Aktenzeichen M 5 S 22.50150
Leitsatz
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der Antragsteller, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste eigenen Angaben zufolge am … Dezember 2021 in das Bundesgebiet ein und stellte am … Februar 2022 einen Asylantrag. Mit Schreiben vom … Februar 2022 wandte sich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) unter Hinweis auf einen Eurodac-Treffer der Kategorie 1 (Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz) an die bulgarische Dublin-Unit mit der Bitte um Wiederaufnahme des Antragstellers. Auf dieses Gesuch antworteten die bulgarischen Behörden nicht fristgemäß.
Mit Bescheid vom … März 2022 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Tenor Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Tenor Nr. 2), ordnete die Abschiebung nach Bulgarien an (Tenor Nr. 3) und befristete das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf elf Monate ab dem Tag der Abschiebung (Tenor Nr. 4). Der Bescheid wurde dem Antragsteller am … März 2022 gegen Empfangsbekenntnis ausgehändigt.
Am 15. März 2022 erhob der Antragsteller gegen den Bescheid Klage. Er hat weiter beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung (Nr. 3 des Bescheids) anzuordnen.
Zur Begründung gab er an, dass er zwei Jahre in Bulgarien in Haft gewesen sei. Die Versorgung dort sei völlig unzulänglich gewesen. Nach der Entlassung aus dem Gefängnis habe er auf der Straße gelebt. Es gehe ihm gesundheitlich nicht gut. Er habe körperliche und psychische Probleme.
Die Antragsgegnerin hat sich im Verfahren nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zwar zulässig, insbesondere ist ohne weiteres davon auszugehen, dass er fristgerecht gestellt ist, § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Der Antrag ist jedoch unbegründet, denn die Hauptsacheklage hat voraussichtlich keinen Erfolg.
Der Bescheid der Antragsgegnerin, auf den im Sinne von § 77 Abs. 2 AsylG Bezug genommen wird, ist voraussichtlich rechtmäßig.
Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.
1. Bulgarien ist als Mitgliedstaat, über dessen Grenze der Antragsteller aus einem Drittstaat illegal eingereist ist, für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.
Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens richtet sich vorliegend nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO).
Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO sieht vor, dass der Asylantrag von dem Mitgliedstaat ge-prüft wird, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Bei Anwendung dieser Kriterien ist ohne weiteres Bulgarien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Da die bulgarischen Behörden auf das Aufnahmeersuchen der Antragsgegnerin nicht fristgemäß reagiert haben, ist gemäß Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO davon auszugehen, dass dem Aufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person wiederaufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen (Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO).
2. Nach dem vom Bundesverfassungsgericht zur Drittstaatenregelung entwickelten „Konzept der normativen Vergewisserung“ ist davon auszugehen, dass in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Anwendung der Grundrechtecharta, der Genfer Flüchtlingskonvention als auch der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten – EMRK – sichergestellt ist (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris Rn. 181). Dieses vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Konzept steht im Einklang mit dem der Schaffung eines gemeinsamen europäischen Asylsystems zugrundeliegenden Prinzips des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – Rs. C-411/10 und C-493/10 – juris). Unter diesen Bedingungen muss die nur in Ausnahmefällen widerlegbare Vermutung gelten, dass die Behandlung eines Asylbewerbers bzw. als schutzberechtigt anerkannten Ausländers in jedem einzelnen dieser Staaten im Einklang mit den genannten Rechten steht.
Hiervon kann nur dann nicht ausgegangen werden, wenn sich auf Grund bestimmter Tatsachen aufdrängt, der Ausländer sei von einem Sonderfall betroffen, der von dem Konzept der normativen Vergewisserung bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens nicht aufgefangen wird (vgl. EuGH, U.v. 10.12.2013 – Rs. C-394/12 – juris, BVerfG, U.v. 14.5.1996 a.a.O.). Den nationalen Gerichten obliegt im Einzelfall die Prüfung, ob ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesem Mitgliedstaat überstellten Personen implizieren (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 a.a.O. Rn. 86). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen aufgrund größerer Funktionsstörungen in dem zuständigen Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 EUGrdRCh bzw. Art. 3 EMRK droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris Rn. 5 f. m.w.N., B.v. 6.6.2014 – 10 B 35/14 – juris). Bei einer zusammenfassenden, qualifizierten – nicht rein quantitativen – Würdigung aller Umstände, die für das Vorliegen solcher Mängel sprechen, muss diesen ein größeres Gewicht als den dagegensprechenden Tatsachen zukommen, d.h. es müssen hinreichend gesicherte Erkenntnisse dazu vorliegen, dass es immer wieder zu den genannten Grundrechtsverletzungen kommt (vgl. VGH BW, U.v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – juris).
