Europarecht

Drittanfechtungsklage, Nebenbestimmung zu einer wasserrechtlichen beschränkten Erlaubnis, Isolierte Anfechtbarkeit von Nebenbestimmungen, Unzulässige Klage, Keine Betroffenheit in der gemeindlichen Planungshoheit durch getroffene Fristenregelung, wasserrechtliches Rücksichtnahmegebot

Aktenzeichen  Au 9 K 21.92

Datum:
6.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 45746
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
BayVwVfG Art. 36 Abs. 2 Nr. 1
WHG § 13
BauGB § 35

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen hat die Klägerin zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 

Gründe

Die Klage erweist sich mit dem gestellten Antrag, den Bescheid des Beklagten vom 15. Dezember 2020 insoweit aufzuheben, als die beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis über den Zeitraum von einem Jahr hinausgeht, bereits als unzulässig.
Mit diesem Antrag wendet sich die Klägerin nicht gegen die Erteilung einer wasserrechtlich beschränkten Erlaubnis für das vorübergehende Freilegen von Grundwasser auf den Grundstücken Fl.Nrn.,, … (Teilflächen) und … bis … der Gemarkung … mit anschließender Wiederverfüllung des Abbaugebiets als solche, sondern ausschließlich gegen die in Nr. 1.5 des streitgegenständlichen Bescheids vorgenommene Befristung des Sand- und Kiesabbaus mit anschließender Wiederverfüllung und Rekultivierung bis längstens zum 31. Dezember 2024.
1. Die auf Aufhebung der in Nr. 1.5 geregelten Befristung der streitgegenständlichen beschränkten wasserrechtlichen Erlaubnis (vgl. § 8 Abs. 1 WHG, Art. 15 BayWG) ist als isolierte Anfechtungsklage im Sinne des § 42 Abs. 1 Alt.1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft.
Die in Nr. 1.5 des Bescheids vorgenommenen Befristung beruht auf der bundesgesetzlichen Ermächtigung in § 13 Abs. 1 und 2 WHG, wonach Inhalts- und Nebenbestimmungen auch nachträglich sowie auch zu dem Zweck zulässig sind, nachteilige Wirkungen für andere zu vermeiden oder auszugleichen. § 13 Abs. 2 WHG enthält einen nicht abschließenden Katalog zulässiger Inhalts- und Nebenbestimmungen für die wasserrechtliche Erlaubnis und Bewilligung und wird durch die in Art. 36 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) aufgeführten Nebenbestimmungen ergänzt. Die hier streitgegenständliche Nebenbestimmung, eine Befristungsentscheidung im Sinn von Art. 36 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG, enthält eine Regelung zur zeitlichen Geltungsdauer der der Beigeladenen erteilten beschränkten wasserrechtlichen Erlaubnis nach Art. 15 BayWG, die nach ihrem objektiven Erklärungsinhalt als gesonderte Bestimmung zur eigentlichen wasserrechtlichen Erlaubnis hinzutritt. Bei Aufhebung dieser Nebenbestimmung bliebe die Genehmigung mit einem Inhalt weiterbestehen, der dem Wasserhaushaltsgesetz nicht zwangsläufig zuwiderliefe. Daher liegt keine Inhaltsbestimmung vor, die mit der wasserrechtlichen Gestattung untrennbar verbunden wäre. Die Befristung in Nr. 1.5 des streitgegenständlichen Bescheids ist damit dem Grunde nach einer isolierten Anfechtbarkeit im Wege einer Klage nach § 42 Abs. 1 Alt.1 VwGO zugänglich.
2. Die Klage erweist sich jedoch deshalb als unzulässig, weil die Klägerin nicht im Sinn von § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt ist.
a) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 2 VwGO nur zulässig, wenn der jeweilige Kläger geltend machen kann, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Eine Anfechtungsklage ist allerdings nur dann nach § 42 Abs. 2 VwGO unzulässig, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die vom Kläger behaupteten Rechte bestehen oder ihm zustehen können (vgl. BVerwG, U.v. 20.3.1964 – VII C 10.61 – BVerwGE 18, 154; BayVGH, U.v. 9.8.2012 – 8 A 10.40048 – juris Rn. 21). Die insoweit an den klägerischen Sachvortrag zu stellenden Anforderungen dürfen – mit Blick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG – dabei nicht überspannt werden (stRspr, z.B. BVerwG, U.v. 28.6.2000 – 11 C 13.99 – BVerwGE 111, 276 = juris Rn. 41).
b) In Bezug auf die hier allein streitgegenständliche zeitliche Geltungsdauer (Befristung) der der Beigeladenen erteilten wasserrechtlich beschränkten Erlaubnis zum Sand- und Kiesabbau mit anschließender Wiederverfüllung und Rekultivierung ist eine Verletzung von schützenswerten subjektiv-öffentlichen Rechten der Klägerin allerdings ausgeschlossen. Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage nämlich nicht gegen die auf der Grundlage der §§ 8, 12 WHG, Art. 15 BayWG erteilte wasserrechtlichen Erlaubnis selbst, sondern ausschließlich gegen deren auf den Vorschriften des Wasserrechts beruhenden Geltungsdauer.
aa) Eine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte der Klägerin käme allenfalls dann in Betracht, wenn sich die Klage gegen die Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis selbst richten würde, da nur in diesem Fall ihre nach Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz geschützte Planungshoheit betroffen sein könnte. Nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 WHG sind die Erlaubnis und die Bewilligung zu versagen, wenn andere Anforderungen nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht erfüllt werden (vgl. hierzu VG München, U.v. 5.6.2018 – M 2 K 17.1637 – juris). Zu diesen Vorschriften zählen unstreitig auch solche des Bauplanungsrechts im Sinne der §§ 29 ff. BauGB, was auch zum Erfordernis der Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 Abs. 1 BauGB führt. Nur wenn die Vorschriften des Bauplanungsrechts der Erlaubnis nicht entgegenstehen, ist es der nach Landesrecht zuständigen Behörde gestattet, das nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB erforderliche Einvernehmen zu ersetzen (§ 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB), sofern es von der Gemeinde rechtswidrig verweigert worden ist. Daher sind nur im Fall der Anfechtung der Erlaubnis selbst die Voraussetzungen der §§ 31, 33 bis 35 BauGB auf das Rechtsmittel der Gemeinde hin in vollem Umfang nachzuprüfen, wobei die Gemeinde ihr Einvernehmen nur aus den in § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB genannten Gründen versagen darf (vgl. BayVGH, B.v. 12.5.2021 – 9 CS 18.2000 – juris Rn. 33).
bb) So liegt der Fall hier jedoch nicht, da die Klägerin sich ausweislich ihres Klageantrags nicht gegen die Tatsache der Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis zum weiteren Kiesabbau an die Beigeladene als solche wendet, sondern lediglich die der Beigeladenen im Bescheid zugestandene Geltungsdauer der wasserrechtlichen Gestattung für rechtswidrig erachtet, soweit diese die Dauer von einem Jahr übersteigt. Diese Frage berührt jedoch nicht den Anwendungsbereich des gemeindlichen Einvernehmens aus § 36 Abs. 1 BauGB. In der Befristung der wasserrechtlichen Gestattung liegt bereits keine Entscheidung über die Zulässigkeit eines baulichen Vorhabens nach §§ 31, 33 bis 35 BauGB (vgl. auch VGH BW, U.v.30.9.2021 – 10 S 1956/20 – juris Rn. 36).
