Europarecht

Bundesfreiwilligendienstgesetz, Verwaltungsgerichte, Finanzielle Zuwendungen, Ständige Verwaltungspraxis, Gleichheitssatz, Begünstigter Personenkreis, Behinderteneinrichtung, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Kostenentscheidung, Maßgeblicher Zeitpunkt, Rechtsmittelbelehrung, Prozeßbevollmächtigter, Erwerbsabsicht, Stationäre Einrichtung, Prozeßkostenhilfeverfahren, freiwillige Leistungen, Ambulanter Pflegedienst, Fördervoraussetzungen, mündlich Verhandlung, Begünstigung

Aktenzeichen  M 31 K 20.4719

Datum:
23.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 7710
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 3 Abs. 1
BV Art. 118 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23. März 2021 trotz des Ausbleibens der Klägerin entschieden werden (§ 102 Abs. 2 VwGO). Die Klägerin ist mit Verfügung vom 2. März 2021, ihr zugestellt am 4. März 2021, form- und fristgerecht geladen worden; sie wurde in der Ladung auf die Möglichkeit der Verhandlung und Entscheidung auch bei Ausbleiben eines Beteiligten hingewiesen.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten den von ihr geltend gemachten Anspruch, sinngemäß gerichtet auf Verpflichtung zur Gewährung und Auszahlung des beantragten Corona-Pflegebonus, nicht inne (§ 113 Abs. 5 VwGO). Vielmehr erweist sich der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 11. August 2020 als rechtmäßig.
1. Bei Zuwendungen der vorliegenden Art handelt es sich um freiwillige Maßnahmen des Beklagten. So wird in der Vorbemerkung der Corona-Pflegebonusrichtlinie ausdrücklich klargestellt, dass der Bonus eine freiwillige Leistung ist und nach Maßgabe der Richtlinie und der allgemeinen haushaltsrechtlichen Bestimmungen des Freistaats Bayern als Billigkeitsleistung ohne Rechtsanspruch im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel gewährt wird.
Eine Rechtsnorm, die konkret einen Anspruch der Klägerin auf Bewilligung der beantragten Zuwendung begründet, existiert nicht. Vielmehr erfolgt die Zuwendung auf der Grundlage der einschlägigen Förderrichtlinie im billigen Ermessen der Behörde unter Beachtung des Haushaltsrechts (Art. 23, 44 BayHO). Ein Rechtsanspruch besteht danach nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis.
Der Norm- und der mit ihm insoweit gleichzusetzende Richtliniengeber (vgl. BVerwG, U.v. 14.3.2018 – 10 C 1/17 – juris Rn. 18; U.v. 24.4.1987 – 7 C 24.85 – juris Rn. 12) ist zunächst bei der Entscheidung darüber, welcher Personenkreis durch freiwillige finanzielle Zuwendungen des Staates gefördert werden soll, weitgehend frei. Zwar darf der Staat seine Leistungen nicht nach unsachlichen Gesichtspunkten, also nicht willkürlich verteilen. Subventionen müssen sich vielmehr gemeinwohlbezogen rechtfertigen lassen, sollen sie vor dem Gleichheitssatz Bestand haben. Sachbezogene Gesichtspunkte stehen jedoch dem Norm- und Richtliniengeber in sehr weitem Umfang zu Gebote; solange die Regelung sich auf eine der Lebenserfahrung nicht geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebensverhältnisse stützt, insbesondere der Kreis der von der Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt ist, kann sie verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden (stRspr; vgl. z.B. BVerfG, U.v. 20.4.2004 – 1 BvR 905/00, 1 BvR 1748/99 – juris Rn. 61; ebenso etwa Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 255).