3. Diese Grundsätze konkretisierend hat der EuGH in seiner „Jawo“-Entscheidung ausgeführt, dass Schwachstellen im Asylsystem nur dann als Verstoß gegen Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK zu werten sind, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen, die von sämtlichen Umständen des Falles abhängt. Die hohe Schwelle der Erheblichkeit kann nach dem EuGH erreicht sein, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubt, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigen oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzen würde, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre. Diese Schwelle ist selbst in durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern sie nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, aufgrund deren sich diese Person in einer solch schwerwiegenden Lage befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann (vgl. dazu insgesamt EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 (Jawo)- juris Rn. 91 ff., m.w.N.).
Ein Verstoß liegt ausgehend hiervon erst dann vor, wenn die elementarsten Bedürfnisse nicht befriedigt werden können, insbesondere eine Unterkunft zu finden, sich zu ernähren und zu waschen – „Bett, Brot, Seife“ – (vgl. OVG NRW, B.v. 16.12.2019 – 11 A 228/15.A – juris Rn. 29 ff., 44 ff.; VGH BaWü, B.v. 27.5.2019 – A 4 S 1329/19 – juris Rn. 5). Der bloße Umstand, dass in dem Mitgliedstaat, in dem der neue Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist, die Sozialhilfeleistungen und/oder die Lebensverhältnisse günstiger sind als in dem bereits internationalen Schutz gewährenden Mitgliedstaat, kann nicht die Schlussfolgerung stützen, dass die betreffende Person im Fall ihrer Überstellung in den zuletzt genannten Mitgliedstaat tatsächlich der Gefahr ausgesetzt wäre, eine gegen Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung zu erfahren (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17 u. a. (Ibrahim) – juris Rn. 93 f., und vom 19.3.2019 – C-163/17 (Jawo) – juris Rn. 97). Ebenso ist das Fehlen familiärer Solidarität keine ausreichende Grundlage für die Feststellung einer Situation extremer materieller Not. Auch Mängel bei der Durchführung von Programmen zur Integration von Schutzberechtigten reichen für einen Verstoß gegen Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK nicht aus (vgl. EuGH, B.v. 13.11.2019 – C-540 und C-541/17 (Hamed) – juris Rn. 39, und U.v. 19.3.2019 -C-163/17 (Jawo) – juris Rn. 93 f. und 96 f). Der Verstoß muss schließlich unabhängig vom Willen des Betroffenen drohen. Hieran fehlt es, wenn der Betroffene nicht den Versuch unternimmt, sich unter Zuhilfenahme gegebener, wenn auch bescheidener Möglichkeiten und gegebenenfalls unter Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes eine Existenz im Abschiebezielstaat aufzubauen, wobei sich Schutzberechtigte auf den für Staatsangehörige des schutzgewährenden Staats vorhandenen Lebensstandard verweisen lassen müssen – sog. Grundsatz der Inländergleichbehandlung – (vgl. OVG NRW, B.v. 16.12.2019 – 11 A 228/15.A – juris Rn. 47 ff.; OVG Schl – H., U.v. 6.9.2019 – 4 LB 17/18 – juris Rn. 71, 174 f.).
4. Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs droht dem Kläger bei einer Rückkehr nach Bulgarien zur Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 S. 1 VwGO) nicht die ernsthafte Gefahr einer gegen Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK verstoßenden erniedrigenden Behandlung.
Dem Gericht liegen keine Erkenntnisse vor, die den Schluss rechtfertigen könnten, dass in Bulgarien für Dublin-Rückkehrer, die – wie der Antragsteller – keiner besonders schutzbedürftigen Personengruppe im Sinne von Art. 20 Abs. 3 der Qualifikationsrichtlinie angehören, generell systemische Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen bestehen (VG Düsseldorf, B.v. 31.1.2022 – 12 L 2724/21.A – juris Rn. 19 ff.; VG Aachen, Urteil vom 15. April 2021 – 8 K 2760/18.A -, juris, Rn. 43 ff.).
a) Es besteht kein Anlass für die Annahme, das Asylverfahren in Bulgarien leide an systemischen Mängeln. Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit. Dublin-Rückkehrer haben grundsätzlich Zugang zum Asylverfahren; ihr Asylverfahren wird nach der Überstellung regelmäßig eingeleitet bzw. wieder aufgenommen. Dabei wird je nach Verfahrensstand unterschieden: Eine Person, die in Bulgarien noch keinen Asylantrag gestellt hat, hat die Möglichkeit, einen Erstantrag zu stellen. Bei Dublin-Rückkehrern, die in Bulgarien bereits einen Asylantrag gestellt haben, der ohne inhaltliche Prüfung abgeschlossen wurde, wird das Verfahren automatisch wieder eröffnet. Wurde das Asylgesuch auf der Grundlage einer inhaltlichen Prüfung abgewiesen, besteht die Möglichkeit, erneut einen Asylantrag zu stellen. Dieser Antrag wird als Folgeantrag betrachtet und ist nur zulässig, wenn er neue Elemente enthält. Wird der Folgeantrag für zulässig erklärt, was in der Praxis selten der Fall ist, wird der Antrag im regulären Verfahren geprüft. Eine Prüfung im regulären Verfahren erfolgt auch dann, wenn die Entscheidung über die Zulässigkeit nicht innerhalb von 14 Tagen ergeht (vgl. Asylum Information Database (aida), Country Report Bulgaria, 2020 Update, Februar 2021, S. 33 f., abrufbar unter: https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2021/02/AIDA-BG_2020update.pdf; Österr. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Bulgarien, Gesamtaktualisierung vom 24. Juli 2020, S. 4 ff.; Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Sofia, Aktuelle Entwicklungen zur Rechtslage und Situation von Asylbewerbern und anerkannt Schutzberechtigten in Bulgarien, Mai 2020, S. 1 f.)
