Europarecht

Eilantrag, CBD-Hanföl für Kamele ohne THC, Veröffentlichung von lebensmittelrechtlichen Verstößen im Internet, nicht zugelassener oder verbotener Stoff, Novel-Food-Verordnung, neuartiges Lebensmittel, Veröffentlichung nicht unverhältnismäßig, Gesundheitsgefahr bzw. -risiko nicht Voraussetzung

Aktenzeichen  W 8 E 21.1399

Datum:
16.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 37312
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
LFGB § 40 Abs. 1a Nr. 2
Art. 6 Abs. 2 VO – EU – Nr. 2015/2283
Art. 2 VO – EG – Nr. 178/2002

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des Eilrechtsschutzes gegen die vom Antragsgegner (vertreten durch das Landratsamt Würzburg) beabsichtigte Veröffentlichung einer Beanstandung in Bezug auf das von der Antragstellerin vertriebene Produkt „CBD Hanföl für Kamele ohne THC“ als nicht zugelassener oder verbotener Stoff.
1. Im Rahmen einer betriebsrisikoorientierten Planprobe wurde am 2. Juni 2021 durch die Lebensmittelüberwachung des Landratsamtes Würzburg das Produkt „CBD Hanföl für Kamele ohne THC“ entnommen. Nach dem Befund/Gutachten des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) vom 6. September 2021 Cannabidiol (CBD) werde das vorliegende Produkt mit einer Aufmachung in den Verkehr gebracht und in einer Art und Weise vermarktet, dass nach vernünftigem Ermessen erwartet werden könne, dass die vorliegende Probe mit einer Dosierung von 3 x 1 Tropfen täglich von Menschen aufgenommen werde. Demzufolge sei das Produkt als Lebensmittel im Sinne des Art. 2 der VO (EG) 178/2002 bzw. des § 2 Abs. 2 LFGB zu beurteilen. Aufgrund des Nachweises von hohen Cannabinoidgehalten sei davon auszugehen, dass es sich bei der vorliegenden Probe um einen cannabinoidreichen Extrakt aus der Hanfpflanze handele, der mit einem im Rahmen der durchgeführten Untersuchungen nicht näher bestimmten Trägeröl verdünnt worden sei. Dafür spreche auch die werbliche Angabe auf der Verpackung „Beste Qualität und Reinheit wird garantiert durch die Produktionsweise mit überkritischem CO₂“, da überkritisches Kohlendioxid ein für derartige Hanfextrakte übliches Extraktionslösungsmittel darstelle. In den durchgeführten Untersuchungen sei in der vorliegenden Probe 70,3 g/kg CBD (= 7,0%) nachgewiesen worden. Bei CBD bzw. Cannabidiol handele es sich um ein Cannabinoid, das natürlicherweise in der Hanfpflanze vorkomme, aber auch synthetisch hergestellt werden könne. Die verwendete Untersuchungsmethode sei nicht zur abschließenden Differenzierung geeignet, ob das nachgewiesene CBD aus der Hanfpflanze stamme oder es sich um einen synthetisch hergestellten Stoff handele. Anhand der Analyseergebnisse sei allerdings davon auszugehen, dass das vorliegende Produkt einen hochgradig aufgereinigten Extrakt aus der Hanfpflanze enthalte, der praktisch ausschließlich aus CBD bestehe. Nach derzeitigem Kenntnisstand handle es sich bei CBDreichen Extrakten aus der Hanfpflanze um neuartige Lebensmittel im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a Nr. iv der Verordnung (EU) Nr. 2015/2283. Sollte entgegen vorgenannter Ausführungen synthetisches Cannabidiol zugesetzt worden sein, würde es sich hierbei ebenfalls um ein neuartiges Lebensmittel handeln, jedoch im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a Nr. i der Verordnung (EU) Nr. 2015/2283. Folglich werde für die Verwendung als Lebensmittel bzw. Lebensmittelzutat eine Zulassung gemäß der Verordnung (EU) Nr. 2015/2283 benötigt. Derzeit ließen sich für CBD in der Unionsliste für zugelassene neuartige Lebensmittel gemäß Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 2015/2283 i.V.m. Art. 8 der Verordnung (EU) Nr. 2015/2283 keine entsprechenden Einträge finden. Zusammenfassend sei davon auszugehen, dass die Probe unter Mitverarbeitung eines neuartigen Lebensmittels bzw. einer neuartigen Lebensmittelzutat im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a Nr. iv bzw. Nr. i der Verordnung (EU) Nr. 2015/2283 hergestellt worden sei, welches bzw. welche Art. 6 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 2015/2283 nicht entspreche.
Mit Schreiben vom 22. September 2021 an das Landratsamt ließ die Antragstellerin unter näherer Begründung vorbringen, dass es sich bei dem Produkt „CBD Hanföl für Kamele ohne THC“ nicht um ein neuartiges Lebensmittel handle. Zudem sei die beabsichtigte Formulierung „nicht zugelassener oder verbotener Stoff“ unspezifisch und völlig unbestimmt. Im Rahmen des § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 LFGB seien auch Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte zwingend von der Behörde zu berücksichtigen. Nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft und der aktuellen Rechtsprechung des EuGH sei ein Gesundheitsrisiko für CBD nicht ersichtlich. Im Ergebnis bestehe hier das Risiko, dass eine falsche Veröffentlichung nicht nur die Öffentlichkeit falsch informiere, sondern auch zu einer erheblichen wirtschaftlichen Schädigung der Antragstellerin führe. Vor diesem Hintergrund sei die beabsichtigte Veröffentlichung rechtswidrig.
