Europarecht

Bayerischer Windkrafterlass als antizipiertes Sachverständigengutachten

Aktenzeichen  22 CS 20.841

Datum:
2.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14616
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 3, Abs. 7 S. 2, § 80a Abs. 3, § 146 Abs. 4 S. 6
BNatSchG § 44 Abs. 1 Nr. 1
BauGB § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5
BlmSchG § 6 Abs. 1 Nr. 2

 

Leitsatz

1. Der, von den bayerischen Staatsministerien erarbeitete, Windkrafterlass 2011 enthält Verwaltungsvorschriften, die zur Sicherstellung eines einheitlichen Vollzugs und zur Erleichterung der Genehmigungsverfahren sowie zur Steuerung der vorgeschalteten Planungen als Orientierungshilfe dienen sollen. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der bayerische Windkrafterlass 2011 gilt mit seinen konkreten Anforderungen, die auf landesweiten fachlichen Erkenntnissen und Erfahrungen beruhen, als „antizipiertes Sachverständigengutachten von hoher Qualität“, von dessen im Regelfall zu beachtenden Erfordernissen nicht ohne fachlichen Grund und ohne gleichwertigen Ersatz abgewichen werden darf (ebenso BayVGH BeckRS 2019, 3447; BayVGH BeckRS 2017, 113652; BeckRS 2014, 53520). (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ob der Brutplatz der in Betracht kommenden kollisionsgefährdeten Vogelarten selbst innerhalb des weiten Prüfbereichs oder außerhalb dessen liegt, ist ohne Belang, entscheidend sind nur die Flugwege der Vögel in Bezug auf den Gefahrenbereich der geplanten Windenergieanlage. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
4. Bei der geänderten fachlichen Einschätzung zum Tötungsrisiko des Wespenbussards handelt es sich nicht um eine nach dem Erlass eingetretene Änderung der Rechtslage, sondern um eine Änderung der naturschutzfachlichen Einschätzung der Art und Weise, wie methodisch sachgerecht ermittelt werden kann, ob das Tatbestandsmerkmal des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG erfüllt ist, und insbesondere, welche fachlichen Erkenntnisse einer solchen methodengerecht durchgeführten Suche es sodann rechtfertigen, ein „signifikant erhöhtes Tötungsrisiko“ zu bejahen oder zu verneinen (ebenso BayVGH BeckRS 2019, 3447). (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 28 S7 20.600 2020-04-03 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Unter Änderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 3. April 2020 sowie des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Oktober 2019 wird die sofortige Vollziehung des streitgegenständlichen Bescheids wiederhergestellt.
II. Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen trägt der Antragsgegner.
III. Der Streitwert wird auf 7.500 € festgesetzt.

Gründe

I.
Streitgegenstand im vorliegenden Änderungsverfahren ist die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage (WEA), die das Landratsamt D. der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin mit Bescheid vom 24. März 2016 erteilt hat. Die Antragstellerin verfolgt mit ihrer Beschwerde ihr Ziel weiter, die sofortige Vollziehbarkeit dieser Genehmigung wieder zu erlangen.
1. Die streitige WEA ist derzeit nur nachts (im Zeitraum von 40 Minuten nach Sonnenuntergang bis 40 Minuten vor Sonnenaufgang) in Betrieb. Der Ursprung des vorliegenden Rechtsstreits ist ein von der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin im Jahr 2013 gestellter Antrag auf immissionsschutzrechtliche Genehmigung für den Bau und den Betrieb dreier WEA. Gegen den diesen Antrag ablehnenden, insbesondere mit Belangen des Denkmal- und des Landschaftsschutzes begründeten Bescheid (vom 12.3.2015) hatte die Vorhabensträgerin zunächst ein Bescheidungsurteil erstritten (VG München, U.v. 22.9.2015 – M 1 K 15.1326). Im Lauf des diesem Urteil vorausgegangenen und nach dem Urteil fortgesetzten Genehmigungsverfahrens lagen dem Landratsamt zahlreiche, teils stark konträre fachliche Äußerungen zu der Frage vor, ob dem Vorhaben artenschutzrechtliche Verbotstatbestände entgegenstünden. Dabei wurden insbesondere die Auswirkungen des Vorhabens auf geschützte Vogelarten untersucht. Am 9. März 2016 beschränkte die Vorhabensträgerin ihren Genehmigungsantrag auf nur noch eine der zunächst geplanten drei WEA, nämlich die jetzt streitgegenständliche sog. WEA 3, die das Landratsamt mit Bescheid vom 24. März 2016 genehmigte. Die gegen diese Genehmigung vom (jetzigen) Antragsgegner, einem nach § 3 UmwRG anerkannten eingetragenen Verein, erhobene Anfechtungsklage wies das Verwaltungsgericht München als unzulässig ab (U.v. 11.4.2017 – M 19 K 16.1912). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ließ jedoch die Berufung des (jetzigen) Antragsgegners zu, hob das angegriffene Urteil auf und verwies den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht zurück, weil der Sachverhalt in mehrfacher Hinsicht noch nicht ausreichend ermittelt und die Begründetheit der Klage vom Verwaltungsgericht noch nicht geprüft worden sei (BayVGH, B.v. 1.8.2018 – 22 BV 17.1059). Dieses Klageverfahren ist derzeit beim Verwaltungsgericht anhängig (M 28 K 18.4542, zuvor M 19 K 18.4542).
2. Die sofortige Vollziehung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 24. März 2016 hatte das Landratsamt mit Bescheid vom 19. Juni 2018 angeordnet. Den hiergegen gerichteten Antrag des (jetzigen) Antragsgegners (und damaligen Antragstellers) auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner gegen die Genehmigung erhobenen Anfechtungsklage lehnte das Verwaltungsgericht ab (VG München, B.v. 18.10.2018 – M 19 SN 18.4480). Auf die Beschwerde der (jetzigen) Antragstellerin änderte der Verwaltungsgerichtshof den erstinstanzlichen Beschluss und stellte die aufschiebende Wirkung der Klage wieder her mit der Begründung, die Rechtmäßigkeit der Genehmigung vom 24. März 2016 sei bezüglich des artenschutzrechtlichen Tötungsverbots nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG (betreffend die Spezies Wespenbussard) fraglich, diesbezüglich seien die Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage offen und das Vollzugsinteresse der Antragstellerin (der damaligen Beigeladenen) wiege weniger schwer als das vom (jetzigen) Antragsgegner (dem damaligen Antragsteller) geltend gemachte Interesse. Die Frage, ob gegen die Genehmigung vom 24. März 2016 auch aus anderen Gründen Rechtsmäßigkeitsbedenken bestünden, ließ der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich offen (BayVGH, B.v. 4.3.2019 – 22 CS 18.2310).
3. Am 24. Mai 2019 beantragte die Antragstellerin, den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 4. März 2019 gemäß § 80 Abs. 7 VwGO zu ändern. Im Lauf dieses Verfahrens änderte sie ihr Rechtsschutzziel zwei Mal und beantragte zuletzt (mit Schriftsatz vom 26.6.2019), die sofortige Vollziehung der Genehmigung vom 24. März 2016 vollständig wiederherzustellen. Das Verwaltungsgericht lehnte diesen Antrag mit Beschluss vom 15. Juli 2019 ab (M 28 S7 19.2522). Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Antragstellerin führte zur Änderung des angegriffenen Beschlusses und zur Wiederherstellung der sofortigen Vollziehung der Genehmigung vom 24. März 2016 nur insoweit, als der genehmigungskonforme Betrieb der WEA 3 im Zeitraum von 40 Minuten nach Sonnenuntergang bis 40 Minuten vor Sonnenaufgang erlaubt wurde; im Übrigen wurde die Beschwerde zurückgewiesen (BayVGH, B.v. 24.10.2019 – 22 CS 19.1485).
4. Am 11. Februar 2020 beantragte die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht, unter Änderung des vorangegangenen Beschlusses (BayVGH, B.v. 24.10.2019 – 22 CS 19.1485) die sofortige Vollziehung der Genehmigung vom 24. März 2016 (über den bisher erlaubten Betrieb im Zeitraum von 40 Minuten nach Sonnenuntergang bis 40 Minuten vor Sonnenaufgang hinausgehend) wiederherzustellen. Sie machte geltend, sie habe jetzt die vom Verwaltungsgerichtshof geforderte artenschutzfachliche Aussage vorgelegt. Danach sei zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung für keine der im B. vorkommenden und nach dem „Windkrafterlass 2011“ zu berücksichtigenden Vogelarten ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko gegeben und damit ein Verbotstatbestand nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG zu bejahen gewesen. Das Verwaltungsgericht lehnte diesen Antrag mit Beschluss vom 3. April 2020 ab.