Sind die Fördervoraussetzungen – wie hier – zulässigerweise in Förderrichtlinien geregelt, so müssen diese von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV), im Einklang mit Art. 23 und 44 BayHO, ohne Verstoß gegen andere Rechtsvorschriften und gemäß dem Förderzweck angewendet werden, wie dieser in den selbst gegebenen Richtlinien zum Ausdruck kommt. Die Verwaltungsgerichte haben sich auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden ist oder ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt. Entscheidend ist daher allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz gebunden ist. Dabei darf eine solche Richtlinie nicht – wie Gesetze oder Rechtsverordnungen – gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dient nur dazu, eine dem Grundsatz der Gleichbehandlung entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (aktuell z.B. BayVGH, B.v. 18.5.2020 – 6 ZB 20.438 – juris Rn. 6; vgl. ferner BVerwG, U.v. 16.6.2015 – 10 C 15.14 – juris Rn. 24; B.v. 11.11.2008 – 7 B 38.08 – juris Rn. 9; BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 26 m.w.N.; B.v. 9.3.2020 – 6 ZB 18.2102 – juris Rn. 9; VG München, U.v. 27.1.2020 – M 31 K 19.4697 – juris Rn. 22; U.v. 28.8.2019 – M 31 K 19.203 – juris Rn. 15).
Ein Anspruch auf Förderung kann daher im Einzelfall dann bestehen, wenn die in den Richtlinien dargelegten Fördervoraussetzungen vorliegen und vergleichbare Anträge in ständiger Förderpraxis des Zuwendungsgebers auch gefördert werden (BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 26; vgl. auch VG München, U.v. 28.8.2019 – M 31 K 19.203 – juris Rn. 15; im Zusammenhang der Corona-Pflegebonusrichtlinie VG Regensburg, GB v. 20.1.2021 – RO 6 K 20.1523 – BeckRS 2021, 705 Rn. 19).
2. Nach den dargelegten Grundsätzen steht der Klägerin kein Anspruch auf Gewährung des Corona-Pflegebonus zu. Weder die Richtlinie selbst noch ihr hier zur Ablehnung führender Vollzug sind vorliegend zu beanstanden. Dies gilt insbesondere für die – hier letztlich entscheidende – ständige Förderpraxis des Beklagten zur Abgrenzung des begünstigten Personenkreises.
2.1 Die Abgrenzung des zuwendungsberechtigten Personenkreises in der durch die Corona-Pflegebonusrichtlinie vorgenommenen Art und Weise, namentlich durch eine Beschränkung auf bestimmte Einrichtungen einerseits und eine tätigkeitsbezogene Komponente andererseits, begegnet zunächst schon grundsätzlich keinen Bedenken, sondern erscheint vielmehr sachgerecht.
Der Kreis der durch die Corona-Pflegebonusrichtlinie begünstigten Personen ist in Nr. 2 der Richtlinie näher umrissen. Begünstigte im Sinne der Richtlinie sind danach Pflegende in Krankenhäusern, Rehabilitationskliniken, stationären Alten-, Pflege- und Behinderteneinrichtungen sowie ambulanten Pflegediensten. Ebenso begünstigt sind tatsächlich in der Pflege Tätige, deren ausgeübte berufliche Tätigkeit der Pflege entspricht und mit dieser vergleichbar ist. In stationären Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen sind alle Beschäftigten begünstigt, die körperlich eng an und mit Menschen mit Behinderung arbeiten. Auch Rettungssanitäter, Rettungsassistenten, Notfallsanitäter und nichtärztliche Einsatzkräfte im Rettungsdienst sind Begünstigte. Eine beispielhafte Auflistung der Begünstigten findet sich in den Anlagen 1, 2 und 3 zur Richtlinie. Begünstigt sind insbesondere neben den in den Anlagen benannten staatlich anerkannten Berufsgruppen auch Auszubildende, die sich aktuell in einer diesbezüglichen Ausbildung befinden.