Mit Schreiben vom 19. Oktober 2021 teilte das Landratsamt Würzburg unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des LGL vom 23. September 2021 mit, dass eine Veröffentlichung der Informationen gemäß § 40 Abs. 1a LFGB erforderlich sei. Das streitgegenständliche Produkt sei als neuartiges Lebensmittel einzustufen. Die Bezeichnung des Verstoßes mit „Nicht zugelassener oder verbotener Stoff“ entspreche exakt dem Gesetzeswortlaut in § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 LFGB. Ein Gesundheitsrisiko sei durch das LGL in seinem Gutachten vom 6. September 2021 nicht thematisiert worden und auch nicht Voraussetzung für eine Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 LFGB. Bezüglich der Veröffentlichung gebe es auch keinen Ermessensspielraum der Behörde. Beim Vorliegen der Tatbestandsmerkmale sei eine Veröffentlichung unverzüglich durchzuführen. Da der Anordnung bezüglich der Wiederverkäufer (zweiter Anhörungspunkt der Anhörung vom 8.9.2021, Az.: FB62-5142.01.03-A1672021) bisher nicht nachgekommen worden sei, bzw. die geforderten Unterlagen nicht vorgelegt worden seien, sei im Feld,,Anmerkungen/Unternehmerische Maßnahmen“ derzeit noch keine Eintragung möglich. Es könne derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass das Produkt weiter in den Verkehr gelange. Die Eintragung werde zu gegebener Zeit ergänzt. Eine Erheblichkeit, wie bei einer Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB gefordert, sei im Fall der Veröffentlichung nach Nr. 2 kein Tatbestandsmerkmal. Das streitgegenständliche Produkt weise das Mindesthaltbarkeitsdatum 06.05.2023 auf. Somit sei davon auszugehen, dass weiterhin ein öffentliches Interesse an der Veröffentlichung bestehe, da aufgrund der langen Lagerungsfähigkeit davon ausgegangen werden könne, dass die Verbraucher das Produkt noch nicht aufgebraucht oder aufgrund Verderb entsorgt hätten.
Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 26. Oktober 2021 – W 8 S 21.1303 – wurde der Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen einen Bescheid des Antragsgegners (vertreten durch das Landratsamt Würzburg), mit dem bezogen auf das streitgegenständliche Produkt „CBD-Hanföl für Kamele ohne THC“ die Information der Wiederverkäufer über die Untersagung des Inverkehrbringens des Produktes, die Vorlage eines Nachweises darüber, einer Liste aller mit dem Produkt belieferten Wiederverkäufer mit vollständiger Anschrift und einer Übersicht über den aktuellen Warenbestand angeordnet wird, abgelehnt. Über die betreffende Klage W 8 K 21.1302 ist noch nicht entschieden.
2. Am 27. Oktober 2021 ließ die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten beantragen,
Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, gemäß § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB vorliegende Informationen zu veröffentlichen:
Verantwortliche Behörde
Landratsamt Würzburg
Datum
Einstelldatum:
(Datum der Veröffentlichung)
Probe genommen am:
02.06.2021
Lebensmittelunternehmen
Name …
Strasse Hausnummer …
PLZ Ort …
Kategorie Lebensmitteleinzelhandel
Betroffenes Lebensmittel
Verstoß Nicht zugelassener oder verbotener Stoff
Produkt:
CBD Hanföl für Kamele ohne THC
Los-/Chargennummer:
vh 060521
MHD:
06.05.2023
Stoff:
Cannabidiol (CBD)
Grenzwert:
Analyseergebnis: 70,3 g/kg
Anmerkungen/unternehmerische Maßnahmen
Zur Antragsbegründung ließ die Antragstellerin im Wesentlichen ausführen: Die Antragstellerin habe sich auf den Vertrieb von Gesundheitsprodukten, u.a. Nahrungsergänzungsmittel spezialisiert. In diesem Zusammenhang vertreibe die Antragstellerin auch das Nahrungsergänzungsmittel „CBD Hanföl für Kamele ohne THC“. Der Erlass der einstweiligen Anordnung sei geboten, da eine kurzfristige Veröffentlichung angekündigt sei. Es sei ihr nicht zuzumuten, dass ohne Klärung der sachlichen und rechtlichen Berichtigung der Veröffentlichung ihr Name öffentlich diskreditiert werde. Damit würde ihr Ruf in nicht reparabler Weise verletzt mit nicht überschaubaren wirtschaftlichen Konsequenzen. Nach vernünftigem Ermessen könne nicht erwartet werden, dass ein Mensch ein Produkt oral verzehre, wenn dies „für Kamele“ bestimmt sei. Soweit in diesem Zusammenhang auf Youtube-Videos Bezug genommen werde, sei festzustellen, dass nach der einschlägigen Rechtsprechung auf den aufmerksamen, verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen sei und nicht auf Verbraucher mit einer entsprechenden Vorprägung. Soweit das Bayerische Landesamt in Bezug auf die Einstufung des streitgegenständlichen Produkts als neuartiges Lebensmittel darauf verweise, dass es nicht auf den Ausgangsstoff und das verwendete Verfahren, sondern auf das daraus erzeugte und zu beurteilende Produkt ankomme, widerspreche dies dem Wortlaut des Gesetzgebers. Hierzu werde auf die Verordnung (EU) Nr. 2015/2283, Erwägungsgrund 17, verwiesen. Falsch sei auch die Behauptung, dass sich aus dem Gutachten der CIS Clinical Investigation Support Pharmaforschung GmbH lediglich eine Verwendung von Lebensmittelaromen ableiten lasse. Sowohl der EuGH als auch die WHO gingen aktuell von keinen Gesundheitsrisiken für CBD aus. Die Rechtsprechung lege strenge Maßstäbe an und lasse bloße Spekulationen für die Annahme von Gesundheitsrisiken nicht ausreichen. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21. März 2018 – 1 BvF 1/13 – zeige, dass die beabsichtigte Veröffentlichung Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten gerecht werden müsse und insbesondere bei bloßen, für Gesundheitsgefahren irrelevanten Kennzeichnungsvorschriften ein strengeres Maß angelegt werden müsse, als bei Veröffentlichungen, die dem Schutz vor Gesundheitsgefahren dienten. Auch die sog. Erheblichkeitsschwelle sei nicht überschritten, da es sich offensichtlich nicht um einen Verstoß mit besonders nachteiligen Folgen für den einzelnen Verbraucher handle. Dies gelte erst recht vor dem Hintergrund, dass das Produkt nicht mehr über den Onlineshop der Antragstellerin bestellbar sei. Die geplante Veröffentlichung wäre demnach unverhältnismäßig. Außerdem sei bei der Abwägung im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen, dass Gesundheitsgefahren hier unstreitig nicht bestünden. Eine Veröffentlichung könnte zu einem erheblichen Verlust des Ansehens des Unternehmens und Umsatzeinbußen bis hin zur Existenzvernichtung reichen, wie das Bundesverfassungsgericht bestätige. Außerdem dürfe nicht über jede, sondern nur über erhebliche Abweichungen berichtet werden. Vorliegend sei ein Gesundheitsrisiko im Hinblick auf die angeblich festgestellten Mängel nicht ersichtlich. Dies sei zu berücksichtigen.