5. Die Antragstellerin hat hiergegen Beschwerde eingelegt und beantragt, unter Änderung des angegriffenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 3. April 2020 ihrem dort gestellten Antrag stattzugeben.
Der Antragsgegner hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Beigeladene hat den gleichen Antrag wie die Antragstellerin gestellt.
6. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig und begründet. Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Oktober 2019 – 22 CS 19.1485 – ist gemäß § 80 Abs. 7 VwGO dahingehend zu ändern, dass die sofortige Vollziehung der streitigen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 24. März 2016 ohne die derzeit geltende zeitliche Betriebseinschränkung wiederhergestellt wird. Dementsprechend zu ändern ist auch der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem der Änderungsantrag der Antragstellerin abgelehnt wurde.
1. Der Änderungsantrag eines Beteiligten ist zulässig, wenn dieser veränderte oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände schlüssig vorträgt (§ 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO). Diese Antragsvoraussetzung begrenzt jedoch nicht die gerichtliche Prüfung der Begründetheit im Fall eines zulässigen Änderungsantrags. Vielmehr sind bei der Entscheidung nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 7 VwGO zusätzlich alle Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die auch für die vorangegangene Entscheidung nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO von Bedeutung waren, und nach denselben Grundsätzen wie in diesem Verfahren zu entscheiden (BayVGH, B.v. 1.12.2016 – 22 CS 16.1682 – juris Rn. 26; BVerwG, B.v. 21.7.1994 – 4 VR 1/94 – BVerwGE 96, 239/240), selbstverständlich unter Einbeziehung gegebenenfalls veränderter Umstände.
Die veränderten Umstände liegen vorliegend in den zusätzlichen natur- und artenschutzfachlichen Bewertungen, mit denen die bisherigen Stellungnahmen ergänzt und verdeutlicht worden sind. Dies hat zur Folge, dass die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 24. März 2016 im Hinblick auf das Tötungsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG nicht mehr durchgreifend sind. Diese Genehmigung erscheint zwar nicht offensichtlich rechtmäßig; Gesichtspunkte, die sich im Klageverfahren als Verstoß der Genehmigung gegen § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG herausstellen könnten, sind aber nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gewonnenen Einschätzung nicht mehr ersichtlich.
2. Der Antragsgegner macht mit seiner Anfechtungsklage geltend, die immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 24. März 2016 verstoße gegen § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG als naturschutzrechtlicher Belang und damit gegen die Anforderungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG i.V.m. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB. Denn der Betrieb der WEA 3 werde das Risiko für einige der am WEA-Standort vorkommenden geschützten Vogelarten, durch Kollision mit dem Rotor der WEA getötet zu werden, signifikant erhöhten. Der Streit unter den Beteiligten um dieses „signifikant erhöhte Tötungsrisiko“ (vgl. zu diesem Begriff BVerwG, U.v. 9.7.2008 – 9 A 14/07 – juris Rn. 91) betrifft vorrangig die Vogelarten Wespenbussard, Baumfalke, Rot- und Schwarzmilan, nachrangig auch andere Vogelarten. Den Schutz von Fledermäusen, der in der angefochtenen Genehmigung mit Nebenbestimmungen bezweckt wird, haben die Beteiligten nicht thematisiert.
Für alle diese Vogelarten gilt: Die fachliche Einschätzung, ob der Betrieb der WEA 3 für eine dieser Arten voraussichtlich ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko verursachen wird, hat die Genehmigungsbehörde gemäß den Vorgaben des im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung geltenden bayerischen „Windkrafterlasses 2011“ („Hinweise zur Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen [WKA]“ vom 20.12.2011) – nachfolgend: WKE 2011 – vorzunehmen. Der WKE 2011 enthält – wie sein Nachfolger, der „Windenergieerlass 2016“ (WEE 2016) – Verwaltungsvorschriften, die von den genannten bayerischen Staatsministerien gemeinsam erarbeitet und bekannt gemacht worden sind und bezwecken, „zur Sicherstellung eines einheitlichen Vollzugs und zur Erleichterung der Genehmigungsverfahren sowie zur Steuerung der vorgeschalteten Planungen Orientierungshilfen“ zu sein. Hinsichtlich der im WKE 2011 enthaltenen Maßgaben zu Umfang, Methodik und Untersuchungstiefe bei der Ermittlung artenschutzrechtlicher Betroffenheiten hat der Verwaltungsgerichtshof dargelegt, dass sich die diesbezüglichen naturschutzfachlichen Anforderungen mangels normativer Festlegung nur allgemein umschreiben lassen und wesentlich von den naturräumlichen Gegebenheiten des Einzelfalles abhängen, so dass der WKE 2011 (bzw. jetzt WEE 2016) die zur Ermittlung artenschutzrechtlich entscheidungserheblicher Umstände gebotenen Erhebungen näher konkretisiere und dass er mit seinen konkreten Anforderungen, da diese auf landesweiten fachlichen Erkenntnissen und Erfahrungen beruhten, als „antizipiertes Sachverständigengutachten von hoher Qualität“ anzusehen sei, von dessen im Regelfall zu beachtenden Erfordernissen nicht ohne fachlichen Grund und ohne gleichwertigen Ersatz abgewichen werden dürfe (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 4.3.2019 – 22 CS 18.2310 – juris Rn. 17; B.v. 29.5.2017 – 22 ZB 17.529 – juris Rn. 25; U.v. 27.5.2016 – 22 BV 15.2003 – NuR 2016, 870 Rn. 32 und U.v. 18.6.2014 – 22 B 13.1358 – NuR 2014, 736 Rn. 45).
Für die im Genehmigungsverfahren einer WEA durchzuführende spezielle artenschutzrechtliche Prüfung (saP) enthält der Abschnitt 9.4 (S. 39 ff.) WKE 2011 in Verbindung mit verschiedenen Anlagen zum WKE 2011 Maßgaben. Von diesen sind vorliegend, da es um kollisionsgefährdete Vogelarten geht, vor allem der Unterabschnitt 9.4.1 und die Anlagen 2 und 6 einschlägig. Zentrale Elemente für die Beurteilung der Gefährdung geschützter Vögel sind bei (fast) allen Vogelarten zwei Prüfbereiche, von denen der eine einen größeren Radius um den geplanten WEA-Standort umfasst (im WKE 2011 „Prüfbereich für regelmäßig aufgesuchte Nahrungshabitate“ genannt – weiter Prüfbereich) und der andere einen kleineren Radius um den WEA-Standort (im WKE 2011 „Prüfbereich für Brutvorkommen“ genannt – enger Prüfbereich); die Unterscheidung zweier Prüfbereiche und deren je nach Vogelart verschiedener Radius im WKE 2011 ist weitestgehend gleich mit von der Länderarbeitsgemeinschaft der Staatlichen Vogelschutzwarten (LAG VSW) im Jahr 2007 herausgegebenen (damaligen) „Abstandsregelungen für Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten” (Berichte zum Vogelschutz 44 [2007], 151 – 153, auch als „Helgoländer Papier“ bekannt geworden; inzwischen gibt es als Neuauflage dieses Dokuments die „Abstandsempfehlungen für Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten [Stand April 2015]“ in: Berichte zum Vogelschutz 51 [2014], 15 – nachfolgend „Abstandsempfehlungen 2015 der LAG VSW“). Im weiten Prüfbereich (der den engeren einschließt) ist zu prüfen, ob im Prüfbereich Nahrungshabitate, Schlafplätze oder andere wichtige Habitate der betreffenden Art bzw. Artengruppe vorhanden sind, die regelmäßig angeflogen werden (vgl. Abstandsempfehlungen 2015 der LAG VSW, Tabelle 2). Zu untersuchen ist also, ob kollisionsgefährdete Vögel auf dem Weg zu und von solchen, im weiten Prüfbereich liegenden wichtigen Habitaten in den Gefahrenbereich der geplanten WEA fliegen. Ob der Brutplatz (Horst) der in Betracht kommenden Vögel selbst innerhalb des weiten Prüfbereichs (möglicherweise sogar innerhalb des engeren Prüfbereichs) oder außerhalb dessen liegt, ist dabei ohne Belang, entscheidend sind nur die Flugwege der Vögel in Bezug auf den Gefahrenbereich der geplanten WEA. Um bei der Untersuchung nach den Kriterien des weiten Prüfbereichs ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko bejahen zu können, muss plausibel dargelegt werden können, dass es im Bereich der geplanten WEA zu höheren Aufenthaltswahrscheinlichkeiten kommt oder der Nahbereich der WEA signifikant häufiger überflogen wird. Im engeren Prüfbereich kommt es darauf an, ob sich in ihm ein Brutplatz (Horst) befindet und, falls ja, wie das Flugverhalten des Vogels im Gefahrenbereich der geplanten WEA ist. Nur dann, wenn bei einem Horst im engeren Prüfbereich aufgrund einer fachlich ordnungsgemäßen, dem WKE 2011 bzw. WEE 2016 entsprechenden oder ihm gleichwertigen Untersuchung (BayVGH, B.v. 4.3.2019 – 22 CS 18.2310 – juris Rn. 17) positiv festgestellt wurde, dass die geplante WEA gemieden oder selten überflogen wird, kann ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko verneint werden; fehlt dagegen eine solche fachlich fehlerfrei gewonnene Feststellung, ist von einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko auszugehen. Um einen geplanten WEA-Standort sind stets beide Prüfbereiche zu untersuchen; hierauf kann nur dann verzichtet werden, wenn bereits die Untersuchung eines der beiden Prüfbereiche ergibt, dass ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko zu bejahen ist. Im WKE 2011 sind – für jede kollisionsgefährdete Vogelart gesondert – der enge Prüfbereich in Spalte 2 der Anlage 2, der weite Prüfbereich dagegen in Spalte 3 dieser Anlage angegeben.
