Europarecht

Cannabidiol-haltiges Hanfextrakt als Futtermittelzusatzstoff

Aktenzeichen  M 26 S 19.3205

Datum:
13.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 9748
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VO (EG) Nr. 1831/2003 Art. 3 Abs. 1
VwGO § 80 Abs. 5, § 113 Abs. 1 S. 1
VO (EU) Art. 138 Abs. 1 S. 1 lit. b, Abs. 2 lit. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen ein Inverkehrbringungsverbot für Cannabidiolhaltigen Hanfextrakt und Produkte, denen dieses Extrakt hinzugefügt wurde.
Die Antragstellerin zeigte mit E-Mail vom … Dezember 2018 gegenüber der Regierung von Oberbayern an, dass sie beabsichtige, Futtermittel in Deutschland zu vertreiben. Im Zuge des eingeleiteten Registrierungsverfahrens als Futtermittelunternehmen wurden die entsprechenden Produktinformationsblätter vorgelegt. Aus diesen ergab sich, dass es sich bei den Futtermitteln um mehrere Hanfprodukte für Tiere, darunter auch Produkte, denen Cannabidiolhaltiges Hanfextrakt hinzugefügt worden war, handelte. Die Regierung von Oberbayern vertrat die Auffassung, dass es sich bei dem Cannabidiolhaltigen Hanfextrakt um einen nicht zugelassenen Futtermittelzusatzstoff handele. Diese Auffassung wurde durch das eingeschaltene Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit mit Stellungnahme vom 30. Januar 2019 bestätigt.
Mit Schreiben vom 19. Februar 2019 forderte die Regierung von Oberbayern die Antragstellerin unter Mitteilung dieser Rechtsauffassung auf, umgehend das Inverkehrbringen von Futtermitteln, die Cannabidiolhaltigen Hanfextrakt enthalten, einzustellen und eine Bestätigung der Einstellung des Vertriebs zu übermitteln. Dies lehnte die Antragstellerin mit Schreiben vom … März 2019 ab und trat der Auffassung der Regierung entgegen.
Nach vorheriger Anhörung untersagte der Antragsgegner der Antragstellerin mit Bescheid vom 31. Mai 2019, zugestellt am 5. Juni 2019, mit sofortiger Wirkung, Cannabidiolhaltigen Hanfextrakt ohne entsprechende Zulassung nach der Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 in den Verkehr zu bringen, zu verarbeiten oder zu verwenden (Nr. 1 des Bescheids), und Futtermittel, die nicht nach der Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 zugelassenen Cannabidiolhaltigen Hanfextrakt enthalten, in den Verkehr zu bringen (Nr. 2 des Bescheids). Die sofortige Vollziehung der Nummern 1 und 2 wurde angeordnet. Ferner wurde für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die beiden verfügten Verbote jeweils ein Zwangsgeld von 5.000 Euro angedroht.
In der Begründung des Bescheids wurde im Rahmen der Erläuterung, warum es sich bei dem streitgegenständlichen Hanfextrakt um einen nicht zugelassenen Futtermittelzusatzstoff handle, insbesondere darauf abgestellt, dass dem Hanfextrakt der erforderliche Nährwert fehle, um als Einzelfuttermittel eingeordnet zu werden, und dass mittels des Hanfextrakts eine positive Beeinflussung des Wohlbefindens der Tiere bezweckt werde. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung wurde insbesondere mit dem durch das vorgeschriebene Zulassungsverfahren bezweckten Gesundheitsschutz begründet.
Mit Schreiben vom 5. Juli 2019, eingegangen bei Gericht am selben Tag, erhob die anwaltlich vertretene Antragstellerin Klage mit dem Ziel, den Bescheid vom 31. Mai 2019 aufheben zu lassen. Weiterhin wird beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage bezüglich der angeordneten sofortigen Vollziehung der Nummern 1 und 2 des Bescheids vom 31. Mai 2019 wiederherzustellen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es sich bei dem Hanfextrakt um keinen Futtermittelzusatzstoff handle, da die definierten Voraussetzungen nicht vorlägen. Insbesondere mangele es an dem Hervorrufen einer der geforderten Funktionen. Mehrere Auslegungshilfen, die Eingang in die Bewertung des Antragsgegners gefunden hätten, hätten lediglich unverbindlichen Charakter. Zudem sei die Anordnung der sofortigen Vollziehung mangels hinreichenden Einzelfallbezugs formell und mangels konkreter Gesundheitsgefahr auch materiell rechtswidrig.
