Europarecht

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Aktenzeichen  AN 17 S 21.50204

Datum:
3.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 26543
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 17a
GVG 83
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1 a)
AsylG § 34a
Dublin III-VO Art. 13
Dublin III-VO Art. 18 Abs. 1 Buchst. c

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), mit dem sein Asylantrag als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung nach Rumänien angeordnet wurde.
Der Antragsteller ist nach seinen Angaben 1996 geborene und somalischer Staatsangehöriger. Er wurde am 18. Juli 2021 von der Bundespolizei am Bahnhof …aufgegriffen, ohne im Besitz von Identitäts- und Aufenthaltspapieren zu sein. Im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung zum Vorwurf der unerlaubten Einreise in der Bundesrepublik Deutschland, äußerte er ein Asylgesuch, machte Angaben zu Vorfällen 2018 und 2019 in Somalia und gab an, sich für Deutschland und nicht für Österreich als Asylland entschieden zu haben.
Eine Eurodac-Datenbank-Abfrage durch die Bundespolizei und das Bundesamt ergab eine Asylantragstellung des Antragstellers in Rumänien am 20. März 2021 und in Griechenland am 26. April 2021. In der Bundesamtsakte befindet sich außerdem der Auszug eines Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, nach dem ein Antrag auf internationalen Schutz vom 26. April 2021 einer Person mit gleichem Namen und Staatsangehörigkeit wie der Antragsteller, aber anders angegebenen Geburtsdaten wegen der Zuständigkeit Rumäniens nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) als zuständig zurückgewiesen wurde.
Auf das Übernahmegesuch des Bundesamtes vom 20. Juli 2021 erklärte Rumänien mit Schreiben vom 2. August 2021, dass der Antragsteller dort am 21. März 2021 einen Asylantrag gestellt habe, aber untergetaucht sei, so dass sein Verfahren am 27. Mai 2021 geschlossen worden sei. Die Übernahme des Antragstellers wurde gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. c Dublin III-VO akzeptiert.
Im Rahmen einer Anhörung vom 5. August 2021 gab der Antragsteller vor dem Bundesamt an, dass er in Rumänien persönlich keinen Asylantrag gestellt, aber Finderabdrücke abgegeben habe. Er sei neunmal nach Rumänien eingereist und jedes Mal nach Serbien zurückgeschickt worden. Er habe jedes Mal sein Geld und sein Handy abgegeben müssen, sei mit einem Knüppel geschlagen und mit Tritten hinausgeworfen worden. Fünf Tage lang sei er in einem leeren Raum eingesperrt gewesen. Er habe deshalb viele Ängste und Sorgen, graue Haare und Gastritis bekommen. In Österreich sei er abgelehnt worden.
Mit Bescheid vom 6. August 2021, dem Antragsteller in der Haft am 11. August 2021 zugestellt, lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2), ordnete die Abschiebung nach Rumänien an (Ziffer 3) sowie ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG und befristete dieses auf neun Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4).
Zur Begründung führte das Bundesamt im Bescheid im Wesentlichen aus, dass der Asylantrag gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG unzulässig sei, da Rumänien gemäß Art. 3 Abs. 2 i.V.m. Art. 18 Abs. 1 Buchst. c Dublin III-VO für diesen zuständig sei. Dem Bescheid war eine Rechtsmittelbelehrungbeigefügt, dass innerhalb einer Woche Klage und Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zum Verwaltungsgericht München möglich sind.
Hiergegen erhob der Antragsteller über seine Prozessbevollmächtigte am 18. August 2021 Klage zum Verwaltungsgericht München und stellte einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO. Er beantragte,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 6. August 2021 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin sei verpflichtet, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 i.V.m. Art. 17 Dublin III-VO Gebrauch zu machen. In Rumänien bestünden aufgrund des Verstoßes Rumäniens gegen das Refoulement-Verbot im Hinblick auf Serbien systemische Mängel des Asylverfahrens.
Das Verwaltungsgericht München setzte den Parteien am 25. August 2021 (Faxabsendung um 15.03 Uhr) eine Frist von 24 Stunden zur beabsichtigten Anhörung zur Verweisung des Rechtsstreits an das für örtlich zuständig erachtete Verwaltungsgericht Ansbach und verwies den Rechtsstreit mit Beschluss vom 26. August 2021 an das Verwaltungsgericht Ansbach. Mit Telefax (Faxabsendung 26.8.2021, 10.28 Uhr) wurde der Beschluss dem Verwaltungsgericht Ansbach unterzeichnet zugesandt. Die Gerichtsakten gingen in Ansbach am 30. August 2021 ein.
Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom 1. September 2021, den Antrag abzulehnen.
Mit Schriftsatz vom 1. September 2021 rügte die Antragstellerseite die örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Ansbach und verwies insoweit auf eine zum Verwaltungsgericht München erhobene Anhörungsrüge nach § 152a VwGO wegen der erfolgten Verweisung vor Ablauf der gesetzten Anhörungsfrist. Inhaltlich berief sich die Antragstellerseite auf bereits in Rumänien erlittene Misshandlungen, das Fehlen eines vollständigen und ordnungsgemäßen Wiederaufnahmeantrags (da Angaben zu einem Aufenthalt in Griechenland und Österreich dort nicht gemacht worden seien), unzureichende Aufnahmebedingungen in Rumänien und ein Verstoß gegen das Refoulement-Verbot bezüglich Serbien.