Vorliegend ist unter den Beteiligten streitig, ob die avifaunistischen Untersuchungen den diesbezüglichen Anforderungen des WKE 2011 entsprochen oder – trotz Abweichungen von den Maßgaben des WKE 2011 – dennoch tauglich waren, um beurteilen zu können, ob der Betrieb der WEA 3 bei einer der am Standort vorkommenden saP-relevanten Vogelart zu einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko führen wird. Die Antragstellerin und der Antragsgegner haben jeweils einen anderen Gutachter mit Untersuchungen und fachlichen Bewertungen beauftragt (für die Antragstellerin war das „Ing.-Büro Umweltforschung und Raumplanung“, G. B., tätig [nachfolgend: Gutachter B], für den Antragsgegner der freiberuflicher Ornithologe F. [nachfolgend: Gutachter F). Die Ergebnisse beider Gutachter stimmen teilweise überein, weichen aber auch teilweise ganz erheblich voneinander ab; fachliche Äußerungen haben darüber hinaus auch staatliche Stellen abgegeben.
Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand stellt sich die Gefährdung der am Standort der WEA 3 vorkommenden geschützten Vogelarten für den Verwaltungsgerichtshof wie folgt dar:
2.1. Zum Wespenbussard:
2.1.1. Die jetzt nur noch geplante WEA 3 ist vom (einzigen vorliegend in Betracht kommenden) Brutplatz eines Wespenbussards unstreitig 1,3 km entfernt; der Brutplatz liegt außerdem in einem grundsätzlich geeigneten Nahrungshabitat nach Anlage 2 Spalte 3 WKE 2011 (vgl. Stellungnahme der Reg. v. Obb. als höhere Naturschutzbehörde – HNB – vom 5.11.2014 ans Landratsamt, S. 6; Gutachter F in „Erfassung der Flugbewegungen windkraftrelevanter Vogelarten am B. [Lkr. Dachau] Bericht 2015“ vom 14.8.2015 – versehentlich mit der Jahresangabe 2014 versehen – Nr. 4.1 auf S. 6; nachfolgend: „Bericht 2015“). Der enge Prüfbereich für den Wespenbussard liegt nach der Anlage 2 WKE 2011 in einem Radius von 1.000 m um den WEA-Standort, der weite Prüfbereich in einem Radius von 6.000 m. Es ist also zu untersuchen, ob der Wespenbussard auf dem Weg von seinem Horst zu dem im weiten Prüfbereich liegenden Nahrungshabitat mit „höheren Aufenthaltswahrscheinlichkeiten“ im Nahbereich der WEA fliegt bzw. den Nahbereich der WEA signifikant häufiger überfliegt. Kann dies nicht (positiv) festgestellt werden, so kann ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko nicht bejaht werden.
2.1.2. Im Beschluss vom 18. Oktober 2018 – M 19 SN 18.4480 – ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass angesichts der unterschiedlichen Beobachtungen und Folgerungen der beide Gutachter die Entscheidungsgrundlage für eine nachvollziehbare Risikobewertung, ob der Wespenbussard durch die WEA 3 einem signifikant höheren Tötungsrisiko ausgesetzt sei, nicht ausgereicht habe. Hierauf kam es indes – auch aus verwaltungsprozessrechtlichen Gründen gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO – weder in diesem Beschluss noch in den nachfolgenden erst- und zweitinstanzlichen Beschlüssen an: Das Verwaltungsgericht hielt den Mangel einer nachvollziehbaren Risikobewertung im Ergebnis für unschädlich, weil es in der Neufassung der Vollzugshinweise im WEE 2016 (in der abweichend vom WKE 2011 beim Wespenbussard der bisherige weite Prüfbereich – 6.000 m – vollständig entfallen ist) eine „geänderte Rechtslage“ zugunsten des Anlagenbetreibers sah; es lehnte daher den Antrag des Antragsgegners auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage ab (VG München, B.v. 18.10.2018 – M 19 SN 18.4480 – Beschlussabdruck S. 14 Abschnitt 2). Der Verwaltungsgerichtshof widersprach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts und führte aus, dass unter der Geltung des WKE 2011 gewonnene naturschutzfachliche Erkenntnisse, die ungeachtet methodischer Mängel im Hinblick auf die Vorgaben des WKE 2011 von den Behörden (hier insbesondere der HNB, Stellungnahme vom 19.2.2016) jedenfalls als ausreichend angesehen worden seien, um der Frage eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos näher nachgehen zu müssen, nicht allein wegen des Wegfalls der Prüfkulisse des weiten Prüfbereichs im WEE 2016 als unbeachtlich angesehen werden dürften. Der Verwaltungsgerichtshof stellte daher allein wegen der möglicherweise für die Vogelart Wespenbussard bestehenden signifikant erhöhten Tötungsrisikos die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage wieder her; die Frage einer täglichen zeitlichen Einschränkung des WEA-Betriebs stellte sich im damaligen Verfahrensstadium weder in fachlicher noch in rechtlicher Hinsicht (BayVGH, B.v. 4.3.2019 – 22 CS 18.2310). Für die Beschlüsse im nachfolgenden Änderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO kam es nicht darauf an, ob die fachlichen Untersuchungen und Bewertungen, auf deren Grundlage in der angefochtenen Genehmigung ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko für den Wespenbussard verneint wurde, zu beanstanden waren (VG München, B.v. 15.7.2019 – M 28 S7 19.2522 – juris; BayVGH, B.v. 24.10.2019 – 22 CS 19.1485 – juris).
2.1.3. Auch im jetzt angegriffenen Beschluss vom 3. April 2020 über den am 11. Februar 2020 gestellten neuen Änderungsantrag hat das Verwaltungsgericht weiterhin angenommen, dass die Gutachter sowohl der Antragstellerin als auch des Antragsgegners keine fachlich ordnungsmäßen Ermittlungen angestellt hätten, um hieraus schlussfolgern zu können, dass für den Wespenbussard beim Betrieb der WEA 3 ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko nicht bestehe. Im Kern beanstandet das Verwaltungsgericht, dass beide Gutachter – entgegen den Maßgaben in Anlage 6 zum WKE 2011 („wenigstens zwei Fixpunkte“) – die Beobachtung der Flugbewegungen kollisionsgefährdeter Vögel am geplanten WEA-Standort nicht von zweien, sondern nur von einem geeigneten Beobachtungspunkt aus gemacht hätten; aufgrund dieses von ihm angenommenen Mangels hat das Verwaltungsgericht auch die späteren Stellungnahmen der Fachbehörden nicht als geeignet angesehen, um die Zweifel an der Tauglichkeit der fachlichen Ermittlungen und Bewertungen zum Tötungsrisiko für den Wespenbussard auszuräumen (vgl. Beschlussabdruck – BA – Rn. 38 und 44 bis 55).