Es handelt sich hierbei im Sinne der oben dargelegten Anforderungen der Rechtsprechung um eine Abgrenzung des Kreises der Begünstigten nach sachlichen Gesichtspunkten, die insbesondere auch vom Zweck der freiwilligen Leistung getragen wird. Gemäß Nr. 1 Satz 2 CoBoR geht es dem Zuwendungsgeber darum, das überdurchschnittliche Engagement der in Bayern in der professionellen Pflege, im Rettungsdienst und in den stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe Tätigen gerade im Hinblick auf die aktuelle Corona-Pandemie – auch für die Zukunft – besonders zu würdigen und anzuerkennen. Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege als Richtliniengeber hat dies weitergehend wie folgt präzisiert und ergänzt: „Der Corona-Pflegebonus erkennt das Engagement der Pflegekräfte an, die in besonderer Weise dauerhaft und intensiv mit den Herausforderungen der Corona-Pandemie konfrontiert waren. Die Pflegekräfte mussten hierbei insbesondere versuchen, die Präsenz von Angehörigen zu ersetzen, die wegen Besuchsverboten in den begünstigten Einrichtungen nicht emotional und sozial für die Betroffenen sorgen konnten. Vor allem auch dieses besondere menschliche Engagement sollte mit dem Bonus des Freistaates gewürdigt werden“ (Antwort des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege auf eine Schriftliche Anfrage des Abg. Krahl, LT-Drs. 18/11079 vom 15.1.2021, S. 2).
Es steht im Einklang mit dieser Zielsetzung, dass der Richtliniengeber den Kreis der Begünstigten anhand bestimmter Einrichtungen und näher umrissener Qualifikationen bzw. Berufsbilder abgrenzt, die er mit Blick auf diese für besonders relevant erachten durfte. Bei den nach der Richtlinie begünstigten stationären Einrichtungen, namentlich Krankenhäusern, Rehabilitationskliniken, stationären Alten-‍, Pflege- und Behinderteneinrichtungen handelt es sich sämtlich um solche, in denen der vorgenannte Grundgedanke einer Substitution der Präsenz naher Angehöriger in der Zeit pandemiebedingter, umfassender Besuchseinschränkungen ohne weiteres greift. Es ist ferner eine von sachlichen Gründen getragene Wertung des Richtliniengebers, dass er in den Kreis der Einrichtungen, in denen eine Begünstigung der Pflegenden in Betracht kommt, auch die ambulanten Pflegedienste einbezieht. Nach der Corona-Pflegebonusrichtlinie relevant sind ansonsten – vom Rettungsdienstwesen abgesehen – lediglich stationäre Einrichtungen. Die durch den Pflegebonus verfolgte Zielsetzung, besonders den „Ersatz“ persönlicher Kontakte zu würdigen, ist indessen auch im Fall ambulanter Pflegedienste gegeben. Auch insoweit handelt es sich um eine Situation, in der die Pflegekräfte häufig die wesentlichen oder sogar einzigen Ansprechpartner gerade solcher Pflegebedürftiger waren, die altersbedingt einer Risikogruppe angehören und daher von Besuchseinschränkungen besonders betroffen waren.
Dass der Richtliniengeber damit die ansonsten in der Richtlinie verfolgte Beschränkung auf stationäre Einrichtungen durchbricht, zeigt, dass bei der Abgrenzung des begünstigten Personenkreises nicht schematisch, sondern nach sachbezogenen Kriterien vorgegangen wird. Das hier insbesondere relevante, ergänzende Kriterium, wonach tatsächlich in der Pflege Tätige, deren ausgeübte berufliche Tätigkeit der Pflege entspricht und mit dieser vergleichbar ist, ebenso begünstigt sind (Nr. 2 Satz 2 CoBoR), zeugt ebenso von einer sachgerechten und in Grenzen auch der Einzelfallgerechtigkeit verpflichteten Festlegung des begünstigten Personenkreises. Insgesamt ist daher der sehr weite Spielraum des Richtliniengebers, den Kreis der Begünstigten der finanziellen Zuwendung nach sachlichen Gesichtspunkten abzugrenzen, nicht überschritten. Der Richtliniengeber und mit ihm die Vollzugsbehörde sind daher insbesondere auch befugt, die mit der Zuwendung in besonderer Weise zu würdigende soziale Substitutionsfunktion der Pflegenden gerade auch typisierend-einrichtungsbezogen und weiterhin an bestimmten Qualifikationen orientiert zu erfassen und darauf in ihrer Abgrenzung der Zuwendungsberechtigten abzustellen.