Die Aufnahmebedingungen für Dublin-Rückkehrer sind abhängig vom Verfahrensstand. Die Migrationsbehörde (SAR) informiert die Grenzpolizei über die voraussichtliche Ankunft und gibt an, ob der Rückkehrer in ein Asylaufnahmezentrum oder in ein Zentrum für die vorübergehende Unterbringung vor der Abschiebung (SCTAF) zu überstellen ist. Wer sich in einem laufenden Asylverfahren befindet, wird in ein Aufnahmezentrum der SAR gebracht. Eine Person, die noch keinen Asylantrag in Bulgarien gestellt hat, kann bei der Ankunft in ein Schubhaftzentrum gebracht werden. Nach Asylantragstellung wird sie jedoch in ein Zentrum der SAR überstellt. Auch Personen, deren Verfahren wiedereröffnet wurde, werden in ein Aufnahmezentrum gebracht. Personen, deren Asylantrag bereits inhaltlich geprüft und abgewiesen wurde, werden in einem geschlossenen Zentrum untergebracht. Während des anschließenden Zulässigkeitsverfahrens kommt es darauf an, ob der asylsuchenden Person die negative Erstentscheidung vor deren Ausreise aus Bulgarien zugestellt worden ist oder nicht. Ist Letzteres der Fall, wird sie einem Aufnahmezentrum zugewiesen. Wurde die Entscheidung der asylsuchenden Person allerdings vor deren Ausreise aus Bulgarien bereits zugestellt und nicht innerhalb der Frist angefochten, wird sie inhaftiert. Die Haft kann während des Zulässigkeitsverfahrens andauern. Auch wenn dies nicht der Fall ist, werden die Betroffenen jedoch keinem regulären Aufnahmezentrum zugewiesen und haben auch keinen Anspruch auf Verpflegung, Unterkunft oder Sozialhilfe (vgl. aida, Country Report Bulgaria, 2020 Update, Februar 2021, S. 54; Österr. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Bulgarien, Gesamtaktualisierung vom 24. Juli 2020, S. 8 ff.)
Auf Grundlage dieser Erkenntnisse ist davon auszugehen, dass der Antragsteller nach seiner Rückkehr nach Bulgarien als Dublin-Rückkehrer behandelt werden wird, die bereits einen Asylantrag gestellt hat, deren Asylverfahren aber noch nicht inhaltlich bestandskräftig negativ abgeschlossen ist. Er hat in Bulgarien einen Asylantrag gestellt. Es wurde nicht vorgetragen, dass der Ausländer dort schon einen Bescheid erhalten hat.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der Antragsteller nach seiner Überstellung nach Bulgarien dort inhaftiert werden wird. In rechtlicher Hinsicht existieren in Bulgarien drei verschiedene Formen der Inhaftierung von Asylsuchenden: Eine kurzzeitige Inhaftierung von bis zu 30 Tagen direkt nach dem Aufgriff, die sogenannte Asylhaft und die reguläre Abschiebehaft. Da der bereits nach ihrer Ankunft in Bulgarien registrierte Antragsteller dort nicht als Folgeantragstellerin behandelt und damit nicht in Abschiebehaft genommen werden dürfte, kommt für ihn nur die Asylhaft in Betracht. Zur Durchführung ihres Asylverfahrens inhaftiert waren im Jahr 2020 aber lediglich neun Personen. Haftgründe waren die Bestätigung der Identität oder Nationalität sowie der Schutz der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung (vgl. aida, Country Report Bulgaria, 2020 Update, Februar 2021, S. 65 ff.; Bordermonitoring.eu: Get Out! Zur Situation von Geflüchteten in Bulgarien, Juni 2020, S. 33 ff.; ebenso VG Aachen, Urteil vom 15. April 2021 – 8 K 2760/18.A -, juris, Rn. 271).
Der Antragsteller wird nach seiner Rückkehr nach Bulgarien – nach automatisch erfolgender Wiedereröffnung ihres Asylverfahrens – mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in einem Aufnahmezentrum der SAR untergebracht und versorgt werden können. Soweit dementgegen an zwei Stellen des aktuellen aida-Berichtes zu Bulgarien ausgeführt wird, dass Dublin-Rückkehrern der Zugang zu den Aufnahmeeinrichtungen verweigert werde (vgl. aida, Country Report Bulgaria, 2020 Update, Februar 2021, S. 55, 58) steht dies im Widerspruch zu Aussagen an anderen Stellen des Berichtes und der übrigen Erkenntnislage. Hiernach waren Dublin-Rückkehrer, für die das Verfahren fortgesetzt worden ist, auf Wunsch in der Regel in einer Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber untergebracht. Auch der UNHCR habe in letzter Zeit keine Fälle beobachtet, in denen Dubin-Rückkehrern der Zugang zu den Aufnahmezentren verweigert worden sei (vgl. aida, Country Report Bulgaria, 2020 Update, Februar 2021, S. 54; Österr. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Bulgarien, Gesamtaktualisierung vom 24. Juli 2020, S. 8).