Die Annahme des Verwaltungsgerichts, es lägen keine Beobachtungen von zwei geeigneten Fixpunkten aus vor, trifft nicht zu und beruht anscheinend auf einem Missverständnis. Die vom Verwaltungsgericht (BA Rn. 45 und 46) angesprochene Stellungnahme der HNB (vom 19.2.2016) ans Landratsamt erging in demjenigen Stadium des Genehmigungsverfahrens, in dem nach der ursprünglichen Versagung der Genehmigung für den gesamten, drei einzelne WEA umfassenden Windpark (Bescheid vom 12.3.2015) und dem daraufhin ergangenen Bescheidungsurteil (VG München, U.v. 22.9.2015 – M 1 K 15.1326) zu klären war, für welche der drei WEA die avifaunistischen Erhebungen fachlich ausreichend waren, um ein aus § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG folgendes Genehmigungshindernis bejahen oder ausschließen zu können bzw. in Bezug auf welche der drei WEA ggf. weitere Ermittlungen notwendig seien. Die genannte Stellungnahme der HNB war insbesondere durch die vom Verwaltungsgericht im Urteil vom 22. September 2015 als noch offen angesehene Frage veranlasst, inwieweit die neuerlichen Untersuchungen des Fachgutachters des Antragsgegners (Gutachter F Bericht 2015), die zum damals angegriffenen Versagungsbescheid geführt hatten, den Vorgaben des WKE 2011 entsprachen; Gegenstand und Anlass der Stellungnahme der HNB vom 19. Februar 2016 war also die Frage, inwieweit die Flugbeobachtungen trotz der Methodenabweichungen des Gutachters F 2015 [gemeint sind die Abweichungen von den Maßgaben des WKE 2011] gemäß den Entscheidungsgründen des Verwaltungsgerichts ausreichende artenschutzfachliche Aussagen für eine Ablehnung des beantragten Vorhabens aus artenschutzrechtlichen Gründen rechtfertigen könnten (vgl. HNB vom 19.2.2016, S. 2 oben, S. 4 vor I.I). Für die beiden seinerzeit noch streitigen Standorte der WEA 1 und 2, bezüglich derer der Horst des Wespenbussards im engeren Prüfbereich (unter 1.000 m) lag, hat die HNB die Beobachtungen beider Fachgutachter auch in Bezug auf die Zahl und die Eignung der Beobachtungspunkte für fachlich ausreichend angesehen. Sie hat die gesicherte fachliche Einschätzung gewonnen, dass die Untersuchung der Aufenthaltswahrscheinlichkeiten nicht ergeben habe, dass die beiden Anlagenstandorte gemieden oder selten überflogen werden, und sie hat daher – unter Hinweis auf die Maßgaben auf S. 42 des WKE 2011 – für die Standorte der geplanten WEA 1 und 2 ein erhöhtes Tötungsrisiko für den Wespenbussard bejaht (HNB vom 19.2.2016, S. 3 unten, S. 6 Mitte, S. 7, S. 9 Mitte). Für den (jetzt allein noch streitigen) Standort der WEA 3 dagegen hat die HNB die fachliche Auffassung geäußert, dass aufgrund der Entfernung zwischen Beobachtungspunkt und Anlagenstandort, der eingeschränkten Einsehbarkeit der östlichen und südlichen Teile des B. sowie der Entfernung die erforderliche Einsehbarkeit grundsätzlich nicht gegeben gewesen sei, sondern dass hierzu „ein zweiter bis dritter Beobachtungspunkt östlich und / oder westlich des B.“ erforderlich gewesen wäre (HNB vom 19.2.2016, S. 6 unten, S. 7). Diese Forderung der HNB nach einem zweiten oder dritten Beobachtungspunkt hängt deshalb – gemäß dem Anlass der von ihr erbetenen Stellungnahme – zusammen mit der Einschätzung der HNB, dass der vom Fachgutachter des Antragsgegners (Gutachter F) gewählte (einzige) Beobachtungspunkt westlich des B., der mit dem vom Fachgutachter der Antragstellerin (Gutachter B) ausgewählten Punkt fast identisch war, nicht ausreichte, um die Ablehnung des streitigen Vorhabens zu rechtfertigen (der Fachgutachter der Antragstellerin hatte dagegen seine Beobachtungen nicht nur von dem westlich des B. gelegenen, sondern auch von einem zweiten, südöstlich des B. gelegenen Fixpunkt aus gemacht, vgl. saP-Nachtrag des Gutachters B vom 15.10.2014, S. 3, Abb. 2). Bedenken gegen die Eignung dieses zweiten Fixpunktes des Gutachters B im Hinblick auf die Einsehbarkeit des Standorts für die WEA 3 hat die HNB nicht geäußert. Sie hat aber andererseits die Beobachtungen des Gutachters F für geeignet gehalten, um in Bezug auf die WEA 3 die fachliche Einschätzung in Zweifel zu ziehen, wonach keine gemäß der Prüfkulisse nach Anlage 2, Spalte 3 des WKE 2011 (weiter Prüfbereich) zu untersuchenden räumlich gut abgrenzbaren Nahrungshabitate vom Wespenbussard regelmäßig über den Anlagenstandort angeflogen würden (HNB vom 19.2.2016, S. 4 oben, S. 7 unten); die HNB hat insoweit ein Ermittlungsdefizit gesehen, das durch die – vom Landratsamt vorgeschlagene – Nebenbestimmung nicht behoben oder kompensiert werden könne (HNB vom 19.2.2016, S. 12 „Zu 4.7.8“), und hielt deshalb eine Nachuntersuchung für geboten. In einer späteren klarstellenden Äußerung hat die HNB dem Landratsamt noch einmal bestätigt, dass die Beobachtungen des Gutachters B von zwei Fixpunkten den methodischen Anforderungen des WEE 2016 entsprochen hätten und dass weder die HNB noch das bayerische Landesamt für Umwelt einen methodischen Fehler darin gesehen hätten, dass der Standort der WEA 3 nicht vollständig einsehbar gewesen sei; Grund für die empfohlene Nachuntersuchung seien vielmehr die fachlich nicht nachvollziehbaren Diskrepanzen in den Flugbeobachtungen beim Wespenbussard zwischen dem Antragsgutachten und den anderen Gutachten gewesen (vgl. HNB vom 9.8.2019 als Anlage AST 8 zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 12.8.2019).
Das Landratsamt hat indes seinerzeit eine Nachuntersuchung nicht durchgeführt, sondern mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 24. März 2016 die WEA 3 immissionsschutzrechtlich genehmigt (den Antrag auf Genehmigung der WEA 1 und 2 hatte die Antragstellerin mittlerweile zurückgezogen). Das Landratsamt hat maßgeblich darauf abgestellt, dass die Flugbeobachtungen des Gutachters F auf ein gewisses Risiko für den außerhalb des engeren Prüfbereichs brütenden Wespenbussard schließen ließen, dass aber ein regelmäßiger Durchflug durch den Gefahrenbereich der WEA 3 zu räumlich gut abgrenzbaren und definierbaren Nahrungsbiotopen im Sinn der Anlage 2 Spalte 3 des WKE 2011 bei der Prüfung des Genehmigungsantrags nicht habe festgestellt werden können; auch könne die saP der Antragstellerin nach Ansicht des Landratsamts insoweit nicht als erschüttert angesehen werden. Ergänzend hat das Landratsamt darauf hingewiesen, dass aktuell eine Neufassung des Windkrafterlasses vorbereitet werde, in der für den Wespenbussard kein Prüfbereich für regelmäßig aufgesuchte Nahrungshabitate mehr vorgesehen, künftig also die Prüfkulisse nach Anlage 2 Spalte 3 WKE 2011 nicht mehr relevant sei (vgl. Bescheid vom 24.3.2016, S. 50 oben; den möglichen Wegfall des weiten Prüfbereichs für den Wespenbussard in einer Neufassung des Windkrafterlasses hatte die HNB schon in ihrer Äußerung vom 19.2.2016, S. 4 oben, angesprochen).