2.2 Auch die Förderpraxis des Beklagten auf Grundlage der Richtlinie begegnet keinen Bedenken. Dies gilt insbesondere für die in dieser Förderpraxis etablierte Beschränkung des Kreises der Begünstigten auf Personen, die eine professionelle, von Erwerbsabsicht getragene Tätigkeit ausüben, die hier letztlich dazu führt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf die Zuerkennung und Auszahlung des Pflegebonus geltend machen kann.
2.2.1 Maßgeblich folgt nach der schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung dargelegten Förderpraxis des Beklagten eine Begünstigung nach der Corona-Pflegebonusrichtlinie aus zwei kumulativ zu erfüllenden Kriterien: Zum einen müssen pflegende Personen für eine Begünstigung in bestimmten Einrichtungen tätig sein (Nr. 2 Satz 1 CoBoR), zum anderen müssen bestimmte tätigkeitsbezogene Merkmale erfüllt werden, d.h. die Personen müssen – differenziert nach Einrichtungstyp – eine bestimmte Qualifikation aufweisen oder jedenfalls in einem bestimmten Berufsbild konkret tätig sein (Nr. 2 Satz 3 bis 5, Anlagen 1 bis 3 CoBoR). Ergänzend sind gemäß Nr. 2 Satz 2 CoBoR tatsächlich in der Pflege Tätige ebenso begünstigt, deren ausgeübte berufliche Tätigkeit der Pflege entspricht und mit dieser vergleichbar ist.
Allgemeine Grundvoraussetzung für eine Begünstigung nach der Richtlinie ist es nach der vorgetragenen maßgeblichen Förderpraxis des Beklagten allerdings, dass eine professionelle bzw. berufliche, von Erwerbsabsicht getragene Tätigkeit ausgeübt wird. Nach den Ausführungen der Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung sei es die Grundkonzeption der Corona-Pflegebonusrichtlinie, dass nur in der professionellen Pflege beruflich Tätige begünstigt sein sollen, nicht aber eine freiwillige oder ehrenamtliche Tätigkeit. Der Beklagte habe danach seine Zuwendungspraxis ausgerichtet.
2.2.2 Diese Förderpraxis des Beklagten, insbesondere die zuletzt genannte Beschränkung auf den professionellen, von Erwerbsabsicht getragenen Bereich begegnet letztlich keinen Bedenken; sie hält insbesondere die Grenzen des Willkürverbots ein. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wie bereits ausgeführt, eine gleichmäßige Verwaltungspraxis. Dazu gehört das Verbot einer nicht durch sachliche Unterschiede gerechtfertigten Differenzierung zwischen verschiedenen Sachverhalten bei der Förderung (BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 32). Dabei steht dem Richtliniengeber frei, sich für eine bestimmte Verwaltungspraxis zu entscheiden und diese zu handhaben. Die Willkürgrenze wird selbst dann nicht überschritten, wenn es auch für eine alternative Förderpraxis gute oder gegebenenfalls sogar bessere Gründe gäbe. Eine Verletzung des Willkürverbots liegt mithin nur dann vor, wenn die maßgeblichen Kriterien unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar wären und sich daher der Schluss aufdrängen würde, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhten (vgl. aktuell z.B. VG Würzburg, U.v. 14.12.2020 – W 8 K 20.862 – juris Rn. 51 m.w.N.). Das ist nach Überzeugung des Gerichts insbesondere in Bezug auf die hier relevante Beschränkung auf professionelle, von Erwerbsabsicht getragene Tätigkeiten nicht der Fall.
