Europarecht

Dublin-Verfahren (Portugal)

Aktenzeichen  AN 17 S 19.51111

Datum:
29.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 1146
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 34a Abs. 1
AufenthG § 59 Abs. 7 S. 2, § 60a Abs. 2c, Abs. 2 S. 2
Dublin III-VO Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2, Art. 17 Abs. 1, Art. 18 Abs. 1 lit. b, Art. 23 Abs. 2, Art. 25 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Hat eine weibliche Geflüchtete nach ordnungsgemäßer Belehrung, dass ihre Anhörung auch durch eine Person gleichen Geschlechts durchgeführt werden könne, ein entsprechendes Verlangen nicht geäußert, ist allein der Umstand ihrer Anhörung durch eine männliche Person nicht geeignet, in verfahrensrelevanter Weise eine Verletzung von Grund- und Konventionsrechten sowie daraus sich in der Folge ableitend eine mögliche Verletzung von Verfahrensgarantien nach dem Zweiten Kapitel der Dublin III-VO zu begründen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Hinsichtlich des Rückführungszielstaates Portugal kann mangels entgegenstehender Anhaltspunkte für eine systematische bzw. weit verzweigte Verflechtung von Menschenhändlerringen davon ausgegangen werden, dass der Antragstellerin dort auch die sie treffenden Mindestgarantien zum Schutz der Opfer von Menschenhandel zustehen und tatsächlich gewährt werden.  (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
3. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin …, Erlangen wird für das Verfahren AN 17 S 19.51111 abgelehnt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen eine im Zuge eines Dublin-Verfahrens mit dem Rückführungszielland Portugal ergangene Abschiebungsanordnung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.
Die am … 1978 in …Nigeria geborene Antragstellerin ist nach eigenen Angaben nigerianische Staatsangehörige mit Volkszugehörigkeit zu den Yoruba und christlichen Glaubens. Sie reiste auf dem Luftweg am 6. Oktober 2019 aus der Türkei kommend mit Zwischenlandungen in … und einem der Antragstellerin unbekannten Ort in Belgien in die Bundesrepublik Deutschland ein und äußerte ein Asylgesuch. Die Antragstellerin stellte am 23. Oktober 2019 einen förmlichen Asylantrag.
Die Ermittlungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) ergaben keinen Treffer in der EURODAC-Datenbank. Die Abfrage in der VIS-Antragsauskunft ergab, dass der Antragstellerin am 25. September 2019 in …Nigeria ein Schengen-Visum durch die Republik Portugal mit Gültigkeitsdauer vom 25. September bis 17. Oktober 2019 für eine einmalige Einreise in den Schengen-Raum und einer höchstzulässigen Aufenthaltsdauer von acht Tagen erteilt worden war.
Das Bundesamt befragte die Antragstellerin am 23. Oktober 2019 hinsichtlich der Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates und die persönliche Anhörung zur Klärung der Zulässigkeit des gestellten Asylantrages. Die weitere Befragung der Antragstellerin insbesondere zu ihren Asylgründen erfolgte am 29. Oktober 2019 durch einen Sonderbeauftragten des Bundesamtes für Opfer von Menschenhandel männlichen Geschlechts. Zuvor war der Antragstellerin gegen Unterschrift am 23. Oktober 2019 ein in englischer Sprache verfasster Hinweis- und Belehrungsbogen (Formblatt D0396) ausgehändigt worden, der auch einen in Fettdruck hervorgehobenen Hinweis enthielt, wonach die Anhörung – soweit möglich – bei persönlichem Erfordernis der Antragstellerin durch eine Person gleichen Geschlechts durchgeführt werden kann. Der Hinweis weist zudem auf den Einsatz von besonders geschulten Mitarbeitern des Bundesamtes für den Bereich geschlechtsspezifischer Menschenrechtsverletzungen hin.
Die Antragstellerin gab in ihren Befragungen durch das Bundesamt im Wesentlichen an, sie habe Nigeria aus Sicherheitsgründen verlassen, wobei Deutschland das Ziel ihrer Wahl gewesen sei. Sie habe gehört, dass Deutschland das sicherste Land der Welt sei. Grund ihrer Ausreise sei gewesen, dass ihre Kinder entführt worden seien und sie nach ihnen gesucht habe. Dabei sei sie in Nigeria auf einen Agenten getroffen, der ihr versprochen habe, ihr die Kinder zurück zu bringen, sobald sie in Sicherheit lebe. So sei sie nach … gekommen, wo eine weitere Person auf sie gewartet habe. Diese Person habe sie zum weiteren Weg instruiert und ihr auch angedeutet, dass sie die Reisekosten abarbeiten müsse. Sie habe dann geahnt, dass sie sich prostituieren solle. Die Person in … habe sie jedoch nicht in den öffentlichen Verkehrsmitteln begleitet, so dass sie den Zug bereits vor dem instruierten Ausstiegshalt verlassen habe. Ihr Heimatland habe sie letztmals am 4. Oktober 2019 in Richtung Türkei verlassen und sei sodann mit dem Flugzeug über Portugal und Belgien weiter nach Deutschland gereist. Dort sei sie am 6. Oktober 2019 in … gelandet. Die Antragstellerin bestätigte die Daten zum portugiesischen Visum. Das Visum habe sie jedoch durch eine nigerianische Agentur erhalten, so dass sie darauf keinen Einfluss gehabt hätte. Über Portugal wisse sie nichts. Sie kenne keine anderen Länder und wolle in Deutschland bleiben. In Nigeria habe sie als Sicherheitskraft gearbeitet, was sie durch Vorlage eines Dienstausweises im Original belegen könne. Die Antragstellerin verneinte auf Befragen, an Erkrankungen und Gebrechen zu leiden. Sonstige schutzwürdige Belange habe sie in Deutschland nicht.