Im Lauf der wegen der Genehmigung vom 24. März 2016 anhängig gemachten erst- und zweitinstanzlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren (Anfechtungsklage und vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 und 7 und § 80a VwGO) nahm die HNB zur Gefährdung des Wespenbussards durch die WEA 3 unter dem 12. Juni 2019 gegenüber dem Landratsamt (Anlage AST 4 zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 12.8.2019) erneut Stellung und rückte (nach Einbindung des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz – StMUV -, das eine Ortseinsicht zur Prüfung der örtlichen Gegebenheiten auf Ausnahmen gemäß Nr. 3.2.1.5 der „Arbeitshilfe Windenergie und Vogelschutz“ empfohlen hatte) von ihrer früheren Einschätzung ab. Die HNB hat in ihrer Stellungnahme ausdrücklich Bezug genommen auf die Abstandsempfehlungen 2015 der LAG VSW und ausgeführt, dass diesen Empfehlungen zufolge sich beim Wespenbussard mit einem Mindestabstand von 1.000 m die Hauptaktivitätsflächen der Art in der Horstumgebung schützen ließen und dass für den (weiteren) Prüfbereich allgemein ausgeführt werde, dass dieser sich an dem Bereich orientiere, der von den betroffenen Individuen regelmäßig genutzt werde (HNB vom 12.6.2019, S. 2). Die HNB hat in ihren weiteren Ausführungen detailliert die örtlichen Verhältnisse in der Umgebung des Standorts der WEA 3 und des Brutplatzes des Wespenbussards geschildert. Zusammenfassend hat die HNB wegen des Abstands der WEA 3 zum Horst des Wespenbussards, wegen des Vorhandenseins geeigneter Nahrungshabitate im 1 km-Radius um den Horst, der (nur diffusen) Verteilung anderer geeigneter Nahrungshabitate im weiteren Umfeld (4 km-Radius um den Horst) einschließlich der nahe gelegenen Glonnaue, der geringen Reliefenergie des Geländes (Fehlen besonderer topografischer Strukturen) eine erhöhte Aufenthaltswahrscheinlichkeit im Bereich der WEA 3 und somit ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko durch den Betrieb dieser WEA für die in 1,3 km Entfernung zur WEA brütenden Wespenbussarde „mit hinreichender Sicherheit“ ausgeschlossen (HNB vom 12.6.2019, S. 5). Diese fachliche Einschätzung der HNB ist nachvollziehbar. Denn in den (gegenüber dem „Helgoländer Papier 2007“ teils strengeren, teils weniger strengen) Abstandsempfehlungen 2015 der LAG VSW wird hinsichtlich des Wespenbussards erläutert: „Mit einem Mindestabstand von 1.000 Metern lassen sich die Hauptaktivitätsflächen in der Horstumgebung schützen“ (Berichte zum Vogelschutz 51 [2014], S. 24); zum Wegfall der Angabe eines Radius, innerhalb dessen die Existenz von regelmäßig angeflogenen wichtigen Habitaten zu prüfen ist, heißt es allgemein: „Aufgrund ihres Verhaltens ist bei einigen Arten die Abgrenzung solcher Prüfbereiche nicht sinnvoll, z.B. … und Wespenbussard (Pernis apivorus)“ (Berichte zum Vogelschutz 51 [2014], S. 19). Auf der Vollzugsebene in Bayern wurde die in den Abstandsempfehlungen 2015 der LAG VSW zum Ausdruck gekommene neue fachliche Einschätzung gut ein Jahr später in der Neufassung des Windkrafterlasses (nunmehr „Windenergieerlass“ – WEE 2016 vom 19.7.2016) umgesetzt; der WEE 2016 (dort Anlage 3 zu Nr. 8.4.1) enthält beim Wespenbussard für den weiten Prüfbereich (der im WKE 2011 einen Radius von 6 km um eine WEA umfasste) keine Angabe mehr.
Der Gutachter F hat aufgrund seiner Untersuchungen zwar auch für die vom Horst des Wespenbussards weiter entfernte WEA 3 ein „signifikant erhöhtes Kollisionsrisiko“ bejaht, weil auch die WEA 3 (ebenso wie die WEA 1 und 2) im „Brutwald“ und damit mitten im Revier liege und mehrmaliges Überfliegen nachgewiesen sei (Gutachter F Bericht 2015, Nr. 5.3 auf S. 14). Aus seinem Bericht ergibt sich aber auch, dass er nur eine eingeschränkte Sicht aus großer Entfernung auf den Standort der WEA 3 hatte. Denn diese Nachteile bei der Beobachtung zieht der Gutachter als Begründung dafür heran, dass er nicht alle Flugbewegungen habe registrieren können; er folgert daraus, es könne „auch hier mit vergleichbarem Flugaufkommen gerechnet werden wie über den anderen Anlagen“. Diese Folgerung ist aber in zweierlei Hinsicht nicht überzeugend. Zum einen kann es sein, dass es an der WEA 3 schlichtweg keine weiteren außer den beobachteten Flugbewegungen gegeben hat. Vor allem aber bergen schlechte Sicherverhältnisse und eine zu große Entfernung des Beobachters zum beobachteten, sich bewegenden Gegenstand die Gefahr, dass der räumliche Bezug der Flugbewegungen zum Gefahrenbereich der WEA (Überfliegend oder Durchfliegen) falsch eingeschätzt wird. Deshalb wird die gleichzeitige Beobachtung von zwei oder mehr Punkten aus empfohlen, um die Flugbewegungen genauer aufzeichnen zu können (vgl. Anlage 6 auf S. 64 des WKE 2011). Der Gutachter B hat solche Synchronbeobachtungen von zwei Fixpunkten aus vorgenommen.
2.1.4. Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Genehmigung vom 24. März 2016 ist die Sach- und Rechtslage im Erlasszeitpunkt maßgeblich; nachträgliche Änderungen der Sach- und Rechtslage zugunsten des Anlagenbetreibers sind allerdings bei der Überprüfung der Genehmigung im Gegensatz zu solchen zu seinen Lasten zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, U.v. 26.9.2019 – 7 C 5.18 – juris Rn. 43). Vorliegend hat sich die Rechtslage (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG) nicht geändert. Zu berücksichtigen ist vorliegend vielmehr eine geänderte fachliche Einschätzung (betreffend den Wespenbussard), die erst in dem nach dem Erlasszeitpunkt bekanntgemachten WEE 2016 ihre schriftliche Umsetzung in einer Verwaltungsvorschrift gefunden hat. Es handelt sich dabei nicht um eine nach dem Erlass des (von einem Dritten angefochtenen) begünstigenden Bescheids eingetretene Änderung der Rechtslage, sondern um eine Änderung der naturschutzfachlichen Einschätzung (a) der Art und Weise, wie methodisch sachgerecht ermittelt werden kann, ob das Tatbestandsmerkmal des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG (signifikant höheres Tötungsrisiko) erfüllt ist, und (b) insbesondere, welche fachlichen Erkenntnisse einer solchen methodengerecht durchgeführten Suche es sodann rechtfertigen, ein „signifikant erhöhtes Tötungsrisiko“ zu bejahen oder zu verneinen (vgl. BayVGH, B.v. 4.3.2019 – 22 CS 18.2310 – juris Rn. 18 bis 20).
2.1.5. Lediglich ergänzend (weil auch eine unklare fachliche Einschätzung der Gefährdung anderer geschützter Vogelarten außer dem Wespenbussard festzustellen war) hat es der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 24. Oktober 2019, dessen Änderung die Antragstellerin begehrt, für erklärungsbedürftig gehalten, dass das Landratsamt in einer weiteren Stellungnahme (vom 19.7.2017) mit einem vergleichsweise hohen Begründungsaufwand die Unbedenklichkeit eines „Nachtbetriebs“ der WEA 3 erklärte habe (was entbehrlich gewesen wäre, wenn gegen den Betrieb der WEA 3 in Bezug auf den Wespenbussard zu keiner Tageszeit Bedenken bestanden hätten). Die diesbezüglichen Zweifel des Verwaltungsgerichtshofs bestehen nicht mehr. Das Landratsamt hat in seiner Äußerung vom 29. Januar 2020 gegenüber dem Verwaltungsgericht die Art und Weise seiner Begründung (vom 19.7.2019) damit erklärt, dass diese sich nur auf den Nachtbetrieb beschränkt habe, weil gerade für den vom Verwaltungsgericht abgetrennten, auf die Zulassung des Nachtbetriebs gerichteten Hilfsantrag eine Stellungnahme der Naturschutzbehörden gefordert worden sei; in diesem Zusammenhang habe kein Anlass für eine darüber hinausgehende Stellungnahme bestanden.