Soweit einschränkend ergänzt wird, eine Zugangsverweigerung könne grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden, wenn die Zentren ihre volle Kapazität erreichten (vgl. Österr. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Bulgarien, Gesamtaktualisierung vom 24. Juli 2020, S. 8), ist dieser Fall zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt nicht gegeben. So waren Ende des Jahres 2020 von insgesamt 5.160 Unterbringungsplätzen lediglich 1.032 belegt (zu Letzterem aida, Country Report Bulgaria, 2020 Update, Februar 2021, S. 57).
Es bestehen mithin deutliche Überkapazitäten, sodass nach Bulgarien zurückkehrenden Asylbewerbern, deren Asylverfahren noch nicht bestandskräftig negativ inhaltlich abgeschlossen ist, aktuell nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Obdachlosigkeit droht (ebenso VG Aachen, Urteil vom 15. April 2021 – 8 K 2760/18.A -, juris, Rn. 253 ff.). Sollte einem Rückkehrer in einem Einzelfall trotz vorhandener Kapazitäten die Aufnahme in die Einrichtungen der SAR verweigert werden, kann dieser zudem binnen sieben Tagen um Rechtsschutz nachsuchen (vgl. Österr. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Bulgarien, Gesamtaktualisierung vom 24. Juli 2020, S. 16).
Die Länge des Aufenthaltes in den Aufnahmezentren ist von Gesetzes wegen nicht begrenzt, insbesondere können Asylbewerber auch während ihrer Gerichtsverfahren nach einer negativen Entscheidung durch die SAR in diesen verbleiben.
Asylbewerber haben während des Asylverfahrens einen gesetzlichen Anspruch auf materielle Versorgung. Mit Erhalt der Asylbewerberkarte, welche die Verfahrensidentität bestätigt, entstehen die Rechte auf Aufenthalt in Bulgarien, Unterbringung und Versorgung, Krankenversicherung, medizinische Versorgung und psychologische Versorgung sowie Bildung (vgl. Österr. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Bulgarien, Gesamtaktualisierung vom 24. Juli 2020, S. 14 ff.). Die Lebensbedingungen in den Aufnahmezentren der SAR sind überwiegend ärmlich, jedoch zumindest für nicht besonders schutzbedürftige Personen nicht menschenunwürdig. Es werden – wenn auch auf sehr einfachem Standard – die elementarsten Grundbedürfnisse („Bett, Brot, Seife“) gewährleistet (auch VG Aachen, Urteil vom 15. April 2021 – 8 K 2760/18.A -, juris, Rn. 253 ff.).
Bulgarien verfügt über Unterbringungszentren in S.. …, B.. … und P.. … sowie H.. … Die Asylbewerber werden dort mit Lebensmitteln – täglich drei Mahlzeiten – versorgt. Die Aufnahme- und Unterbringungsbedingungen, einschließlich der Verpflegung der Asylbewerber, sind nach wie vor inadäquat, obwohl die Zahl der nach Bulgarien einreisenden Personen deutlich zurückgegangen ist. Die Lebensbedingungen in den staatlichen Aufnahmezentren bis auf in V.. … und in der Sicherheitszone für unbegleitete Minderjährige in V.. … R.. … sind trotz der von der SAR regelmäßig durchgeführten Teilrenovierungen nach wie vor schlecht und liegen unter den Mindeststandards oder erfüllen diese knapp, vor allem in Bezug auf die sanitären Anlagen. Darüber hinaus beklagten sich die Bewohner aller Aufnahmezentren außer in V.. … über die insgesamt schlechten hygienischen Umstände. Asylbewerber können mit Erlaubnis auf eigene Kosten auch außerhalb eines Zentrums leben, verlieren dann aber das Recht auf Unterbringung und soziale Unterstützung (vgl. aida, Country Report Bulgaria, 2020 Update, Februar 2021, S. 57 ff.; Österr. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Bulgarien, Gesamtaktualisierung vom 24. Juli 2020, S. 15 ff.).