Das Bundesamt richtete am 30. Oktober 2019 ein Übernahmeersuchen nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO) an die Republik Portugal. Die portugiesischen Behörden sagten die Übernahme der Antragstellerin mit Email vom 31. Oktober 2019 unter Verweis auf Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO zu.
Sodann erließ die Antragsgegnerin am 4. November 2019 einen Bescheid, mit dem der Asylantrag der Antragstellerin als unzulässig abgelehnt wurde (Ziffer 1.), festgestellt wurde, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziffer 2.), die Abschiebung nach Portugal angeordnet (Ziffer 3.) und das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf zwölf Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die den Bescheid tragenden Gründe verwiesen.
Der Bescheid wurde der Antragstellerin gegen Empfangsbekenntnis am 7. November 2019 bekannt gegeben.
Hiergegen richtete sich die am 14. November 2019 zunächst per Telefaxschreiben, sodann per besonderen elektronischen Anwaltspostfach der Bevollmächtigten der Antragstellerin erhobene Klage, mit der zugleich ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO sowie Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung gestellt wurde. Die Antragstellerbevollmächtigte trägt im Wesentlichen zur Begründung vor, dass die Antragstellerin Opfer von Menschenhandel geworden sei, weswegen für sie nach europarechtlichen Vorgaben besondere Fristen und Verfahrensgarantien zu gelten hätten. Dem sei das Bundesamt im Dublin-Verfahren nicht vollumfänglich gerecht geworden. Ungeachtet dessen sei der Selbsteintritt durch die Antragsgegnerin gemäß Art. 17 Dublin III-VO im Hinblick auf die erhebliche Traumatisierung der Antragstellerin in Nigeria zu erklären. Die Antragstellerin lässt sinngemäß (§§ 88, 122 Abs. 1 VwGO) beantragen,
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffer 3. des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 4. November 2018 wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin tritt dem mit Schriftsatz vom 19. November 2019 entgegen. Sie hat beantragt,
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsgegnerin verteidigt ihren angegriffenen Bescheid unter Bezugnahme auf dessen Gründe. Zum Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung hat sich die Antragsgegnerin nicht geäußert.
Unter dem 26. November 2019 reichte die Antragstellerbevollmächtigte das von der Antragstellerin ausgefüllte und unterschriebene Formblatt über die Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nebst Bescheinigung des Landratsamtes … über den Bezug von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bei Gericht ein.
Mit Verfügung vom 29. November 2019 forderte der Einzelrichter die Antragstellerbevollmächtigte auf, bis zum 6. Dezember 2019 zu erklären, ob die Antragstellerin zwischenzeitlich Strafanzeige bei einer Polizeidienststelle oder Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts des Menschenhandels erstattet hat, falls nicht, warum nicht und bat im Weiteren um Vorlage eines in der Klageschrift angekündigten ärztlichen Attestes. Der Antragsgegnerin wurde binnen gleicher Frist Gelegenheit gegeben, sich dezidierter zur Klagebegründung bzw. zu eigenen Erkenntnissen zu äußern.
Mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2019 teilte die Antragstellerbevollmächtigte mit, die Antragstellerin sei am 13. November 2019 durch die Polizeidienststelle K41 befragt worden und gab das polizeiliche Aktenzeichen an. Die Bevollmächtigte wies zudem darauf hin, dass die 3-monatige Bedenkzeit für die Antragstellerin noch nicht ausgeschöpft sei. Bei der rechtmäßigen Inanspruchnahme dieser europarechtlich verankerten Bedenkzeit handle die Antragstellerin keinesfalls in der Absicht, den Prozess zu verzögern. Das Gericht verkenne mit seiner Verfügung vom 29. November 2019 völlig, dass sich Opfer von Menschenhandel in einer äußerst vulnerablen Situation befänden, die ein Maximum an Rücksicht erfordere. Schließlich seien auch generalpräventive Überlegungen einzubeziehen, bestehende Menschenhändler anzuzeigen und strafrechtlich zu verfolgen. Hierbei sei regelmäßig die Anwesenheit der Opfer als Nebenkläger erforderlich.
Auf Anfrage des Gerichts vom 9. Dezember 2019 teilte die zuständige Polizeidienststelle schriftlich mit, das Ermittlungsverfahren sei seitens der Polizei am 22. November 2019 an die zuständige Staatsanwaltschaft … abgegeben worden. Es werde dort unter dem staatsanwaltschaftlichen Aktenzeichen … geführt.
Auf eine Anfrage des Gerichts an die Staatsanwaltschaft teilte diese schließlich mit Schreiben vom 20. Januar 2020 mit, dass das Ermittlungsverfahren zum staatsanwaltschaftlichen Aktenzeichen … gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde und die Anwesenheit der Antragstellerin im Bundesgebiet für das Strafverfahren nicht erforderlich sei.
Die Antragsgegnerin hat sich über die Antrags- und Klageerwiderung hinaus bislang nicht weiter geäußert.
Für die Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten sowie des Gangs des bisherigen behördlichen Verwaltungs- und des Gerichtsverfahrens wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der durch das Bundesamt vorgelegten elektronischen Behördenakte (Az. …) Bezug genommen.