2.1.6. Was das vom Antragsgegner geltend gemachte Tötungsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG betrifft, geht der Verwaltungsgerichtshof daher nach dem Erkenntnisstand im vorläufigen Rechtsschutzverfahren davon aus, dass – bezogen auf den 1,3 km vom Standort der WEA 3 entfernten Horst des Wespenbussards – sich die angefochtene immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 24. März 2016 im Klageverfahren voraussichtlich als rechtmäßig erweisen wird.
2.2. Das Gleiche gilt im Ergebnis auch für den Baumfalken:
2.2.1. Einen Baumfalkenbrutplatz hat der Gutachter F im September 2014 etwa 800 m von der WEA 3 entfernt vermutet; ein dort möglicherweise vorhandener Brutplatz war aber im Jahr 2015 nicht (mehr) besetzt, nachdem Anfang Juli 2014 der hauptsächlich genutzte Ruhebaum und weitere Bäume am Brutplatz gefällt worden waren (vgl. E-Mail des Gutachters F vom 26.6.2015 ans Landratsamt, Bl. 3315 der Behördenakte; Stellungnahme des Landratsamts vom 29.1.2020 – Anlage zum Schriftsatz der Beigeladenen vom 8.5.2020 -, die auf S. 16 auf die „Bestandsaufnahme von Greifvögeln und anderen Großvögeln im B. (Lkr. Dachau) und dessen Umfeld“ des Gutachters F vom 8.9.2014, S. 4, – nachfolgend: „Bestandsaufnahme 2014“ – Bezug nimmt). Mit dem Abstand von 800 m wäre der vermutete Brutplatz innerhalb des engeren Prüfbereichs gemäß Anlage 2 Spalte 2 (Radius 1.000 m) des WKE 2011 gelegen, aber außerhalb des engeren Prüfbereichs nach der Anlage 3 zu Nr. 8.4.1 des WEE 2016 (Radius nur noch 500 m). Der enge Prüfbereich von 500 m um einen WEA-Standort entspricht dem für den Baumfalken empfohlenen Mindestabstand in den „Abstandsempfehlungen 2015 der LAG VSW“ (Tabelle 2 auf S. 18 der Berichte zum Vogelschutz 51 [2014]).
2.2.2. Die seinerzeit in Fachkreisen geführte Diskussion um eine Verkleinerung des zu prüfenden Abstands von Brutplätzen des Baumfalken zu WEA (von 1.000 m auf 500 m) hat die HNB bereits in ihrer Äußerung vom 5. Dezember 2014 gegenüber dem Landratsamt angesprochen, zugleich aber betont, dass dann, wenn sich ein entsprechender fachlicher Konsens etablieren sollte, zwar der Prüfabstand von WEA zu einem Brutplatz des Baumfalken im vorliegenden Fall nicht mehr relevant wäre, dennoch aber die regelmäßigen Flugwege vom Brutplatz zu regelmäßig genutzten Nahrungshabitaten zu prüfen wären und insofern „der Nachweis von F zu einem möglichen Brutplatz des Baumfalken für die Prüfung des Tötungstatbestandes nach § 44 Absatz 1 Nr. 1 BNatSchG auch für diese Art relevant“ sei. Hinzugefügt hat die HNB in dieser vor der Aufgabe des Brutplatzes im Frühjahr 2015 abgegebenen Stellungnahme, dass nicht abgeschätzt werden könne, wie sich die mögliche Störung durch Holzfällarbeiten auf die Wahl des Brutplatzes in 2015 auswirken werde; wegen der artspezifischen Störanfälligkeit sei mit einer Aufgabe des bisherigen Brutplatzes zu rechnen. Die HNB hat daher empfohlen, für den Wespenbussard und den Baumfalken (vorsorglich zur „materiellen Entscheidungshilfe gegenüber möglichen Drittgutachten“ aber auch für den Rot- und den Schwarzmilan) im Jahr 2015 geeignete Nachuntersuchungen gemäß der Anlage 6 zum WKE 2011 und, soweit erforderlich, eine Brutplatzerfassung für Arten der Anlage 2 des WKE 2011 zu beauftragen (HNB vom 5.12.2014 S. 8).
Wenige Tage vor der Versagung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung aus Gründen des Denkmal- und des Landschaftsschutzes (Bescheid vom 12.3.2015) äußerte sich die HNB gegenüber dem Landratsamt zu etwaigen natur- und artenschutzrechtlichen Versagungsgründen erneut. Sie hielt ihre Empfehlung, eine Nachuntersuchung gemäß den Vorgaben des WKE 2011 im Jahr 2015 zu beauftragen, ausdrücklich nach erfolgter fachlicher Abstimmung mit dem LfU nicht aufrecht. Zur Begründung gab die HNB einleitend (HNB vom 4.3.2015, S. 1) an, es sei auch bei einer Bestätigung der Beobachtungen des Gutachters F im bisherigen Umfang nicht von einer erhöhten Aufenthaltswahrscheinlichkeit im Gefahrenbereich auszugehen und es gebe derzeit keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass bei einer erneuten Erfassung entsprechend der Methodik des Windenergieerlasses zusätzliche Aufenthalte im Gefahrenbereich in einem solchen Umfang festgestellt würden, dass sich hieraus ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko für den Wespenbussard ergäbe. Speziell zum Baumfalken führte die HNB aus, dass insoweit ungeachtet gewisser Diskrepanzen in der Anzahl der erfassten Flugbewegungen beim Gutachter B einerseits und beim Gutachter F andererseits im Ergebnis kein nach den Maßstäben des WKE 2011 relevanter Unterschied bezüglich der Prognose der Aufenthaltswahrscheinlichkeit im Gefahrenbereich der WEA bestehe. Zwar habe der Gutachter F mehr Flugbewegungen als der Gutachter B nachgewiesen, diese seien aber fast ausschließlich südlich der Straße St 2051 gewesen (HNB vom 4.3.2015, S. 2 oben).
2.2.3. Das Verwaltungsgericht hat im angegriffenen Beschluss (BA Rn. 58) die Frage aufgeworfen, ob der angefochtenen Genehmigung hinsichtlich anderer kollisionsgefährdeter Vogelarten (außer dem Wespenbussard) überhaupt eine ausreichende eigene naturschutzfachliche Überprüfung, Bewertung und Entscheidung zugrunde gelegen habe; solche Zweifel bestünden angesichts der Formulierung in der Stellungnahme des Landratsamts vom 29. Januar 2020 (S. 4 unten, S. 9 Mitte), wonach im Genehmigungsbescheid keine andere kollisionsgefährdete Vogelart thematisiert worden sei, weil im Zeitpunkt der Genehmigung nur der Wespenbussard „von Bedeutung“ gewesen oder „als relevant eingestuft“ worden sei. Zutreffend ist an dieser Kritik des Verwaltungsgerichts, dass in der angefochtenen Genehmigung Ausführungen zu anderen Vogelarten außer dem Wespenbussard praktisch vollständig fehlen und dass mehrere Formulierungen des Landratsamts den Eindruck erwecken könnten, es habe in Bezug auf diese Vogelarten auch keine Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen stattgefunden. Indes geht es vorliegend nicht um eine Ermessensentscheidung. Die Prüfungen, die das Landratsamt im Genehmigungsverfahren unternommen oder unterlassen hat, lassen sich den Behördenakten entnehmen; ihre Nachvollziehbarkeit kann auch durch Erläuterungen im gerichtlichen Verfahren noch erleichtert werden.