Asylbewerber in Bulgarien haben nach wie vor Zugang zu medizinischer Versorgung im selben Ausmaß wie bulgarische Staatsbürger. Dies gilt uneingeschränkt auch für solche Dublin-Rückkehrer, die Bulgarien seit 2019 verlassen haben. Die Leistung umfasst auch den Zugang zu psychologischer bzw. psychiatrischer Versorgung. Asylbewerber, die sich für eine Unterkunft außerhalb der Aufnahmezentren entscheiden oder denen keine Unterkunft gewährt wird, haben keinen Zugang zu psychologischer Unterstützung. Der Zugang zu medizinischer Grundversorgung ist ansonsten unabhängig vom Wohnort der Asylbewerber gewährleistet. Die SAR ist gesetzlich verpflichtet, für die Krankenversicherung der Asylbewerber zu sorgen. Medizinische Grundversorgung ist in den Unterbringungszentren gegeben, und zwar entweder durch eigenes medizinisches Personal oder Nutzung der Notaufnahmen lokaler Hospitäler. Alle Zentren verfügen über medizinische Behandlungsräume (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Bulgarien, Gesamtaktualisierung vom 24. Juli 2020, S. 17 f.; aida, Country Report Bulgaria, 2020 Update, Februar 2021, S. 61 f.).
Falls das Asylverfahren aus objektiven Umständen länger als drei Monate dauert, haben die Asylbewerber noch während des Asylverfahrens Zugang zum Arbeitsmarkt. Die dann auszustellende Arbeitserlaubnis ermöglicht den Zugang zu allen Arten von Beschäftigung und Sozialleistungen, einschließlich Unterstützung im Fall der Arbeitslosigkeit. Asylsuchende haben nach dem Gesetz auch Zugang zur Berufsausbildung. Im Jahr 2020 wurden 123 Arbeitserlaubnisse für Asylbewerber im laufenden Verfahren erteilt; 25 Personen haben danach eine Beschäftigung angenommen (vgl. aida, Country Report Bulgaria, 2020 Update, Februar 2021, S. 59 f.; Österr. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Bulgarien, Gesamtaktualisierung vom 24. Juli 2020, S. 15).
Wenngleich Bulgarien hinsichtlich der dargestellten Aufnahmebedingungen möglicherweise hinter den Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland zurückbleibt, rechtfertigt dies angesichts der oben dargelegten hohen Anforderungen noch nicht die Annahme systemischer Mängel. Der Antragsteller hat auch keine substantiierten Angaben gemacht, die zu einer anderen Bewertung der Bedingungen für Asylbewerber in Bulgarien führen könnten.
b) Das Gericht geht auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse und der zum Zeitpunkt der Entscheidung allgemein zugänglichen Informationen davon aus, dass dem Antragsteller auch für den Fall, dass sie in Bulgarien internationalen Schutz erhalten sollte, keine ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-Grundrechtecharta droht. Die Situation anerkannter Schutzberechtigter im zuständigen Mitgliedstaat ist auch bei sogenannten Dublin-Rückkehrern bereits in den Blick zu nehmen (vgl. EuGH, Urteil vom 19. März 2019 – C-163/17 -, juris, Rn. 76 ff.).
Die Lebensverhältnisse für nicht vulnerable international Schutzberechtigte in Bulgarien stellen sich nicht allgemein als unmenschlich oder erniedrigend im Sinne von Art. 4 EU-Grundrechtecharta bzw. Art. 3 EMRK dar. Das Gericht folgt insoweit der obergerichtlichen Rechtsprechung, insbesondere des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 16. Dezember 2019 – 11 A 228/15.A -, juris, Rn. 33 ff., und vom 14. Januar 2020 – 11 A 2553/15.A -, juris, Rn. 10 ff.; aktuell Nds. OVG, Urteil vom 7. Dezember 2021 – 10 LB 257/20 -, juris, Rn. 23 ff.; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20. Oktober 2020 – 7 A 10889/18 -, Rn. 28 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. September 2020 – OVG 3 B 33.19 -, juris, Rn. 33 ff.; Sächs. OVG, Urteil vom 15. Juni 2020 – 5 A 382/18 -, Rn. 31 ff.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. April 2020 – A 4 S 721/20 -, juris, Rn. 3 ff. (für eine Familie); OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 25. Juli 2019 – 4 LB 12/17 -, juris, Rn. 69 ff.; a.A. für vulnerable Schutzberechtigte OVG NRW, Urteil vom 29. Dezember 2020 – 11 A 1602/17.A -, juris, Rn. 27 ff., und Beschluss vom 5. Mai 2020 – 11 A 35/17.A -, juris, Rn. 28 ff.).
Danach lässt sich ein vom Willen eines arbeitsfähigen und gesunden Schutzberechtigten unabhängiger „Automatismus der Verelendung“ in Bulgarien nicht feststellen. Zwar muss der jeweilige Schutzberechtigte grundsätzlich in der Lage sein, sich den – unbestreitbar schwierigen – Bedingungen zu stellen und durch eine hohe Eigeninitiative selbst für seine Unterbringung und seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Dies ist nicht vulnerablen international Schutzberechtigten in der Situation der Antragstellerin in Bulgarien aber möglich. Gelingt es nicht sogleich bzw. vollständig, können sie – wenn auch eingeschränkt – auf staatliche Leistungen oder die Unterstützung caritativer Organisationen zurückgreifen.
Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen sind nicht vulnerable international Schutzberechtigte in Bulgarien insbesondere nicht der erheblichen Gefahr der Obdachlosigkeit ausgesetzt. Die für die dauerhafte Erlangung einer menschenwürdigen Unterkunft maßgebliche individuelle Fähigkeit des jeweiligen anerkannt Schutzberechtigten, seine Lebenshaltungskosten selbst zu bestreiten, ist nach der Erkenntnislage für alleinstehende, gesunde und arbeitsfähige international Schutzberechtigte gegeben. Da die Antragstellerin dieser Personengruppe angehört, geht das Gericht davon aus, dass es ihr nach einer eventuellen Zuerkennung internationalen Schutzes mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gelingen wird, durch eigene Erwerbstätigkeit ein Einkommen zu erwirtschaften, das zur Deckung ihrer eigenen Lebenshaltungskosten einschließlich der Kosten einer Unterkunft auf dem erforderlichen Mindestniveau ausreicht.
Anerkannt Schutzberechtigte haben das Recht auf einen automatischen und bedingungslosen Zugang zum bulgarischen Arbeitsmarkt; sie sind diesbezüglich rechtlich den Inländern gleichgestellt. Die Arbeitssuche wird anerkannt Schutzberechtigten zwar durch die üblichen Probleme wie fehlende Kenntnisse der bulgarischen Sprache und die nur teilweise Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen erschwert. Die Vermittlung von Kontakten zwischen anerkannten Schutzberechtigten und Arbeitgebern wird aber durch die in Bulgarien präsenten Nichtregierungsorganisationen unterstützt. Der UNHCR stellt ein großes Interesse des Privatsektors an der Beschäftigung von Asylsuchenden und Flüchtlingen fest. Im Jahr 2019 konnten der UNHCR und seine Partner Kontakte mit ca. 60 Unternehmen aus den Bereichen verarbeitende Industrie, Bau, Gastgewerbe, Informationstechnologie und Telekommunikation herstellen, die Interesse an einer Beschäftigung von Flüchtlingen bekundeten. Gemeinsam mit der staatlichen Arbeits- und Flüchtlingsagentur und den Nichtregierungsorganisationen organisierte der UNHCR 2019 zweimal Jobbörsen für diese Zielgruppe. Nach Angaben des UNHCR unterzeichneten 2019 178 Schutzberechtigte einen neuen Arbeitsvertrag. Insgesamt hat die nationale Einnahmeagentur, die Arbeitsverträge von international Schutzberechtigten registriert, im Jahr 2019 305 Arbeitsverträge von international Schutzberechtigten verzeichnet, 2018 waren es 278 Arbeitsverträge, 2017 wurden 315 anerkannt Schutzberechtigte durch ihren Arbeitgeber versichert. Die Mehrheit der arbeitenden anerkannten Schutzberechtigten ist dabei bei Arbeitgebern gleicher Herkunft beschäftigt, die sich in Bulgarien ein Geschäft aufgebaut haben. Nach Auskunft des UNHCR gingen jedoch einige Arbeitgeber auch gezielt auf die staatliche Flüchtlingsagentur und Nichtregierungsorganisationen zu, um anerkannte Flüchtlinge einzustellen. Andere Flüchtlinge finden einen Arbeitsplatz mit Hilfe der Nichtregierungsorganisationen, Online-Arbeitsvermittlungen und Mund-zu-Mund-Propaganda. Einige Flüchtlinge sind informell ohne Arbeitsvertrag im Graubereich der Wirtschaft beschäftigt (vgl. aida, Country Report Bulgaria, 2020 Update, Februar 2021, S. 59 f., 87; Österr. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Bulgarien, Gesamtaktualisierung vom 24. Juli 2020, S. 21; Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Potsdam vom 11. März 2021 – 508-516.80/54796, S. 5 f.; Auswärtiges Amt, Auskunft an das OVG Hamburg vom 7. April 2021 – 508-516.80/54748, S. 4.).