Das Landratsamt Würzburg beantragte für den Antragsgegner mit Schriftsatz vom 9. November 2021:
Der Antrag wird abgewiesen.
Zur Begründung der Antragserwiderung ist im Wesentlichen ausgeführt: Es werde auf die Ausführungen des LGL in der Stellungnahme vom 4. November 2021 verwiesen, denen sich das Landratsamt vollumfänglich anschließe. Das LGL führt in seiner Stellungnahme an das Landratsamt Würzburg vom 4. November 2021 zum Schriftsatz des Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 27. Oktober 2021 aus, es erschließe sich nicht, inwiefern die Äußerungen des Geschäftsführers auf YouTube nicht von Relevanz wären. Schließlich sei das Video bereits über 28.000 Mal abgerufen (Stand: 2.11.2021) worden, sodass es keineswegs nur von „wenigen“ Verbrauchern wahrgenommen worden sei. Sofern durch die anwaltliche Vertretung der Antragstellerin weiter unter Verweis auf den Erwägungsgrund 17 der Novel-Food-Verordnung sowie auf das erneut vorgebrachte Gutachten der CIS Clinical Investigation Support Pharmaforschung GmbH vorgetragen werde, dass das streitgegenständliche Produkt „CBD Hanföl für Kamele ohne THC“ nicht unter Verwendung eines nicht zugelassenen neuartigen Lebensmittels hergestellt worden sei, könne dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Auch die zitierten Ausführungen im Gutachten der CIS Clinical Investigation Support Pharmaforschung GmbH führten zu keinem anderen Schluss. Ohne dass es im vorliegenden Fall darauf also ankomme, sei dennoch erwähnt, dass CBD, wie bereits im vorangegangenen Schreiben unter Verweis auf das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) dargelegt, aus gesundheitlicher Sicht zumindest nicht unbedenklich sei. Darüber hinaus bringt das Landratsamt Würzburg vor, das Produkt entspreche nicht den rechtlichen Vorgaben. Die Veröffentlichung erfolge vorliegend auf Grundlage des § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 LFBG, dessen Voraussetzung sei, dass ein nicht zugelassener (oder verbotener) Stoff in dem Lebensmittel vorhanden ist. Auf eine Gesundheitsgefahr komme es dabei nicht an. Auch eine Erheblichkeit, wie bei einer Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a Satz Nr. 3 LFGB gefordert, sei im Fall der Veröffentlichung nach Nr. 2 kein Tatbestandsmerkmal. Da ein Produkt in den Verkehr gebracht worden sei, das überhaupt nicht zugelassen sei, sei die darin enthaltene Erheblichkeitsschwelle sowieso überschritten. Ebenso hindere es die Veröffentlichung nicht, dass das Produkt aktuell nicht im Onlineshop der Antragstellerin bestellbar sei. Ob der Verstoß behoben worden sei, habe bisher noch nicht abschließend geklärt werden können. Es sei bisher nicht bekannt, ob die Wiederverkäufer informiert worden seien, wie mit Anordnungsbescheid vom 29. September 2021 angeordnet. Das YouTube-Video vom 30. Mai 2021, in welchem das Produkt vorgestellt werde, sei auch weiterhin aufrufbar. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Produkt weiter in den Verkehr gebracht werde. Die Veröffentlichung werde um den Zeitpunkt der Behebung ergänzt, sobald sichergestellt sei, dass das Produkt tatsächlich nicht mehr in den Verkehr gelange. Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin bisher keine Maßnahmen getroffen habe, z.B. um künftige Verstöße zu vermeiden. Im Gegenteil, sämtliche durch das LGL mit Gutachten vom 6. September 2021 festgestellten lebensmittelrechtlichen Beanstandungen seien bestritten und diesbezügliche Maßnahmen konkludent abgelehnt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Verfahren W 8 K 21.1302 und W 8 S 21.1303) und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gefahren zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Dies ist dann der Fall, wenn aufgrund einer im Verfahren des Eilrechtsschutzes vorzunehmenden summarischen Prüfung ein Anordnungsgrund, also ein Grund für die erhöhte Eilbedürftigkeit der Entscheidung besteht und eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen eines Anordnungsanspruchs glaubhaft gemacht wird (vgl. § 920 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 123 Abs. 3 VwGO).
Die begehrte einstweilige Anordnung würde zudem – jedenfalls teil- bzw. zeitweise – die Hauptsache vorwegnehmen. Eine solche eingeschränkte Vorwegnahme der Hauptsache ist im Hinblick auf den Charakter des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 123 Abs. 1 VwGO nur dann zulässig, wenn eine bestimmte Regelung zur Wahrung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h. wenn sonst die zu erwartenden Nachteile unzumutbar wären und eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen in der Hauptsache besteht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 27. Aufl. 2021, Rn. 13 und 14).
Letztgenannte Voraussetzung ist nicht erfüllt, da die Antragstellerin in der Hauptsache nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand des Gerichts voraussichtlich nicht obsiegen wird.
Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Denn es liegt auf der Hand, dass die geplante Veröffentlichung im Internet für die Antragstellerin ganz erhebliche negative Konsequenzen haben kann, die auch bei einem späteren Obsiegen in der Hauptsache nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten. Das Verwaltungshandeln durch amtliche Informationen ist irreversibel. Bei Fehlinformationen ändern daran auch spätere Gegendarstellungen, Richtigstellungen oder sonstige Korrekturen nichts, da die faktischen Wirkungen von Informationen regelmäßig nicht mehr eingefangen und umfassend beseitigt werden können. Eine Verbraucherinformation zu angeblichen Rechtsverstößen eines Unternehmens kann für dieses existenzgefährdend oder sogar existenzvernichtend sein. Der Antragstellerin kann nicht zugemutet werden, die Bekanntgabe des Kontrollergebnisses im Internet bis zu einer Klärung der streitigen Rechtsfragen im Hauptsacheverfahren hinzunehmen (vgl. VGH BW, B.v. 28.11.2019 – 9 S 2662/19 – juris; B.v. 21.5.2019 – 9 S 584/19 – LMuR 2019, 170; HessVGH, B.v. 8.2.2019 – 8 B 2575/18 – ZLR 2019, 281). Der Antragsgegner hat die unmittelbar beabsichtigte Veröffentlichung angekündigt und ausdrücklich bestätigt.