II.
Der Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 7. November 2019, der sachgerecht nur auf die Abschiebeanordnung gerichtet sein kann und daher so auszulegen ist, ist zulässig aber unbegründet. Er war folglich abzulehnen. Zur Entscheidung ist gemäß § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG der Berichterstatter als Einzelrichter berufen.
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG gestützte Abschiebungsanordnung nach Portugal ist zulässig. Das Gericht kann gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs anordnen. Eine Klage gegen die Abschiebungsanordnung entfaltet von Gesetzes wegen nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 Abs. 1 AsylG keine aufschiebende Wirkung. Der Antrag ist daher statthaft und wurde innerhalb der Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG gestellt.
2. Das Gericht trifft im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene, originäre Entscheidung über die Anordnung bzw. die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung auf Grund der sich ihm im Zeitpunkt seiner Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) darbietenden Sach- und Rechtslage. Das Gericht hat dabei das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin und das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gegeneinander abzuwägen (Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl., § 80 Rn. 152; Eyermann/Hoppe, VwGO, 15. Aufl., § 80 Rn. 89). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel abzulehnen, wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache nach summarischer Prüfung voraussichtlich erfolglos bleiben wird; ergibt eine vorläufige Überprüfung der Hauptsacheklage dagegen, dass diese offensichtlich erfolgreich sein wird, so überwiegt regelmäßig das Aussetzungsinteresse der Antragstellerpartei. Sind die Erfolgsaussichten offen, so ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. Eyermann/Hoppe, VwGO, 15. Aufl., § 80 Rn. 90 ff.).
Auf Grundlage dieser Maßgaben ist der beklagte Bescheid unter Ziffer 3. seines Tenors aller Voraussicht nach rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für die Anordnung der Abschiebung ist § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht, § 34a Abs. 1 Satz 3 AsylG. Die Abschiebungsanordnung erweist sich bei summarischer Prüfung unter Beachtung des Vortrags der Antragstellerin weder deshalb als rechtswidrig, weil bereits die Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1. des Tenors des beklagten Bescheids voraussichtlich rechtswidrig sein könnte (dazu nachfolgend 2.1). Die Abschiebungsanordnung ist auch nicht aus sonstigen Gründen, nämlich aufgrund der Annahme eines nationalen Abschiebungsverbotes im Hinblick auf Portugal, aufgrund des noch nicht erfolgten Ablaufs einer der Antragstellerin zukommenden Erholungs- und Bedenkfrist oder aufgrund eines Duldungsgrundes nach § 60a Abs. 2 Satz 2 AufenthG rechtswidrig (dazu nachfolgende 2.2).
2.1 Zutreffend ist die Antragsgegnerin aufgrund der von ihr durchgeführten Ermittlungen davon ausgegangen, dass die Bundesrepublik Deutschland für das Asylgesuch der Antragstellerin gemäß den Zuständigkeitskriterien der hier zur Anwendung kommenden Dublin III-VO unzuständig ist und dass die Portugiesische Republik über das Asylgesuch inhaltlich zu entscheiden hat. Die von der Antragsgegnerin getroffene Unzulässigkeitsentscheidung ergibt sich in der Folge aus § 29 Abs. 1 Nr. 1 a) AsylG, da auch Portugal bislang keine inhaltliche Entscheidung über das Asylgesuch der Antragstellerin getroffen hat. Weiter zutreffend hat die Antragsgegnerin zugrunde gelegt, dass sich die Zuständigkeit Portugals aus dem durch diesen Mitgliedsstaat der Antragstellerin erteilten Schengen-Visum in Anwendung des Art. 12 Abs. 4 UAbs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO ergibt. Seine Zuständigkeit hat Portugal auch gegenüber der Antragsgegnerin am 31. Oktober 2019 anerkannt.
Die Fristen im Zusammenhang mit dem Verfahren nach der Dublin III-VO, auf deren Ablauf sich die Antragstellerin zu ihren Gunsten hinsichtlich eines Zuständigkeitsübergangs auf die Antragsgegnerin berufen kann, wurden nach Aktenlage gewahrt und von der Antragstellerin insoweit auch nicht gerügt.
Ebenso wenig hat die Antragstellerin gerügt, die Antragsgegnerin sei aufgrund einer Anwendung des Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO zur inhaltlichen Prüfung ihres Asylantrages berufen, weil die in der vorzitierten Vorschrift genannten systemischen Schwachstellen im Asylsystem und den Aufnahmebedingungen für Asylsuchende für Portugal zuträfen und ein anderer Mitgliedsstaat vorrangig vor der Antragsgegnerin nicht zuständig wäre. Dass die dort genannten Tatbestandsvoraussetzungen im Falle der Antragstellerin einschlägig sind, ergibt sich für das Gericht auch nicht aus dem Vortrag der Antragstellerin vor dem Bundesamt oder aus sonstigen Umständen. Insbesondere schließt sich der erkennende Einzelrichter der aktuellen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung an, wonach die vorbezeichneten systemischen Schwachstellen im portugiesischen Asylsystem nicht aufzufinden sind (VG Ansbach, B.v. 26.9.2017 – AN 14 E 17.51100 u. AN 14 E 17.51101 – BeckRS 2017, 129442; VG Magdeburg, B.v. 10.10.2017 – 9 B 483/17 – BeckRS 2017, 132003; VG Arnsberg, U.v. 30.1.2018 – 2 K 9246/17.A – BeckRS 2018, 16374; VG Würzburg, B.v. 27.11.2018 – W 10 S 18.50534 – BeckRS 2018, 38267). Einer vertiefenden Erörterung bedarf es vorliegend zu diesem Umstand aber nicht.