c) Zwar war Bulgarien – wie zahlreiche andere europäische Staaten – mehrfach von der Corona-Pandemie stark betroffen. Die pandemiebedingten Einschränkungen haben jedoch nicht zu einem dauerhaften Einbrechen der bulgarischen Wirtschaft geführt. So wird für 2022 ein Wiederanstieg des Bruttoinlandsprodukts auf den Wert vor Ausbruch der Pandemie prognostiziert. Zudem hat die Europäische Kommission angekündigt, die Bereitstellung von 15,35 Millionen Euro zur Unterstützung bulgarischer Tourismusunternehmen zu genehmigen. Diese Maßnahme wird auf der Grundlage der Regelungen über befristete EU-Beihilfen getroffen, die seit Beginn der Corona-Pandemie gelockert wurden. Diese Fördermittel sollen unentgeltlich an Unternehmen vergeben werden, die im Jahr 2020 einen Umsatzrückgang von mindestens 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr gemeldet haben. Auch wenn aktuell bis zum 31. März 2022 in Bulgarien noch der epidemiologische Ausnahmezustand gilt, sind öffentliche Gebäude, Geschäfte, Apotheken, Restaurants, Bars, Diskotheken und Klubs nicht generell geschlossen, sondern die Öffnungszeiten und Zutrittsbedingungen werden in Abhängigkeit von dem aktuellen Infektionsgeschehen kurzfristig angepasst. Beschäftigungsmöglichkeiten – auch – für anerkannt Schutzberechtigte gibt es daher nach wie vor auch in diesen Bereichen. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass eine Beschäftigung für anerkannt Schutzberechtigte auch außerhalb des Dienstleistungssektors und der Gastronomiebranche in nahezu vergleichbarem Umfang wie vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie beispielsweise bei Nichtregierungsorganisationen, auf Märkten, in der Landwirtschaft, in größeren Unternehmen sowie in Callcentern für die arabische Sprache und in der herstellenden Industrie möglich ist. Denn insgesamt stellt sich der bulgarische Arbeitsmarkt bislang trotz der pandemiebedingten Einschränkungen als offenbar verhältnismäßig stabil dar. Für die Jahre 2022 und 2023 wird ein Sinken der Arbeitslosenquote erwartet, die nach einer zwischenzeitlichen Stagnation auf einem Wert von 5,1% in den Jahren 2020 und 2021 wieder auf 4,6% (2022) bzw. 4,4% (2023) zurückgehen soll und damit niedriger liegt als in dem von den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht betroffenen Jahr 2018 (5,2%). Die Beschäftigung nimmt hiernach im gleichen Zeitraum nach einem Abfall um 2,3% im Jahr 2020 und einer Stagnation im Jahr 2021 in den Jahren 2022 und 2023 wieder um 0,9% und 0,6% zu (vgl. Europäische Kommission, European Economic Forecast, Institutional Paper 160, Autumn 2021, November 2021, S. 106 f., abrufbar unter: https://ec.europa.eu/info/sites/default/files/ economy-finance /ip160_en_0. pdf; Informationen auf der Website des Auswärtigen Amtes, Bulgarien: Reise- und Sicherheitshinweise (COVID-19-bedingte Reisewarnung), abrufbar unter: https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/Bulgariennode/Bulgariensicherheit/211834; Radio Bulgaria, „Brüssel billigt Finanzhilfe für bulgarischen Tourismus“, 8. November 2021, abrufbar unter: https://bnr.bg/de/post/101553500/brussel-billigt-finanzhilfe-fur-bulgarischen-tourimus; ebenso Nds, OVG, Urteil vom 7. Dezember 2021 – 10 LB 257/20 -, juris, Rn. 32 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. September 2020 – OVG 3 B 33.19 -, juris, Rn. 34 ff., jeweils m.w.N.).
Konkrete Erkenntnisse, wonach es nicht vulnerablen, gesunden und arbeitsfähigen anerkannten Schutzberechtigten unter den gegenwärtigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Bulgarien nicht möglich wäre, ihren Lebensunterhalt perspektivisch selbst zu erwirtschaften, bestehen daher nicht. Auch sonst sind keine neueren Erkenntnismittel bekannt, aus denen sich ergibt, dass gesunde und arbeitsfähige anerkannte Schutzberechtigte in Bulgarien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu verelenden drohen (vgl. hierzu insgesamt: VG Düsseldorf, B.v. 12 L 2724/21.A – juris Rn.90 ff.).
d) Eine medizinische Notfallversorgung ist für alle auf dem Gebiet Bulgariens befindlichen Personen beitragsfrei zugänglich. Anerkannte Schutzberechtigte haben zudem – ebenso wie bulgarische Staatsangehörige – die Möglichkeit, Mitglied der gesetzlichen Krankenkasse zu werden. Die monatlichen Kosten für den günstigsten Versicherungstarif betragen 44,80 Lewa/22,90 EUR, in regulären Arbeitsverhältnissen werden diese Kosten hälftig vom Arbeitgeber übernommen. Die medizinische Grundversorgung für anerkannt Schutzberechtigte ist von der Corona-Pandemie nicht betroffen und diese können weiterhin ordnungsgemäß medizinische Hilfe bekommen. Dennoch ist bei Hausärzten, Spezialisten und in Krankenhäusern regelmäßig mit offiziellen und inoffiziellen so genannten „out of pocket“-Zahlungen zu rechnen, die aus eigener Tasche zu zahlen sind. Auch kann es zu der Situation kommen, dass die Hausärzte, die monatliche Quoten für die Überweisungen von Patienten an Spezialisten zu beachten haben, die Quoten vor Ende des Monats erfüllt haben und die verbleibenden Patienten entweder warten müssen oder ohne Überweisung direkt den Spezialisten aufsuchen und die dortige Behandlung aus eigener Tasche bezahlen müssen. Dies führt zu der Praxis, dass etwa ein Drittel aller Patienten, einschließlich der Unversicherten, im Krankheitsfall unter Umgehung des Hausarztes einen Krankenwagen rufen oder sich direkt in die Notaufnahme eines Krankenhauses begeben. Darüber hinaus sind anerkannt Schutzberechtigte – ebenso wie bulgarische Staatsangehörige – mit den sich aus dem problematischen Zustand des nationalen Gesundheitssystems ergebenden Problemen konfrontiert. Diese können dazu führen, dass eine adäquate Behandlung für Folteropfer und Personen mit psychischen Problemen nicht zur Verfügung steht. Auf Grund der gewährleisteten Notfallversorgung kann jedoch für anerkannt Schutzberechtigte ein auf einer Erkrankung beruhendes ernsthaftes Risiko extremer Not nicht angenommen werden (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 7. Dezember 2021 – 10 LB 257/20 -, juris, Rn. 37, unter Berufung auf Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Potsdam vom 11. März 2021 – 508-516.80/54796, S. 6; aida, Country Report Bulgaria, 2020 Update, Februar 2021, S. 61 f., 88; Österr. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Bulgarien – Situation von subsidiär Schutzberechtigten, 19. Juli 2021, S. 11 ff.).