Zwar ist zunächst festzustellen, dass sich die in der Förderpraxis vorgenommene generelle Beschränkung auf professionelle, von Erwerbsabsicht getragene Tätigkeiten insbesondere im hier relevanten Bereich stationärer Behinderteneinrichtungen nur bedingt auf den Text der Corona-Pflegebonusrichtlinie zurückführen lässt. Insbesondere die Formulierung in den Sätzen 2 und 3 der Nr. 2 der Corona-Pflegebonusrichtlinie legt eher eine Differenzierung zwischen dem Bereich der Pflege und den stationären Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen nahe. Während nach Satz 2 in der Tat auf eine „berufliche Tätigkeit“ abgestellt wird, setzt Satz 3 im Zusammenhang der Behinderteneinrichtungen eine solche gerade nicht voraus und begünstigt dem Wortlaut nach „alle Beschäftigten“, die körperlich eng an und mit Menschen mit Behinderung arbeiten. Verstärkt wird diese Differenzierung weiterhin durch die Bestimmung des Zwecks der Leistung in Nr. 1 der Corona-Pflegebonusrichtlinie, wenn dort in Satz 2 auf das überdurchschnittliche Engagement der in Bayern „in der professionellen Pflege […] und in den stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe Tätigen“ abgehoben wird. Auch diese Bestimmung legt eine Differenzierung zwischen der professionellen Pflege und einer allgemeineren Tätigkeit in Behinderteneinrichtungen nahe. Weiteres Gewicht wird diesen jedenfalls vordergründig differenzierenden Bestimmungen zu stationären Behinderteneinrichtungen dadurch verliehen, dass sie erst zu einem späteren Zeitpunkt in die Richtlinie eingefügt wurden (Bekanntmachung vom 15.5.2020, BayMBl. Nr. 272), so dass von einer bewussten Regelung des Richtliniengebers auszugehen wäre.
Letztlich entscheidend ist freilich – wie bereits ausgeführt – allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat. Bei der rechtlichen Beurteilung staatlicher Fördermaßnahmen, die wie hier nicht auf Rechtsnormen, sondern lediglich auf verwaltungsinternen ermessenslenkenden Vergaberichtlinien beruhen, kommt es damit nicht auf eine objektive Auslegung der Richtlinien an, sondern grundsätzlich nur darauf, wie die ministeriellen Vorgaben von der zuständigen Stelle tatsächlich verstanden und praktiziert worden sind (vgl. BayVGH, U.v. 10.12.2015 – 4 BV 15.1830 – juris Rn. 42 m.w.N.; zuletzt etwa VG Würzburg, U. v. 8.2.2021 – W 8 K 20.965 – juris Rn. 21). Zu beanstanden wäre jedoch eine Verwaltungspraxis, die von der entsprechenden Förderrichtlinie in keiner Weise gedeckt wäre oder ihr zuwiderliefe, wenn die Bewilligungsbehörde also entgegen ihrer Verpflichtung aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht entsprechend den ihr Ermessen bindenden Verwaltungsvorschriften handelte (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 3.2.2021 – 10 LC 149/20 – juris Rn. 36).
Das ist hier jedoch nicht der Fall. Die durch den Beklagten praktizierte, generelle Beschränkung des Kreises der Begünstigten auf beruflich oder professionell Tätige mit Erwerbsabsicht ergibt sich zwar wie dargelegt im hier relevanten Bereich stationärer Behinderteneinrichtungen mitnichten zwingend aus der Corona-Pflegebonusrichtlinie. Angesichts verschiedener textlicher Anhaltspunkte in den vorgenannten Bestimmungen, die auf eine Beschränkung auf den professionellen Bereich hindeuten, steht der Verwaltungsvollzug indes in dieser Hinsicht nicht in unauflöslichem Widerspruch zur Corona-Pflegebonusrichtlinie.