Das Verwaltungsgericht München bestätigte dem Verwaltungsgerichts Ansbach auf telefonische Nachfrage vom 2. September 2021, dass dort innerhalb der gesetzten Anhörungsfrist und auch danach – bis auf die am 2. September 2021 eingegangene Anhörungsrüge (- keine Stellungnahme der Antragstellerseite zur Verweisung eingegangen ist. Mit Beschluss vom 2. September 2021 wies das Verwaltungsgericht München die Anhörungsrüge der Antragstellerseite zurück.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die beigezogene Behördenakte und die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
1. Das Verwaltungsgericht Ansbach ist sachlich und örtlich zur Entscheidung über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zuständig. Die Verweisung des Rechtsstreits durch das Verwaltungsgericht München legt unabhängig von der sachlichen Richtigkeit der Verweisungsentscheidung für das angegangene Gericht die Zuständigkeit bindend fest, §§ 83 Satz 1 VwGO, 17a Abs. 2 Satz 3 GVG (vgl. auch BVerwG, B.v. 27.6.2013 – 8 AV 2/12 – juris Rn. 6). Eine Durchbrechung der Bindungswirkung findet nach der Rechtsprechung zwar statt bei einer willkürlichen Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter (BVerwG, B.v. 27.6.2013 – 8 AV 2/12 – juris Rn. 9) oder bei sonstigen extremen Verstößen gegen geltende Zuständigkeitsvorschriften (BVerwG, B.v. 27.6.2013 – 8 AV 2/12 – juris Rn. 7, 9). Derartige Verstöße liegen jedoch nicht vor.
Wie die Antragstellerseite im Verfahrensschriftsatz vom 1. September 2021 und in ihrer Anhörungsrüge vom 1./2. September 2021 aufzeigt, spricht sich ein großer Teil der Rechtsprechung in der vorliegenden Konstellation (Asylbewerber, für den keine Zuweisungsentscheidung ergangen ist und der in Abschiebehaft sitzt) zwar für die örtliche Zuständigkeit des Gerichts aus, in dessen Bezirk die Haftanstalt liegt – das wäre aufgrund der Inhaftierung in … hier München -, weil in derartigen Fällen der Haftort als Wohnsitz gewertet wird bzw. der Haftort als behördlich bestimmter Aufenthaltsort angesehen wird, § 52 Nr. 2 Satz 3 Halbs. 2 Nr. 3 Satz 2 VwGO. Rechtlich ebenfalls vertretbar ist aber, dass ein Wohnsitz oder ein gleich zu behandelnder örtlicher Anknüpfungspunkt in diesem Fall nicht besteht und sich die Zuständigkeit deshalb nach der Auffangvorschrift des § 52 Nr. Satz 3 Halbs. 2, Nr. 3 Satz 3 i.V.m. Nr. 5 VwGO richtet und damit der Sitz des Bundesamts als handelnder Behörde (Nürnberg) die örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgericht Ansbach begründet (vgl. VG Ansbach, U.v. 8.1.2014 – AN 11 K 13.31110 – juris Rn. 19 ff.). Eine willkürliche Entscheidung, also eine Entscheidung, die nicht mehr verständlich oder offensichtlich unhaltbar ist (Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, GVG § 17a Rn. 5), liegt in dieser Situation nicht vor.
Die Bindungswirkung entfällt auch nicht wegen eines Verstoßes gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör des Antragstellers. Nach §§ 83 Satz 2 VwGO, 17a Abs. 2 Satz 1 GVG sind die Parteien vor der Verweisung anzuhören bzw. ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Ist dabei eine Frist vom Gericht gesetzt, ist eine Entscheidung vor Ablauf dieser Frist, ohne dass eine Notwendigkeit für eine vorgezogene gerichtliche Entscheidung bestand, als problematisch und grundsätzlich als Verstoß gegen das auch grundrechtlich geschützte rechtliche Gehör (vgl. Art. 103 Abs. 1 GG) anzusehen. Einen extremen Verstoß gegen die Rechtsordnung, der zur Durchbrechung der Bindungswirkung der Verweisungsentscheidung wie oben dargelegt notwendig wäre, stellt die Entscheidung des Verwaltungsgericht München in der konkreten Situation jedoch nicht dar. Der Fall ist mit der Konstellation einer komplett fehlenden Anhörung (vgl. insoweit z. B. OLG Köln, B.v. 5.6.2014 – I-8 AR 68/14/8 AR 68/14 – juris Rn. 7 mit Verweis auf BGH v. 15.3.1978 – IV ARZ 17/78) nach Ansicht des erkennenden Gerichts nicht vergleichbar (generell ablehnend für Gehörsverletzungen Thomas/Putzo GVG § 17a Rn. 5 mit Verweis auf Rechtsprechung des BAG). Jedenfalls hat sich die Gehörsverletzung nicht zu Lasten des Antragstellers ausgewirkt bzw. hat die Entscheidung vor Ablauf der gesetzten Anhörungsfrist keinen inhaltlichen Einfluss auf die Verweisungsentscheidung genommen. Zu beachten ist, dass innerhalb der gesetzten Frist, die in ihrer Kürze wegen der Inhaftierung des Antragstellers und der geplanten zügigen Abschiebung auch als noch angemessen zu beurteilen ist, keine Stellungnahme der Antragstellerseite eingegangen ist und auch nicht vorgetragen wurde, dass eine Stellungnahme innerhalb dieser Frist geplant war und nur wegen der vorzeitig stattgefundenen Verweisung nicht mehr erfolgt ist. Da innerhalb der gesetzten Frist keine Stellungnahme eingegangen ist und eingegangen wäre, kann davon ausgegangen werden, dass auch eine Entscheidung nach Ablauf der Frist nicht anders als ergangen ausgefallen wäre. Die Unerheblichkeit der Gehörsverletzung für die Verweisungsentscheidung hat das Verwaltungsgericht München in seinem Beschluss vom 2. September 2021 auch ausdrücklich festgestellt.