Nach allem mögen auch die Aufnahmebedingungen für international Schutzberechtigte in Bulgarien im Vergleich zu anderen EU-Mitgliedstaaten (deutlich) schlechter sein. Dies ist aber nicht Ausdruck von Gleichgültigkeit des bulgarischen Staates gegenüber diesem Personenkreis, sondern Folge eines deutlich niedrigeren Lebensstandards.
e) Die vom Antragsteller vorgelegten Artikel der Rosa-Luxemburg-Stiftung vom Mai 2019 und von Pro Asyl vom 10. November 2017 stellen nicht den aktuellen Stand dar und sind veraltet. Aus diesen Veröffentlichungen können keine Schlüsse auf systemische Mängel des bulgarischen Asylsystems gezogen werden. Soweit eine Veröffentlichung vom 12. Oktober 2021 ohne Verfasser („Bulgarien ist kein sicherer Drittstaat“) vorgelegt wird, befasst sich dieser Artikel ausschließlich mit der Situation von Kindern.
5. Individuelle, in der Person des Antragstellers liegende besondere Gründe, die im Falle ihrer Rückkehr nach Bulgarien als Asylbewerber oder der Zuerkennung internationalen Schutzes hinsichtlich der dann zu erwartenden Lebensverhältnisse auf eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verletzung von Art. 4 EU-Grundrechtecharta bzw. Art. 3 EMRK schließen lassen, liegen ebenfalls nicht vor.
a) Beim Antragsteller handelt es sich um einen alleinstehenden und gesunden sowie arbeitsfähigen jungen Mann. Da er als Rückkehrer im Sinne des Art. 18 Abs. 1 Buchstabe b) Dublin III-Verordnung als Erstantragsteller behandelt werden wird, stehen ihm nach seiner Überstellung die an Asylantragsteller gewährten Leistungen des bulgarischen Staates offen. Zudem wird er für einen Zeitraum von jedenfalls sechs Monaten nach einer eventuellen Anerkennung staatlicherseits untergebracht werden können, sodass er das von ihm grundsätzlich geforderte hohe Maß an Eigeninitiative für die Erwirtschaftung seines eigenen Lebensunterhaltes nicht unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Bulgarien entfalten müssen wird.
b) Soweit der Antragsteller in seinem Klage- und Antragsschriftsatz ausführt, er habe sich zwei Jahre in Bulgarien in Haft befunden, wobei die dortige Unterbringung menschenunwürdig gewesen sei und er danach auf der Straße gelebt habe, steht das in krassem Widerspruch zu dessen wiederholten Angaben im Asylverfahren, er habe sich etwa einen Monat in Bulgarien aufgehalten (Formblatt Niederschrift vom …2.2022, S. 3), bzw. vier Wochen in einem geschlossenen Camp in Bulgarien aufgehalten (Niederschrift über die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags am …2.2022, S. 2). In dem Formblatt vom … Februar 2022 hat der Antragsteller auch angegeben, Afghanistan erst am … August 2021 verlassen zu haben. Das hat er auch bei der Anhörung zu seinen Asylgründen am … Februar 2022 (Niederschrift S. 2) wiederholt. Die im Schriftsatz vom … März 2022 enthaltenen anderslautenden Angaben sind daher als sogenanntes „gesteigertes Vorbringen“ als unwahr und offensichtlich erfunden einzustufen.
Der Antragsteller hat sich auch in der Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags am …2.2022 ausdrücklich als gesund bezeichnet, die Verletzungen von Minensplittern seien mittlerweile verheilt (Niederschrift S. 3). Die Angabe von körperlichen wie psychischen Problemen im Klage- und Antragsschriftsatz vom … März 2022 stellt sich daher ebenfalls als „gesteigertes Vorbringen“ dar. Es sind auch keine entsprechenden ärztlichen Behandlungen angegeben, ebenso fehlen jegliche qualifizierte ärztliche Bescheinigungen zu den angeblich bestehenden gesundheitlichen Problemen in der Form des § 60a Abs. 2 c Sätze 2 und 3 AufenthG.
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).