechtfertige, da im konkreten Herstellungsprozess deren besondere Kenntnisse und Fähigkeiten nicht zum Tragen kämen.
Die Anordnung auf der Rechtsgrundlage des § 39 Abs. 1 und 2 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) sei erforderlich, um die festgestellten Verstöße zu beseitigen sowie die Verwender der Futtermittel künftig vor Täuschung zu schützen. Sie sei auch verhältnismäßig, da der Antragstellerin der Nachweis der tatsächlichen Herstellung in einem handwerklichen Metzgereibetrieb ermöglicht werde.
Die Anordnung der Sofortvollzugs sei erforderlich, um den Schutz des Verbrauchers vor Täuschung und Irreführung auch schon vorläufig sicherzustellen und das zugrundeliegende Unionsrecht wirksam und einheitlich durchzusetzen.
Hiergegen ließ die Antragstellerin am … Februar 2020 Anfechtungsklage erheben. Sie beantragt im vorliegenden Verfahren,
I. die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom *.2.2020 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 20.1.2020 wiederherzustellen,
II. hilfsweise die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuheben, soweit sie sich auf folgende Anordnung bezieht:
„Sie als Verantwortliche des Unternehmens … GmbH, …, …, werden verpflichtet, bis zum 31.03.2020 sämtliche für den Verkehr bestimmte Futtermittel Ihres Unternehmens sowie Ihren Internetauftritt auf ordnungsgemäße Kennzeichnungs- und Werbetexte hin zu überprüfen und so anzupassen, dass diese den gesetzlichen Vorgaben der Art. 11 ff. der Verordnung (EG) Nr. 767/2009 u.a. wie folgt entsprechen:
1.1 Eine Bewerbung mit „Hergestellt von Metzgermeistern in eigener Produktion“ bzw. mit vergleichbaren Aussagen, die auf eine Herstellung durch Metzgermeister Bezug nehmen, ist nur zulässig, sofern Nachweise vorgelegt werden können, dass die Herstellung des Produkts in einem handwerklichen Metzgerbetrieb erfolgt.“
Zur Begründung wurde geltend gemacht, dass ein Verstoß gegen § 19 LFGB i.V.m. Art. 11 Abs. 1 der Verordnung (EG) 767/2009 nicht vorliege. Die beanstandete Aussage sei inhaltlich zutreffend. Die Produkte der Antragstellerin würden von Metzgermeistern in eigener Produktion hergestellt. In der Produktionsstätte der Antragstellerin seien von 11 mit der Weiterverarbeitung der Rohstoffe betrauten Personen drei Metzgermeister und zwei Metzger. Der Produktionsleiter und der Leiter der Qualitätsleitung seien Metzgermeister, die bereits bei der … GmbH beschäftigt gewesen seien und dort die gleichen Tätigkeiten in der Verarbeitung von Rohstoffen verrichtet hätten wie nun bei der Antragstellerin. Sie hätten Aufgaben in der Produktion, die gemäß § 2 Fleischermeisterverordnung zu den Kenntnissen und Fähigkeiten eines Metzgermeisters gehörten.
Viele dieser Arbeiten seien keine maschinellen Tätigkeiten, sondern handwerkliche Tätigkeiten, die wesentlich für die Qualität der Produkte seien. Somit sei die Behauptung falsch, dass die bei der Antragstellerin tätigen Metzgermeister ihren Beruf als Metzgermeister in der Produktion gar nicht ausübten. Falsch sei auch, dass die besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten, die der Verbraucher mit dem Begriff „Metzger“ bzw. „Metzgermeister“ verbinde, in der Produktion der Antragstellerin nicht zum Tragen kämen. Gemäß § 3 Nr. 2 LFGB sei „Herstellen“ nicht nur das Gewinnen, sondern auch das Zubereiten, Be- und Verarbeiten und das Mischen.