Die Antragstellerin hat jedoch einen Anordnungsanspruch, den materiell-rechtlichen Anspruch auf die begehrte Leistung, nicht glaubhaft gemacht. Es ist im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner Informationen zu dem streitgegenständlichen Produkt und dessen Beanstandung auf die Internetseiten des LGL einstellen will. Der geltend gemachte öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch setzt – ungeachtet seiner dogmatischen Herleitung – jedenfalls einen rechtswidrigen Eingriff in ein Recht der Antragstellerin, etwa in das Grundrecht der Berufsfreiheit, voraus (vgl. VGH BW, B.v. 21.5.2019 – 9 S 584/19 – LMuR 2019, 170; HessVGH, B.v. 8.2.2019 – 8 B 2575/18 – ZLR 2019, 281). Daran mangelt es hier, denn die beabsichtigte Veröffentlichung ist von § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 LFGB gedeckt.
Nach § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 LFGB informiert die zuständige Behörde die Öffentlichkeit unverzüglich unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, wenn der durch Tatsachen, im Falle von Proben nach § 38 Abs. 2a Satz 2 LFGB auf der Grundlage von mindestens zwei Untersuchungen durch eine Stelle nach Art. 37 Abs. 4 Buchst. e) der Verordnung (EU) Nr. 2017/625, hinreichend begründete Verdacht besteht, dass ein nach Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes nicht zugelassener oder verbotener Stoff in dem Lebensmittel oder Futtermittel vorhanden ist.
Wie das Bundesverfassungsgericht mittlerweile entschieden hat, verstößt § 40 Abs. 1a LFGB – in der heute geltenden Fassung mit einer gesetzlich vorgeschriebenen Befristung von sechs Monaten – nicht gegen das Grundgesetz (siehe BVerfG, B.v. 21.3.2018 – 1 BvF 1/13 – BVerfGE 148, 40). Die Vorschrift ist auch mit dem Europäischen Unionsrecht vereinbar (VGH BW, B.v. 28.11.2019 – 9 S 2662/19 – juris).
Die Voraussetzungen des § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 LFGB sind erfüllt.
Ein durch Tatsachen hinreichend begründeter Verdacht eines Verstoßes durch das Vorhandensein eines nicht zugelassenen Stoffes, hier CBD, im streitigen Produkt liegt vor. Dafür genügen konkrete tatsächliche Anhaltspunkte, dass die jeweiligen Voraussetzungen des Gesetzesverstoßes erfüllt sind, wobei bloße Vermutungen oder theoretische Überlegungen nicht ausreichen (vgl. Boch, Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch, 8. Online-Auflage 2019, § 40 LFGB Rn. 39 ff.).
Die Antragstellerin verstößt durch das Inverkehrbringen ihres „CBD-Hanföls für Kamele ohne THC“ mit dem Inhaltsstoff CBD gegen das Lebensmittelrecht, weil in dem Produkt CBD vorhanden ist, welches in der EU keine entsprechende Zulassung hat.
Nach Art. 6 Abs. 2 VO (EU) 2015/2283 dürfen jedoch nur zugelassene und in der Unionsliste aufgeführte neuartige Lebensmittel nach Maßgabe der in der Liste festgelegten Bedingungen und Kennzeichnungsvorschriften als solche in den Verkehr gebracht oder in und auf Lebensmitteln verwendet werden.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin stellt das streitgegenständliche Produkt „CBD Hanföl für Kamele ohne THC“ ein Lebensmittel im Sinne des Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 178/2002 dar. Das Gericht hat dies bereits in seinem Beschluss vom 26. Oktober 2021 – W 8 S 21.1303 – dargelegt. Auf die dortigen Ausführungen (UA S. 18 f.) wird Bezug genommen:
„Nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 2015/2283 (Novel-Food-Verordnung – NFV) i.V.m. Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 (ABl L 031/1) sind Lebensmittel alle Stoffe, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden.
… Das Gericht hat zu dem – wie oben gezeigt mit dem streitgegenständlichen Produkt nicht identischen – Produkt „CBD-Hanföl für Kamele“ der Antragstellerin in seinem Beschluss vom 10. Februar 2021 – W 8 S 21. 117 – (juris Rn. 28 ff.) ausführlich dargelegt, dass es sich bei diesem Produkt um ein Lebensmittel nach Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 für Menschen und nicht um ein Futtermittel nach Art. 2 Abs. 3 Buchstabe b) der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 handelt, was auch vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 12. August 2021 – 20 CS 21.688 – (juris Rn. 6) bestätigt wurde. Der auf dem streitgegenständlichen Produkt angegebene Zusatz „ohne THC“ und die angegebene abweichende Verzehrempfehlung führen zu keiner anderen Beurteilung. Auf die entsprechenden Ausführungen im Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 10. Februar 20[2]1- W 8 S 21.117 – (juris Rn. 28 ff.) wird deshalb Bezug genommen.“
Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin kann die Bewerbung auf der Plattform YouTube durchaus im Rahmen der Beurteilung der Lebensmitteleigenschaft des gegenständlichen Produkts herangezogen werden, wenn dort als physiologischer Effekt von CBD u.a. ausgeführt wird, dass für Menschen, die Probleme haben, die ganz starke Schmerzen haben, Studien gemacht worden seien. Eine Abstellung auf Verbraucher mit einer entsprechenden Vorprägung ist darin nicht zu sehen. Vielmehr ist unter Beachtung der Social-Media-Aktivitäten des Geschäftsführers von einer Verfestigung der Verkehrsauffassung des durchschnittlich informierten Kunden der Antragstellerin auszugehen, wonach sämtliche dort angebotenen Produkte für die Einnahme durch den Menschen geeignet sind (vgl. VG Würzburg, B.v. 10.2.2021 – W 8 S 21.117 – juris Rn. 30).