cc) Denkbar wäre eine Klagebefugnis für die Klägerin daher ausschließlich dann, wenn sie geltend machen könnte, dass die in Nr. 1.5 des Bescheids verfügte Geltungsdauer des Kiesabbaus bis längstens zum 31. Dezember 2024 bereits hinreichend konkretisierte gemeindliche Planungen für die betroffenen Flächen konterkarieren würde bzw. mit der der Beigeladenen über den 31. Dezember 2021 hinaus zugestandenen Abgrabungsgestattung ein Planungsschaden der Klägerin verbunden wäre. Hierfür ist nichts ersichtlich. Im Klageverfahren hat sich die Klägerin lediglich dahingehend eingelassen, dass sie künftig wohl beabsichtige, die streitgegenständlichen Flächen aufzuplanen und einer gewerblichen Nutzung zuzuführen. Eine irgendwie geartete konkretisierte Planung, die nur verwirklicht werden kann, wenn die Geltungsdauer der Bewilligung am 31. Dezember 2021 endet, ist jedoch nicht vorhanden. Auch ein mit der Geltungsdauer der wasserrechtlichen Gestattung verbundener Planungsschaden seitens der Klägerin ist nicht ersichtlich.
dd) Nichts anderes ergibt sich unter Berücksichtigung des drittschützenden Gebots der wasserrechtlichen Rücksichtnahme. Aus dem in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 13 Abs. 1 WHG verankerten wasserrechtlichen Rücksichtnahmegebot folgt, dass bei allen wasserrechtlichen Gestattungen, somit auch bei der beschränkten Erlaubnis nach Art. 15 BayWG (vgl. Knopp in Sieder/Zeitler, BayWG, Stand Februar 2019, Art. 15 Rn. 18 ff.), im Rahmen der Ermessensbetätigung Belange Dritter einzubeziehen sind, deren rechtlich geschützte Interessen von der beantragten Gewässerbenutzung in individualisierter und qualifizierter Weise betroffen werden. Diesen Dritten steht ein Anspruch auf ermessensgerechte – d.h. insbesondere rücksichtnehmende – Beachtung und Würdigung ihrer Belange mit dem ihnen objektiv zustehenden Gewicht zu (vgl. BVerwG, B.v. 6.9.2004 – 7 B 62.04 – ZfW 2005, 227 = juris Rn. 10; U.v. 15.7.1987 – 4 C 56.83 – BVerwGE 78, 40 = juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 10.8.2021 – 8 ZB 21.1100 – juris Rn. 11).
Die Beantwortung der Frage, ob eine qualifizierte Beeinträchtigung eines Drittbetroffenen vorliegt bzw. bei der hier vorgelagerten Frage der Klagebefugnis überhaupt möglich erscheint, erfordert eine Bewertung der betroffenen Belange. Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängen wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme zu Gute kommen soll, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge jeweils zuzumuten ist (vgl. BVerwG, B.v. 14.12.2001 – 4 B 80.01 – BauR 2002, 1359 = juris Rn. 4; BayVGH, U.v. 20.5.2021 – 8 B 19.1587 – KommJur 2021, 272 = juris Rn. 38; B.v. 11.2.2020 – 8 ZB 19.1481 – ZfW 2020, 134 = juris Rn. 12).
Dieses zugrunde gelegt, erscheint eine qualifizierte Betroffenheit der Klägerin ausschließlich durch die Geltungsdauer der wasserrechtlichen Gestattung ausgeschlossen, zumal es sich vorliegend um einen bereits seit dem Jahr 2004 bestehenden Kiesabbau handelt, der sich aktuell in der Phase der Wiederverfüllung und Rekultivierung befindet. Es mag zwar aus Sicht der Klägerin wünschenswert sein, dass der streitgegenständliche Kiesabbau möglichst zeitnah seinen Abschluss findet, eine erforderlich werdende qualifizierte rechtliche Betroffenheit in schützenswerten Belangen der Klägerin lässt sich hieraus jedoch nicht ableiten.
3. Da eine Rechtsverletzung der Klägerin durch die von ihr allein angegriffene Geltungsdauer der beschränkten wasserrechtlichen Erlaubnis, nach allem bereits begrifflich ausgeschlossen ist, war die Klage als unzulässig abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Da die Beigeladene sich mit der Antragstellung in der mündlichen Verhandlung einem Prozesskostenrisiko aus § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, ihre außergerichtlich entstandenen Aufwendungen für ersatzfähig zu erklären (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).


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