Auch sonstige Verfahrensfehler im Zuge der Anwendung der Dublin III-VO unter völkervertragsrechts- und europarechtskonformer Berücksichtigung der von der Antragstellerin vorgetragenen besonderen Lage als (mögliches) Opfer eines Menschenhandels sind nicht erkennbar oder substantiiert dargelegt. Zwar beruft sich die Antragstellerin im vorliegenden Verwaltungsstreitverfahren darauf, dass ihr besondere Verfahrensgarantien nach Vorgaben des Europarechts bzw. nach Übereinkommen des Europarates, die die Bekämpfung des Menschenhandels zum Gegenstand haben, nicht zuteil geworden seien. So sei die Anhörung vor dem Bundesamt nicht mit einem weiblichen Anhörer durchgeführt worden bzw. sei ihr das nicht angeboten worden. Zudem sei die Antragstellerin von den Behörden nicht über eine ihr zustehende Bedenk- und Erholfrist informiert worden. Beides war indes im Zuge des Dublin-Verfahrens auch nicht notwendig bzw. stellt sich nicht als derart gravierender Verfahrensfehler dar, dass dadurch die Unzulässigkeitsentscheidung des Bundesamtes und in deren Folge auch die hier gegenständliche Abschiebungsanordnung rechtswidrig werden. Es ist dabei unschädlich und durch das Gericht im vorliegenden Verfahren nicht vertieft zu erörtern, dass die Antragstellerin sich für ihre Argumentation auf die Konvention des Europarates zur Bekämpfung des Menschenhandels vom 16. Mai 2005, die die Bundesrepublik Deutschland am 19. Dezember 2012 ratifiziert hat (vgl. https://www.coe.int/en/web/conventions/full-list/-/conventions/treaty/197/signatures – Konvention 2005), beruft. Regelmäßig binden Übereinkommen, die die Vertragsstaaten des Europarates schließen, als Völkervertragsrecht nur diese Vertragsstaaten und deren Gesetzgeber, begründen jedoch ohne das Hinzutreten eines innerstaatlichen Rechtsaktes, mit dem das Übereinkommen in das nationale Recht umgesetzt wird, keine unmittelbaren Rechte für Dritte (BVerfG, B.v. 21.6.2016 – 2 BvR 637/09 – BeckRS 2016, 48899 dort Rn. 12). Das Gleiche gilt für die hier ebenfalls in den Blick zu nehmende europarechtliche Richtlinie 2011/36/EU zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates (Menschenhandelsrichtlinie 2011). Ob aus den vorgenannten Regelungsmaterien im Hinblick auf eine Verbesserung des Opferschutzes und der Gewährung von Mindestgarantien für Opfer des Menschenhandels ausnahmsweise – unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes und des Bundesverwaltungsgerichtes hierzu – etwas Anderes zu gelten hat, ist nicht entscheidungsrelevant. Denn die Argumente der Antragstellerin sind anhand der Dublin III-VO als europarechtliches Spezialgesetz zu beurteilen, wobei die Dublin III-VO ihrerseits Verfahrensgarantien gemäß den Regelungen des Zweiten Kapitels der Verordnung aufstellt. Unter besonderer Beachtung des Erwägungsgrundes 32 zur Dublin III-VO, wonach in Bezug auf die Behandlung von Personen, die unter diese Verordnung fallen, die Mitgliedstaaten an ihre Verpflichtungen aus den völkerrechtlichen Instrumenten einschließlich der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gebunden sind, und des Erwägungsgrundes 39, wonach die Dublin III-VO im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt wurden, steht und die Verordnung insbesondere darauf abzielt, sowohl die uneingeschränkte Wahrung des in Artikel 18 der Charta verankerten Rechts auf Asyl als auch die in ihren Artikeln 1, 4, 7, 24 und 47 anerkannten Rechte zu gewährleisten, kann dem Vortrag der Antragstellerin angemessen Rechnung getragen werden. Insbesondere hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die konventionsrechtliche Bewertung des Tatbestandes des Menschenhandels in das Normengefüge der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) mit seiner Entscheidung vom 7. Januar 2010 (Az. 25965/04 Rantsev/Zypern u. Russland – NJW 2010, 3003) weitergehend beleuchtet und hieraus bestimmte Verhaltensgebote an die Konventionsstaaten im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Menschenhandels und der Verbesserung der Lage der Opfer von Menschenhandel formuliert. Dass sich aus dieser Rechtsprechung des EGMR oder europarechtlichen Vorgaben