Im Ergebnis führt eine Gesamtbetrachtung der Zweckbestimmung, der Kennzeichnung, Aufmachung, Vermarktung und Werbung einschließlich des Zusammenhangs mit weiteren Produkten für exotische Tiere oder Scherzbezeichnungen sowie augenscheinlich auch der Intention der Antragstellerin zur Bejahung der Lebensmitteleigenschaft.
Zudem trägt der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin in der Antragsschrift selbst vor, dass sich die Antragstellerin auf den Vertrieb u.a. von Nahrungsergänzungsmitteln spezialisiert hat und in diesem Zusammenhang auch das Nahrungsergänzungsmittel „CBD Hanföl für Kamele ohne THC“ vertreibt. Nahrungsergänzungsmittel unterfallen jedoch den Lebensmitteln, vgl. § 1 Abs. 1 NemV (Verordnung über Nahrungsergänzungsmittel).
Das Produkt „CBD-Hanföl für Kamele ohne THC“ ist zudem auch neuartig im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EU) Nr. 2015/2283 (Novel-Food-Verordnung).
Danach ist ein Lebensmittel neuartig, wenn es vor dem 15. Mai 1997 nicht in nennenswertem Umfang in der Union für den menschlichen Verzehr verwendet wurde und in mindestens eine der in Art. 3 Abs. 2 Buchst. a Nrn. i bis x der Verordnung (EU) Nr. 2015/2283 genannten Kategorien fällt. Nach dem Gutachten des LGL vom 6. September 2021 ist anhand der Analyseergebnisse davon auszugehen, dass das streitgegenständliche Produkt einen hochgradig aufgereinigten praktisch ausschließlich aus CBD bestehenden Extrakt aus der Hanfpflanze enthält. Das Produkt gehört damit der in Art. 3 Abs. 2 Buchst. a Nr. iv der Verordnung (EU) Nr. 2015/2283 genannten Kategorie an. Diese Kategorie erfasst Lebensmittel, die aus Pflanzen oder Pflanzenteilen bestehen oder daraus isoliert wurden, ausgenommen Fälle, in denen das Lebensmittel eine Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel in der Union hat und das Lebensmittel aus einer Pflanze oder einer Sorte derselben Pflanzenart besteht oder daraus isoliert oder erzeugt wurde, die ihrerseits gewonnen wurde mithilfe von Vermehrungsverfahren, die im Einzelnen genannte Anforderungen erfüllen. Doch auch für den Fall, dass dem Produkt synthetisches Cannabidiol zugesetzt worden sein sollte, läge ein neuartiges Lebensmittel vor, und zwar der in Art. 3 Abs. 2 Buchst. a Nr. i der Verordnung (EU) Nr. 2015/2283 genannten Kategorie.
Die Neuartigkeit eines Lebensmittels muss anhand aller Merkmale dieses Lebensmittels und des hierfür verwendeten Herstellungsvorgangs beurteilt werden (vgl. EuGH, U.v. 15.1.2009 – C-383/07 – juris Rn. 26 f.). Für die Frage der Neuartigkeit eines Lebensmittels kommt es nicht auf den Ausgangsstoff, sondern auf das daraus erzeugte zu beurteilende Produkt an (VG Düsseldorf, U.v. 17.7.2012 – 16 K 4137/11 – juris Rn. 17). Der Umstand allein, dass alle Zutaten, aus denen ein Lebensmittel besteht, in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr in der Gemeinschaft verwendet worden sein mögen, reicht hierbei nicht dafür aus, das Lebensmittel-Enderzeugnis nicht als neuartiges Lebensmittel im Sinne der Novel-Food-Verordnung anzusehen, da nicht ausgeschlossen ist, dass der Herstellungsvorgang in der Struktur eines Lebensmittels zu physikalischen, chemischen oder biologischen Änderungen der verwendeten Zutaten mit möglicherweise schwerwiegenden Folgen für die öffentliche Gesundheit führen kann (EuGH U.v. 15.1.2009 – C-383/07 – juris Rn. 27). Auch kommt es nicht darauf an, ob ein nennenswerter Verzehr der Pflanze oder von Produkten, die die Pflanze enthalten, erfolgt ist (BGH, U.v. 16.4.2015 – I ZR 27/14 – juris Rn. 26). Die Neuartigkeit ist somit produktbezogen zu prüfen. Der Begriff „in nennenswertem Umfang“ darf außerdem nicht nur quantitativ gesehen werden. Eine andere Auslegung würde dazu führen, dass nur von der Mehrheit der Verbraucher verzehrte Produkte kein Novel-Food darstellen (VG Cottbus, B.v. 8.1.2020 – 3 L 230/19 – juris Rn. 18; BayVGH, U.v. 12.5.2009 – 9 B 09.199 – juris Rn. 18). Es ist folglich hier ohne Bedeutung, dass bestimmte aus der Hanfpflanze oder deren Bestandteilen wie Hanfsamen, Hanfsamenöl, Hanfsamenmehl oder fettfreiem Hanfsamenprotein gewonnene Produkte bzw. die Pflanze Cannabis sativa L. eine Verwendungsgeschichte in der EU haben und deshalb nicht als neuartig einzuordnen sind. Es kommt ferner auch nicht auf das konkrete Produktionsverfahren an. Entscheidungserheblich ist allein, ob das hier relevante Endprodukt die Merkmale eines neuartigen Lebensmittels erfüllt (VG Hannover, B.v. 18.11.2019 – 15 B 3035719 – juris Rn. 24; VG Cottbus, B.v. 8.1.2020 – 3 L 230/19 – juris Rn. 18, 25).
Die Voraussetzungen der Ausnahme zu Art. 3 Abs. 2 Buchst. a Nr. iv der Verordnung (EU) Nr. 2015/2283 liegen nach summarischer Prüfung nicht vor. Das streitgegenständliche Produkt wurde vor dem 15. Mai 1997 in der Union nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet.