Selbst im Lebensmittelbereich gäbe es in der Produktion keine solche Dichte an Metzgermeistern wie bei der Antragstellerin. Der Antragsgegner gehe von einem zu engen und veralteten Verständnis der Begriffe „Metzgerei“ und „handwerklicher Metzgerbetrieb“ aus. Ein Handwerksbetrieb schließe den Einsatz von Maschinen und eine größere Produktionsstätte nicht aus. Der verständige und durchschnittlich informierte Verbraucher könne bereits an der Aufmachung der Produkte in Form einer Futterdose und sonst aus dem Zusammenhang erkennen, dass es sich um industriell gefertigte Produkte aus einer größeren Produktionsstätte, und nicht um eine Produktion in einer kleinen, ausgesprochen handwerklichen „Manufaktur“ handle.
Das pauschale Verbot einer Bezugnahme auf Herstellung durch Metzgermeister gleich in welcher Form sei unverhältnismäßig. Darüber hinaus sei die Anpassungsfrist von nicht einmal 3 Monaten unverhältnismäßig, da eine besondere Dringlichkeit des Verbots nicht gegeben sei und es der Antragstellerin innerhalb dieser Frist nicht möglich sei, die Kennzeichnung ihrer Produkte entsprechend zu ändern.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er verwies darauf, dass zwar heute aufgrund des technischen Fortschritts im Metzgerhandwerk auch Maschinen eingesetzt würden. Dort dienten sie aber lediglich der Hilfestellung und würden die handwerklichen Arbeiten nicht vollständig ersetzen. Bei der Antragstellerin würden die Metzgermeister aber, soweit sie in die Produktion eingebunden seien, nur Maschinen betätigen. Werde auf die Herstellung von Metzgermeistern Bezug genommen, dann verstehe das der verständige durchschnittliche Verbraucher so, dass die Metzger entscheidenden Anteil am tatsächlichen Herstellungsprozess hätten. Die Beteiligung von Metzgern an dem Herstellungsprozess vor- oder nachgelagerten Tätigkeiten oder an der Leitung der Produktion genüge nicht, um die beanstandete Aussage sachlich richtig zu machen. Dies entspreche auch der Vorschrift des § 3 Nr. 2 LFGB, wonach sich der Herstellungsbegriff auf einzelne bestimmte Tätigkeiten beschränke. Der Begriff „Metzgermeister“ wecke Assoziationen an eine Metzgerei und damit an einen Lebensmittelbetrieb, was irreführend sei, da die Antragstellerin gerade keine lebensmittelrechtliche Zulassung besitze. Diese Irreführung werde durch die (nicht beanstandete) Bewerbung des unbestrittenen Einsatzes von Rohstoffen in Lebensmittelqualität noch verstärkt.
Dem tritt die Antragstellerin entgegen. Dem Antragsgegner seien die Produktionsabläufe bei der Antragstellerin nicht bekannt. Die Metzgermeister bei der Antragstellerin seien sehr wohl in die tatsächliche Herstellung involviert, indem sie zum Beispiel Rohstoffe prüften, sortierten und abwögen, Mischkonserven unter Einsatz von Sterilisationsverfahren herstellten, Körnung, Zerkleinerung und Mischung der Rohstoffe beurteilten etc. Hier sei handwerkliches Können gefragt. Auch in größeren Metzgereien werde der Herstellungsprozess im engeren Sinne von Maschinen bewältigt. Die Herstellung unter der Leitung und Mitarbeiter von Metzgermeistern sei ein Alleinstellungsmerkmal der Antragstellerin, auf das sie sachlich und den Tatsachen entsprechend hinweisen dürfe. Der Verbraucher komme aufgrund der beanstandeten Angaben nicht auf die Idee, dass es sich bei der Antragstellerin um einen Lebensmittelbetrieb handle.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der vorliegende Antrag ist zulässig und in der Sache begründet.
Die Sofortvollzugsanordnung begegnet in formeller Hinsicht zwar keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Eine Beurteilung des angefochtenen Bescheids im Rahmen der im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes nur möglichen summarischen Prüfung ergibt aber, dass dieser voraussichtlich rechtswidrig ist und die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO-), so dass die aufschiebende Wirkung der erhobenen Anfechtungsklage nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO wiederherzustellen ist.
1. Die formellen Voraussetzungen für den Erlass einer Sofortvollzugsanordnung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO sind erfüllt. Insbesondere ist dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt. Nach dieser Vorschrift ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen.