Durch den Abschluss des Verfahrens nach § 152a VwGO (Anhörungsrüge) durch den zurückweisenden Beschluss des Verwaltungsgericht Ansbach vom 2. September 2021 und damit vor Ergehen dieser Entscheidung, ist das fehlende Gehör zwischenzeitlich auch nachgeholt und auch deshalb von der Bindungswirkung der Verweisungsentscheidung auszugehen (vgl. zur Nachholung OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 26.10.2020 – 18 E 809/20 – juris Rn. 24, 26).
2. Der Antrag, der sich bei sachgerechter Auslegung allein gegen die kraft Gesetzes sofort vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG richtet (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG), ist zulässig, insbesondere fristgerecht innerhalb der Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG gestellt ohne dass es auf die Frage einer längeren Frist aufgrund unrichtiger Rechtsbehelfsbelehrung:ankommt, aber unbegründet, weil die gerichtliche Interessensabwägung ein Überwiegen des Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin gegenüber dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers ergibt.
Das Gericht trifft im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene, originäre Ermessensentscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung auf Grund der sich ihm im Zeitpunkt seiner Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG) darbietenden Sach- und Rechtslage. Das Gericht hat dabei das Aussetzungsinteresse des Antragstellers und das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gegeneinander abzuwägen (Eyermann/Hoppe, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 85 ff.). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel abzulehnen, wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache nach summarischer Prüfung voraussichtlich erfolglos bleiben wird; ergibt eine vorläufige Überprüfung der Hauptsacheklage dagegen, dass diese offensichtlich erfolgreich sein wird, so überwiegt regelmäßig das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Sind die Erfolgsaussichten offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen (Eyermann/Hoppe, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 93).
Nach dieser Maßgabe erweist sich die in Ziffer 3 des Bescheids vom 6. August 2021 erlassene Abschiebungsanordnung nach Rumänien aller Voraussicht nach als rechtmäßig. Insbesondere bestehen keine systemischen Mängel oder Schwachstellen im rumänischen Asylverfahren oder bei den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 der Dublin III-VO sowie kommt kein Anspruch auf einen Selbsteintritt der Antragsgegnerin nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO in Betracht und droht dem Antragsteller auch nach einer etwaigen Zuerkennung internationalen Schutzes in Rumänien keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung gemäß Art. 4 GRCh.
a) Rechtsgrundlage für die Anordnung der Abschiebung nach Rumänien ist § 34a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylG. Danach ordnet das Bundesamt in Fällen eines unzulässigen Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es gemäß § 34a Abs. 1 Satz 3 AsylG nicht, was europarechtskonform ist (Pietzsch in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 28. Ed. 1.10.2020, § 34a AsylG Rn. 23).
b) Rumänien ist der für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers der allein zuständige Mitgliedstaat. Der erneute Asylantrag des Antragstellers in Deutschland ist nach § 29 Abs. 1 Nr. 1a) AsylG unzulässig.
Die Zuständigkeit Rumäniens für die Bearbeitung und die Entscheidung über den Asylantrag des Antragstellers ergibt sich aus Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO ebenso wie aus Art. 20 Abs. 5 Unterabs. 1 i.V.m. Art. 18 Abs. 1 Buchst. c) Dublin III-VO.
Laut des Eurodac-Treffers ist der Antragsteller nämlich in Rumänien am 20. März 2021 aufgegriffen worden und sind ihm Fingerabdrücke an diesem Tag abgenommen worden. Nach der Mitteilung Rumäniens vom 2. August 2021 hat der Antragsteller dort am 21. März 2021 einen Asylantrag gestellt. Auch der Antragsteller selbst hat bestätigt, mehrmals von Serbien nach Rumänien eingereist sein bzw. dies versucht zu haben und jedenfalls einmal fünf Tage in Rumänien in Haft gewesen sei. Es kann damit als gesichert davon ausgegangen werden, dass er den Bereich der Mitgliedsstaaten der Dublin III-VO illegal über Rumänien betreten hat, sodass Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO eingreift und Rumänien über den Asylantrag des Antragstellers inhaltlich zu entscheiden hat.