Der Antragsgegner beantragt mit Schreiben vom 25. Juli 2019,
den Antrag abzulehnen.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstands sowie zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtssowie die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist unbegründet. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell nicht zu beanstanden und die vorzunehmende Abwägung ergibt, dass das Vollzugsinteresse das Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung überwiegt.
1. Der Antragsgegner hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung unter hinreichender Begründung des öffentlichen Vollzugsinteresses verfügt.
Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen der Anordnung der sofortigen Vollziehung im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse der Behörde an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen, damit sich die Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen führt und sie veranlasst, mit Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes öffentliches Interesse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert (BVerwG, B. v. 18.9.2001 – 1 DB 26.01). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die von der Behörde gegebene Begründung dem Gericht auch inhaltlich zutrifft, sondern allein darauf, ob die vorgenannten Kriterien einer einzelfallbezogenen Begründung in formeller Hinsicht erfüllt worden sind, da § 80 Abs. 3 VwGO lediglich eine formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung normiert (VGH Mannheim, B. v. 10.12.2010 – 10 S 2173/10; SächsOVG, B. v. 6.1.2016 – F 7 B 347/15.F). Eine inhaltliche Prüfung der Begründung erfolgt an dieser Stelle entgegen der Auffassung der Antragstellerin hingegen nicht.
Die vom Antragsgegner gegebene Begründung für die Anordnung des Sofortvollzugs ist nach den eben dargestellten Maßstäben als ausreichend anzusehen.
Der Antragsgegner hat im angegriffenen Bescheid ausgeführt, dass ohne eine Anordnung der sofortigen Vollziehung dem Sinn und Zweck der Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über Zusatzstoffe zur Verwendung in der Tierernährung (Abl. EU Nr. L 268 S. 29 ff.) (VO (EU) Nr. 1831/2003), wonach vor Inverkehrbringen und Verwenden von Futtermittelzusatzstoffen ein Zulassungsverfahren durchlaufen werden muss, um die tierische Gesundheit zu schützen, zuwidergehandelt werden würde. Zudem diene die Anordnung auch der wirksamen sowie einheitlichen Anwendung und Durchsetzung des Unionsrechts.
Zwar enthält die Begründung mit maßgeblich auf den Sinn und Zweck der Regelungen zum Zulassungsverfahren abstellenden Ausführungen überwiegend Erwägungen, die auch auf parallel gelagerte Fälle übertragen werden könnten.
Allerdings können bei gleichartigen Tatbeständen auch gleiche oder gruppentypisierte Begründungen ausreichen. In solchen Fällen ist es nicht zwingend geboten, eine ausschließlich auf den konkreten Einzelfall zugeschnittene Begründung zu geben. Gerade dann, wenn immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, kann sich die Behörde darauf beschränken, für diese Fallgruppen typischen Interessenlagen zur Rechtfertigung der Anordnung des Sofortvollzugs aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass nach ihrer Auffassung diese Interessenlage auch im konkreten Fall vorliegt (BayVGH, U. v. 27.10.2005 – 11 CS 05.1967), wie es die Behörde im vorliegenden Fall getan hat. Dass die eher allgemein gehaltenen Ausführungen dem Begründungserfordernis genügen, gilt umso mehr, als nach Auffassung der Behörde die Anordnung der sofortigen Vollziehung der einheitlichen Anwendung und Durchsetzung von Unionsrecht dient und damit gerade auf Sinn und Zweck der Regelungen zum Zulassungsverfahren abgestellt werden musste.