An das Begründungserfordernis dürfen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden (BayVGH, B.v. 10.07.2008 – 19 CS 08.1231, 19 CS 08.1741 – juris, Rn. 5). Nicht ausreichend ist es jedoch, die sofortige Vollziehbarkeit lediglich formelhaft zu begründen. Vielmehr müssen die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe angegeben werden, die die Behörde dazu bewogen haben, den Suspensiveffekt auszuschließen (BayVGH, B.v. 26.03.2008 – 20 CS 08.421 – juris, Rn. 20).
Die Begründung des Sofortvollzugs in dem angefochtenen Bescheid wird diesen Anforderungen gerecht. Die Behörde hat ausreichend einzelfallbezogen dargelegt, dass aus ihrer Sicht im vorliegenden Fall das öffentliche Interesse des Schutzes des Verbrauchers vor Täuschung – auch vor dem Hintergrund einer effektiven Anwendung und Durchsetzung des Unionsrechts – schwerer wiegt als das Interesse der Antragstellerin am weiteren Vertrieb der Produkte bis zur Unanfechtbarkeit des Bescheids. Ob diese Begründung die Anordnung des Sofortvollzugs materiell trägt, ist dabei nicht im Rahmen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO zu prüfen (BayVGH, B.v. 10.07.2008, a.a.O.).
2. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind insbesondere die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens dagegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessensabwägung.
Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall war die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen, weil die „Anpassungsverfügung“ des Antragsgegners nach der hier gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung rechtswidrig ist und die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt, so dass die hiergegen erhobene Anfechtungsklage voraussichtlich Erfolg haben wird (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
2.1 Rechtsgrundlage der angegriffenen Verfügung ist § 39 Abs. 2 Satz 1 Lebensmittelund Futtermittelgesetzbuch (LFGB). Hiernach treffen die zuständigen Behörden die notwendigen Anordnungen und Maßnahmen, die zur Feststellung oder zur Ausräumung eines hinreichenden Verdachts eines Verstoßes oder zur Beseitigung festgestellter Verstöße oder zur Verhütung künftiger Verstöße sowie zum Schutz vor Gefahren für die Gesundheit oder vor Täuschung erforderlich sind.
Nach § 19 LFGB ist es verboten, Futtermittel, deren Kennzeichnung oder Aufmachung den Anforderungen des Artikels 11 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 767/2009 nicht entspricht, in den Verkehr zu bringen oder für solche Futtermittel allgemein oder im Einzelfall zu werben.
Nach der Generalklausel des Art. 11 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 767/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über das Inverkehrbringen und die Verwendung von Futtermitteln (im folgenden FMVVO), dürfen Kennzeichnung und Aufmachung von Futtermitteln den Verwender nicht irreführen. Als Regelbeispiele sind insbesondere verboten Irreführungen
a) hinsichtlich des vorgesehenen Verwendungszwecks oder der Merkmale des Futtermittels, insbesondere der Art, des Herstellungs- oder Gewinnungsverfahrens, der Beschaffenheit, der Zusammensetzung, der Menge, der Haltbarkeit oder der Tierarten oder -kategorien, für die es bestimmt ist,
b) durch Angabe von Wirkungen oder Eigenschaften, die das Futtermittel nicht besitzt, oder indem zu verstehen gegeben wird, dass es besondere Eigenschaften besitzt, obwohl alle vergleichbaren Futtermittel dieselben Eigenschaften besitzen,
Der Begriff „Kennzeichnung“ ist für das Inverkehrbringen und die Verwendung von Futtermitteln in Art. 3 Abs. 2 Buchst. s der FMVVO definiert als Zuweisung von Angaben, Hinweisen, Warenzeichen, Markennamen, Abbildungen oder Zeichen, die sich auf ein Futtermittel beziehen, durch Anbringen dieser Informationen auf jeglicher Art von Medium, welches sich auf dieses Futtermittel bezieht oder dieses begleitet, wie etwa Verpackung, Behältnis, Schild, Etikett, Schriftstück, Ring, Verschluss oder im Internet, einschließlich zu Werbezwecken.