Jedenfalls aber hat Rumänien den Antragsteller gem. Art. 20 Abs. 5 Unterabs. 1 i.V.m. Art. 18 Abs. 1 Buchst. c) Dublin III-VO wiederaufzunehmen, um die Zuständigkeit nach der Dublin III-VO selbst zu klären (vgl. EuGH, U.v. 2.4.2019 – C-582/17 und C-583/17 – juris). Art. 20 Abs. 5 Unterabs. 1 Dublin III-VO findet über seinen Wortlaut hinausgehend dabei auch dann Anwendung, wenn der Antragsteller seinen ersten Asylantrag in einem Mitgliedstaat nicht eigenhändig zurückzieht, sondern den ersten Mitgliedstaat, in dem er einen Antrag gestellt hat, vor Abschluss des Verfahrens zur Bestimmung des für die Prüfung des Antrages zuständigen Mitgliedstaates verlässt, ohne die zuständige Behörde von seinem Wunsch in Kenntnis zu setzen, auf seinen Antrag zu verzichten (EuGH, U.v. 2.4.2019 – C-582/17, C-583/17 – BeckRS 2019, 4643 Rn. 47 ff.). Zudem gilt nach rumänischem Recht der Asylantrag als zurückgenommen, wenn der Antragsteller, bevor eine Anhörung stattgefunden hat, das Land verlässt (AIDA, Country Report Romania, Update 2019, S. 55 f.).
c) Von der Antragsgegnerin wurde auch ein ordnungsgemäßer Wiederaufnahmeantrag gestellt, der von den rumänischen Behörden auch nicht beanstandet wurde. Da der dem Grenzübertritt nach Rumänien folgende Reiseweg des Antragstellers (Griechenland, Österreich) für die Bestimmung der Zuständigkeit nach der Dublin III-VO unerheblich ist, ist es unproblematisch, dass insoweit keine Angaben im Wiederaufnahmeantrag gemacht wurden. Überdies standen diese Daten Rumänien über die Eurodac-Datei und aufgrund des bereits stattgefundenen Wiederaufnahmeverfahrens mit Österreich vollständig zur Verfügung.
Die Frist für die Stellung des Wiederaufnahmegesuchs von zwei Monaten ab Erhalt der Eurodac-Treffermeldung gemäß Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO wurde eingehalten. Das Bundesamt ersuchte die rumänischen Behörden bereits am 20. Juli 2021 um die Übernahme des Antragstellers. Diese erklärten die Zustimmung zu Wiederaufnahme ebenfalls fristgerecht binnen der Zweiwochenfrist des Art. 25 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO am 2. August 2021.
d) Der Antragsteller kann sich nicht auf Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO und das Vorliegen systemischer Schwachstellen im Asylverfahren und bei den Aufnahmebedingungen in Rumänien, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh mit sich bringen, berufen. Solche bestehen in Rumänien nicht.
Nach dem System der normativen Vergewisserung (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – NVwZ 1996, 700/704 f.) respektive dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens (EuGH, U.v. 21.12.2011 – N.S., C-411/10, C-493/10 – NVwZ 2012, 417/419) gilt die Vermutung, dass die Behandlung von Asylbewerbern in jedem Mitgliedsstaat der Europäischen Union (EU) den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der EU (GRCh) entspricht. Diese Vermutung ist jedoch dann widerlegt, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem Mitgliedsstaat systemische Mängel aufweisen, die regelhaft so defizitär sind, dass sie im konkreten Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK bergen (EuGH, U.v. 21.12.2011 – N.S., C-411/10, C-493/10 – NVwZ 2012, 417; BVerwG, U.v. 8.1.2019 – 1 C 16/18 – juris Rn. 37). Ein systemischer Mangel liegt jedoch nur dann vor, wenn er im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt ist oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägt. Derlei Mängel treffen den Einzelnen nicht unvorhersehbar oder schicksalshaft, sondern lassen sich wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren (BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6/14 – juris Rn. 9).
Diesen strengen Beurteilungsmaßstab zugrunde gelegt ergeben sich für das Gericht nach den zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen zur Lage für Dublin-Rückkehrer in Rumänien keine derartigen systemischen Mängel (so auch die überwiegende verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung, etwa VG München, B.v. 27.11.2020 – M 1 S 20.50531; VG Würzburg, B.v. 7.10.2019 – W 8 S 19.50715; VG Regensburg, U.v. 17.4.2019 – RO 6 K 17.52358; VG Lüneburg, U.v. 13.3.2019 – 8 B 51/19; VG Aachen, B.v. 21.9.2018 – 6 L 1144/18.A – alle juris; a.A. VG Köln, B.v. 30.11.2020 – 20 L 1980/20.A – juris und die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Ansbach, vgl. B.v. 28.7.2021 – AN 17 S 21.50168).
Das erkennende Gericht geht nach den ihm vorliegenden Erkenntnismitteln von folgender Lage für Dublin-Rückkehrer nach Rumänien aus:
aa) In Rumänien existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit. Die Asylantragsteller haben Zugang zu kostenfreier Rechtsberatung, die Vertretung durch einen Anwalt im gerichtlichen Verfahren kann durch Nichtregierungsorganisationen (NGO) zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit eine Art staatlicher Prozesskostenhilfe zu beantragen. Der rumänische Staat kooperiert insoweit mit dem UNHCR und anderen Hilfsorganisationen (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich [BFA], Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Rumänien, Stand 14.6.2019, S. 6; AIDA, Country Report Romania, Update 2019, S. 26 ff.; s.a. US Department of State [USDOS], Romania 2019 Human Rights Report, S. 15).