2. Der Antrag ist unbegründet, da das Vollzugsinteresse das Interesse der Antragstellerin überwiegt.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine eigene, originäre Ermessensentscheidung. Es hat zwischen dem in der jeweils maßgeblichen gesetzlichen Regelung zum Ausdruck kommenden Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes und dem Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Im Rahmen dieser Abwägung sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Eilverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, tritt das Interesse der Antragstellerin regelmäßig zurück. Erweist sich der zugrundeliegende Bescheid bei dieser Prüfung hingegen als rechtswidrig und das Hauptsacheverfahren damit voraussichtlich als erfolgreich, ist das Interesse an der sofortigen Vollziehung regelmäßig zu verneinen. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens hingegen offen, kommt es zu einer allgemeinen Abwägung der widerstreitenden Interessen.
a) Die summarische Prüfung ergibt, dass die in Nummer 1 und 2 enthaltenen Verfügungen des streitgegenständlichen Bescheids voraussichtlich rechtmäßig sind und die Antragstellerin daher nicht in ihren Rechten verletzen, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Anfechtungsklage wird mithin aller Voraussicht insoweit keinen Erfolg haben.
aa) Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der unter Nummer 1 des Bescheids enthaltenen Verfügung, wonach der Antragstellerin untersagt wird, Cannabidiolhaltigen Hanfextrakt in den Verkehr zu bringen, zu verarbeiten oder zu verwenden, bestehen nicht.
Die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung bemisst sich nach Art. 138 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b, Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 über amtliche Kontrollen und andere amtlichen Tätigkeiten zur Gewährleistung der Anwendung des Lebens- und Futtermittelrechts und der Vorschriften über Tiergesundheit und Tierschutz, Pflanzengesundheit und Pflanzenschutzmittel, zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 999/2001, (EG) Nr. 396/2005, (EG) Nr. 1069/2009, (EG) Nr. 1107/2009, (EU) Nr. 1151/2012, (EU) Nr. 652/2014, (EU) 2016/429 und (EU) 2016/2031 des Europäischen Parlaments und des Rates, der Verordnungen (EG) Nr. 1/2005 und (EG) Nr. 1099/2009 des Rates sowie der Richtlinien 98/58/EG, 1999/74/EG, 2007/43/EG, 2008/119/EG und 2008/120/EG des Rates und zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 854/2004 und (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 89/608/EWG, 89/662/EWG, 90/425/EWG, 91/496/EEG, 96/23/EG, 96/93/EG und 97/78/EG des Rates und des Beschlusses 92/438/EWG des Rates (Verordnung über amtliche Kontrollen) (ABl. EU Nr. L 95 S. 1 ff.) (VO (EU) Nr. 2017/625) i. V. m. § 39 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch – LFGB), nachdem die Verordnung (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz (ABl EG Nr. L 165 S. 1ff.) (VO (EG) Nr. 882/2004) mit Wirkung vom 14. Dezember 2019 außer Kraft getreten ist.
Ob Art. 138 VO (EU) Nr. 2017/625 oder aber § 39 LFGB maßgeblich ist, kann offen bleiben, da beide Rechtsgrundlagen eine identische Zielrichtung haben und hinsichtlich des Befugnisrahmens und der Rechtsfolgen gleich sind. Beide Rechtsgrundlagen stellen generalklauselartige Befugnisnormen dar, welche bei Eröffnung des jeweiligen Anwendungsbereiches der Norm und der Zugrundelegung des streitgegenständlichen Sachverhaltes die getroffenen Anordnungen decken können (so zum Verhältnis der Vorgängernorm Art. 54 VO (EG) Nr. 882/2004 und § 39 LFBG VG Augsburg, U. v. 24.10.2017 – Au 1 K 17.883).
Ob die Prüfung lediglich am Maßstab des Art. 138 VO (EU) Nr. 2017/625 i. V. m. § 39 LFBG zu erfolgen hat oder für den Zeitraum ab dem 14. Dezember 2019 nach den soeben genannten Normen und für den Zeitraum vor dem 14. Dezember 2019 am Maßstab des Art. 54 VO (EG) Nr. 882/2004 i. V. m. § 39 LFBG, kann dahingestellt bleiben, da auch im Verhältnis der beiden unionsrechtlichen Vorschriften das zum Verhältnis von Art. 138 VO (EU) Nr. 2017/625 und § 39 LFBG Ausgeführte entsprechend gilt.
Nach diesen Vorschriften trifft die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen und Anordnungen, die insbesondere zur Beseitigung festgestellter Verstöße erforderlich sind.
Gemäß Art. 3 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1831/2003 darf niemand einen Futtermittelzusatzstoff in Verkehr bringen, verarbeiten oder verwenden, sofern nicht unter anderem eine entsprechende Zulassung gemäß dieser Verordnung erteilt worden ist.