Maßgebliche Indizwirkung für die Annahme eines neuartigen Lebensmittels kommt dem sogenannten Novel-Food-Katalog der Europäischen Kommission zu, auch wenn dieser als solcher keine rechtliche Bindungswirkung entfaltet (BGH, U.v. 16.4.2015 – I ZR 27/14 – juris Rn. 33; VG Hannover, B.v. 18.11.2019 – 15 B 3035/19 – juris Rn. 26; VG München, B.v. 6.10.2021 – M 26a S 21.4118 – BeckRS 2021, 30611). In die Einträge des Katalogs, der von einer Arbeitsgruppe der Europäischen Gemeinschaft als Orientierungshilfe im Hinblick auf die Verordnung (EG) Nr. 258/97 erarbeitet wurde, fließen die Erkenntnisse der Europäischen Kommission sowie der für neuartige Lebensmittel zuständigen Behörden der Mitgliedsstaaten ein. Nach Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 2015/2283 ist die Europäische Kommission verpflichtet, den Katalog auf dem neuesten Stand zu halten (VG Cottbus, B.v. 8.1.2020 – 3 L 230/19 – juris Rn. 19). Nach aktuellem Eintrag im Novel-Food-Katalog ist in der Europäischen Union der Anbau verschiedener Sorten von Cannabis sativa L. zulässig, sofern sie im Gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten der Europäischen Union („EU’s ‘Common Catalogue of Varieties of Agricultural Plant Species’“) registriert sind und der Gehalt an Tetrahydrocannabinol (THC) 0,2% (w/w) nicht übersteigt. Nur einige bestimmte Produkte, die aus der Cannabis sativa-Pflanze oder Pflanzenteilen gewonnen werden, haben eine Verwendungsgeschichte als Lebensmittel innerhalb der EU und sind daher nicht neuartig, und zwar die Samen, Hanfsamenöl, Hanfsamenmehl, entfettete Hanfsamen („such as seeds, seed oil, hemp seed flour, defatted hemp seed“). Dagegen gelten Extrakte aus Cannabis sativa L. und daraus gewonnene Produkte, die Cannabinoide enthalten, als Novel-Food, da eine Verwendungsgeschichte nicht nachgewiesen werden konnte („extracts of Cannabis sativa L. and derived products containing cannabinoids are considered novel foods as a history of consumption has not been demonstrated“). Dies gilt sowohl für die Extrakte selbst als auch für alle Produkte, denen sie als Inhaltsstoffe zugesetzt werden (z.B. Hanfsamenöl). Dies gilt auch für Extrakte anderer Pflanzen, die Cannabinoide enthalten. Auch synthetisch gewonnene Cannabinoide gelten als neuartig (https://ec.europa.eu/food/safety/novel_food/catalogue/search/public/?event =home& seqfce=72& ascii=C; „Übersetzung“ s. Deutscher Bundestag, Verkehrsfähigkeit von Cannabidiol(CBD)-haltigen Lebensmitteln, 22.7.2019, WD-5-065-19, S. 10 f., vgl. VGH Baden-Württemberg B.v. 16.10.2019 – 9 S 535/19 – juris; OVG Lüneburg, B.v. 12.12.2019 – 13 ME 320/19 – juris).
Ergänzend wird auf die weiteren Ausführungen des Gerichts im Beschluss vom 26. Oktober 2021 – W 8 S 21.1303 – Bezug genommen.
Gegenteilige Anhaltspunkte für eine Bewertung des streitgegenständlichen Lebensmittels als nicht neuartig im Sinne der Novel-Food-Verordnung bestehen nicht. Die Indizwirkung der Eintragung im Novel-Food-Katalog dafür, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Produkt um ein neuartiges Lebensmittel handelt, konnte durch die Antragstellerin nicht widerlegt werden.
Der Verweis der Antragstellerin auf den Erwägungsgrund 17 der Verordnung (EU) Nr. 2015/2283, wonach der Gesetzgeber darauf abstelle, aus welchen Zutaten das Produkt herstelle, geht fehl. Denn die Anwendbarkeit des Erwägungsgrunds 17 der Verordnung (EU) Nr. 2015/2283 setzt gerade voraus, dass es sich um Lebensmittelzutaten handelt, die nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen, also nicht neuartig sind. Dies ist hier nicht der Fall. Dafür sprechen als Indiz die Ausführungen im Novel-Food-Katalog, wonach Extrakte aus Cannabis sativa L. und daraus gewonnene Produkte, die Cannabinoide enthalten, als Novel-Food gelten. Der Bestandteil Cannabidiol ist hiernach gerade neuartig. Nicht ausreichend ist, dass nach dem Novel-Food-Katalog lediglich einige bestimmte Produkte, die aus der Cannabis sativa-Pflanze oder Pflanzenteilen gewonnen werden, nicht neuartig sind (vgl. VG München, B.v. 6.10.2021 – M 26a S 21.4118 – BeckRS 2021, 30611 Rn. 59 ff.). Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin in ihrer Stellungnahme gegenüber dem Landratsamt Würzburg vom 22. September 2021, das Produkt enthalte kein isoliertes Cannabidiol, sondern Hanföl, in dem Cannabidiol einer der Bestandteile sei, ist nach dem Gutachten des LGL vom 6. September 2021 anhand der Analyseergebnisse davon auszugehen, dass das streitgegenständliche Produkt einen hochgradig aufgereinigten, praktisch ausschließlich aus CBD bestehenden Extrakt aus der Hanfpflanze enthält.
Nach dem von der Antragstellerin in Bezug genommenen Gutachten der CIS … … … … GmbH wurden Hanfblüten und Hanfblätter sowie deren Extrakte, aber insbesondere auch Hanfsamenöl, bereits vor Mai 1997 in kommerziellem („nennenswerten“) Umfang im Lebensmittelbereich in der EU verwendet. Ein Beleg hierfür bzw. ein Bezug zu dem streitgegenständlichen Produkt, welches nicht mit einem herkömmlichen Hanfsamenöl vergleichbar ist (vgl. Stellungnahme des LGL vom 4. November 2021), sind in dem Auszug jedoch nicht enthalten. Zudem betrifft der zitierte Auszug Lebensmittelaromen (Art. 2 Abs. 2 lit. b Ziffer iii der Verordnung (EU) Nr. 2015/2282) sowie Arzneimittel, für die die Novel Food-VO nicht gilt (vgl. VG München, B.v. 6.10.2021 – M 26a S 21.4118 – BeckRS 2021, 30611 Rn. 54 m.w.N.). Die fehlende Neuartigkeit des streitigen Produkts ergibt sich demnach nicht aus dem Gutachten.