Dublin-Rückkehrer werden am Flughafen empfangen, über den Status ihres Asylverfahrens informiert und in die regionalen Aufnahmezentren begleitet, wo sie ggf. noch am selben Tag einen Asylantrag stellen können. Der legale Status des Dublin-Rückkehrers hängt vom Stand seines Asylverfahrens in Rumänien ab. Wurde in Rumänien zuvor ein Asylverfahren eröffnet, welches noch läuft, wird dieses fortgesetzt. Wurde ein Asylverfahren begonnen und in der Folge beendet, weil sich der Asylbewerber abgesetzt hat, wird der Rückkehrer für längstens 18 Monate in Gewahrsam genommen. Er kann sodann einen Folgeantrag stellen, der aufschiebende Wirkung mit Blick auf eine Abschiebung hat. Hat der Asylbewerber das Land vor dem Asylinterview verlassen und kehrt binnen neun Monaten zurück, wird sein Antrag hingegen als Erstantrag behandelt, obgleich durch das Verlassen des Landes der Asylantrag zunächst als stillschweigend zurückgenommen gilt (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Rumänien, Stand 14.6.2019, S. 6 f.; AIDA, Country Report Romania, Update 2019, S. 55).
Da der Antragsteller – sowohl seinen Angaben nach, als auch nach der Mitteilung Rumäniens, dass er kurz nach der Antragstellung dort untergetaucht sei und auch ausweislich des weiteren Eurodac-Treffers in Griechenland am 26. April 2021 – nur sehr kurz und erst vor kurzer Zeit in Rumänien war und eine Anhörung in seinem Asylverfahren dort noch nicht stattgefunden hat, kann davon ausgegangen werden, dass er aktuell bei einer Rückkehr nicht als Folgesondern Erstantragsteller behandelt wird und damit keine Nachteile im Asylverfahren zu befürchten hat; er ist insbesondere nicht auf die Geltendmachung neuer Tatsachen verwiesen, sein Asylverfahren wird in Rumänien fortgeführt. Im Übrigen könnte sich der Antragsteller gegen eine Einstufung als Folgeantragsteller auch bei einer Rückkehr danach aufgrund der europarechtlichen Vorgaben gerichtlich wehren und wäre auch eine mit der Einstufung als Folgeantragsteller verbundene Inhaftierung des Antragstellers nicht per se rechtswidrig, auch nicht europarechtswidrig, weil er sich bereits einmal dem Asylverfahren in Rumänien entzogen hat und damit möglicherweise Fluchtgefahr angenommen werden kann (hierzu bereits VG Ansbach, B.v. 23.2.2021 – AN 17 S 21.50015).
Soweit teilweise über die Verweigerung des Zutritts zum rumänischen Staatsgebiet für Asylbewerber und von Push-Backs von Asylbewerbern berichtet wird (AIDA, Country Report Romania, Update 2019, S. 18 ff.; USDOS, Romania 2019 Human Rights Report, S. 15), so betrifft dies den Antragsteller als Dublin-Rückkehrer nicht (mehr), da nicht erneut über Serbien einreist, sondern mit Direktflug von Deutschland aus nach Bukarest verbracht wird. Dafür, dass – wie die Antragstellerseite vorträgt – Asylantragsteller nach der Rücküberstellung von Rumänien ohne Durchführung eines Asylverfahrens nach Serbien abgeschoben werden, etwa weil Serbien von Rumänien als sicherer Drittstaat erachtet wird, ist nichts ersichtlich. Dies entspricht vielmehr nicht den vorhanden Erkenntnismitteln und europäischem Recht. Der Vortrag der Antragstellerseite stellt insoweit eine reine Spekulation bzw. einen unbeachtlichen Vortrag ins Blaue hinein dar.
Soweit der Antragsteller vorträgt, rechtsstaatswidrige Zustände in Rumänien selbst erlebt zu haben, insbesondere von staatlichen Vertretern geschlagen und getreten worden zu sein, kann ihm dies nicht abgenommen werden. Seine Angaben insoweit sind völlig pauschal und unsubstantiiert, durch nichts belegt und stehen im Widerspruch zu den oben dargelegten Erkenntnissen. Staatliche Zwangausübung im Zusammenhang mit Grenzsicherungen hat der Antragsteller als in Rumänien bereits registrierter Flüchtling nicht mehr zu befürchten. Entsprechende Erfahrungen und bestehende Praktiken des rumänischen Staates begründen gegebenenfalls jedenfalls für den Antragsteller keine Bedenken im Hinblick auf ein rechtstaatliches Asylverfahren.
bb) Auch die humanitäre Lage und die Versorgungslage für Asylbewerber und für Dublin-Rückkehrer nach Rumänien erfüllen nicht die Voraussetzungen einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK. Es ist von folgender Situation auszugehen:
Asylbewerber, die selbst nicht über ausreichende Mittel verfügen, haben bis zum Ende des Asylverfahrens Anspruch auf Unterbringung in einem der sechs Unterbringungszentren des Generalinspektorats für Immigration in Timisoara, Şomcuta Mare, Rădăuţi, Galaţi, Bucharest und Giurgiu. Diese bieten 900 Unterkunftsplätze, wobei die Kapazität auf 1090 Plätze erhöht werden kann. Werden die Unterkunftszentren länger als 72 Stunden ohne Genehmigung des Generalinspektorats für Immigration verlassen, können Unterstützungsleistungen gekürzt werden (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Rumänien, Stand 14.6.2019, S. 10; s.a. AIDA, Country Report Romania, Update 2019, S. 87 ff.). Sollte der Antragsteller, was nach den Ausführungen oben aber fernliegt, in Haft genommen werden, so sind die humanitären Bedingungen in den Haftanstalten als ausreichend einzustufen (AIDA a.a.O., S. 120 ff.).