Bei dem streitgegenständlichen Hanfextrakt, für den unstreitig keine Zulassung nach dieser Verordnung vorliegt, handelt es sich um einen Futtermittelzusatzstoff, so dass die Voraussetzungen für die streitgegenständliche Untersagungsverfügung vorliegen. Auf die Frage, wie aufwändig das Verfahren zur Gewinnung von Hanfextrakt ist, kommt es dabei nicht an.
Gemäß Art. 2 Abs. 2 Buchst. a VO (EG) Nr. 1831/2003 sind Futtermittelzusatzstoffe Stoffe, Mikroorganismen oder Zubereitungen, die keine Futtermittel-Ausgangserzeugnisse oder Vormischungen sind und bewusst Futtermitteln oder Wasser zugesetzt werden, um insbesondere eine oder mehrere der in Art. 5 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1831/2003 genannten Funktionen zu erfüllen.
(1) Ausweislich der in den Behördenakten enthaltenen Produktinformationsblättern wird durch das Hanfextrakt (und die darin enthaltenen Cannabinoide, zu denen auch Cannabidiol gehört), das den Produkten beigefügt wird, bezweckt, das Wohlbefinden der Tiere, denen das Hanfextrakthaltige Produkt verabreicht wird, positiv zu beeinflussen, vgl. Art. 5 Abs. 3 Buchst. f VO (EG) Nr. 1831/2003. Dass der Gehalt an Cannabinoiden dabei produktübergreifend maßgeblich auf das Hanfextrakt zurückzuführen ist, hat auch das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in seiner Stellungnahme vom 30. Januar 2019 bestätigt. Anhaltspunkte, die diese Bewertung in Frage stellen, hat die Antragstellerin nicht vorgetragen.
Dass die Beeinflussung des Wohlbefindens der Tiere dabei wohl nicht über die Einwirkung auf die Magen- und Darmflora erfolgt, ist unschädlich, da aus der Formulierung ersichtlich ist, dass die Steigerung des Wohlbefindens durch die genannten beiden Alternativen nicht abschließend ist. Vielmehr kommen auch andere Wirkweisen in Betracht, die das Wohlbefinden der Tiere positiv beeinflussen.
Das von der Antragstellerin vorgebrachte Argument, dass ausweislich des Art. 5 Abs. 3 Buchst. f VO (EG) Nr. 1831/2003 ein Futtermittelzusatzstoff nur dann vorliegt, wenn eine der in Art. 5 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1831/2003 genannten Funktionen auch tatsächlich gegeben ist, überzeugt nicht. Die in Art. 5 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1831/2003 genannten Funktionen müssen nur dann tatsächlich Vorliegen, wenn diese Vorschrift unmittelbar zur Anwendung kommt. Das Vorliegen einer derartigen Funktion ist Voraussetzung für die Zulassung eines Futtermittelzusatzstoffes. Sofern jedoch bei der Definition des Begriffs des Futtermittelzusatzstoffes in Art. 2 Abs. 2 Buchst. a VO (EG) Nr. 1831/2003 auf den dortigen Art. 5 Abs. 3 Bezug genommen wird, erfolgt dies ausweislich des Wortlauts nur im Rahmen eines Zweckbezugs. Mithin kommt es für die Qualifizierung als Futtermittelzusatzstoff nicht darauf an, dass eine der in Art. 5 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1831/2003 genannten Funktionen auch tatsächlich gegeben ist, sondern nur darauf, dass diese bezweckt wird. Eine entsprechende Funktion ist somit eines der möglichen Kriterien, das einen zulassungsfähigen Futtermittelzusatzstoff von einem nichtzulassungsfähigen Futtermittelzusatzstoff unterscheidet.
An dieser Einschätzung ändert auch der Vortrag der Antragstellerin nichts, dass das sich ebenfalls im Sortiment der Antragstellerin befindliche Hanfpulver ebenfalls Cannabidiol enthalte. Zwar handelt es sich bei dem Hanfpulver bzw. Hanfmehl um ein Einzelfuttermittel nach Teil 4 Nr. 6.7.1 des Anhangs der Verordnung (EU) Nr. 68/2013 der Kommission vom 16. Januar 2013 zum Katalog der Einzelfuttermittel (ABl. L 029 S. 1 ff.) (VO (EU) Nr. 68/2013). Während Cannabidiolhaltiges Hanfextrakt anderen Futtermitteln zugesetzt wird, um einen Cannabidiolwert zu begründen bzw. zu steigern, kann Hanfmehl, abhängig von den verwendeten Hanfbestandteilen, ohne Zusätze bereits Cannabidiol enthalten. Dass die unterschiedlichen Stoffe daher auch unterschiedlichen Regularien unterliegen, ist nachvollziehbar.