zur Bekämpfung des Menschenhandelns, insbesondere der Menschenhandelsrichtlinie 2011, die von der Antragstellerin bemängelte Anhörung im Dublin-Verfahren durch einen Anhörenden, der nicht gleichen Geschlechts ist, als zwingende Vorgabe im Zusammenhang mit dem Opferschutz ergibt, ist nicht ersichtlich. Ein solches Verfahrensrecht ergäbe sich ungeachtet dessen auch nicht aus den vorstehend zitierten völkervertrags- und europarechtlichen Konventionen und Richtlinien, soweit man aus ihnen unmittelbare Rechtswirkung für die Antragstellerin ausnahmsweise herleiten können würde. Vielmehr zielen die Vorgaben auf eine effektive Strafverfolgung und Bekämpfung der Ursachen von Menschenhandel sowie auf die Festlegung von Mindestgarantien für die Identifizierung und Betreuung von Opfern des Menschenhandels, auch, soweit diese nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit Strafverfolgungsmaßnahmen stehen (z.B. Art. 11 bis 13 Konvention 2005 sowie Art. 11 ff. Menschenhandelsrichtlinie 2011). Dass diese Mindestgarantien, die die Antragsgegnerin ohne Zweifel auch bei der Durchführung des Dublin-Verfahrens zu beachten hat, in erheblicher Weise zum Nachteil der Antragstellerin verletzt wurden, ist nicht ansatzweise erkennbar. Vielmehr ergibt sich aus der Verfahrensakte der Antragsgegnerin, dass die Anhörung durch einen in Menschenhandelsfragen besonders geschulten Mitarbeiter des Bundesamtes durchgeführt und das Ergebnis der Befragung einer im Blickwinkel dieses besonderen Schutzes gewürdigten Bewertung unterzogen wurde. Darüber hinaus wurde die Antragstellerin aktenkundig über ihre Rechte gerade auch als (mögliches) Opfer von Menschenhandel in einer für sie verständlichen Sprache informiert und ihr weitergehende Hilfsangebote dazu vermittelt (vgl. Bl. 93 – 95 sowie Bl. 32 ff. d. Bundesamtsakte). Die Belehrung der Antragstellerin, die diese mit ihrer Unterschrift als verstanden und zur Kenntnis genommen bestätigt hat, enthielt darüber hinaus den Hinweis, dass auf Wunsch der Antragstellerin die Anhörung durch eine Person des gleichen Geschlechts durchgeführt werden kann. Dass die Antragstellerin einen solchen Wunsch zu irgendeinem Zeitpunkt geäußert hat, lässt sich dem gegenüber weder der Bundesamtsakte entnehmen, noch hat die Antragstellerin dies gegenüber dem Gericht vorgetragen. Allein der Umstand der Anhörung der Antragstellerin durch eine männliche Person ist damit nicht geeignet, in verfahrensrelevanter Weise eine Verletzung von Grund- und Konventionsrechten sowie daraus sich in der Folge ableitend eine mögliche Verletzung von Verfahrensgarantien nach dem Zweiten Kapitel der Dublin III-VO zu begründen. Dies gilt überdies auch für ein behauptetes Unterlassen der Information der Antragstellerin über eine ihr zustehende Bedenk- und Erholfrist, da sich ein solches Informationsdefizit nur dann auswirkt, wenn dadurch der Antragstellerin tatsächlich nicht diese Mindestfrist zukommen würde und ihr in der weiteren Folge auch weitere Opferrechte, etwa die Inanspruchnahme von Beratungs- und Hilfeleistungen, abgeschnitten wären. Das ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) nicht erkennbar, zumal der Antragstellerin reell seitens der Antragsgegnerin Opferberatungsangebote vermittelt wurden und sich eine Bedenk- und Erholfrist nach den konventions- und europarechtlichen Vorgaben, die lediglich mindestens 30 Tage betrifft, in der Person der Antragstellerin realisiert hat, ohne, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen an ihr vollzogen worden wären. Die Frage, ob sich die Antragstellerin auf § 59 Abs. 7 Satz 2 AufenthG berufen kann, ist für die Prüfung von Verfahrensfehlern im Zusammenhang mit der Anwendung der Dublin III-VO unbeachtlich und wird nachfolgend einer gesonderten Betrachtung unterzogen. Das Zusammenspiel zwischen einer erwiesenen Verletzung von Mindestgarantien für Opfer des Menschenhandels aufgrund europa- oder konventionsrechtlicher Vorgaben einerseits und den Verfahrensgarantien nach der Dublin III-VO andererseits brauchte das Gericht im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes somit nicht vertieft erörtern.