Neben der Unterkunft erhalten Asylbewerber finanzielle Unterstützungsleistungen für Lebensmittel, Kleidung und ein Taschengeld, welche sich insgesamt auf 104,00 bis 110,00 EUR pro Monat für einen alleinstehenden Erwachsenen belaufen (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Rumänien, Stand 14.6.2019, S. 10; AIDA, Country Report Romania, Update 2019, S. 88). Daneben gibt es etwa saisonale Beihilfen von etwa 15,00 EUR für Sommerkleidung und etwa 20,00 EUR für Winterkleidung (AIDA a.a.O). Weiterhin stellen NGOs darüber hinausgehende Leistungen zur Verfügung, wie zum Beispiel finanzielle Hilfen für die Übersetzung und Beglaubigung von wichtigen Dokumenten wie Personenstandsurkunden oder Zeugnissen oder Essenspakete und Sozialgutscheine (AIDA a.a.O, S. 90 f.).
Was die medizinische Versorgung anbelangt, so haben Asylbewerber ein Recht auf kostenlose medizinische Erstversorgung und Behandlung. Im Falle besonderer Bedürfnisse haben sie Zugang zu sonstiger adäquater medizinischer Behandlung. In den Unterbringungszentren steht den Asylbewerbern jeweils ein Allgemeinmediziner zur Verfügung. Bei medizinischen Problemen erfolgt ein Weiterverweisung an das Krankenhaus des Innenministeriums (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Rumänien, Stand 14.6.2019, S. 12). Teilweise wird jedoch von einem ungenügenden Niveau der staatlichen Gesundheitsversorgung berichtet, wodurch die Asylbewerber auf von NGOs durchgeführte Projekte angewiesen seien (BFA a.a.O.). Die NGOs sind insbesondere auf dem Feld der psychischen Krankheiten tätig (AIDA, Country Report Romania, Update 2019, S. 105 f.). Der Antragsteller hat nennenswerte gesundheitliche Beschwerden schon nicht vorgetragen. Zur Behandlung seiner Gastritis kann er sich – bei Bedarf – an das rumänische Gesundheitswesen wenden, was er offenbar bislang nicht versucht hat.
Der Arbeitsmarkt steht Asylbewerbern in Rumänien offen, sobald ihr Erstantrag länger als drei Monate anhängig ist (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Rumänien, Stand 14.6.2019, S. 11). Teilweise wird in diesem Zusammenhang zwar von Schwierigkeiten der Asylbewerber berichtet, legale Arbeit zu finden (BFA a.a.O.), eine andere Quelle sieht hingegen keine praktischen Hindernisse beim Zugang zum Arbeitsmarkt, wenn es sich bei den Tätigkeiten, die Asylbewerber ausübten, meist auch um geringqualifizierte handelt (AIDA, Country Report Romania, Update 2019, S. 101). Eine solche Arbeit ist alleinreisenden und uneingeschränkten Personen wie dem Antragsteller aber zumutbar. Die Arbeitslosenquote stieg in Rumänien in den letzten Wochen und Monaten zwar an, betrug etwa im März 2021 etwa 5,5% (https://www.ceicdata.com/ de/indicator/romania/unemployment-rat; abgerufen am 10.5.2021), ist im europäischen Vergleich aber nach wie vor eher gut.
Aufgrund der Corona-Pandemie herrscht in Rumänien nach wie vor der Alarmzustand (aktuell angeordnet bis 9.9.2021) mit ähnlichen Beschränkungen wie in Deutschland; inländische Reisebeschränkungen existieren jedoch nicht (www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/rumaenien-node/rumaeniensicherheit/210822, abgerufen am 1.9.2021). Nach den Daten der Johns-Hopkins-Universität vom 1. September 2021 gibt es in Rumänien bei einer Gesamtbevölkerung von etwa 19,5 Millionen Einwohnern insgesamt bislang rund 1,1 Infizierte und rund 34.570 Tote, aber ein im europäischen Vergleich derzeit gemäßigtes Infektionsgeschehen und rund 9,8 Millionen verabreichte Impfungen und damit keine im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland besorgniserregende Lage.
cc) Zusammenfassend sind damit systemische Schwachstellen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK mit sich bringen, im rumänischen Asylsystem für den Antragsteller als Dublin-Rückkehrer im Allgemeinen oder für eine Personengruppe, der der Antragsteller angehört, nicht ersichtlich (so ständige Rechtsprechung der Kammer, etwa VG AN, B.v. 10.5.2021 – 17 S 21.50090 – juris)
Der Antragsteller hat als Dublin-Rückkehrer Zugang zu einem rechtstaatlich ausgestalteten Asylverfahren sowie währenddessen zu einer adäquaten Unterbringung und zu finanzieller Unterstützung für Nahrungsmittel, Bekleidung und täglichen Bedarf. Damit ist selbst dann, wenn dem Antragsteller die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht gelingen sollte, kein Abrutschen hinein in eine unmenschliche oder entwürdigende Situation zu befürchten. Ihm steht nach einer Wartezeit von drei Monaten nach Asylantragstellung der rumänische Arbeitsmarkt offen, der mit einer Arbeitslosenquote von etwa 5,5% trotz der Corona-Pandemie in keiner kritischen Schieflage ist, zumal die rumänische Regierung vielfältige wirtschaftliche Unterstützung für die Unternehmen auf den Weg gebracht hat. Beim Antragsteller ist von einer im Wesentlichen gesunden, arbeitsfähigen, nicht vulnerablen Person auszugehen.
e) Dem Antragsteller droht auch nach einer etwaigen Anerkennung als international Schutzberechtigter in Rumänien keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist bei der Prüfung, ob ein Überstellung im Rahmen des Dublin-Verfahrens in den an sich zuständigen Mitgliedstaat die Gefahr einer gegen Art. 4 GRCh und Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung birgt, nicht nur in den Blick zu nehmen, ob diese Gefahr im Rahmen des Asylverfahrens droht, sondern auch ob nach einer etwaigen Anerkennung als Asylberechtigter eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu befürchten ist (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 87 ff.).