(2) Das Hanfextrakt stellt unstreitig keine Vormischung nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. e VO (EG) Nr. 1831/2003 dar. Darüber hinaus ist es auch kein Futtermittel-Ausgangserzeugnis nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. b VO (EG) Nr. 1831/2003.
Der Begriff des Futtermittel-Ausgangserzeugnisses ist dabei trotz fehlender Definition bzw. fehlendem Verweis in der VO (EG) Nr. 1831/2003 gleichbedeutend mit dem Begriff des Einzelfuttermittels gemäß Art. 3 Abs. 2 Buchst. g der Verordnung (EG) Nr. 767/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über das Inverkehrbringen und die Verwendung von Futtermitteln, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 79/373/EWG des Rates, 80/511/EWG der Kommission, 82/471/EWG des Rates, 83/228/EWG des Rates, 93/74/EWG des Rates, 93/113/EG des Rates und 96/25/EG des Rates und der Entscheidung 2004/217/EG der Kommission (VO (EG) Nr. 767/2009). Dies ergibt sich bereits aus der – wenn auch nicht wörtlichen, so aber – inhaltlichen Identität der beiden Definitionen (zur synonymen Verwendung der Begriffe siehe auch 1.2.1 der Empfehlung der Kommission vom 14. Januar 2011 zur Festlegung von Leitlinien für die Unterscheidung zwischen Einzelfuttermitteln, Futtermittelzusatzstoffen, Biozid-Produkten und Tierarzneimitteln (Empfehlung 2011/25/EU)). Nachfolgend wird auf den Begriff und die Definition des Einzelfuttermittels abgestellt, da üblicherweise zwischen Einzelfuttermitteln und Futtermittelzusatzstoffen unterschieden wird.
Einzelfuttermittel müssen nach der Begriffsbestimmung des Art. 3 Abs. 2 Buchst. g der VO (EG) Nr. 767/2009 zur Deckung des Ernährungsbedarfs von Tieren dienen bzw. zur Tierernährung bestimmt sein. Dass dem Hanfextrakt diese Funktion zukommt, ist weder ersichtlich noch vorgetragen worden. Vielmehr wurde vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit mit Stellungnahme vom 30. Januar 2019 festgestellt, dass das Hanfextrakt keinen Beitrag zur Deckung des Nährstoffbedarfs aufweist. Bereits aus diesem Grund ist das Hanfextrakt nicht als Einzelfuttermittel anzusehen.
Zudem sind gemäß 1.2.2. Spiegelstrich 2 der Empfehlung 2011/25/EU Stoffe, die aus Gründen der Gesundheit von Mensch oder Tier erfordern, dass ein Höchstgehalt des Erzeugnisses in der Tagesration festgelegt wird, als Zusatzstoffe anzusehen.
Mit Blick auf die von der Antragstellerin beworbene beruhigende Wirkung der Produkte, denen das Hanfextrakt beigefügt ist, sowie ausweislich der Verzehrs- bzw. Dosierungsempfehlungen, die in den der Regierung von Oberbayern von der Antragstellerin übermittelten Produktinformationsblättern enthalten sind, wonach dem jeweiligen Tier nur eine bestimmte Menge des Produkts pro Tag verfüttert werden soll, stellt sich nach Auffassung des Gerichts die Frage nach der korrekten Dosierung des Mittels bzw. der Produkte zum Schutze der Tiergesundheit, so dass auch dieser Umstand für das Vorliegen eines Futtermittelzusatzstoffes spricht.
Dabei verkennt das Gericht auch nicht, dass es sich bei diesem Regelwerk nur um eine Empfehlung und somit wie von der Antragstellerin betont nur um unverbindliche Hinweise handelt; dennoch sind diese Leitlinien mit Blick auf die unionsweite einheitliche Rechtsauslegung jedenfalls als Auslegungshilfe in die Bewertung miteinzubeziehen.