„Verwender“ und damit durch Art. 11 geschützt ist jeder Verwender von Futtermitteln. Das sind insbesondere die Personen in der Landwirtschaft, die Tiere füttern, aber auch die Verwender im privaten Haushalt, in der Forschung und bei gewerblichen Tätigkeiten.
Im Verhältnis zu Art. 16 der Verordnung (EG) 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.1.2002 (BasisVO), der ebenfalls das Verbot der Irreführung der Verbraucher durch Kennzeichnung, Werbung und Aufmachung von Lebensmitteln und Futtermitteln sowie die über sie verbreiteten Informationen enthält, ist Art. 11 der FMVVO, da auf Futtermittel beschränkt, die speziellere Vorschrift, so dass eine Irreführung im Verkehr mit Futtermitteln vorrangig nach dieser Vorschrift zu beurteilen ist. Für die Auslegung der Tatbestandsmerkmale der futtermittelrechtlichen Vorschriften ist gleichwohl die – umfangreiche – Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs zu den entsprechenden lebensmittelrechtlichen Vorschriften des § 11 LFGB und des Art. 16 BasisVO entsprechend heranzuziehen. Insbesondere der Begriff „Irreführung“ ist ebenso wie in Art. 16 BasisVO als unionsrechtlicher Begriff im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, wie sie vor allem zu Art. 7 Lebensmittel-Informationsverordnung ergangen ist, anzuwenden (Zipfel/Rathke LebensmittelR/Rathke LFGB § 19 Rn. 10).
Irreführend ist eine Angabe, wenn sie unwahr ist, d.h. wenn sie beim Verbraucher einen Eindruck hervorruft, der mit der Realität in nachteiliger Weise nicht übereinstimmt. Der tatsächliche Ist-Zustand muss mit anderen Worten vom aus Verbrauchersicht ermittelten Soll-Zustand nachteilig abweichen.
Mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U.v. 4.6.2015, C195/14, Rn. 36) und des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. B.v. 5.4.2011 – BVerwG 3 B 79.10 – LRE 63, 110 und B.v. 18.10.2000 – BVerwG 1 B 45.00 -Buchholz 418.711 LMBG Nr. 34) ist bei Ermittlung des Soll-Zustandes auf die Sicht eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen. Zu fragen ist, wie ein solcher Verbraucher eine Information oder eine Aufmachung wahrscheinlich auffassen wird, ohne dass es eines Sachverständigengutachtens oder einer Verbraucherbefragung bedarf (Boch, Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch, 8. Online-Auflage 2019, § 11 LFGB Rn. 6). Subsidiär ist die allgemeine Verkehrsauffassung zur Bestimmung des Soll-Zustandes heranzuziehen.
Ein Verstoß gegen die Vorschriften zur Täuschung setzt weiter nur voraus, dass die Angabe zur Täuschung geeignet ist (vgl. Rathke in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand 173. EL März 2019, § 40 LFGB Rn. 70). Eine tatsächlich eingetretene Irreführung oder gar Schädigung muss weder vorliegen noch nachgewiesen werden, um einen Verstoß gegen das Irreführungsverbot zu begründen. Zur Täuschung geeignet ist eine Information dann, wenn sie den tatsächlichen Gegebenheiten nicht entspricht und daher geeignet ist, bei den angesprochenen Verkehrskreisen zumindest auch unrichtige Vorstellungen über das Produkt zu erwecken (Meyer in Meyer/Streinz, LFGB – BasisVO, 2. Auflage 2012, § 11 LFGB Rn. 18; Wehlau, LFGB, Kommentar, 2010, § 11 Rn. 17 ff.).
Ob die verwendete Bezeichnung, Angabe, Aufmachung, Darstellung oder sonstige Aussage über dessen Eigenschaften zur Täuschung des Verbrauchers geeignet und deshalb als irreführend anzusehen ist, beurteilt sich stets nach den Umständen des konkreten Einzelfalls und unter Einbeziehung des Kontextes, in dem die Verwendung der Bezeichnung, Angabe etc. steht. (BVerwG, B.v. 20.6.2012 – 3 B 87/11 -, juris).