Dass das Landratsamt angesichts der oben (unter 2.2.1 und 2.2.2) geschilderten Sachlage in Bezug auf den Baumfalken (wie auch für andere Vogelarten außer dem Wespenbussard) ein aus § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG resultierendes Genehmigungshindernis für die WEA 3 verneint hat, wird voraussichtlich im Klageverfahren nicht zu beanstanden sein. Zwar hätte die Lage eines Brutplatzes im engeren Prüfbereich – wie oben ausgeführt – zur Folge, dass dann, wenn (aus welchen Gründen auch immer) nicht festgestellt werden kann, dass die geplante WEA gemieden oder selten überflogen wird, von einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko auszugehen ist; Defizite der Ermittlung oder nicht aufklärbare Widersprüche bezüglich des Flugverhaltens der im engeren Prüfbereich brütenden Art gingen also zu Lasten der WEA. Vorliegend ist aber festzuhalten, dass der Brutplatz nicht nachgewiesen, sondern nur aufgrund der Flugbeobachtungen in einer Entfernung von etwa 800 m von der WEA 3 vermutet wurde, dass er außerdem im Jahr vor der Genehmigungserteilung wegen Baumfällungen vom Baumfalken nach bisheriger Einschätzung aufgegeben wurde und dass zum weiteren im Zeitpunkt des Bescheidserlasses zwar noch der WKE 2011 (mit dem engeren Prüfbereich 1.000 m) galt, jedoch der WEE 2016 (mit dem engeren Prüfbereich 500 m) in Vorbereitung war und außerdem seit etwa einem Jahr fachlicher Konsens (jedenfalls unter den Ornithologen der deutschen Vogelschutzwarten) dahingehend bestand, dass beim Baumfalken der empfohlene Mindestabstand zwischen WEA und Brutplatz von 1.000 m auf 500 m verringert werden könne, so dass diese Änderung in die neuen „Abstandsempfehlungen 2015 der LAG VSW“ (Tabelle 2 auf S. 18 der Berichte zum Vogelschutz 51 [2014]) eingeflossen ist. Das Landratsamt hat in seiner Äußerung vom 29. Januar 2020 diejenige Würdigung der verschiedenen Beobachtungen (Gutachter B einerseits, Gutachter F andererseits) wiedergegeben, die zu der angefochtenen Genehmigung geführt hat, in der Genehmigung selbst aber nicht dargestellt war. Es hat hierbei ausgeführt, dass die vom Gutachter F beobachteten Flugbewegungen des Baumfalken auffällig um einen engeren Bereich des vermuteten Brutplatzes am südlichen Waldrand des B. (südlich der Staats straße St 2051 bei Bogenried und ca. 800 m südlich der WKA 3) stattgefunden hätten; auf diesen Umstand, dass alle beobachteten Flüge des Baumfalken außerhalb des Gefahrenbereichs des WEA 3, eben südlich der St 2051 gewesen seien, hat auch – wie oben unter 2.2.2 ausgeführt – die HNB in ihrer Stellungnahme (vom 4.3.2015) abgestellt, mit der sie von der Forderung nach einer Nachuntersuchung abgerückt ist. Letztlich hat der Gutachter F selbst für den Baumfalken ein „signifikant erhöhtes Kollisionsrisiko“ (lediglich) als „nicht auszuschließen“ bezeichnet, wogegen er für den Wespenbussard ein solches Risiko bejaht hat (Gutachter F Bericht 2015, S. 14).
2.2.4. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem zu ändernden Beschluss auch eine im Schriftsatz des Landratsamts vom 11. Juni 2019 ans Verwaltungsgericht enthaltene Unterstreichung des Begriffs „Wespenbussard“ für erklärungsbedürftig gehalten. Diese textliche Hervorhebung hatte aus Sicht des Verwaltungsgerichtshofs die Frage aufgeworfen, ob die dort getroffene Aussage nur für den Wespenbussard, aber nicht für andere Vogelarten gelten solle (BayVGH, B.v. 24.10.2019 – 22 CS 19.1485 – juris Rn. 27). Hierzu hat das Landratsamt nunmehr – nachvollziehbar – erklärt, dass diese Hervorhebung nicht den Unterschied in der Gefährdungsbeurteilung für den Wespenbussard einerseits und für andere Vogelarten andererseits, sondern die unterschiedliche Beurteilung beim (nur tagaktiven) Wespenbussard einerseits und bei den (nachtaktiven) Fledermäusen andererseits habe verdeutlichen sollen; das Landratsamt habe deswegen im verwaltungsgerichtlichen Änderungsverfahren zwar sein Einverständnis mit einem Nachtzeitbetrieb geäußert, aber zugleich besonderen Wert auf die Einhaltung der in der Genehmigung zum Schutz der Fledermäuse verfügten Nebenbestimmungen (Gondelmonitoring) gelegt.
2.3. Zu weiteren kollisionsgefährdeten Vogelarten (insbesondere zu Milanen):
Auch insoweit geht der Verwaltungsgerichtshof nach dem Erkenntnisstand im vorläufigen Rechtsschutzverfahren davon aus, dass sich die angefochtene immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 24. März 2016 im Hinblick auf das Tötungsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG im Klageverfahren voraussichtlich als rechtmäßig erweisen wird. Das ergibt sich aus folgendem:
2.3.1. Soweit das Verwaltungsgericht die Frage aufgeworfen hat, ob der angefochtenen Genehmigung hinsichtlich anderer kollisionsgefährdeter Vogelarten (außer dem Wespenbussard) überhaupt eine ausreichende eigene naturschutzfachliche Überprüfung, Bewertung und Entscheidung zugrunde gelegen habe (BA Rn. 58), gelten auch in Bezug auf den Rotmilan, den Schwarzmilan und etwaige weitere vorliegend relevante Vogelarten die obigen Ausführungen (Nr. 2.2.3, erster Absatz).
2.3.2. Die Bedenken, die das Verwaltungsgericht an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Genehmigung im Hinblick auf den Rot- und den Schwarzmilan weiterhin hegt, sind einerseits nachvollziehbar. Die Stellungnahme des Landratsamts (vom 29.1.2020) kann – wie das Gericht ausgeführt hat (BA Rn. 56) – durchaus den Eindruck erwecken, das Landratsamt habe im Wesentlichen aus dem Fehlen eines nachgewiesenen Brutvorkommens dieser beiden Arten innerhalb des engeren Prüfbereichs (Anlage 2 Spalte 2 WKE 2011) auf das Nichtvorliegen eines signifikant erhöhten Tötungs- und Verletzungsrisikos geschlossen und daher die Prüfung nach der Prüfkulisse des weiten Prüfbereichs (Anlage 2 Spalte 3 WKE 2011) ganz unterlassen. Denn die vom Verwaltungsgericht angesprochene Passage (Landratsamt vom 29.1.2020, S. 6 oben) befasst sich (was andere Vogelarten außer dem Wespenbussard angeht) ausschließlich mit der Prüfkulisse nach Anlage 2 Spalte 2 WKE 2011, stellt fest, dass im Zeitpunkt der Genehmigung kein Brutplatz im engeren Prüfbereich nachgewiesen gewesen sei, und folgert hieraus, es sei daher nicht zu erwarten gewesen, dass es im Gefahrenbereich der WEA 3 zu höheren Aufenthaltswahrscheinlichkeiten kollisionsgefährdeter Vogelarten komme oder der Gefahrenbereich der WEA 3 signifikant häufiger überflogen werde; ein möglicher artenschutzrechtlicher Verbotstatbestand für die sonstigen kollisionsgefährdeten Arten durch die WEA 3 sei daher zum Zeitpunkt der Genehmigung ausgeräumt gewesen. Eine solche Schlussfolgerung wäre fachlich und rechtlich falsch, da stets beide Prüfungen (im engeren wie im weiten Prüfbereich) vorzunehmen sind, sofern nicht bereits die Prüfung nach nur einer der Prüfkulissen dazu führt, dass die geplante WEA nicht genehmigt wird (siehe oben Nr. 2 vor 2.1).
2.3.3. Indes geht es auch bezüglich Rotmilan, Schwarzmilan und evtl. weiterer im vorliegenden Fall relevanter kollisionsgefährdeter Vogelarten – ebenso wie bezüglich des Baumfalken (siehe oben 2.2.3) – nicht um eine Ermessensentscheidung, sondern um die Tatbestandsvoraussetzungen des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG und demzufolge nicht darum, ob die vorgenommene arten- und naturschutzfachliche Prüfung und ihr Ergebnis im Bescheid oder in Schriftsätzen umfassend und frei von missverständlichen Formulierungen dargestellt ist, sondern darum, ob sie – gemessen an der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Bescheidserlasses – fachlich und rechtlich ordnungsgemäß vorgenommen wurde.