Darüber hinaus dringt die Antragstellerin mit ihrer Argumentation auch insoweit nicht durch, als sie für sich eine Ermessensreduktion auf Null im Hinblick auf eine Erklärung der Antragsgegnerin zum Selbsteintritt nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO in Anspruch nimmt. Nach dieser Vorschrift ist jedem Mitglied- und Vertragsstaat die Möglichkeit eröffnet, abweichend von den Zuständigkeitsregelungen der Dublin III-VO die Prüfung eines bei ihm gestellten Antrags auf internationalen Schutz an sich zu ziehen. Dieser Selbsteintritt ist nach dem Wortlaut der Norm von keinen weiteren Voraussetzungen abhängig. Er ist insbesondere nicht von der Zustimmung des an sich zuständigen Mitgliedstaates oder des Antragstellers abhängig. Wenn ein Mitgliedstaat sein Ermessen ausübt, geschieht dies nicht auf nationaler Grundlage, sondern in Durchführung von Unionsrecht. Die Mitgliedstaaten haben ein weites Ermessen; Bindungen können sich aber aus den Unionsgrundrechten wie aus dem nationalen Recht ergeben, soweit nicht der Anwendungsvorrang des Unionsrechts entgegensteht (Heusch/Haderlein/Schönenbroicher, Das neue Asylrecht, 1. Aufl. 2016, Abschnitt C. Das Dublin-Verfahren Rn. 269, beck-online; EuGH, U.v. 10.12.2013 – C-394/12 – NVwZ 2014, 208 [210] dort Rn. 57). Gemessen daran kann der Argumentation der Antragstellerin im Anwendungsbereich der Dublin III-VO über diese Vorschrift ebenfalls hinreichend Rechnung getragen werden, da hierbei Rechte von Opfern des Menschenhandels, wie sie als Mindestgarantien im vorgenannten Sinne in konventions- und europarechtlichen Regelungen niedergelegt sind und sich darüber hinaus im Lichte der Rechtsprechung des EGMR auch aus den Konventionsgrundrechten selbst ergeben, ebenso durch die nationalen Behörden hinreichend bei der Anwendung der Dublin III-VO zu beachten sind. Gleichwohl besteht nach Überzeugung des erkennenden Einzelrichters kein unbedingter Anspruch aus Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO, stets dann erfolgreich einen Selbsteintritt nach dieser Vorschrift von der Antragsgegnerin fordern zu können, wenn allein schon tatsächliche konkrete Anhaltspunkte für das Gegebensein eines Falles mit Bezug zum Menschenhandel vorliegen. Denn im Anwendungsbereich der Dublin III-VO ist sichergestellt, dass eine Überstellung bzw. Rückführung des Asylsuchenden grundsätzlich nur in Staaten in Betracht kommt, die ihrerseits die Konvention 2005 des Europarates ratifiziert haben sowie zur Umsetzung der Menschenhandelsrichtlinie 2011 der Europäischen Union verpflichtet sind, so dass dem Asylsuchenden dem Grunde nach keine Rechte und Mindestgarantien aus den überstaatlichen Regelwerken zur Bekämpfung des Menschenhandels abgeschnitten werden. Dass dies u.U. eine engmaschige Kommunikation der betroffenen Mitgliedsstaaten hinsichtlich des Austausch von Informationen über den Status des Asylsuchenden als (mögliches) Opfer von Menschenhandel sowie ggf. weitergehende Zusicherungen im Einzelfall voraussetzt, lässt den weiten Ermessensspielraum der Mitgliedsstaaten nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO unberührt und führt demnach nicht per se zur Rechtswidrigkeit von Unzuständigkeitsentscheidungen über einen Asylantrag, die ihre Grundlage in der Anwendung der Dublin III-VO finden. Jedenfalls für den hier im Raume stehenden Rückführungszielstaat Portugal kann mangels entgegenstehender Anhaltspunkte für eine systemische bzw. weit verzweigte Verflechtung von Menschenhändlerringen davon ausgegangen werden, dass der Antragstellerin dort auch die sie treffenden Mindestgarantien zum Schutz der Opfer von Menschenhandel zustehen und tatsächlich gewährt werden. Gerade das unterscheidet den vorliegenden Fall von denjenigen Fällen, die bislang in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung mit Bezug zum Mitgliedsstaat Italien entschieden worden sind (bspw. VG München, U.v. 3.11.2017 – M 18 K 16.51084 – BeckRS 2017, 155261). Folglich kann sich die Antragstellerin nicht allein deshalb erfolgreich auf Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO berufen, weil in ihrer Person konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie Opfer von Menschenhandel geworden ist. Eine Ermessensreduktion auf Null zu ihren Gunsten kommt nur in Betracht, wenn weitere erhebliche Umstände hinzutreten, die einen Selbsteintritt der Antragsgegnerin unter Beachtung der Mindestgarantien für Opfer von Menschenhandel nahelegen.
Solche begleitenden Umstände erkennt das Gericht indes nicht. Sie sind nicht in beachtlicher Weise vorgetragen und auch nicht aus der Bundesamtsakte erkennbar. Bereits der Umstand, dass die Antragstellerin mehr oder weniger freiwillig die Reise von ihrem Herkunftsland in die Bundesrepublik Deutschland unternommen hat und ihr erst in Deutschland Zweifel aufkamen, was der eigentliche Zweck ihrer Einreise nach Deutschland sein sollte, sprechen gegen derartige Begleitumstände. Zudem droht der Antragstellerin – ihren Sachvortrag als wahr unterstellt – gerade in Deutschland eine Verfestigung ihrer Opferposition bzw. die Gefahr einer Reviktimisierung, da Deutschland das Zielland ihrer „Verwendung“ im Sinne der Menschenhändler sein sollte. Dagegen sind keinerlei Anhaltspunkte vorgetragen oder ersichtlich, dass ein solcher Begleitumstand der Antragstellerin auch in Portugal droht. Schließlich hat die Antragstellerin auch nicht substantiiert vorgetragen, sie befinde sich in Deutschland in medizinischer bzw. psychologischer Behandlung infolge ihrer Opferrolle und eine danach notwendige ärztliche bzw. psychologische Behandlung werde in ihrem Erfolg durch den Bescheid der Antragsgegnerin ernstlich gefährdet. Zwar hat die Antragstellerin vortragen lassen, sie sei „aufgrund der Entführung ihrer Kinder und der langen latenten Bedrohung durch die „Oil-Vandals“ sowie zuletzt durch die drohende Zwangsprostitution, der sie nur knapp entkommen konnte, womöglich stark traumatisiert“ und weiter, ein Attest über die psychische Verfassung der Antragstellerin werde umgehend nachgereicht. Dieser Vortrag erfüllt jedoch nicht die Anforderungen an eine substantiierte Darlegung von