Zudem ist die Förderpraxis des Beklagten nach Überzeugung des Gerichts in dieser Hinsicht jedenfalls nicht willkürlich, sondern durch sachliche Unterschiede gerechtfertigt. Der Vertreter des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege führte in der mündlichen Verhandlung näher aus, dass der grundlegende Gedanke der Richtlinie die Begünstigung von professionellen Pflegekräften sei, da nur diese in Zeiten pandemiebedingter Einschränkungen Zugang zu den Patienten gehabt hätten. Daher treffe auch nur auf diese Gruppe das Ziel des Pflegebonus zu, wonach der zusätzlich geleistete Ersatz von Angehörigenkontakten durch die Pflegenden gewürdigt werden solle. Es sei im Ministerrat anlässlich der Änderung der Richtlinie zum 12. Mai 2020 (Bekanntmachung vom 15.5.2020, BayMBl. Nr. 272) diskutiert worden, ob auch freiwillige Kräfte in den Kreis der Begünstigten aufzunehmen seien. Dies sei ausdrücklich abgelehnt worden. Das Verständnis der Richtlinie, wonach insgesamt nur professionell und beruflich tätige Personen begünstigt sein sollen, sei durch das zuständige Landesamt für Pflege in seiner Zuwendungspraxis auch durchgehend so umgesetzt worden. Obschon die Richtlinie möglicherweise unklar oder unglücklich formuliert sein könnte, stimme dieses Verständnis mit der Verwaltungspraxis überein.
Der vorgenannte Ansatz, wonach der Corona-Pflegebonus generell typisierend auf eine bestimmte Situation in der professionellen Pflege abstellt und die zusätzlich geleistete Substitution von Angehörigenkontakten würdigen soll, rechtfertigt die getroffene grundlegende Abgrenzung zwischen dem Bereich professioneller, von Erwerbsabsicht getragener Tätigkeit und einem freiwilligen oder ehrenamtlichen Einsatz. Darin soll, wie der Beklagte insbesondere schriftsätzlich vorgetragen hat, kein Wertungsunterschied zum Ausdruck kommen, vielmehr ist das Instrument des Corona-Pflegebonus lediglich auf einen der beiden Bereiche, namentlich den beruflich-professionellen Bereich ausgerichtet. Dieses Verständnis mag sich insbesondere nach dem Wortlaut der Richtlinie nicht aufdrängen, ist aber jedenfalls nicht willkürlich, da von sachlichen Unterschieden getragen. Bildet – wie hier – die Willkürgrenze den gerichtlichen Prüfungsmaßstab, kommt es nicht darauf an, ob es zu der festgestellten Verwaltungspraxis Alternativen gibt. Willkür ist vielmehr bereits dann zu verneinen, wenn sich die Behörde überhaupt von sachlichen Erwägungen hat leiten lassen (OVG MV, U.v. 27.6.2001 – 2 L 39/99 – juris Rn. 31). Das ist nach Auffassung des Gerichts mit den o.g. Erwägungen hier der Fall, zumal die Vertreterin des Beklagten in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, dass der Corona-Pflegebonus nie als Gefahrenzulage konzipiert war (vgl. auch Antwort des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege auf eine Schriftliche Anfrage des Abg. Krahl, aaO; VG Würzburg, Urt. v. 8.2.2021 aaO).
2.3 Ausgehend davon ist auch die Einzelfallentscheidung des Beklagten, die Klägerin hier nicht zum Kreis der Begünstigten zu zählen, nicht zu beanstanden. Bei der Klägerin liegen die in der Corona-Pflegebonusrichtlinie dargelegten Zuwendungsvoraussetzungen nicht vor, wie sie vom Beklagten in ständiger Verwaltungspraxis vollzogen werden. Nach ihren Angaben leistet die Klägerin Bundesfreiwilligendienst, bei dem es sich bereits begrifflich um eine freiwillige Tätigkeit ohne Erwerbsabsicht handelt (vgl. auch § 2 Nr. 2 Bundesfreiwilligendienstgesetz – BFDG). Aus diesem Grund ist sie nach der dargelegten und nicht zu beanstandenden Vollzugspraxis des Beklagten nach der Richtlinie generell nicht begünstigt, ohne dass es noch darauf ankäme, ob eine – was nach den klägerischen Angaben durchaus der Fall sein dürfte – der Pflege entsprechende und mit dieser vergleichbaren Tätigkeit vorliegt.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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