Die Lebensverhältnisse in Rumänien stellen sich für anerkannte arbeitsfähige, alleinlebende, gesunde Erwachsene nicht als unzumutbar im Hinblick auf die Gewährleistung von „Brot, Bett und Seife“ (VGH BW, B.v. 27.5.2019 – A 4 S 1329/19 – juris Rn. 5) dar. Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte sind in Rumänien rumänischen Staatsbürgern in allen maßgeblichen Bereichen gleichgestellt und können unter den gleichen Voraussetzungen staatliche und karitative Hilfe in Anspruch nehmen, um ihre Grundbedürfnisse zu decken.
aa) Das Gericht geht dabei von folgender tatsächlicher Situation aus:
Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte haben in Rumänien Zugang zu Bildung, Wohnungen, Arbeit, Krankenversorgung und Sozialleistungen, wobei der faktische Zugang nicht überall im Land gleich einfach möglich ist. Integrationsprogramme, insbesondere mit Fokus auf die kulturelle Orientierung und den Spracherwerb, werden angeboten (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Rumänien, Stand 14.6.2019, S. 12 ff.). Antragsteller mit Flüchtlingsstatus erhalten zunächst eine dreijährige Aufenthaltsbewilligung, subsidiär Schutzberechtigte eine zweijährige, die jeweils problemlos verlängert werden können. Eine permanente Aufenthaltsbewilligung ist ab einem rechtmäßigen Aufenthalt von mindestens fünf Jahren in Rumänien möglich, wenn weitere Voraussetzungen wie etwa Sprachkenntnisse des Rumänischen, eine Krankenversicherung und eine Unterkunft erfüllt sind (BFA a.a.O; AIDA, Country Report Romania, Update 2019, S. 132, 134 f.).
Soweit Begünstigte internationalen Schutzes nach ihrer Anerkennung über keine eigenen finanziellen Mittel verfügen, können sie, wenn sie an einem Integrationsprogramm teilnehmen, jedenfalls für sechs weitere Monate in den regionalen Unterbringungszentren verbleiben. In Ausnahmefällen ist eine Verlängerung um weitere sechs Monate möglich. Dafür müssen sie zwar grundsätzlich – vulnerable Personen ausgenommen – eine Miete von 1,40 EUR pro Tag im Winter und 1,20 EUR pro Tag im Sommer entrichten. Allerdings wird für die Unterbringungszentren in Timisoara, Şomcuta Mare, Rădăuţi, Galaţi, Bucharest und Giurgiu berichtet, dass in den ersten zwei bzw. drei Monaten nach der Anerkennung keine Miete zu entrichten ist. Darüber hinaus scheint die NGO Jesuit Refugee Service Romania über das Projekt „A new House“ in allen Regionalzentren mindestens teilweise die dann noch anfallenden Mietkosten zu übernehmen (AIDA, Country Report Romania, Update 2019, S. 146 f.). Außerhalb der Unterbringungszentren haben die anerkannten Schutzberechtigten wie rumänische Staatsbürger Zugang zum Sozialwohnungsprogramm. Soweit staatlicherseits keine Sozialwohnung zur Verfügung gestellt werden kann, wird für maximal ein Jahr ein Mietzuschuss von bis zu 50% für die Anmietung einer sonstigen Wohnung gewährt (AIDA a.a.O., S. 147 f.).
An Sozialleistungen wird den international Schutzberechtigten, wenn sie an einem Integrationsprogramm teilnehmen, für ein Jahr eine monatliche Leistung von circa 110,00 EUR (sowie ein Sprachkurs) zur Verfügung gestellt (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Rumänien, Stand 14.6.2019, S. 13).
Der Zugang zum Arbeitsmarkt besteht grundsätzlich einschränkungslos, zudem werden Anerkannte mit der Teilnahme am Integrationsprogramm automatisch als Arbeitssuchende bei der rumänischen Arbeitsagentur registriert. Gleichwohl gibt es teils praktische Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche, etwa dergestalt, dass es vielen international Schutzberechtigten an nachweisbaren Schul-, Berufs- oder Studienabschlüssen fehlt und sie somit von bestimmten Positionen ausgeschlossen sind oder die rumänische Sprache nicht ausreichend beherrscht wird (AIDA, Country Report Romania, Update 2019, S.148 ff.). Hinsichtlich der allgemeinen Arbeitsmarktlage wird nach oben Dargestellte verwiesen.