Die bisherigen Zweifel an einer insoweit fachlich und rechtlich fehlerfreien Entscheidung des Landratsamts erscheinen aufgrund der ergänzenden Äußerung (vom 6.5.2020), die das Landratsamt nunmehr im Beschwerdeverfahren abgegeben hat, nach derzeitiger Einschätzung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht mehr berechtigt. Das Landratsamt hat nunmehr – zutreffend – ausgeführt, dass weder der Gutachter B noch der Gutachter F Brutnachweise eines Milans im B. gefunden hätten; im Bericht 2015 des Gutachters F, der auf seine eigene Bestandsaufnahme 2014 Bezug nimmt, ist nur von einer Milanbrut im nahegelegenen Lindacher Forst die Rede, später habe sich die Brut eines Rotmilans in einer Entfernung von 1.419 m zur WEA 3 herausgestellt (Gutachter F Bestandsaufnahme 2014, S. 2 und S. 10).
2.3.3.1. Festgestellt wurden indes verschiedene Flüge eines Rotmilans neben oder über dem B. (Gutachter F Bericht 2015, S. 10). Die HNB hat auf diesen Erkenntnisstand in ihrer Stellungnahme ans Landratsamt Bezug genommen und die vom Gutachter F aufgeführten Beobachtungen durch weitere Personen als nicht hinreichend substantiiert und (gemäß dem WKE 2011 S. 41) deshalb unbeachtlich angesehen (HNB vom 5.12.2014 S. 5 unten, S. 6 oben). Die vom Gutachter B und vom Gutachter F beobachteten Flüge des Rotmilans fanden fast ausschließlich über Offenland oder am Waldrand statt, sie betrafen nicht den Gefahrenbereich der WEA 3, sondern das Umfeld des B. (HNB vom 4.3.2015, S. 2). Es haben sich (der ergänzenden Äußerung des Landratsamt vom 6.5.2020 zufolge) weder im Jahr 2014 noch im Jahr 2015 hinreichend substantiierte Beobachtungen regelmäßiger Durchflüge des Gefahrenbereichs der WEA 3 oder Überflüge des Gefahrenbereichs durch Rotmilane ergeben, die auf regelmäßige Flugbewegungen dieser Art über die WEA 3 zu Nahrungshabitaten innerhalb der Prüfkulisse nach Anlage 2 Spalte 3 des WKE 2011 hindeuteten; die vom Gutachter F auf Karten mit Flugbewegungen eingezeichneten Flüge des Jahres 2015 seien keine Überflüge oder Durchflüge im Gefahrenbereich der WEA 3, sondern entweder am Westrand des B. oder außerhalb des B. oder über dem B. gewesen. Aufgrund dieses Befundes habe das Landratsamt eine signifikante Erhöhung des Tötungsrisikos für den Rotmilan ausgeschlossen (Landratsamt vom 6.5.2020, S. 4 unten). Der Beigeladene hat die vom Landratsamt bewerteten beobachteten Flüge des Rotmilans in seiner Beschwerdeerwiderung im Einzelnen wie folgt zusammengefasst (Schriftsatz vom 8.5.2020, S. 7 und 8):
– Gutachter B (saP vom 15.1.2014 mit Nachtrag vom 15.10.2014):
Abbildung 8 (S. 48) der saP vom 15.1.2014: 3 Flugbewegungen; keine hiervon über die WEA 3. Gleiches gelte für den Nachtrag vom 15.10.2014 (Abb. 4, S. 10, Abb. 5, S. 11).
– Gutachter F Bericht 2015):
Am 21.6.2015 eine Flugbewegung südwestlich der drei WEA (Bl. 3425 f.); am 9.7.2015 eine Flugbewegung südwestlich der drei WEA (Bl. 3429 f.); am 14.7.2015 drei Flugbewegungen nordwestlich und westlich der drei WEA (Bl. 3431 f.); am 6.8.2015 eine Flugbewegung nordwestlich der drei WEA (Bl. 3437 f.); in der Bestandsaufnahme 2014 sind keine Flugbeobachtungen des Rotmilans aufgezeichnet.
– Beobachtungen der „Bürgerinitiative Unser B. e.V.“:
Sie differenzierten zum einen nicht genau zwischen den Vogelarten, bezeichneten teils die Vogelart überhaupt nicht und gäben teils auch keinen exakt überprüfbaren Standort an. Soweit sie konkretisierbar sind, sind die Flüge oftmals im Westen (Lindenhof, Wiedenzhausen) oder weit im Südosten (Machtenstein) und jedenfalls nicht im Gefahrenbereich der WEA 3.
2.3.3.2. Zum Schwarzmilan gibt das Landratsamt in der Äußerung (vom 6.5.2020, S. 5) die Beobachtungen des Gutachters B und des Gutachters F wieder und fasst sie dahingehend zusammen, dass die beobachteten Flüge im Jahr 2015 außerhalb des B. und nur selten über den WEA, und nur ein Mal (am 9.7.2015) für eine halbe Minute im Gefahrenbereich der WEA 3 gewesen sei; die Beobachtungen beider Gutachter ergäben demnach, dass der Standort der WEA 3 innerhalb des Waldgebietes durch den Schwarzmilan nicht oder kaum frequentiert werde. Der Beigeladene hat die vom Landratsamt bewerteten beobachteten Flugbewegungen des Schwarzmilans wie folgt zusammengefasst (Beschwerdeerwiderung vom 8.5.2020, S. 9):
– Gutachter B (saP-Nachtrag vom 15.10.2014):
Zwei Flugbewegungen, davon keine über die WEA 3 (Abb. 5, S. 22);
– Gutachter F Bericht 2015:
Flugbewegung von einer halben Minute am 9.7.2015 im Gefahrenbereich der WEA 3 (Bl. 3429 f.).
2.3.4. Hinsichtlich weiterer nach dem WKE 2011 kollisionsgefährdeter Arten (wie Rohrweihe, Schwarzstorch, Graureiher) haben das Landratsamt (Äußerung vom 29.1.2020, S. 17 und 18) und der Beigeladene (Schriftsatz vom 8.5.2020, S. 10) die Beobachtungen wie folgt zusammengefasst:
– Rohrweihe:
Gutachter F Bestandsaufnahme 2014, S. 16, Karte 3: Einmalige Beobachtung am Rand des Untersuchungsgebiets, aber nicht über dem Standort der WEA 3); Gleiches durch den Gutachter B (saP-Nachtrag vom 15.10.2014, S. 22 Abb. 5);
– Schwarzstorch:
Gutachter F Bestandsaufnahme 2014, S. 16, Karte 3: Einmalige Beobachtung bei Flug über den B. außerhalb des Gefahrenbereichs der WEA 3;
– Graureiher:
Gutachter B (saP-Nachtrag vom 15.10.2014, Nr. 4.1 auf S. 4, Nr. 4.3 auf S. 8).
Die HNB hatte ihre frühere Empfehlung (vom 5.12.2014) einer Nachuntersuchung auch in Bezug auf den Rotmilan, den Schwarzmilan sowie vorliegend nach dem WKE 2011 kollisionsgefährdete Arten (wie Rohrweihe, Schwarzstorch, Graureiher) mit der oben bereits genannten Stellungnahme (vom 4.3.2015 ans Landratsamt) fallen gelassen. Diese Stellungnahme befasste sich zwar hauptsächlich mit der Problematik des Wespenbussards, bezog aber die anderen relevanten Vogelarten mit ein.
Aus den genannten Gründen spricht viel dafür, dass sich im Klageverfahren die für die angefochtene immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 24. März 2016 maßgebliche Tatsachengrundlage – soweit es um die Gefährdung artengeschützter Vögel und die Vereinbarkeit der Genehmigung mit § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG geht – nachvollziehen lässt und die Genehmigung sich diesbezüglich als rechtmäßig erweisen und die Anfechtungsklage des Antragsgegners voraussichtlich abzuweisen sein wird.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht ersichtlich, so dass ein Ausspruch nach § 162 Abs. 3 VwGO entbehrlich ist.
4. Der Streitwert wurde gemäß § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nrn. 19.2 und 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit festgesetzt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.


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