behandlungsbedürftigen Folgen einer Rolle als Opfer von Menschenhandel und bleibt im Hinblick auf mögliche Erkrankungen der Antragstellerin spekulativ. Selbst wenn man die Anforderungen daran nicht überspannen dürfte, ist in Anlehnung an § 60a Abs. 2c AufenthG von der Antragstellerin doch zu fordern, dass sie ihre Angaben wenigstens mittels eines qualifizierten ärztlichen Attestes belegt. Dies ist trotz Aufforderung des Gerichts bislang nicht geschehen. Im Übrigen bleibt fraglich, ob die vorgetragene Kindesentführung beachtlich ist, soweit die Antragstellerin für sich Rechte als ein Opfer von Menschenhandel in Anspruch nimmt, da ein derartiger Konnex zwischen der potentiellen Zwangsprostituierung der Antragstellerin in Deutschland und der in ihrem Herkunftsland erfolgten Kindesentführung nicht ohne weiteres erkennbar ist. Dies kann jedoch dahinstehen. Folglich kann die Antragstellerin von der Antragsgegnerin nur dann erfolgreich einen Selbsteintritt nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO fordern, wenn sonstige Umstände erkennbar dafür sprechen, dass der Verbleib der Antragstellerin im Bundesgebiet noch weiterhin notwendig sein wird und daher eine Überstellung nach Portugal innerhalb der Frist des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO – die mit Bekanntgabe dieses Beschlusses neu zu laufen beginnt – voraussichtlich nicht realisiert werden kann. Solche Umstände erkennt das Gericht bei summarischer Prüfung nicht. Dass eine Anwendung des Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO zu Gunsten der Antragstellerin auch dann in Betracht zu ziehen ist, wenn ihr weiterer Verbleib im Bundesgebiet aus den nachfolgend unter 2.2 geprüften Gründen notwendig erscheint, erweist sich zwar als möglich. Nach Überzeugung des Gerichts käme dies in anspruchsverdichtender Weise dennoch auch dann nur unter der zusätzlichen zeitlichen Prämisse in Betracht, dass die Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO aufgrund der weiteren Notwendigkeit des Verbleibs der Antragstellerin im Bundesgebiet mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht mehr einzuhalten sein wird. Dazu gibt es aber ebenfalls keine Anhaltspunkte.
Die Unzulässigkeitsentscheidung im beklagten Bescheid der Antragsgegnerin erweist sich demnach als voraussichtlich rechtmäßig. In der Folge ist die antragsgegenständliche Abschiebungsanordnung nicht schon aus diesem Grunde als voraussichtlich rechtswidrig zu beurteilen und erweist sich die Sach- und Rechtslage auch nicht als offen.
2.2 Auch sonstige Umstände lassen die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylG nicht als voraussichtlich rechtswidrig erscheinen. Das wäre vor allem dann der Fall, wenn nach Beurteilung der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt dieser Beschlussfassung die Voraussetzungen der Abschiebungsanordnung nicht vorlägen. § 34a Abs. 1 AsylG setzt nach seinem Wortlaut („sobald feststeht“) voraus, dass die Durchführbarkeit der Abschiebung in einen sicheren Drittstaat gegeben ist. Die Abschiebung muss also zeitnah tatsächlich möglich und rechtlich zulässig sein.
Die Antragstellerin erkennt solche die Aufenthaltsbeendigung hindernden Umstände darin, dass ihr zum einen als Opfer von Menschenhandel eine Erholungs- und Bedenkzeit zukomme, wobei aus ihrer Sicht die in § 59 Abs. 7 Satz 2 AufenthG niedergelegte Frist von drei Monaten als Mindestfrist zu verstehen sei. Zum anderen sei ihre Anwesenheit im Bundesgebiet unter Strafverfolgungsgesichtspunkten wenigstens als potentielle Nebenklägerin in einem Strafverfahren gegen ihre Menschenhändler weiter notwendig.
Hinsichtlich des Argumentes der Erholungs- und Bedenkzeit, die der deutsche Gesetzgeber ausdrücklich nur im Zusammenhang mit der Abschiebungsandrohung in § 59 AufenthG geregelt hat, ist festzuhalten, dass dies der Antragstellerin offensichtlich schon nicht zum Erfolg verhelfen kann. Selbst wenn man mit einem Teil der Rechtsprechung davon ausgeht, dass die Frist des § 59 Abs. 7 Satz 2 AufenthG auch durch das Bundesamt bei seinen Entscheidungen zu berücksichtigen ist (vgl. VG Düsseldorf, GB v. 12.6.2017 – 7 K 6086/17.A – BeckRS 2017, 114915), lässt eine solche Frist, vor deren Ablauf die Abschiebung nicht vollzogen werden darf, die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung selbst im maßgeblichen Zeitpunkt des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG (BeckOK AuslR/Pietzsch, 24. Ed. 1.5.2019, AsylG § 34a Rn. 9 u. 27) vorliegend doch unberührt. Denn die Bedenk- und Erholungsfrist, die Opfern von Menschenhandel ungeachtet ihres Status zu gewähren ist, knüpft entsprechend den konventions- und europarechtlichen Vorgaben daran an, dass konkrete Anhaltspunkte für eine Opferrolle unter Menschenhandelsgesichtspunkten beim Asylsuchenden vorliegen. Solche Anhaltspunkte, die der Antragsgegnerin als nationale Behörde bekannt werden müssen, um die Bedenk- und Erholungsfrist in Gang setzen zu können, lagen zwar insoweit mit der Antragstellerin übereinstimmend erst im Rahmen der Anhörung zu den konkreten Asylgründen am 29. Oktober 2019 vor. Zwischenzeitlich sind aber seitdem drei Monate vergangen. Es mag richtig sein, dass § 59 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nur eine Mindestfrist regelt, so dass die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylG auch dann noch rechtlich unzulässig im Sinne ihrer Tatbestandsvoraussetzungen sein kann, wenn diese Frist bereits abgelaufen und anzunehmen ist, dass § 59 Abs. 2 Satz 2 AufenthG auf Abschiebungsanordnungen nach § 34a Abs. 1 AsylG entsprechend zu übertragen wäre – was der erkennende Einzelrichter ausdrücklich dahingestellt sein lässt. Dass hier Anhaltspunkte für eine solche Verlängerung der Mindestfrist in der Person der Antragstellerin vorliegen, ist nämlich nicht ersichtlich. Die Antragstellerin kapriziert in ihrem Vortrag vielmehr auf allgemeine Aussagen zu den Garantien und Rechten von Opfern von Menschenhandel und hat ansonsten, wie bereits ausgeführt, die Anhaltspunkte, die gerade für ihre Person relevant sind, nicht substantiiert. Ein Mangel im Vortrag dahingehend geht zu Lasten der Antragstellerin.