Auch die gesundheitliche Versorgung von anerkannten Schutzberechtigten ist gewährleistet. Sie haben unter den gleichen Bedingungen wie rumänische Staatsbürger Anspruch auf eine Krankenversicherung. Psychische Krankheiten wie insbesondere Traumata werden behandelt. Soweit es praktische Schwierigkeiten beim Zugang zur Gesundheitsversorgung zu überwinden gilt, sind NGOs behilflich. Die Kosten für erwerbslose Anerkannte für die staatliche Krankenversicherung betragen 44,00 EUR pro Monat, wobei gleichzeitig davon berichtet wird, dass eine jahresweise Versicherung für einen Betrag von 265 EUR zu haben ist. NGOs übernehmen teils die Kosten für die Krankenversicherung (AIDA, Country Report Romania, Update 2019, S. 159 f.).
bb) Unter Berücksichtigung des strengen rechtlichen Maßstabes für die Annahme einer Verletzung von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRCh bezüglich der Versorgungs- und Lebensbedingungen anerkannt Schutzberechtigter, der im Hinblick auf eine eigenverantwortliche Lebensführung anzulegen ist (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 93 f.; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 97), ist unter summarischer Prüfung des Vortrags des Antragstellers und der wirtschaftlichen und sozialen Lage in Rumänien eine solche Verletzung für ihn im Falle einer Anerkennung nicht ernsthaft („real risk“ – vgl. OVG RhPf, B.v. 17.3.2020 – 7 A 10903/18.OVG – BeckRS 2020, 5694 Rn. 28 unter Verweis auf VGH BW, U.v. 3.11.2017 – A 11 S 1704/17 – juris Rn. 184 ff. m.w.N. zur Rspr. des EGMR) zu befürchten.
Obdachlosigkeit droht wegen der auch nach der Anerkennungsentscheidung möglichen sechs bis zwölfmonatigen Anschlussunterbringung in den staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber unmittelbar nicht. Die dafür teilweise zu entrichtende Miete von durchschnittlich 1,30 EUR pro Tag wird zum einen teils durch Hilfsorganisationen übernommen, zum anderen kann sie vom Antragsteller von der monatlichen Unterstützungsleistung für international Schutzberechtigte von etwa 110,00 EUR getragen werden. Darüber hinaus hat der Antragsteller Zugang zum Sozialwohnungsprogramm des rumänischen Staates beziehungsweise wird ihm, falls gerade keine Sozialwohnungen zur Verfügung stehen, für ein Jahr ein Mietzuschuss von bis zu 50% für das Anmieten einer sonstigen Wohnung gewährt. Damit ergreift Rumänien ausreichende Maßnahmen, um einer Verelendung anerkannter Asylbewerber durch Obdachlosigkeit entgegenzuwirken. Zudem steht dem Antragsteller als gesunden und arbeitsfähigen Mann der rumänische Arbeitsmarkt offen, der trotz der Corona-Pandemie eine verhältnismäßig geringe Arbeitslosigkeit von circa 5,5% aufweist. Insofern ist jedenfalls mittelfristig damit zu rechnen, dass er sich unabhängig von den staatlichen Hilfeleistungen ein Auskommen wenigstens am Rande des Existenzminimums wird erwirtschaften und damit auch eine Unterkunft wird finanzieren können.
Angesichts der bei der Teilnahme am Integrationsprogramm für ein Jahr gewährten Unterstützungsleistung von 110,00 EUR pro Monat ist zunächst unabhängig vom Erfolg bei der Arbeitssuche auch sichergestellt, dass der Antragsteller seine Grundbedürfnisse über die Unterkunft hinaus wird befriedigen können, insbesondere was Nahrungsmittel, Kleidung und Hygienebedarf anbelangt.
f) Ebenso wenig liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die Antragsgegnerin von ihrem gemäß Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 Dublin III-VO bestehenden Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen hätte.
g) Nachdem auch ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG für den Antragsteller in Bezug auf Rumänien nicht ersichtlich ist, erweist sich die Abschiebungsanordnung im Ergebnis als voraussichtlich rechtmäßig. Hinsichtlich eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK stellen sich keine anderen oder zusätzlichen rechtlichen Fragen. Auf die obigen Darstellungen zu § 29 Abs. 1 Nr. 1 a) AsylG wird verwiesen.
Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG – eine mit hoher Wahrscheinlichkeit drohende Extremgefahr für Leib, Leben oder Freiheit – sind im Hinblick auf die allgemeine humanitäre Lage erst recht nicht erfüllt (vgl. rechtlich hierzu BVerwG, B.v. 23.8.2018 – 1 B 42.18 – juris Rn. 13; VGH BW, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris). Besondere individuelle, insbesondere gesundheitliche Gesichtspunkte sind beim Antragsteller nicht erkennbar. Wie oben dargelegt, ist der Antragsteller als gesund einzustufen. Die vorgetragene Gastritis ist in Rumänien bei Bedarf behandelbar.
h) Mit der Zustimmung Rumäniens zur Wiederaufnahme des Antragstellers und der Aufforderung den Flughafen Otopeni International Airport für die Überstellung zu nutzen, steht auch die tatsächliche Durchführbarkeit der Abschiebung i.S.v. § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG fest. Etwaige inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse, die im Rahmen der Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG anders als bei der Abschiebungsandrohung durch das Bundesamt zu prüfen sind, sind nicht ersichtlich (Pietzsch in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 28. Ed. 1.10.2020, § 34a AsylG Rn. 9 ff.).
3. Die Kostenentscheidung des damit erfolglosen Antrags ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylG.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.


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