2.2 Unter Anwendung dieser Maßstäbe auf den vorliegenden Fall ist ein Verstoß der Antragstellerin gegen die genannten Vorschriften zum Verbot der Irreführung bei der Kennzeichnung von Futtermitteln durch die Verwendung der beanstandeten Aussage „Hergestellt von Metzgermeistern in eigener Produktion“ oder vergleichbaren Aussagen, die auf eine Herstellung durch Metzgermeister Bezug nehmen, bei summarischer Prüfung nicht feststellbar.
a) Insbesondere liegt eine Irreführung hinsichtlich des Herstellungsverfahrens und der Art des Futtermittels im Sinne des Art. 11 Abs. 1 Buchst. a) der FMVVO nicht vor.
Die Angabe „Hergestellt von Metzgermeistern in eigener Produktion “ bedeutet aus der Sicht der durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher, denen sich auch die Mitglieder des erkennenden Gerichts zuzählen, zum einen, dass das vertriebene Produkt in eigener Produktion, das heißt nicht von einem anderen Unternehmer, hergestellt wird. Zum anderen entnimmt er der Angabe, dass (mehrere) Metzgermeister an der Herstellung der Produkte beteiligt sind. Dabei wird der Durchschnittsverbraucher, wenn er sich überhaupt weitere Vorstellungen macht, die Angabe so auffassen, dass die Metzgermeister an der Herstellung in der Weise beteiligt sind, dass sie die Herstellung maßgeblich mitbestimmen, etwa indem sie diese leiten und beaufsichtigen, letztlich diese maßgeblich mitbestimmen und damit die Qualität des Produkts entscheidend beeinflussen.
Dabei kommt es auf die Definition des Herstellens in § 3 Abs. 2 LFMG, wonach Herstellen im Sinne des Gesetzes das Gewinnen, einschließlich des Schlachtens oder Erlegens lebender Tiere, deren Fleisch als Lebensmittel zu dienen bestimmt ist, das Herstellen, das Zubereiten, das Be- und Verarbeiten und das Mischen ist, nicht an. Denn der Verbraucher legt seiner Vorstellung von der Bedeutung der streitgegenständlichen Angabe nicht diese gesetzliche Definition, die ihm nicht bekannt sein dürfte, zugrunde.
Der Durchschnittsverbraucher wird der Angabe entgegen der Auffassung des Antragsgegners hingegen nicht entnehmen, dass es sich bei dem Herstellungsbetrieb um einen Handwerksbetrieb, eine „Manufaktur“ oder eine Metzgerei im landläufigen Sinne handelt. Eine Metzgerei ist aus seiner Sicht (je nach Kontext) entweder ein Einzelhandelsgeschäft, in dem schwerpunktmäßig Fleisch- und Wurstwaren für den menschlichen Verzehr verkauft werden oder aber ein Betrieb, in dem solche Waren hergestellt werden, und zwar je nach Größe entweder eher handwerksmäßig (z.B. bei kleinen „Familienbetrieben“) oder industriell (bei großen Betrieben). Da hier nach dem Kontext der Angabe ihre Bedeutung als „Einzelhandelsgeschäft für den Verkauf von Wurst und Fleisch“ fernliegt, wird der Durchschnittsverbraucher die Angabe nur in dem zweiten Sinne verstehen können.
Der Verbraucher wird durch die Bezeichnung „Metzgermeister“ nicht dazu veranlasst anzunehmen, dass es sich um eine „handwerkliche“ Herstellung handelt. So wie der Verbraucher weiß, dass in einem lebensmittelrechtlichen Metzgereibetrieb handwerkliche Tätigkeiten, die früher von Menschen ausgeführt wurden, heute in weitestem Umfang von Maschinen ausgeführt werden und ein industrieller Produktionsprozess vorliegt, unterstellt der Verbraucher, der die beanstandete Aussage zur Kenntnis nimmt, dass auch in diesem Falle ein industrieller Fertigungsprozess vorliegt. Er nimmt möglicherweise dabei anerkennend zur Kenntnis, dass bei der Fertigung des Tierfutters der Antragstellerin Personen, die das Metzger- bzw. Fleischerhandwerk erlernt und darin einen Meisterbrief haben, beteiligt sind und dass die hergestellten Waren deshalb über eine besondere Qualität verfügen.