Handelt es sich nach alledem bei dem konkret streitgegenständlichen Produkt „CBD-Hanföl für Kamele ohne THC“, um ein neuartiges Lebensmittel, das jedoch noch nicht zugelassen und auf der Unionsliste aufgeführt ist, bestand auch ein Verbot, dieses als solches in den Verkehr zu bringen und als Lebensmittel zu verwenden (Art. 6 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 2015/2283), sodass die Tatbestandsvoraussetzungen von § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 LFGB erfüllt sind.
Das Vorbringen der Antragstellerin im vorliegenden Verfahren führt zu keiner anderen Beurteilung.
Eine Gesundheitsgefahr bzw. ein Gesundheitsrisiko ist weder Voraussetzung für die Neuartigkeit eines Lebensmittels noch für die Annahme eines Rechtsverstoßes und für eine darauf bezügliche Information nach § 40 Abs. 1a LFGB Voraussetzung (OVG NRW, B.v. 14.3.2019 – 13 B 67/19 – LMuR 2019, 178). Dass die Rechtsverstöße nicht unbedingt mit einer Gesundheitsgefährdung verbunden sein müssen, begegnet grundsätzlich auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, weil auch der Schutz vor Täuschung und die Ermöglichung eigenverantwortlicher Konsumentscheidungen legitime Zwecke des Verbraucherschutzes sind (VG Oldenburg, B.v. 18.1.2019 – 7 B 4420/18 – LRE 77, 354 mit Verweis auf BVerfG, B.v. 21.3.2018 – 1 BvF 1/13 – BVerfGE 148, 40). Denn die Informationen nach § 40 Abs. 1a LFGB dienen nicht nur der Abwehr einer konkreten Gesundheitsgefährdung der Verbraucher. Vielmehr sollen die Informationen in erster Linie eine hinreichende Grundlage für eigenverantwortliche Konsumentscheidungen der Verbraucher schaffen sowie – nachrangig – (quasi erzieherisch) zur Einhaltung der Bestimmungen des Lebensmittel- und Futterrechts beitragen. Der drohende Nachteil der Informationsverbreitung soll das Einzelunternehmen dazu veranlassen, den Betrieb in Einklang mit den lebensmittel- und futtermittelrechtlichen Bestimmungen zu betreiben (OVG NRW, B.v. 15.1.2019 – 13 B 1587/18 – ZLR 2019, 287). Die Ausführungen des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin zu einem etwaigen Gesundheitsrisiko durch das streitige Produkt sind somit vorliegend nicht entscheidungserheblich.
Die Überschreitung einer Erheblichkeitsschwelle ist kein Tatbestandsmerkmal des § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 LFGB. Die von der Antragstellerin in Bezug genommenen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Erforderlichkeit von besonders nachteiligen Folgen für den einzelnen Verbraucher (BVerfG, B.v. 21.3.2018 – 1 BvF 1/13 – juris Rn. 54) beziehen sich auf § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB in der Fassung vom 3. Juni 2013.
Weiter steht auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einer Veröffentlichung hier nicht entgegen. § 40 Abs. 1a LFGB verpflichtet die zuständige Behörde – im Gegensatz zu § 40 Abs. 1 LFGB – zwingend zu einer Veröffentlichung von nach dieser Norm festgestellten Verstößen. Wegen der erheblichen Grundrechtsrelevanz einer derartigen Veröffentlichung, wird diese zwingende Verpflichtung durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingeschränkt (vgl. Rathke in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Werkstand 179. EL März 2021, § 40 LFGB Rn. 81). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wurde vorliegend aber nicht verletzt. Zunächst ist der Grundrechtseingriff hier bereits von vorneherein dadurch relativiert, dass die Antragstellerin negative Öffentlichkeitsinformationen durch ihr rechtswidriges Verhalten selbst veranlasst hat, umgekehrt also den Eingriff durch rechtstreues Verhalten hätte verhindern können, und dass ihr Fehlverhalten angesichts seiner Konsequenzen für die Verbraucherinnen und Verbraucher einen Öffentlichkeitsbezug aufweist (BVerfG B.v. 21.3.2018 – 1 BvF 1/13 – NJW 2018, 2109 Rn. 36). Weiterhin stellt sich die Veröffentlichung auch im Hinblick auf eine Beeinträchtigung von Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 19 Abs. 3 GG als angemessen dar. Die geplante Veröffentlichung greift lediglich in die Art und Weise der Berufsausübung ein, die durch vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls gerechtfertigt werden kann (st. Rspr. seit BVerfG, U.v. 11.6.1958 – 1 BvR 596/56 – BVerfGE 7, 377). Solche Allgemeinwohlerwägungen liegen hier im öffentlichen Interesse der Verbraucher an der Information über Verstöße gegen das Lebensmittelrecht – auch im Hinblick auf die Ermöglichung eigenverantwortlicher Konsumentscheidungen – vor. Dieses besteht auch vor dem Hintergrund, dass das Produkt nicht mehr über den Online-Shop der Antragstellerin bestellbar ist. Denn nach dem unwidersprochenen Vortrag des Antragsgegners ist die Antragstellerin der Anordnung der Information der Wiederverkäufer über das Inverkehrbringungsverbot bisher nicht nachgekommen, so dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Produkt weiter in den Verkehr gelangt. Für ein öffentliches Interesse an der Veröffentlichung spricht zudem das Haltbarkeitsdatum bis 6. Mai 2023, weil so davon auszugehen ist, dass nicht bereits sämtliche veräußerten Produkte von den Erwerbern bereits vollständig verbraucht sind (vgl. zum umgekehrten Fall OVG NRW, B.v. 15.1.2019 – 13 B 1587/18 – ZLR 2019, 287). Für die Veröffentlichung ist – wie bereits ausgeführt – ferner nicht nötig, dass eine Gesundheitsgefahr von dem fraglichen Produkt ausgeht (vgl. BVerfG, B.v. 21.3.2018 – 1 BvF 1/13 – juris Rn. 49).
Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin verdeutlicht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 21. März 2018 – 1 BvF 1/13 – (juris) nicht, dass die Veröffentlichung ohne Vorliegen von Gesundheitsrisiken unverhältnismäßig ist. Denn nach dem Bundesverfassungsgericht hat zwar die Förderung der Einhaltung solcher Vorschriften, die dem Schutz vor Gesundheitsgefahren dienen, größeres Gewicht (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) als die bloße Verbraucherinformation über (behobene) Hygienemängel. Allerdings kämen auch dem Verbraucherschutz vor Täuschung und das Ziel, deren Wissensgrundlage für eigenverantwortliche Entscheidungen zu verbessern, verfassungsrechtliche Bedeutung zu (BVerfG, B.v. 21.3.2018 – 1 BvF 1/13 – juris Rn. 33). Zudem geht es hier nicht lediglich um die Information über bloße Hygienemängel.
Aus dem von der Antragstellerin weiterhin zitierten Beschluss des OVG NRW, B.v. 15.1.2019 – 13 B 1587/18 – (juris) zu einer beabsichtigten Internetveröffentlichung des Produktes Kulturheidelbeeren in Bezug auf die Überschreitung des für DEET geltenden Grenzwerts ergibt sich die Unverhältnismäßigkeit einer beabsichtigten Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a Nr. 1 LFGB a.F. infolge der fehlenden Eignung der vorgesehenen Informationen zur Gewährleistung der Erfüllung des gesetzlichen Informationszwecks, der im konkreten Fall bereits weitgehend eingetreten war, und der Vermeidung von Fehlvorstellungen der Verbraucher. Vorliegend ist jedoch der Zweck der Verbraucherinformation durch die beabsichtigte Veröffentlichung noch erfüllbar. Denn nach dem Vorbringen des Antragsgegners kann derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass das Produkt weiter in den Verkehr gelangt bzw. noch verbraucht wird.
Schließlich bestehen gegen die Art und Weise der geplanten Veröffentlichung keine Bedenken.
Die Veröffentlichung erfordert vorliegend keinen Hinweis zur Mängelbeseitigung gemäß § 40 Abs. 4 Satz 2 LFGB. Denn der Verstoß besteht trotz dessen, dass das Produkt nicht mehr über den Online-Shop der Antragstellerin bestellbar ist, weiter. Der Anordnung der Information der Wiederverkäufer wurde bislang nicht nachgekommen, so dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Produkt weiter in den Verkehr gelangt. Es kann zudem nicht davon ausgegangen werden, dass sämtliche Produkte von den Erwerbern bereits vollständig verbraucht sind. Ein Nachweis für die Mängelbeseitigung, der vom betroffenen Lebensmittelunternehmer zu erbringen ist, (vgl. Rathke in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Werkstand 179. EL März 2021, § 40 LFGB Rn. 77), fehlt vorliegend jedoch. Nach den Ausführungen des Landratsamtes Würzburg in seiner Antragserwiderung vom 9. November 2021 wird die Veröffentlichung um den Zeitpunkt der Behebung ergänzt, sobald sichergestellt sei, dass das Produkt tatsächlich nicht mehr in den Verkehr gelange.
Des Weiteren bestehen auch keine rechtlichen Bedenken, dass die beabsichtigte Veröffentlichung nicht unverzüglich im Sinne von § 40 Abs. 1 Satz 1 LFGB ist (vgl. dazu etwa VG Frankfurt, B.v. 12.12.2019 – 5 L 3285/19.F – juris; VG Würzburg, B.v. 20.1.2020 – W 8 E 19.1661 – juris). Anhaltspunkte für ein „schuldhaftes Zögern“ (vgl. § 121 Abs. 1 BGB) seitens des Antragsgegners sind nicht ersichtlich.
Schließlich bestehen gegen die Art und Weise der geplanten Veröffentlichung keine Bedenken. Der Inhalt der Veröffentlichung ist nicht einheitlich vorgegeben. Die Information nach § 40 Abs. 1a LFGB wird einschließlich zusätzlicher Informationen nach Abs. 4a sechs Monate nach der Veröffentlichung gemäß § 40 Abs. 4a LFGB automatisch entfernt. Im Übrigen hat der Gesetzgeber außer der Bezeichnung des Lebensmittels und der Nennung des Lebensmittelunternehmens keine weiteren konkreten Vorgaben gemacht, so dass die Ausgestaltung der Darstellung im Wesentlichen dem Antragsgegner obliegt. Eine Veröffentlichung ist nicht zu beanstanden, wenn sie inhaltlich richtig ist und möglichst schonend für den Betroffenen erfolgt sowie dem Zweck der Vorschrift dient. Einzelne Normen müssen nicht zwingend bezeichnet werden (vgl. NdsOVG, B.v. 16.1.2020 – 13 ME 394/19 – juris; VGH BW, B.v. 28.11.2019 – 9 S 2662/19 – juris; BayVGH, B.v. 28.11.2019 – 20 CE 19.1995 – juris; VG Freiburg, B.v. 30.4.2019 – 4 K 168/19 – juris; vgl. auch BVerfG, B.v. 21.3.2018 – 1 BvF 1/13 – BVerfGE 148, 40). Die Umschreibung des Verstoßes mit der am Gesetzeswortlaut angelehnten Formulierung „nicht zugelassener oder verbotener Stoff“ ist auch für den juristischen Laien hinreichend verständlich (vgl. auch OVG NRW, B.v. 14.3.2019 – 13 B 67/19 – LMuR 2019, 178).
Nach alledem war der Antrag abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 und 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Sie richtet sich nach dem Auffangstreitwert, weil die wirtschaftlichen Auswirkungen der Veröffentlichung nicht im Einzelnen beziffert werden können (vgl. Nr. 25.2 des Streitwertkatalogs). Der Auffangstreitwert von 5.000,00 EUR war im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs zu halbieren, so dass ein Streitwert von 2.500,00 EUR festzusetzen war.


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