Wenn auch unter dem soeben formulierten Vorbehalt, so spricht auch die Bewertung der Europäischen Kommission unter A.03.3. im summary report of the standing committee on plants, animals, food and feed, abgehalten in Brüssel vom 11. bis 13. September 2017, für eine Einstufung des Hanfextrakts als Futtermittelzusatzstoff. Nach diesem Bericht sind durch überkritische CO₂-Extraktion gewonnene pflanzliche Produkte aus der Ölherstellung, wie etwa aus Hanfblüten extrahierte Cannabidiol-Öle, tendenziell als Futtermittelzusatzstoffe einzustufen. Eine parallele Einstufung des ebenfalls im Wege der Extraktion gewonnenen Cannabidiolhaltigen Hanfextrakts ist daher auch nach dieser Auslegungshilfe naheliegend.
Soweit die Antragstellerin vorbringt, dass unter 2.22.3 des Verzeichnisses der Einzelfuttermittel der VO (EU) Nr. 68/2013 Hanföl ausdrücklich aufgeführt ist, ändert dies nichts an der Bewertung. Dies folgt bereits daraus, dass Hanfextrakt anders als Hanfsaat (2.22.1), Hanfkuchen (2.22.2) und Hanföl (2.22.3) nicht explizit erwähnt wird. Zudem unterscheidet sich Hanfextrakt von den genannten hanfbasierten Einzelfuttermitteln auch hinsichtlich der Gewinnungsform und des Nährstoffgehalts.
Dass das Extraktionsverfahren unter Punkt 26 im Glossar der Verordnung erwähnt wird, ändert nichts daran, da das Glossar nur die möglichen Herstellungsverfahren von Futtermitteln definiert. Welches Herstellungsverfahren bei dem jeweiligen definierten Einzelfuttermittel zur Anwendung kommt, ergibt sich hingegen aus der Beschreibung des jeweiligen Einzelfuttermittels.
bb) Ebenso ist von der Rechtmäßigkeit der unter Nummer 2 des Bescheids enthaltenen Verfügung auszugehen, wonach der Antragstellerin untersagt wird, Futtermittel, denen das Cannabidiolhaltige Hanfextrakt zugesetzt wurde, in den Verkehr zu bringen.
Die Verfügung lässt sich auf Art. 54 VO (EG) Nr. 882/2004 bzw. Art. 138 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b, Abs. 2 Satz 1 VO (EU) Nr. 2017/625 i. V. m. § 21 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b LFBG i. V. m. mit Art. 3 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1831/2003 stützten.
Nach § 21 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b LFBG dürfen Futtermittel, bei deren Herstellen oder Behandeln ein Futtermittelzusatzstoff einer anderen als der in Art. 6 Abs. 2 Buchst. e VO (EG) Nr. 1831/2003 genannten Kategorie verwendet worden ist, nicht in Verkehr gebracht und nicht verfüttert werden, sofern der verwendete Futtermittelzusatzstoff nicht durch einen unmittelbar geltenden Rechtsakt der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union zugelassen ist.
Da das streitgegenständliche Hanfextrakt nicht zur Abtötung oder Wachstumshemmung von Protozoen dient (vgl. Art. 2 Abs. 2 Buchst. j VO (EG) 1831/2003) und es sich somit nicht um Kokzidiostatika und Histomonostatika nach Art. 6 Abs. 2 Buchst. e VO (EG) Nr. 1831/2003 handelt, sind die Voraussetzungen für den Erlass der Verfügung in Zusammenschau mit den obigen Ausführungen gegeben.
b) Mangels voraussichtlichen Erfolgs des Hauptsacherechtsbehelfs tritt das Interesse der Antragstellerin hinter dem Vollzugsinteresse zurück.
Anhaltspunkte, die dafür sprechen, dass das Interesse der Antragstellerin trotz mangelnder Erfolgsaussichten in der Hauptsache das Vollzugsinteresse überwiegt, sind nicht ersichtlich. Dies gilt umso mehr, als die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung dazu führen würde, dass die Antragstellerin einen Futtermittelzusatzstoff ohne die vorgesehene Zulassung in den Verkehr bringen könnte, was dem in Art. 1 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1831/2003 bestimmten Sinn und Zweck des Zulassungsverfahrens widersprechen würde sowie die effektive Durchsetzung der Regelungen des Unionsrechts und die unionsweit einheitliche Rechtsanwendung gefährden würde.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG in Verbindung mit Nummer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


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