b) Der Verbraucher entnimmt der beanstandeten Aussage auch nicht, dass es sich um einen lebensmittelrechtlichen Betrieb handelt und die Antragstellerin nicht Futtermittel, sondern Lebensmittel produziert. Eine solche konkrete Verbrauchererwartung zu formulieren, ist aufgrund der Tatsache, dass es sich bei den beworbenen und etikettierten Produkten eindeutig erkennbar um Tierfutter in Dosen handelt, von vornherein abwegig. Nach dem Kontext der Angabe, die sich auf den Etiketten eines Dosenfutters für Hunde befindet sowie aufgrund der aus dem Internetauftritt der Antragstellerin ersichtlichen Tatsache, dass die Antragstellerin Tierfutter herstellt, ist dem Verbraucher klar, dass in diesem Falle die Metzgermeister nicht in einem Betrieb für die Herstellung von Lebensmitteln arbeiten, sondern in einem Futtermittelbetrieb. Dies ist für ihn auch nicht fernliegend, kann er sich doch vorstellen, dass bei der Verarbeitung von tierischen und sonstigen Rohstoffen zu Tiernahrung wie zu Lebensmitteln teilweise dieselben Kenntnisse und Fähigkeiten gefragt sind.
c) Schließlich liegt, was der Antragsgegner auch nicht geltend macht, auch keine irreführende Werbung mit Selbstverständlichkeiten im Sinne des Art. 11 Abs. 1 Buchst b) FMVVO vor, da wohl nicht alle Tierfuttermittelhersteller für sich in Anspruch nehmen können, in der Produktion Metzgermeister einzusetzen, so dass es sich um keine Selbstverständlichkeit handelt, mit der nicht geworben werden darf.
d) Der Ist-Zustand stimmt mit dem Soll-Zustand im Sinne der soeben beschriebenen Verbrauchererwartung überein und weicht von ihm nicht in nachteiliger Weise ab, wie die Antragstellerin ausreichend belegen konnte. Die Produkte der Antragstellerin werden in eigener Produktion hergestellt. An der Herstellung sind, wie von der Antragstellerin hinreichend belegt, mehrere bei der Antragstellerin angestellte Metzgermeister beteiligt, sei es, dass sie die Herstellung leiten und überwachen, sei es, dass sie selbst einzelne Produktionsschritte ausführen, indem sie zum Beispiel Rohstoffe prüfen, sortieren und abwägen, Mischkonserven unter Einsatz von Sterilisationsverfahren herstellen, sowie die Körnung, Zerkleinerung und Mischung der Rohstoffe beurteilen (und ggf. korrigieren). Im Einzelnen wird auf die von der Antragstellerin vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen der angestellten Metzgermeister verwiesen.
e) Die vom Antragsgegner zitierten Gerichtsentscheidungen führen zu keiner anderen Beurteilung. Der Sachverhalt, den das Landgericht Offenburg zu beurteilen hatte, unterscheidet sich von dem hier vorliegenden schon im Ausgangspunkt dadurch, dass die dort beanstandete Aussage „nach traditioneller Metzgerkunst hergestellt“ aus Verbrauchersicht einen anderen, ungleich stärker auf eine traditionelle handwerkliche Fertigung gerichteten Inhalt hat. Außerdem erscheinen dem Gericht insofern die zurecht strengen Anforderung der lebensmittelrechtlichen Rechtsprechung zu den Irreführungstatbeständen nicht ohne weiteres auf das Futtermittelrecht übertragbar.
f) Ob die auferlegte Anpassungspflicht hinsichtlich „vergleichbarer“ Aussagen, die auf eine Herstellung durch Metzgermeister Bezug nehmen, schon wegen ihrer Unbestimmtheit und Weite rechtwidrig ist, bedarf keiner Entscheidung, da jedenfalls nach dem oben Gesagten die Bezugnahme von Kennzeichnungen auf eine Herstellung durch Metzgermeister zulässig ist.
3. Wegen hinreichender Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage in der Hauptsache besteht kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des streitgegenständlichen Bescheides. Die aufschiebende Wirkung der Klage war demnach wiederherzustellen. Auf eine Interessenabwägung darüber hinaus kommt es nicht an.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 1.5 und 25.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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