Schließlich sprechen auch Gründe des Strafrechts, die eine Verfolgung und Ahndung von Menschenhändlern, deren Wirken im Zusammenhang mit der Einreise der Antragstellerin nach Deutschland steht, ermöglichen sollen, nicht für eine Rechtswidrigkeit der Abschiebungsanordnung im Bescheid der Antragsgegnerin vom 7. November 2019. Die (tatsächliche oder rechtliche) Unzulässigkeit der Abschiebung in den Drittstaat kann sich auch aus in der Person des Ausländers liegenden Gründen (inlandsbezogene Abschiebungshindernisse) ergeben. Die Zuständigkeit für die Prüfung dieser Gründe liegt an sich zwar allein bei der Ausländerbehörde. Da die Abschiebungsanordnung, für die wiederum allein das Bundesamt zuständig ist, nach § 34a Abs. 1 AsylG erst erlassen werden kann, wenn „feststeht“, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann, obliegt es insoweit – anders als beim Erlass einer Abschiebungsandrohung – auch dem Bundesamt zu prüfen, ob inlandsbezogene Abschiebungshindernisse der Abschiebung entgegenstehen (vgl. BVerfG B.v. 17.9.2014 – 2 BvR 1795/14 – BeckRS 2014, 56447; OVG Lüneburg B.v. 30.1.2019 – 10 LA 21/19 – BeckRS 2019, 879). Das Bundesamt hat daher bei seiner Entscheidung, ob es nach § 34a Abs. 1 AsylG die Abschiebung anordnet, ausnahmsweise auch Duldungsgründe im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 2 AufenthG zu prüfen (vgl. BeckOK AuslR/Pietzsch, 24. Ed. 1.5.2019, AsylG § 34a Rn. 14a m.w.N.). Nach dieser Vorschrift ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Ob diese Voraussetzungen in allen Punkten im Falle der Antragstellerin erfüllt sind, braucht das Gericht vor dem Hintergrund der Mitteilung der zuständigen Staatsanwaltschaft … vom 20. Januar 2020 nicht zu prüfen. Die Staatsanwaltschaft hat vielmehr auf Anfrage des Gerichts mitgeteilt, dass ein weiterer Verbleib der Antragstellerin im Bundesgebiet aus Gründen der Strafverfolgung nicht notwendig erscheint. Untermauert wird diese Mitteilung der Staatsanwaltschaft insbesondere dadurch, dass sich das aufgrund der Angaben der Antragstellerin eröffnete Ermittlungsverfahren bislang gegen Unbekannt richtet. Damit ist mit einer zeitnahen Anklageerhebung, im Zuge dessen die Antragstellerin möglicherweise Rechte als Nebenklägerin wahrnehmen kann, nicht absehbar. Ungeachtet davon kann bei einer späteren Ermittlung von möglichen Tätern den Rechten der Antragstellerin an der Mitwirkung bzw. Teilnahme an einem Strafverfahren bzw. der Fortführung des Ermittlungsverfahrens gegen nunmehr bekannte Personen dadurch Rechnung getragen werden, dass ihr vorübergehend die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland ausländerrechtlich gestattet wird. Dass jedenfalls bei dem derzeit mitgeteilten Sachstand im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, das die Antragstellerin initiiert hat, eine Duldung fortgesetzt ernsthaft in Betracht zu ziehen ist, ist nicht anzunehmen. Darüber hinausgehende Aspekte insbesondere generalpräventiver Art kann die Antragstellerin für sich nicht als subjektives Recht ins Feld führen. Sie sind für die hier vorzunehmende Entscheidung des Gerichts außer Betracht zu lassen.
Da die portugiesischen Behörden gegenüber dem Bundesamt ihre Übernahmebereitschaft hinsichtlich der Antragstellerin erklärt haben, stehen der Abschiebungsanordnung auch keine tatsächlichen Hindernisse im Weg. Sie erweist sich nach alledem als rechtlich zulässig und tatsächlich durchführbar.
Der Antrag war damit abzulehnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylG.
3. In der Folge war auch der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung mangels hinreichender Erfolgsaussichten abzulehnen, § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 114 Abs. 1 Satz 1, 121 Abs. 2 ZPO. Eine Vertretung der Antragstellerin durch einen Prozessbevollmächtigten erscheint nicht notwendig im Sinne der Beiordnungsvorschrift.
4. Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar, § 80 AsylG.


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